Kapitel 5

Die Kammer des Schreckens

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Harry war der felsenfesten Überzeugung, Draco sei der Erbe Slytherins. Ron hatte mich gefragt, ob ich nicht versuchen könnte, etwas herauszufinden. Daraufhin musste ich ihm erklären, dass Malfoy und ich nun zwar Waffenstillstand hätten, aber keine Freunde waren. Wenn er also etwas über die Kammer des Schreckens wusste, die geöffnet wurde, würde er es eher Crabbe und Goyle anvertrauen als mir. Vermutlich würde er es jedem eher anvertrauen als mir.

Apropos Waffenstillstand: Harry war sauer auf mich. Er sagte es zwar nicht, aber er fühlte sich verraten, weil ich mich nun mit Malfoy verstand. Einigermaßen, zumindest. Nach der Strafarbeit bei Snape haben wir kaum noch ein Wort gewechselt. Das scheint im ersten Moment nicht wirklich etwas Gutes zu sein, aber meiner Meinung nach ist es besser, als wenn wir uns anfeinden und beleidigen. Oder nicht?

Hermine und ich hatten die Idee, einen Vielsafttrank zu brauen. Da dies allerdings einen Monat dauern würde, waren wir in dieser Zeit machtlos gegen die Angriffe, die auf die Hogwartsschüler ausgeübt worden waren.

Am Tag des Quidditchspiels von Slytherin gegen Gryffindor erwachte ich recht früh. Wie üblich wollte ich mich erst fertigmachen und dann meine Zimmergenossinnen (darunter Daphne) wecken, doch auf dem Weg ins Badezimmer fiel mir auf, dass Daphnes Bett leer war. Schnell lief ich zu Millicents Bett und rüttelte sie wach. "Was... Man, Clover, es ist noch viel zu früh", gähnte sie.

Millicent Bulstrode und ich waren keine Freundinnen, aber Feinde auch nicht. Dennoch schien sie mir gerade nicht wohlgesonnen, aber das war mir egal. "Daphne ist weg", erklärte ich und rüttelte wieder an Millicents Schulter.

Genervt öffnete diese die Augen. "Und? Vielleicht ist sie beim Frühstück."

"Um halb sechs am Morgen?" Zweifelnd sah ich Millicent an und auch ihr schienen nun Zweifel zu kommen. Wir machten uns fertig und verließen den Schlafsaal um halb sieben, um Daphne zu suchen.

Wir fanden sie auch - versteinert auf dem Boden vor der Mädchentoilette.

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Beim Spiel konnte ich mich kaum konzentrieren. Millicent und ich hatten Daphne sofort zu Madame Pomfrey in den Krankenflügel gebracht, welche kopfschüttelnd und besorgt sofort irgendwelche Tränke gebraut und uns aus dem Raum gejagt hatte.

Als Jordan Lees Stimme rief, dass Slytherin noch ein Tor erzielt hatte, beschloss ich, das Spiel zu verfolgen, um mich von Daphne und diesem ganzen Kammer-des-Schreckens-Mist abzulenken. Es stand neunzig zu dreißig für mein Haus. Natürlich würde ich es Harry gönnen, wenn er den Schnatz fing, aber mehr würde ich mich freuen, wenn mein Haus gewänne.

Da Malfoy nun unser Sucher war, sollte sich dies allerdings als schwierig herausstellen. Statt sich auf das Spiel zu konzentrieren, waren er und Harry eher aufeinander fixiert und darauf, besser zu sein als der andere. Kopfschüttelnd murmelte ich Fluchwörter vor mich her, als Draco und Harry, die sich in der Luft gegenüber waren, "unterhielten". Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber ich konnte es mir denken.

"Er soll sich auf den Schnatz konzentrieren", gab Blaise neben mir zähneknirschend von sich.

Ich stimmte ihm zu. "Das Spiel ist entscheidend, da gibt es echt Wichtigeres als ihre blöden Machtkämpfe."

Was eigentlich ironisch war, denn beim Quidditch an Hogwarts ging es schon immer um diese eine Sache: Welches Haus am besten war.

"Dracos Vater schaut auch zu", erzählte Blaise mir und deutete auf die Tribüne, auf der die Lehrer saßen. Tatsächlich. "Das macht es noch wichtiger, dass er den Schnatz vor Potter erwischt."

