𝟎 𝟖 𝟓

Jimin erzählte alles. Wie Hyuk und er sich kennengelernt hatten, die Beziehung starteten und ein gemeinsames Leben auf die Beine stellten. Ihre Urlaube, Streitereien und sogar Hyuks Ausrutscher, die Jimin mittlerweile nicht mehr als solche betitelte. Er sah Hoseok an, dass er wütend und schockiert zugleich war. In den Augen des Älteren war so ein Verhalten unverzeihlich, gar unmenschlich. Er konnte nicht verstehen, wie jemand die Person verletzen konnte, die man doch so sehr liebte.

»Ok... Das ist echt...«, begann Hoseok nach Vollendung der Erzählung, wurde gegen Ende hin aber immer leise und verstummte letztendlich vollkommen.
Jimin seufzte nur, wusste nicht, was er noch ergänzen sollte. Alles, was ihm am Herzen lag, wurde gesagt – abgesehen von der Sache mit Jeongguk.
»Was haben seine Eltern dazu gesagt?«

Jimin, der gedankenversunken an seinen Fingernägeln kaute und stumpf auf den Boden blickte, entzog sich seiner Starre und legte fragend den Kopf schief.
»Deine Ex-Schwiegereltern halt.«
»Ach so... Ja, uh... Ich kenn' die nicht.«
Hoseoks Futterluke formte sich zu einem großen O, ehe die Überraschung der Verwirrung Platz machte und sich auf seinem Gesicht ausbreitete.
»Wie du kennst sie nicht?«, hinterfragte der Rotschopf, was Jimin überaus unangenehm war.

Hyuk war laut seinen Aussagen das schwarze Schaf in der Familie, das niemand haben wollte. Sein Verhältnis zu seinen Eltern, oder allgemein der ganzen Familie, ließ zu wünschen übrig, weshalb er jegliche Gesprächsthemen in diese Richtung abgeblockt hatte. Jimin wusste rein gar nichts über Hyuks Familie. Er kannte weder deren Vornamen, noch Wohnadresse oder Gesichter. Nirgends fand Jimin Bilder von Hyuks Kindheit oder dessen Angehörigen.

Entweder hatte er sie so gut versteckt, dass der Student sie nie fand, oder er hatte sie schlichtweg zerstört. Natürlich kam ihm das damals alles sehr spanisch vor, aber er wollte auch nicht großartig darauf herumreiten, da Hyuk bei dem Thema eben überaus empfindlich reagierte. Jimin schilderte all diese Faktoren Hoseok, der ihm gebannt zuhörte. Er rührte nicht einmal einen Muskel, so fasziniert war er von der Erzählung.

»Der Typ hat doch echt ein Rad ab... Mit dem stimmt Vorn und Hinten nichts!«, meinte Hoseok und gestikulierte streng mit der flachen Hand, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen.
Jimin hingegen lachte kurz. Sein Freund hatte irgendwie Recht, doch je länger er drüber nachdachte, umso mehr zog es ihn wieder runter. Hoseok schien dies bemerkt zu haben, da er sofort näher an Jimin heran rutschte und versuchte, ihn mit den wirrsten Erzählungen aufzuheitern.

Jimin war Hoseoks Anstreben sehr dankbar, aber wenn er mal wieder in sein kleines Loch rutschte, verweilte er dort für etwas längere Zeit. Als würde er im Treibsand stecken und immer weiter in die Tiefe sinken, die ihm die Kehle zuschnürte.
»Jimin... Willst du dich nicht mal mit Gguk oder Tae ausreden? Es kann mit dir nicht so weitergehen... Ich sehe doch, dass es dir immer beschissener geht«, meinte Hoseok besorgt und fuhr mit der rechten Hand über Jimins linken Oberarm, hinterließ ein ungutes Gefühl auf dessen Haut.

Instinktiv schüttelte Jimin mit dem Kopf. Er wollte mit keinem der beiden je wieder ein Wort wechseln. Der junge Mann hatte es nicht nötig, sich mit ihnen auszureden. Das wollte er Hoseok auch klar machen, jedoch führte die Diskussion, in die sie sich verwickelt hatten, zu keinem Ergebnis. Hoseok vertrat weiterhin seine Meinung, während Jimin bockig blieb.

Während Hoseok weiterhin seine Predigt hielt, überprüfte Jimin die Uhrzeit auf der Wanduhr im Wohnzimmer und holte erleichtert Luft, da er sich jetzt für die Arbeit fertig machen musste. Er war noch nie so froh darüber, arbeiten gehen zu müssen.
»Ich geh' mich fertig machen«, verkündete er an Hoseok gerichtet, der nur frustriert seufzte und dem sturen Jimin hinterher sah.

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Unbegeistert verließ Jimin die Umkleidekabine und gesellte sich zu den Kindern, die im Saal saßen und miteinander abendaßen. Normalerweise arbeitete er eher vor- oder nachmittags, aber da Jackson heute etwas Wichtiges zu erledigen hatte, sprang Jimin für ihn ein. Es störte ihn auch nicht wirklich. Dadurch konnte er sich vor der Diskussion mit Hoseok drücken. Er wusste, dass es sein bester Freund nur gut meinte, aber es nervte ihn mit der Zeit. Naja, vielleicht war nerven etwas zu hart. Belastend traf es eher.

