Kapitel 33
Das sechste Schuljahr
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Geradeso konnte ich noch die Augen offenhalten und schob das Rührei mit Speck auf meinem Teller hin und her.
"Erde an Ivy? Hallo?" Daphne fuchtelte vor meinem Gesicht herum.
"Hm?" Entschuldigend blinzelte ich sie an.
Seufzend widerholte sie: "Ich sagte: Dreh dich nicht um, aber Malfoy kommt auf dich zu."
Ich verdrehte die Augen. "Großartig... Wusstest du, dass er dieses Jahr mit Pansy Vertrauensschüler ist?"
"Jep..." Seufzend schlug sie den Tagespropheten auf, da setzte Draco sich zu uns, bevor ich den bissigen Kommentar, der mir auf der Zunge lag, aussprechen konnte.
"Hey", murmelte er, setzte sich mir gegenüber auf die Bank und nahm sich etwas zu Essen. Ich antwortete nicht, weil ich erneut gähnen musste. Draco sah mich schief an. "Was glotzt du so?", murmelte ich.
Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. "Tu ich nicht."
Ich hob eine Braue, sagte aber nichts.
Daphne hustete gekünztelt, sodass nur ich ihre Worte hören konnte. "Sexuelle Spannung..." Ich warf ihr einen Todesblick zu, der jedoch zu Malfoy wanderte, als dieser sagte: "Isst du denn nichts?" Mit seiner Gabel deutete er auf meinen unberührten Teller.
Ich zuckte mit den Schultern. "Keinen Hunger..."
"Was? Ivy und keinen Hunger? Da könntest du mir genausogut verklickern, dass Longbottom ein Gehirn hat."
Ich schnaubte, sagte aber nichts und tat, als würde ich nicht bemerken, wie Daphne Draco einen Blick zuwarf, der soviel heißen sollte wie: "Mach mal was sinnvolles!"
Draco seufze, nahm meine Gabel und piekste ein Stück Ei auf, das er mir dann vor die Nase hielt. Fragend schielte ich auf das Essen vor mir. "Was soll das werden?"
"Ich will, dass du etwas isst."
"Ich möchte aber nichts essen."
"Das war keine Bitte, Clover."
Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Zwing mich doch."
Draco überlegte kurz, schließlich ließ er die Gabel sinken und nahm eine Schüssel voll Schokopudding, die er mir unter die Nase hielt. "Du liebst den doch."
Ich reagierte nicht.
Draco verlor langsam die Geduld. "Clover, iss gefälligst etwas, und wenn es nur der Pudding ist." Weiterhin weigerte ich mich.
"Ich lasse dich erst in Ruhe, wenn du etwas gegessen hast."
"Ernsthaft?" Genervt funkelte ich ihn an. Draco erwiderte ernst meinen Blick. "Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?"
Augenrollend gab ich schließlich nach und machte den Mund auf, worauf Draco mir eilig den Pudding in den Mund schob. "Na endlich! Jetzt iss auf, damit wir zu Zaubertränke gehen können."
Wir waren beide genervt, nach wenigen Sekunden hatte ich die Schüssel jedoch leer und nahm mir gleich eine zweite. Daphne war bloß fassungslos und sah zwischen uns hin und her. "Du... aber... wie?!"
Draco und ich tauschten einen verwirrten Blick. "Was meinst du?", fragte er dann; ich hatte den Mund voll und konnte nicht reden.
"Egal, was wir versucht haben, sie wollte nichts essen. Und kaum kommst du und zack- sie isst."
Wir zuckten synchron mit den Schultern und sagten: "Und?"
Daphne schüttelte grinsend den Kopf und murmelte etwas vor sich hin, das wie "Von wegen, aus den beiden wird nichts..." klang.
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"Was ich gerade sagen wollte - ich habe ein paar Elexiere vorbereitet. Hat einer eine Ahnung, worum es sich dabei wohl handelt?" Professor Slughorn sah in die Runde und Hermines Hand schoss augenblicklich nach oben, meine folgte etwas langsamer. Letzte Nacht hatte ich endlich wieder etwas Schlaf tanken können und nahm mir vor, im Unterricht gut mit zu arbeiten.
Professor Slughorn deutete auf uns beide. "Dann schießen Sie mal los, Miss...?"
"Granger, Sir."
"Clover."
Hermine erklärte das Veritaserum, ich den Vielsafttrank und so wechselten wir uns weiter ab, bis ich zu Amortentia kam. "Das ist der wirksamste Liebestrank der Welt, er heißt Amortentia", erklärte ich. Slughorn nickte und ich fuhr fort. "Angeblich riecht er für jeden anders, je nachdem, was ihn anzieht." Ich nahm einen tiefen Atemzug und erstarrte. Professor Slughorn erklärte weiter, während ich mich zwischen Hermine und Daphne einreihte.
