01
"Gott das Leben langweilt mich so."
Ein tiefes Seufzen verließ meine Kehle als ich mein Gutshaus betrat, welches sich weit in den dichten Wäldern versteckt hielt. Ich brauchte die Zivilisation da draußen nicht. Der Wandel zog so rasend an mir vorbei das es mich schlichtweg ermüdete. Die sogenannten Adeligen waren anstrengender als die Pest.
Die Spaltung der Gesellschaft wurde mit den Jahrzehnten immer schlimmer.
Die Männer taten alles um den teuersten Wein des Landes zu bekommen, während die einfachen Menschen da draußen bitterlichen Hunger leideten und nicht mal genügend Brot für ihre Kinder hatten. Die Frauen, die sich in viel zu enge Kleider zwängten aber noch nicht mal eine Ahnung davon hatten unter welchen Bedingungen diese hergestellt wurden, waren nicht wesentlich besser.
Aber was kümmerte es mich? Sollte es mich kümmern? Zum Teufel Nein.
Ich war einfach schon viel zu lange tot um mich als aktiven Teil der Gesellschaft zu sehen. Hauptsache sie gaben mir ihr Blut. Etwas anderes zählte für mich nicht mehr.
Völlig erschöpft und erledigt ließ ich mich, nach einem weiteren Tag voller bürokratischen Mist, ins Bett fallen.
Normalerweise kamen wir Unsterblichen locker eine Woche ohne Schlaf aus aber ich kam mir vor als hätte ich monatelang kein Auge mehr zu getan - und zu meinem Pech schien mich der Hunger am nächsten Morgen besonders heftig zu treffen.
Dabei hatte ich vor zwei Tagen erst eine junge Adelige bis zum letzten Tropfen ausgesaugt, aber seitdem fühlte ich mich noch schwächer. Sie hatte einen fürchterlichen Geschmack gehabt, als wäre ihr Blut verdorben gewesen.
Und das schlimmste an der Sache war - ich war immer noch hungrig.
Mühsam setzte ich mich am nächsten Morgen im Bett auf und tastete verschlafen nach meiner Leinenhose, die am Fußende der Matratze lag. Es dauerte eine Weile, bis ich die Hosebeine entwirrt hatte, damit ich hineinschlüpfen konnte. Um ein Oberteil kümmerte ich mich erst gar nicht.
Obwohl ich in so einem großen Haus lebte, hatte ich nur einen einzigen Angestellten und dieser erwartete mich bereits vor meinem Schlafzimmer.
Er war der Einzige den ich hier duldete. Einfach aus dem Grund, weil er der einzige Mensch weit und breit war, der mit meinem eigensinnigen Verhalten umzugehen wusste.
All seine Vorgänger hielten nicht sehr lange durch.
"Junger Herr, ihr Bad ist bereits vorbereitet." verkündete der hochgewachsene Mann mit den tiefen Grübchen an den Wangen.
Ich schnalzte mit der Zunge als ich meinen Diener ansah, welcher mich breit grinsend anstrahlte.
Wer gab sich am frühen Morgen schon so gut gelaunt und hochmotiviert?
"Du sollst mich nicht immer junger Herr nennen, Namjoon. Ich hasse es. Genauso hasse ich dein grinsen, also hör auf damit. Das sieht hässlich aus."
"Wie sie wünschen, junger Herr." ohne sich angegriffen zu fühlen oder eine Szene zu machen, ließ er noch sofort die Mundwinkel hängen.
Solche Sachen befolgte er ohne Protest aber das mit dem jungen Herr schien er immer wieder zu überhören.
Ich betrachtete ihn noch für einen Moment prüfend und obwohl ich immer noch hätte sauer sein müssen, beließ ich es einfach dabei. Im Grunde hatte ich mich ja auch damit abgefunden, ständig mit 'junger Herr' angesprochen zu werden.
Schnaubend wandt ich mich ab und schleppte mich zum Badezimmer.
