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Jungkook

01:32.

Ich stand nur wenige Meter vor diesem Anwesen entfernt welches mir hoffentlich bald meine offenen Fragen beantworten würde und schlich vorsichtig an der Mauer entlang um mich unbemerkt dem riesigen Haus zu nähern. Mein Nachtsichtgerät half mir dabei mich in der völligen Dunkelheit zurechtzufinden.
Die Überwachungskameras waren dabei keine wirkliche Herausforderung. Interessant wurde es bei den ganzen hoch bewaffneten Männern die ihre Runden ums Haus zogen und es streng bewachten, als gäbe es mehr als die Sicherheit des Firmeninhabers und dessen Sohn zu gewehrleisten.

Aber was war das schon für ein Hindernis? Dank meiner herausragenden Fähigkeiten war ich klar im Vorteil. Meine Sinne waren durch jahrelanges Training außergewöhnlich scharf, nicht der leiseste laut, nicht die kleinste Bewegung blieb von mir unbemerkt. Das war schon recht praktisch wenn man versuchte in so ein hoch gesichertes Anwesen einzubrechen wie dieses hier.

Ich beobachtete die Männer und bemerkte in ihrer Handlungsweise schnell ein gewisses Muster, welches sich immer wiederholte. Als ich mir sicher sein konnte das niemand in der Nähe war, sprang ich die Mauer hoch, hievte mich darüber und rannte anschließend zu einem kleinen Busch. Ich duckte mich dort und lief erst weiter, sobald die Luft rein war. Wann auch immer es nötig wurde, versteckte ich mich, versiegte meinen Atem komplett und wurde praktisch eins mit dem Schatten.

Meine Muskeln waren dauerhaft angespannt aber ich liebte diesen Adrenalinschub, den Kick den ich dabei erhielt war besser als jedes Gefühl das ich kannte. Mit wachen Auge beobachtete ich meine Umgebung genau, scante jede noch so Kleinste Bewegung oder auch nur Veränderung und umrundete das Anwesen in deren Schatten ich mich versteckt hielt und nahm an der Seitenwand des Hauses einen geschützten Platz ein. Von dort verlor ich zwar die Sicht auf die Kameras aber ich entdeckte dafür ein offen stehendes Fenster. Die bleiche Mondsichel wurde von dichten Wolken bedeckt, ließen ein seltsam schwummrigen Nebel entstehen.

Ein Lächeln zierte meine Lippen. Es war auf jedenfall eine schaurige Nacht für eine schaurige Tat. Ich fixierte das Fenster, vergewissterte mich vorher noch das ich nicht entdeckt wurde und fing an mich an der steinernen Mauer hinauf zu klettern. Mein Vorhaben war gefährlich, denn zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Sichtschutz aber Niemand der nicht gezielt nach mir suchte, würde mich entdecken.

Es war mühselig sich an der Fassade hochzuhangeln. Ich suchte etwas an dem ich mich gut festhalten konnte und letztlich war es meiner puren Kraft und Ausdauer zu verdanken die mich bis nach ganz oben brachte. Aufmerksam spähte ich durchs offene Fenster. Es war dunkel und leer. Vorsichtig hielt ich mich am Rahmen fest, zog mich hoch und stieg ein.

Mit angehaltenen Atem lauschte ich. Ich hörte Stimmen, männliche, sie kamen aus dem Nebenzimmer. Heute war ich nicht gekommen um ein Massaker zu veranstalten - eigentlich viel zu schade. Es war echt schon eine Weile her seit ich eines meiner Opfer meine Initialen ins Fleisch eingravieren konnte.

Lag vielleicht aber auch an meiner derzeitigen Unfähigkeit, wie Min behauptete.

Schnauben fuhr ich meinen Einbruch fort und sah mich im Raum genauer um. Sah nach einem fancy Büro aus. Riesig, geräumig und edel. Ich verzog die Mundwinkel. Über Geschmack ließ sich bekanntlich streiten aber ich war ja nicht hier um über die Einrichtung zu sprechen.

Ich war hier weil es mich nicht mehr in Ruhe ließ. Trotzt Mins nervigen Protesten, trotz meines Verstands - welches mir deutlich sagte, das dies hier nicht mein Problem war, stand ich hier und steckte meine Nase noch tiefer in Blondschopfs Angelegenheiten. Als hätte ich nichts besseres zu tun.

Ich hätte ihn wirklich töten sollen, solange ich die Chance dazu hatte.

"-Ich sag es dir doch Appa, das kann doch kein Zufall sein!"