"Was hast du gerochen?", fragte Daph mich neugieig.
Ich sah zu Pansy hinüber, die mich anfunkelte, als hoffte sie, mich so umbringen zu können. Ich ignorierte sie und sah stattdessen zu Draco. Er war noch blasser als sonst und schien ziemlich übermüdet.
"Ivy?" Daph stieß mich leicht an. "Was hast du gerochen?"
Nachdenklich wandte ich den Blick wieder nach vorn. "Minze..."
Slughorn trug uns auf, den Trank der Lebenden Toten zu brauen, und derjenige, der es korrekt vollendete, bekäme eine kleine Phiole flüssigen Glücks. Ich stellte mich mit Daphne an einen Tisch und überflog in meinem Buch die Liste mit den Zutaten, als jemand an dem Platz neben mir erschien.
Es war Draco. Er sagte kein Wort und schlug stattdessen sein Buch auf, hinter ihm stand Blaise, der sich bald zu Daphne gesellte. Die beiden arbeiteten kichernd und dümmlich lächelnd zusammen, wobei sie sich eher auf einander, als auf den Trank konzentrierten.
Ich beschloss, mich voll und ganz auf die Aufgabe zu fokussieren. Der Trank war tatsächlich ziemlich kompliziert. Zwischendurch spähte ich zu meinen Gryffindorfreunden hinüber; Ron und Neville hatten dem Anschein nach absolut keinen Plan, sogar Hermine schien überfordert und Harry-
Der arbeitete munter weiter.
Als er aufsah und meinem Blick begegnete, wandte ich mich schnell ab. Wir beide standen ziemlich auf Kriegsfuß seit der Sache im Zug, weshalb Ron und Hermine immer etwas angespannt waren, wenn wir zu viert unterwegs waren. Darum arbeitete ich auch immer mehr mit meinen Slytherinfreunden zusammen.
Bei dem Versuch, eine Sopophorosbohne kleinzuschneiden, flutschte sie davon und hätte Draco vermutlich am Kopf getroffen, wäre er nicht ausgewichen.
"Entschudlige", murmelte ich, nahm die Bohne wieder auf und versuchte es nochmal. Draco antwortete nicht, sondern wendete sich seiner eigenen zu.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihn. Er war ganz offensichtlich schlecht gelaunt. Das heißt, noch schlechter als sonst. Ich überlegte, etwas zu sagen, doch mir fiel nichts ein. Und über Pansy wollte ich mit ihm ganz bestimmt nicht reden.
Darum herrschte zwischen uns eisiges Schweigen, während Daph und Blaise sich angeregt unterhielten.
Da trat plötzlich Harry neben mich. Draco schoss ihm einen vernichtenden Blick zu, und als Harrys Hand meine berührte, weil er mir das Messer aus der Hand nahm, sodass ich ihm zuhören würde, fauchte er: "Was hast du hier zu suchen, Potter?"
Harry ignorierte ihn und sagte an mich gewandt: "Probiere, sie auszuquetschen."
Draco wandte sich grummelnd ab und versuchte weiter, seine Bohne zu zerschneiden.
"Das Rezept sagt aber eindeutig schneiden", beharrte ich, bekam es jedoch einfach nicht hin.
"Ivy, vertrau mir..."
"So wie du mir, meinst du?" Herausfordernd reckte ich das Kinn.
Harry seufzte. "Es tut mir leid, was ich im Zug zu dir gesagt habe, aber-"
"Jaja, was auch immer. Geh jetzt lieber wieder zu den anderen Gryffindors, ein paar Leute wollen dich hier nämlich nicht."
Auch Harry bemerkte, dass einige Slytherins ihn feindselig ansahen, doch er schien immer noch auf eine Antwort meinerseits zu warten. "Ivy-"
"Mr Potter, Miss Clover, gibt es ein Problem?" Professor Slughorn erschien an unserem Tisch.
Draco öffnete bereitwillig den Mund, um sich zu beschweren, ich kam ihm jedoch zuvor. "Nein, Professor. Harry wollte gerade gehen. Ist doch so, Harry?" Auffordernd sah ich ihn an. Harry seufzte und ging zurück an seinen Platz.
Nach einer Weile hatte ich es immer noch nicht fertiggebracht, die Bohne zu zerschneiden. Meinen Stolz für einen Moment über Bord werfend, beherzigte ich Harrys Ratschlag und tatsächlich konnte ich den Saft aus der Bohne quetschten, indem ich die Klinge meines Messers darauf presste.