"Was steht heute an?" fragte ich beiläufig während ich einfach die Hose von meinen Hüften streifte, ohne Namjoon vorher auf meine plötzliche Nacktheit vorzubereiten. Er wurde noch sofort rot um die Nase und kehrte mir ruckartig den Rücken zu.
Amüsiert über dieses Verhalten stieg ich in die für mich vorbereitete Wanne und lehnte mich gemütlich zurück. In der Zwischenzeit, in der ich mit geschlossenen Augen entspannte, ratterte Namjoon die heutigen Termine runter und sah dabei kein einziges Mal mehr auf.
Einige Verhandlungen mit den Menschen standen mir noch bevor. Termine, die einfach unabdingbar waren um mir mein jetzigen Lebenstatus zu erhalten.
Menschen wurden schnell misstrauisch und gierig, wenn es um Dinge ging die sie nicht besitzen konnten.
Würde ich ein Handel verweigern, wäre mein ruhiges Leben hier vorbei und entweder ich veranstaltete ein blutiges Massaker oder aber ich zog erneut weiter um ein anderes ruhiges Plätzchen zu suchen — aber ich wollte nicht schon wieder fort. Dieses Haus hier gefiel mir. Der Ort gefiel mir.
Also blieb mir nichts anderes übrig als mich wieder an einen der Tische zu setzen und mir das Geplänkel der Menschen anzuhören.
Seufzend öffnete ich die Augen und starrte eine zeitlang einfach nur zur Decke, ließ Namjoon dabei weiter erzählen, doch mit den Gedanken driftete ich vom Thema ab.
Selbst das warme Bad erbrachte nicht die gewünschte Wirkung und irgendwie war ich es leid. Ich hatte seit Jahren nicht mehr gutes Blut bekommen und wenn das so weiter ging, war ich irgendwann so geschwächt, das ich selbst für andere Unsterbliche zur leichten Beute wurde.
Aber darum konnte ich mir jetzt einfach keine Gedanken machen, die nervigen Menschen bereiteten mir mehr Kopfschmerzen. Es war nur eine Frage der Zeit bis sie nach mehr verlangten. Noch hielten sie sich zurück, nur für wie lange?
Nachdem Namjoon alles Wichtige für den Tag aufgezählt hatte, ließ er mich mit meinen unzähligen Gedanken alleine, um schon einmal mein 'Frühstück' vorzubereiten — aber bei dem bloßen Gedanken gleich Blut vom Hirsch trinken zu müssen, wurde mir schlecht.
Ich stieß ein tiefes Seufzen von mir, ehe ich mich kurzzeitig dazu entschloss, das Bad vorzeitig zu beenden.
Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich fahrig ab und streifte mir ein dünnes viel zu durchsichtigen Seidenmantel über. Dann verließ ich das Badezimmer und ging durch einen mit dicken Teppich ausgelegten Korridor zurück ins Schlafzimmer.
Ich griff nach einer Feder und tunkte sie in Tinte. Ich unterschrieb noch einige wichtige Dokumente, die ich für die Versammlung benötigte und erst als ich drei in meiner fein säuberlichen Handschrift angefertigten Seiten vor mir auf dem Tisch liegen hatte, legte ich die Feder wieder zur Seite und erhob mich widerstrebend, um mich auf den Weg ins Esszimmer zu machen — um naja etwas zu... essen.
Ich saß alleine am Tisch. Es war erniedrigend genug Tierblut aus einem simplen Glas trinken zu müssen, dabei brauchte ich einfach keine Beobachter.
Angewidert von dem Geschmack auf der Zunge verzog ich das Gesicht und dennoch blieb mir nichts anderes übrig, als das Blut in einem schnellen Zug zu leeren.
"Ugh.. es wird von mal zu mal immer ekliger." murrend wischte ich mir mit dem Handrücken das Blut von den Lippen.
"Junger Herr, ich störe nur ungern aber wir sollten uns bald auf dem Weg machen." meinte Namjoon, der wie aus dem Nichts an der Tür zum Esszimmer stand.