Fragend sah ich Blaise an. "Was meinst du?" Er zögerte. "Spuck's aus, Zabini!", drängte ich ihn ungeduldig. Er seufzte und erklärte: "Er ist recht streng. Wenn Draco, oder halt Slytherin, das Spiel verliert, rate mal, was er sich dann anhören muss."

Ich antwortete nichts mehr darauf, sondern wagte einen weiteren Blick zu Dracos Vater, bevor ich mich wieder dem Spiel widmete. Oliver Woods Besen wurde gerade von einem Klatscher getroffen, welcher dann hinter Harry herflog. "Da ist doch was faul", murmelte ich. Ein Blick zu Seiten der Gryffindors verriet mir, dass auch Ron, Hermine und Hagrid das merkwürdige Verhalten des Balls bemerkt hatten. Jemand hatte ihn verhext, da war ich sicher, denn er war nur noch auf Harry fixiert.

Dieser lieferte sich gerade ein Wettfliegen um den Schnatz mit Draco.

Eine Weile konnten wir die beiden nicht mehr sehen, bis Malfoy plötzlich von unter den Tribünen nach oben geschleudert wurde und in hohem Bogen aufs Feld fiel. Mit schmerzverzerrtem Gesicht lag er da und bewegte sich nicht von der Stelle.

Blaise und ich sogen scharf die Luft ein vor Schreck. Ein Blick in Malfoys Richtung (also, Dracos Vater) verriet mir, dass dieser beschämt war. Beschämt, weil sein Sohn sich verletzt hatte. "Mistkerl", knurrte ich. Kein Wunder, dass Draco so ein Arsch war. Wie der Vater, so der Sohn.

"Ich hab's dir ja gesagt", meinte Blaise, der sich denken konnte, von was ich sprach.

Auch Harrys Arm wurde vom Klatscher getroffen, bevor er den Schnatz dann doch fing. Kurz darauf stürzte Harry ebenfalls von seinem Besen. Sofort standen Hermine, Ron, Hagrid, ich und ein paar andere auf und liefen zu ihm aufs Feld.

Lockhart, der darauf bestand, Harrys Arm zu richten, hob seinen Zauberstab an. "Ich kann nicht hinsehen", würgte ich hervor und drehte den Kopf weg. Dabei sah ich Draco, der immer noch allein auf dem Feld lag.

Geschockte Laute meiner Gryffindorfreunde ließen meinen Kopf wieder herumfahren. Als ich Harry ansah, war dessen Handgelenk nach hinten auf seinen Arm gebogen. "Ich wusste es", murrte ich und schlug mir mit der Hand an die Stirn. Lockhart warf mir einen bösen Blick zu, sagte aber nichts.

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Nachdem Madame Pomfrey Harry einen - scheinbar widerlichen - Trank wegen seiner Schmerzen und entfernter Knochen gegeben hatte, sollten wir den Krankenflügel verlassen, damit Harry sich ausruhen konnte.

Im Vorbeigehen spähte ich zu Malfoy hinüber, der mit seinen Freunden nun auch den Krankenflügel verließ, weil Madame Pomfrey sie und Draco hinausscheuchte.

Auf den Fluren verabschiedete ich mich eilig von Hermine und Ron. "Ich komme später zu euch, geht ruhig vor. Ich muss noch etwas erledigen." Sie nickten etwas zögerlich und gingen.

Ich schlug die entgegengesetzte Richtung ein und holte zu Malfoy und den restlichen Slytherins auf. "Hey, Blondie!" Während die anderen weiterliefen, blieb Draco verwirrt stehen. Als er mich entdeckte, verzog er das Gesicht. "Du bist doch auch blond."

"Aber ich sehe damit wenigstens gut aus", erwiderte ich schulterzuckend.

Draco verdrehte die Augen. "Haha."

"Das war kein Witz."

Er stieß mich an der Schulter an. "Hör auf, schon wieder so zu sein."

Ich lachte. "Sorry. Wie geht's dir?"

Er schien ehrlich überrascht wegen der Frage, bevor er mir dann lang und breit auflistete, wie blöd Harry doch sei und wie unfähig Madame Pomfrey, weil sie ihn zu früh weggeschickt hatte, und dann hielt er mir einen Monolog über seine Schmerzen. "Wow", sagte ich am Ende bloß. "Du bist also wirklich ein Weichei."

Sprachlos sah er mich an, während ich lachend den Weg zur großen Halle fürs Mittagessen einschlug.

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