Überrascht sah ich zu Harry hinüber, welcher das ganze beobachtet hatte. Er schenkte mir seinen Hab-Ich-Doch-Gesagt-Blick, worauf ich die Augen verdrehte, aber lächelte.
Harry hat sich entschuldigt, erinnerte ich mich. Solche Streitereien sollten unsere Freundschaft nicht schwächen.
Am Ende der Stunde war Harrys trank - in Slughorns Worten - so perfekt, dass ein einziger Tropfen uns alle umbringen könnte, und Harry erhielt das Felix Felicis.
Während Draco und die anderen Slytherins ihn bloß böse anstarrten, applaudierten die Gryffindors und kurzerhand auch ich. Harry lächelte mich an und ich lächelte zurück; so einfach war das. Wir konnten einander nicht lange böse sein, egal, wie oft wir uns stritten oder wie verschieden wir waren.
Nach dem Unterricht folgte ich Harry, Ron und Hermine aus dem Klassenzimmer. "Das war ziemlich cool. Gut gemacht", lächelte ich Harry an.
Dieser lächelte ebenfalls, doch das fiel ihm bald aus dem Gesicht. "Ivy, es tut mir wirklich leid. Ich bin ein Idiot..."
Eine Weile standen wir schweigend nebeneinander im Flur, Ron und Hermine hielten ein wenig Abstand, damit wir in Ruhe reden konnten.
"Also... Wenn du jetzt darauf wartest, dass ich dir widerspreche, stehen wir hier noch 'ne Weile."
Harrys Lachen klang erleichtert. "Ja, ich weiß... Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass du auch viel verloren hast und ich würde dich nie für einen Anhänger des Dunklen Lords halten."
"Das freut mich. Jetzt komm schon her." Ich zog den überrumpelten Gryffindor an mich ran und wir umarmten einander, wobei ich ihm zuflüsterte: "Mir tut es auch leid... Ich habe überreagiert."
"Kein Problem. Wir wissen alle, dass du 'ne Dramaqueen bist."
"Hey!" Ich schlug dem lachenden Harry auf den Arm. Ron und Hermine kamen wieder zu uns und gemeinsam gingen wir zur nächsten Stunde.
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Es war schon ziemlich spät, als ich auf einem der grünen Sofas in unserem Gemeinschaftsraum saß und einen Eintrag an meine Mutter schrieb, darum verwunderte es mich, Draco zu sehen, der, im schwarzen Anzug bekleidet, den Gemeinschaftsraum betrat. Das Buch zur Seite legend, winkte ich ihn zu mir. "Hi." Ich bedeutete ihm, sich zu setzen, indem ich mit der Hand auf das Sofa klopfte. Er ließ es sich nicht zwei Mal sagen und schmiss sich auf den freien Platz. Sich durch die Haare fahrend, lehnte er sich zurück und seufzte.
Ich runzelte die Stirn. "Wo warst du so spät?"
Es dauerte ein paar Sekunden, bevor er mir antwortete. "Konnte nicht schlafen, hab 'nen Spaziergang gemacht."
"Alles klar bei dir?"
"Sicher."
"So siehst du aber nicht aus."
"So ein Urteil darfst gerade du dir nicht erlauben, so als halbe Leiche."
Augenrollend nahm ich Mums Buch wieder in die Hand. "Charmant, Malfoy."
Neugierig beäugte Draco meinen Eintrag, den ich vor ihm abschirmte. "Ist das das Tagebuch deiner Mutter?"
"Ja." Ich hielt inne und erinnerte mich daran, wie meine Freunde und ich Draco und seiner Mutter zu Borgin und Burkes gefolgt waren. "Sag mal, Drace... Wie stehst du eigentlich zu deiner Mutter?"
Ich bereute die Frage als ich sah, wie Draco sich anspannte. "Wie meinst du das?"
"Naja... Ich hab sie bisher noch nicht kennengelernt, nur deinen Dad... Und, äh, der ist ja jetzt in Azkaban, daher-"
"Ich bin nicht in der Stimmung, um mit dir oder sonst wem über die Verhaftung meines Vaters zu sprechen."
Dracos harscher Ton ließ mich zusammenzucken. "Ich weiß", sagte ich schnell. "Tut mir leid... Ich wollte eigentlich nur sagen, dass, wenn irgendetwas ist, du mit mir darüber reden kannst... Das weißt du, oder?"
Die Wut auf seinem Gesicht wich Überraschung und schließlich Unsicherheit. Ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob Draco überhaupt jemanden hatte, mit dem er darüber reden konnte, wie es ihm wirklich ging, wenn zum Beispiel sowas passierte wie die Verhaftung seines Vaters.