Jimin war nicht schwach und brauchte keine Hilfe, weshalb er die gutgemeinten Vor- und Ratschläge von Hoseok stets abblockte. In seinen Augen war es etwas unnötig. Hoseok behandelte ihn wie ein kleines Kind, das jeden Moment was schlimmes anrichten könnte. Dabei war sein mentaler Zustand nicht all zu schlecht. Nun, abgesehen von all den Momenten, in denen er in sich zusammenbrach und manchmal stundenlang weinte, nur um all den angestauten Schmerz freizulassen.
»Geht es dir nicht gut, Jimin?«

Die müde Stimme eines Kindes erregte Jimins Aufmerksamkeit, sodass er seinen Blick senkte und in Minhyuks große Augen blickte. Der kleine Junge mit den schwarzen, leicht gelockten Haaren sah zur Aushilfe rauf und wartete geduldig auf dessen Reaktion, die lange auf sich warten ließ.
»Mir geht es gut«, meinte Jimin letztendlich und strich dem Kind vorsichtig durch die Haare.
»Jimin, ich bin müde... Kannst du mir eine Gute Nacht-Geschichte vorlesen?«

Jimin antwortete nicht sofort, sah sich kurz im Saal um und beäugte seine Kollegen, die sich mit den anderen Kindern beschäftigten. Kunpimook half einem kleinen Mädchen beim Essen, Seokjin zog seine Runden und Yugyeom machte mit zwei anderen Kindern noch ein paar Übungen von deren Hausaufgaben.
»Klar... Gerne«, murmelte Jimin endlich, nahm Minhyuks kleine Hand in die seine und führte den Jungen in sein Zimmer zurück.

Minhyuk sprang in sein Bett und kuschelte sich in die Bettwäsche. Jimin blieb vor dem kleinen Bücherregal stehen, wählte blindlings eines und ließ sich am Fußende nieder. Das kleine Nachtlicht neben Minhyuks Bett bat genügend Licht zum Lesen, war aber nicht all zu hell, sodass das Kind in Ruhe einschlafen konnte. Jimin senkte wieder seinen Blick und fuhr mit den Fingern über die Vorderseite des Buches. Es handelte von Waldtieren, die aus ihrem Wald flüchten mussten. Der Schwarzhaarige überkreuzte die Beine, schlug die erste Seite auf und begann mit dem Lesen.

─────

»... und am Ende haben die Tiere ihren neuen Wald gefunden«, endete Jimin leise und sah zu Minhyuk rüber, der die Augen schon geschlossen hatte.
Jimin seufzte kurz, klappte das Buch zu, erhob sich vom Bett und stellte es an seinen rechtmäßigen Platz zurück. Gerade als er rausgehen wollte, hörte er Minhyuks zarte Stimme hinter sich, die vorsichtig seinen Namen aussprach.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte Jimin, als er sich wieder umgedreht hatte und sich dem Jungen näherte.

»Nein...«, murmelte er, hob den Kopf und musterte Jimins Bewegungen, als dieser sich wieder zu Minhyuk setzte.
»Und warum?«
»Weiß nicht...«, lautete Minhyuks Antwort, die Jimin schnauben ließ.
»Jimin... Ich hab' gehört, dass ich in eine neue Familie komme...«, murmelte Minhyuk und drehte sich auf die linke Körperseite, um das markante Gesicht des Erwachsenen besser ansehen zu können. Verblüfft weitete Jimin seine dunklen Augen ein wenig.

Davon wurde er noch gar nicht in Kenntnis gesetzt. Hatte er es etwa bei allen so sehr verhaut, dass sie ihm sowas wichtiges vorenthielten? Leicht beleidigt hob Jimin die Augenbrauen, versuchte aber zeitgleich sich nichts davon anmerken zu lassen.
»Woher weißt du das denn?«, fragte Jimin und setzte stattdessen sein altbekanntes Lächeln auf.
Das Lächeln, das er sich während der Beziehung mit Hyuk auch immer aufzwang. Nach all der Zeit war es wirklich schwer, besagtes aufrecht zu erhalten, weshalb sich seine Mundwinkel auch wieder senkten.

»Ich habe Jin darüber reden hören.«
Verstehend nickte Jimin und rückte etwas näher an Minhyuk, da dieser einen recht traurigen Blick draufhatte.
»Freust du dich denn nicht?«, fragte der Erwachsene sanft und legte eine seiner Hände auf die von Minhyuk.
Besorgnis glänzte in Jimins Augen.
»Nicht wirklich... Ich will zu wem anders...«, flüsterte der Kleine. Mitleidig verengten sich Jimins Augen.

Die zwei redeten noch ein wenig miteinander. Unter anderem offenbarte Minhyuk auch, dass er sich wünschte, dass Yugyeom und Kunpimook seine neue Familie wären. Jimin spielte mit den Gedanken, da etwas in die Wege zu leiten, jedoch wusste er nicht wie. Immerhin hatte er sich mit dem Paar und Seokjin zerstritten, weshalb ein Gespräch mit denen wohl sehr unangenehm wäre. Jedoch konnte Jimin Minhyuk nicht weiter beim Trübsal blasen zusehen, weshalb er sich vornahm, den Wunsch zur Realität zu machen.

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