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JUNGKOOK
Weshalb war er hier? Er war doch so gut wie ausgezogen! Trotz des emotionalen Gespräches, das mir noch tief in den Knochen saß, verebbten vor Schock meine Tränen.
Taehyung nahm mich an die Hand und zog mich aus dem Badezimmer über den Flur bis kurz vor die Treppe. Wir beobachteten, wie sein Appa meine Mutter mit einem schmierigen Lächeln auf den Lippen in den Arm nahm und sie leidenschaftlich küsste.
Verstört blickten wir beide uns an. Was geschah hier gerade? Hier musste etwas nicht stimmen.
„Schön, wieder hier zu sein, findest du nicht?", fragte sein Vater. Eomma antwortete nicht. Wir konnten ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, doch sie war definitiv nicht glücklich. Ansonsten wäre sie wie in den letzten Monaten vor Freude aufgesprungen.
Wenig später zog mich Taehyung zur Seite. Schweratmend blickte er sich um, ehe er sich zu mir hinunterbeugte. „Was ist da–?", wollte ich ihn schon fragen, doch er unterbrach mich mit ernster Stimme: „Ich weiß, Jungkook. Aber ich habe auch keine Ahnung... mein Vater muss irgendetwas gemacht haben."
„Sie haben sich definitiv nicht ausgesprochen, ansonsten hätte Eomma es mir oder zumindest Olga erzählt...", überlegte ich leise und strich mir eine letzte Träne aus dem Augenwinkel.
„Du musst mit deiner Eomma sprechen, Kookie", sprach Taehyung mit ernster Stimme und legte seine Hand auf meine Schulter, ehe er sich ein weiteres Mal umsah und den Stimmen im Flur lauschte. Doch die beiden unterhielten sich nicht mehr.
~*~
Taehyungs Erzählung über seine Mutter war – obwohl ich das eigentlich nicht gewollt hatte – bei uns beiden vorerst in den Hintergrund gerückt.
Vollkommen irritiert und schockiert hatten wir feststellen müssen, dass sich unsere Eltern wieder angenähert hatten und wieder ein perfektes Verlobungspärchen bildeten. Dong-wook plante nach diesem „unglücklichen Missverständnis", wie er es schimpfte, seinen Kram aus dem Hotel zurück in unser Zuhause zu verfrachten.
Er hatte mich freundlich begrüßt und nach meinem Befinden und der Schule gefragt, woraufhin mir Taehyung späterhin erzählte, dass er ernsthafte Probleme gehabt hätte, mich nicht von ihm hinfort zuziehen. Dong-wook und Eomma unterhielten sich und aßen mit uns zusammen.
Doch ich erkannte sofort, wenn mit meiner Mutter etwas nicht stimmte. Sie spielte offensichtlich die Rolle der Partnerin, die voll und ganz zufrieden mit ihrem Leben war. Manchmal sah ich sie jedoch alleine in der Küche mit zitternden Händen etwas aus dem Kühlschrank nehmen oder tief durchatmen, wenn sie glaubte, niemand würde hinsehen.
Olga nahm die ganze Situation stumm hin. Zwar redete sie meistens nur und mischte sich die meiste Zeit ebenso gern in unsere Angelegenheiten ein. Aber selbst sie merkte, dass sie in diesem Fall keine Hilfe mit ihren Fragen wäre.
Somit atmete ich tief durch, als ich mich am folgenden Abend noch auf dem Flur meiner Mutter befand und die Hand zum Klopfen an ihrer Tür anhob. Ich stand hier sicherlich schon einige Minuten.
Ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Angst um meine Eomma, die ich so ungemein liebte, Taehyung und mich selbst umgab mich. Was war, wenn sie nur schweigen würden? Wir hatten uns in der letzten Zeit so wenig gesprochen... war ich überhaupt noch ihr Junge, mit dem sie über alles sprach?
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich ließ meine Knöchel auf das weißgestrichene Holz klopfen und wartete einen Moment, ehe ein selbstsicheres „Herein!" aus dem Inneren ertönte.
Das private Schlafzimmer meiner Mutter war wie immer schön gemütlich und erleuchtet. Sie saß mit einer Tasse heißem Kaffee trotz der Uhrzeit auf ihrer Coach unter einer flauschigen Decke eingekuschelt und lächelte, als sie mich erblickte.
„Jungkook", stellte sie fest, ehe ich leise die Tür hinter mir schloss und ihr Zimmer nach Ungeziefer wie Dong-wook absuchte. „Störe ich? B-Beziehungsweise kann ich zu dir?"
„Aber natürlich, wieso solltest du denn nicht?" Sie machte große Augen. Ihr Blick hatte eine Spur Traurigkeit in sich, und sie stellte ihre Tasse zur Seite, ehe sie sich aufsetzte, um neben ihr etwas Platz zu machen.
Es war schon beinahe etwas ungewohnt, meiner Mutter wieder so nahe zu sein und ihren Arm um mich gelegt zu haben, da wir das erste Mal nach langer Zeit wieder wirklich Zeit miteinander verbrachten, so wie damals, als ich geweint hatte, weil ich mal wieder auf die Nase geflogen war, oder natürlich die ganzen Monate lang nach Appas Tod, als wir einfach zusammen gesessen und gemeinsam geweint hatten, um unsere Trauer zu verarbeiten.