"Drace?" Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter, worauf er zusammenzuckte, als sei er in Gedanken versunken gewesen. Eilig nahm ich meine Hand wieder weg und strich mir vor Unbehagen durch mein offenes Haar, sodass einige Strähnen mir ins Gesicht fielen.
Ich erschrak etwas, als ich Dracos kalte Hand an meiner Schläfe spürte, die mein Haar zurückstrich. Kurz darauf sah ich ihm in die Augen, da seine Hand zu meinem Kinn gewandert war und meinen Kopf zu ihm drehte.
Wir waren einander lange nicht mehr so nah gewesen wie jetzt. Ich konnte seinen Atem fühlen, der mich im Gesicht kitzelte, seine Hand, die weiterhin unter meinem Kinn ruhte, und seine Augen, die in meine starrten, als hätte er noch nie so etwas gesehen... Mich hatte noch nie jemand so angeschaut und ich verstand nicht, was es bedeutete. Wenn ich könnte, würde ich am liebsten seine Gedanken lesen... Mein Herz begann, schneller zu schlagen, mein Hals wurde trocken und mein Gehirn war wie leergefegt. Sag etwas!, drängte eine Stimme mich. Na los doch! Aber mir fiel nichts ein.
Draco kam noch ein Stückchen näher. Ich wich nicht zurück, sondern blieb, wie ich war, hielt nur meinen Atem an, vollkommen unbewusst.
Da verschwand dieser Ausdruck auf Dracos Gesicht, er hörte auf, mein Gesicht zu studieren, und blinzelte irritiert. Er ließ seine Hand sinken und wich ein Stück zurück, unterbrach den Augenkontakt.
Nicht minder verwirrt, stieß ich die angehaltene Luft aus und setzte mich wieder gerade hin, strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr und starrte auf Mutters Tagebuch, das geschlossen vor mir lag.
Keiner von uns sagte auch nur ein Wort, bis schließlich Draco die peinliche Stille durchbrach: "Tradition ist meiner Familie sehr wichtig."
"Äh... was?" Fragend blinzelte ich ihn an.
"Du hast nach meinen Eltern gefragt." Er zuckte lässig mit den Schultern, wollte damit vermutlich die unangenehme Situation von eben überspielen. "Wenn du wirklich etwas über mich oder meine Familie wissen willst... Sie halten sich an ihre Traditionen."
Ein Gefühl sagte mir, dass Draco mir das alles erzählen wollte. Vielleicht war es auch bloß Wunschdenken, wer weiß, aber die Möglichkeit gefiel mir.
"Das habe ich mitbekommen", erwiderte ich. "Sie waren - wie du anfangs auch - nicht wirklich begeistert von mir. Du weißt schon, wegen meinem Blutstatus und so..." Als die Frage in mir aufkam, ob Draco sich noch um meinen Blutstatus scherte, räusperte ich mich und verwarf den Gedanken sofort wieder. Würde es ihn noch stören, würde er keine Zeit mit mir verbringen... oder?
"Deine Familie benennt ihre Nachfahren häufig nach Sternbildern, nicht wahr?"
Draco schien überrascht. "Äh, ja. Woher wusstest du das?"
"Deine Tante, Bellatrix... Sie teilt ihren Namen mit dem dritthellsten Stern im Sternbild Orion. Das Sternbild des Drachen, nach dem du benannt wurdest, kann man ganzjährig bei Nacht am Himmel sehen und es besteht aus vierzehn verschiedenen Sternen." Ich unterbrach mich, als ich Dracos offenstehenden Mund bemerkte.
"Ich wusste nicht, dass du in Astronomie so gut bist", sagte er schließlich.
"Ich interessiere mich eben sehr für Sternbilder", erklärte ich schulterzuckend. Mir entfuhr ein Gähnen.
Draco grinste spöttisch. "Nicht ausgeschlafen, huh?"
"Nope. Ich hau mich auf's Ohr." Ich stand auf, Mums Tagebuch in meiner Hand, und lief in Richtung Schlafsäle. Nach wenigen Schritten sah ich über die Schulter zu Draco zurück. "Kommst du?" Mein Gesicht verdunkelte sich. "Oder wartest du hier auf jemanden?"
Alarmiert sah Draco auf. "Was? Was meinst du damit?"
Die Arme vor der Brust verschränkend, sah ich ihn an. "Na, das zwischen dir und Pansy... Was auch immer das genau ist."
Beinahe erleichtert schloss Draco die Augen. "Ach so, das... Äh, ja, nein, ich treffe mich nicht mit ihr."
"Mhm", machte ich bloß, drehte mich um und ging in meinen Schlafsaal.
Draco blieb, verwirrt wegen meiner Reaktion, zurück.
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