"Du spinnst dir nur etwas zusammen, Sohn. Wieso soll der Reaper ausgerechnet etwas von dir wollen? Deine Drogen?" der alte Mann lachte trocken. Der Sohn schien hörbar betroffen. Ich horchte auf und näherte mich der Tür um mehr von dem Gespräch mitzubekommen. Die Stimmen klangen gedämpft. Es war schwer etwas genaueres herauszuhören doch die Richtung in der es ging machte mich hellhörig.

"Er hätte Jin fast getötet! Wieso verfolgt er mich? Ich hab doch nichts getan!"

"Der Reaper tötet im Auftrag, du Idiot! Er war da bestimmt nicht um dich oder deinen Lover zu töten." herrschte der Vater und ich presste die Lippen zusammen, lauschte noch angestrengter.

"Was macht dich da so sicher Appa? Was wenn er doch noch kommt und mich töten will... oder sogar Jin?!" pure Panik war in der Stimme des Sohnes zu hören. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Zu gerne hätte ich sein angstvolles Gesicht gesehen.

"Was soll er mit dir? Du bist nicht interessant genug. Niemand würde einen Gewinn aus deinem Tod ziehen, Sohn."

"A-aber das kann doch alles kein Zufall sein. Meine besten Männer sind jetzt Tod und die Aufzeichnungen von den Überwachungskameras sind manipuliert worden!" das war in der Tat auffällig und der Vater hielt eine schweigsame Pause, ehe er nachdenklich fortfuhr.

"Zufall? An Zufall glaub ich nicht." er lachte leise und gerissen, was den Sohn noch mehr verwirrte.

"Also gibst du mir doch Recht?!"

"Nein." entgengeter der Vater fest.

"Ich versteh nicht-!"

"Musst du auch nicht mein Sohn. Es reicht wenn ich es verstehe."

Ich zog mich zurück. Dieses Gespräch brachte mich nicht wirklich weiter und erklärte nicht wirklich mehr, also begann ich das Büro zu durchsuchen, solange ich noch die Chance dazu hatte. Ich ging die Bücherregale durch, nichts nennenswertes zu entdecken also begab ich mich direkt zum Schreibtisch. Ich öffnete die erste Schublade und fand nur sinnlosen Kleinkram, also zog ich die zweite Schublade auf und stieß auf etwas wesentlich interessanteres.

Akten. Unzählige Akten.

Ich zog eine hervor und blätterte sie lose durch. Ich wurde stutzig. Stirnrunzelnd griff ich schnell nach einer zweiten und dritten und vierten.

"Was-" es ratterte unaufhörlich in mir. Das konnte unmöglich-

Ich ließ die Akten fallen und griff zur untersten Schublade. Es war wie ein böses Omen. Ich griff hinein und zog ganz langsam ein... Bild hervor. Ein heftiger Ruck ging durch mich durch und ich ließ von der Schublade ab.

Meine Hand zitterte. Nein...

Ich wusste nicht wann ich zuletzt solch starke Emotionen gespürt hatte aber ich war für einen Augenblick wie erstarrt. Das Entsetzen lähmte mich. Machte mich handlungsfähig und komplett schutzlos.

Ich versuchte dem schmerzhafte hämmern in meiner Brust einhalt zu gebieten, zu beruhigen aber meine Hände hielten nicht still, zitterten weiter und ich strauchlte einige Schritte zurück.

Ich spürte ein unglaublich starken Drang jemanden zu verletzen. Blut und Leid wollte ich sehen. Zeitgleich erfasste mich eine extreme Übelkeit die mir nicht fremd vorkam und mich in einen Zustand versetzte der ich nicht entkommen konnte, einen Zustand den ich nur zu gut kannte.

Die Fessel waren unsichtbar, hielten mich nach all den Jahren wohl immer noch gefangen.

...

Ohne stillstand sprang ich über die hohen Dächer, außer Atem und von einem unverheilten tiefen Schmerz gepeinigt legte ich keine Pause ein. Ich zog die Kapuze tief über mein Gesicht, versicherte mich das die Maske mein Gesicht bedeckte. Meine Emotionen versteckte.

Inzwischen hatten sich die Wolken zu einer düsteren Schicht zusammengezogen und es regnete. Ich hörte das Grollen des Donners in der Ferne und blieb auf einen der Dächer stehen. Mein Atem rasselte, mein Brustkorb hob und senkte sich krampfhaft schnell und trotzdem bekam ich nicht genügend Luft.

Genau als ein Blitz den Himmel zum leuchten brachte, kehrte ein kleiner Funken meiner verdrängten Erinnerung zurück. Erinnerungen die ich am liebsten in der tiefen Versenkung gelassen hätte.