„Wir haben so lange nicht mehr geredet... und ich mache mir Sorgen um dich...", meinte ich ehrlich und schaute zu ihr hinab in dieselben großen Augen, die sie an mich vererbt hatte.
„Aber wieso das denn, mein Hase?"
Wie immer war sie durch und durch die gefasste Geschäftsfrau, die ich so bewunderte. Doch nun durfte, musste sie mir sagen, was sie betrübte.
„Du weißt weshalb", flüsterte ich und sah sie betrübt an, ehe ich den Blick senkte. „Taehyung, Olga und ich sind nicht blind... etwas ist geschehen. Ihr wolltet euch trennen und nun ist plötzlich alles gut... aber dir geht es sichtlich nicht gut..."
Eomma presste die Lippen aufeinander und griff nach ihrem Kaffee, um meinen Blick auszuweichen. Ich legte meinen Kopf etwas schief, um sie ansehen zu können.
„Bitte, Eomma...", säuselte ich verzweifelt. „Sag es mir... ich will dir doch nur helfen... wegen dir bin ich nun so, wie ich bin... du hast mir stets beigestanden, mich geliebt... und ich kann nicht ertragen, dass du stets für mich da bist, aber du dich mir nicht mehr öffnest..."
Sie verharrte in ihrer Bewegung. Für einen kurzen Moment schien sie nachzudenken und ließ ihre Tasse schließlich auf dem Beistelltischchen stehen, ehe sie sich starr nach vorn blickend wieder neben mich setzte.
„Taehyungs Vater... Dongi... er erpresst mich. Er hat irgendwie diese Akte erhalten, in der die Einzelheiten über diesen einen Fall stehen, i-in dem ich dieses Pärchen hintergangen habe... er weiß alles. Und er droht mir, damit an die Öffentlichkeit und die Polizei zu gehen, wenn wir nicht heiraten sollten... und... und ich kann nicht zulassen, dass jemand davon erfährt... ich kann Olga, dich und meine Kanzlei nicht im Stich lassen. Ich würde nicht nur meine, sondern das Ansehen vieler Menschen damit beschmutzen und ihnen ihre Arbeit nehmen..."
Mein Herz war mir in die Hose gerutscht und ich wandte mich langsam von meiner Mutter ab, über dessen Wangen inzwischen Tränen über Tränen rollten und den Weg auf ihre Kuscheldecke fanden. „Ich weiß nicht, was ich tun soll... ich habe solche Angst von ihm..."
Und dann realisierte ich es, und presste mir wenig später die die Hand vor dem Mund.
Ich war Schuld. Ich war an alledem Schuld.
Nur durch meinen Plan war die Akte in Dong-wooks Hände gelangt. Wegen mir musste meine Mutter leiden, in Angst leben, sich von diesem Mann anfassen lassen und ihn höchstwahrscheinlich befriedigen. Ihr Stolz und ihre Würde war befleckt.
Aufgrund ihres eigenen Sohnes.
„Es ist alles meine Schuld, Eomma", hauchte ich leise und wagte es nicht, sie anzusehen, ehe ich begann, ihr alles zu berichten.
„Taehyung und ich wollten euch auseinander bringen. Die ganze Zeit. Wir stahlen an diesem einen Abend, wo ihr essen wart, den Schlüssel von Olga und gelangten dadurch in dein Zimmer, um die Akte an uns zu nehmen und Kopien zu machen. Die Kopien von Dong-wooks Werken über Taehyungs Mutter stahlen wir in der Nacht, als ihr uns im Garten fandet, aus seinem Büro. Wir jubelten euch die Seiten unter, sodass ihr anfangen würdet, den jeweils anderen zu verabscheuen... wir wollten nur unsere alten Leben zurückhaben... wollten dich vor Dong-wook schützen... doch wir haben versagt... wir waren so egoistisch und eingenommen von unserer Idee, w-wir–"
Ich brach ab, als ein Schluchzen meine Lippen verließ und ich meinen Kopf auf die Brust legte, um anschließend bitterlich zu weinen.
Währenddessen spürte ich Eommas Blick auf mir und ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie enttäuscht sie von mir sein musste.
„E-Es tut mir so leid... ich war so dumm... so unglaublich dumm...", wimmerte ich. „Und nicht nur das... ich habe dir so vieles verschwiegen, Eomma... du wirst mich so hassen..."
Ich holte tief Luft und vergrub das Gesicht in den Händen, während sie mich nach wie vor anstarrte. „Aber das ist Ordnung... ja... es ist okay, wenn du sauer bist, dass ich mich dir nie anvertraut habe, was ich fühle... dabei hast du mir doch immer in allem beigestanden... aber ich weiß nicht, ob du das akzeptieren kannst... und ich habe Angst davor..."
✧ ✧ ✧
hach ja, etwas drama...
aber das ist erst der Anfang *böses lachen*
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