Diese ganzen neu entstandenen Situationen machten es mir unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen. Ich war nicht im Stande dazu. Es war erschreckend, frustrierend. "aiishh..."
Der Regen prasselte erbarmungslos auf mich nieder, durchweichte meine Kleidung bis auf die Knochen aber ich spürte die Kälte nicht.

Ich war schon zu lange tot um noch irgendetwas zu spüren.

Geistesabwesend setzte ich mir den Ohrstecker ins Ohr und erwartete das Min mich furios anschrie, mich wütend beschimpfte aber er seufzte nur geschlagen.

"Jeon, ich will ihn da nicht mit hineinziehen. Ich hab ihn die ganzen Jahre aus diesem verfickten scheiß herausgehalten. Ich hab ihn absichtlich verletzt, damit er in Sicherheit ist. Und was tu ich jetzt? Wenn ich ihm alles erzähle... Ich kann ihn dann nicht länger beschützen."

Herrje, sentimentaler Min war ja noch viel schrecklicher zu ertragen. "Ich weiß und ich wünschte ich könnte etwas daran ändern. Du steckst in dieser ganzen Scheiße nur wegen mir fest und auch wenn es schwer zu glauben ist. Es tut mir leid und wenn ich-"

"Oh urks... Jeon. Ein auf Nett tun steht dir absolut gar nicht. Hinterlass deinen Schleim irgendwo anders, okay?! ...Ist ja widerlich." spuckte er mir angewidert entgegen, was mich im Endeffekt schmunzeln ließ. So war er mir auch tausendmal lieber.

Doch dann senkte ich den Kopf und das Lächeln zerfiel von meinen Lippen. "Min.... was weißt du eigentlich über unseren Auftraggeber?"

"Hm?" diese Frage hatte er definitiv nicht kommen sehen, er wirkte überrascht und haderte deswegen ein wenig mit der Antwort. "Eh... Eigentlich nicht wirklich viel. Ich erhalte die Aufträge immer über ein Einmalhandy das sich nach dem Anruf komplett abschaltet. Ich kann es daher auch nicht orten. Wieso fragst du mich das plötzlich?"

Das passte alles irgendwie nicht zusammen. Ich wusste nicht wo der Haken war und das störte mich gewaltig. "Ich hab das Gefühl irgendwer spielt mit mir."

"Was redest du da? Wer würde es wagen mit dem Reaper zu spielen?" Min fand es aufgrund dieser großen Absurdität lustig, nur mir war nicht wirklich nach Lachen zu Mute.

"Ich weiß es nicht... Ich hab nur so eine dunkle Vorahnung." ich versuchte die Gedanken wieder abzuschütteln und fragte mich was Blondschopf wohl gerade tat. Bei der Polizei schien er noch nicht gewesen zu sein und aus einem bedeutungslosen Impuls heraus kletterte ich weiter über die Dächer, bis ich an seinem Haus ankam. Den Ohrstecker hatte ich bereits entfernt und obwohl Min mir davon abriet hier zu dieser späten Stunde aufzukreuzen, hörte ich natürlich mal wieder nicht auf ihn.

Ich hockte mich hin, fühlte immer noch nichts außer der durchtränkten Nässe und beobachtete Blondschopf durch das Fenster. Er saß auf dem Bett und schien das aufgezogen Gewitter zu betrachten, welches die Nacht mit ihren Blitzen erhellte. Seine Miene wirkte erstarrt, ausdruckslos und vollkommene leer.

Der Regen prasselte unbarmherzig gegen das Fenster aber er zuckte nicht einmal als ein weiterer Blitz einschlug und sekundenlang die Umgebung erhellte. Vielleicht war es Einbildung gewesen aber ich glaubte etwas in seinen Augen erkannt zu haben. Sie weiteten sich, sobald sie in genau die Richtung sahen, in der ich mich befand. Shit. Aber noch bevor er vom Bett aufstehen konnte, war ich bereits fort.

Das war wirklich keine gute Idee gewesen. Aber mittlerweile war mein System völlig durcheinander geraten. Ich dachte nicht länger durchgängig wie ein Killer. Ich fühlte nicht durchgängig wie ein Killer - aber war es nicht das einzige was ich noch hatte? Ich tötete Menschen, zeigte kein funken Mitleid. So Jemand wie ich besaß kein Leben mehr.

Ich hatte jegliches Anrecht auf ein normales Leben schon vor lange Zeit verloren.

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Habt ihr Mitleid mit JK?

In den nächsten Kapiteln wird auch wieder mehr passieren. ☝️

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