"Ich weiß." seufzend stellte ich das leere Weinglas zurück auf den Tisch. Es grauste mir vor dem Termin, welcher mir gleich bevorstand und wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte, hätte ich diese mit Vergnügen vorgezogen.
Mit dem Daumen strich ich über den Rand des Glases entlang und war gerade dabei mit den Gedanken erneut wegzudriften, als Namjoon sich leise räusperte. "Wir sollten den Fürsten lieber nicht zu lange warten lassen."
"Natürlich nicht." Ich lachte höhnisch als ich an den dicken Fürsten dachte. "Wir wollen ja nicht das er noch vom großen bösen Wolf gefressen wird, nicht?" schmunzelnd erhob ich mich und rauschte schnurstracks an Namjoon vorbei, der wie festgefroren an Ort und Stelle stehen blieb und instinktiv den Kopf tiefer neigte, aus Angst etwas zu erhaschen das seines erachtens nicht für seine Augen bestimmt war.
Demnach genierte er sich auch jedes Mal wenn er mir beim Ankleiden helfen sollte.
Ich hätte es auch alleine machen können aber es machte mir einfach zu viel Spaß meinen Bediensteten mit roten Wangen und schüchternen Blick zu erleben.
Ohne eine Aufforderung zu benötigen, folgte Namjoon mir zurück ins Schlafzimmer. Dort angekommen machte er sich sogleich an die Arbeit und streifte mir flink und geschickt den Seidenmantel von den Schultern, bevor er mir mit dem anlegen des weißen Hemdes half.
Er sagte zwar nichts aber ich erkannten anhand seines sorgvollen Blickes, dass ihm mein Gewichtsverlust nicht entgangen war. Die Kleidung saß verdächtig locker an den Hüften aber es war ja nicht so als würde ich gleich davon 'sterben'.
"Namjoon, wenn du so weiter starrst, fallen dir gleich noch die Augen aus."
"Entschuldigt junger Herr, ich mache mir nur Sorgen..." murmelte er bedrückt, wagte es mir dabei aber nicht mehr in die Augen zu schauen.
"Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Das hab ich dreihundert jahre lang geschafft und das werde ich auch nochmal weitere dreihundert Jahre schaffen."
Er murmelte nochmals eine Entschuldigung, was mich einfach nur genervt die Augen verdrehen ließ.
"Wie auch immer. Wir sind hier noch nicht fertig, also beeil dich." maulte ich und man könnte denken, mit meinen heftigen Stimmungsschwankunen würde ich jeden sofort von hier vertreiben aber nicht Namjoon.
Er war einfach Loyal.
Meiner Meinung nach viel zu Loyal.
Mit undurchdringbarer Miene starrte ich mein Spiegelbild an, während Namjoon mir die goldbesetze Robe überstreifte. Das teure Halstuch, das mit feiner Spitze besetzt war, wickelte er mir noch zu guter letzt um den Hals und dann war ich endlich soweit.
Ich musterte mich im Spiegel, drehte mich dabei leicht von links nach recht und nickte zufrieden.
"Gut. Sattel die Pferde, wir reiten sofort los." Ich wandt mich ab und begab mich bereits Richtung Ausgang, als Namjoon die Augen aufriss. Er versuchte mit meinen schnellen Schritten mitzuhalten, kam aber kaum hinterher.
"K-können wir nicht die Kutsche nehmen?" bat er flehend, was mich mit einem Male anhalten ließ.
Namjoon prallte unvorbereitetet gegen meinen Rücken und torckelte einige Schritte zurück. Ich legte die Hände in den Rücken und drehte mich langsam zu ihm um.
"Nein." antwortete ich mit gleichgültiger Stimme. "Wir reiten."
❥
So wie vorher schon erwartet lief die Versammlung vor den Fürsten natürlich nicht ohne Ärger ab. Denn jedesmal wenn ich einer ihrer Treffen beiwohnte, musste ich mir ständig Sticheleien seiner Berater anhören.
Allein schon wenn Namjoon und ich aus den Wäldern in die kleine Stadt einritten, klebten die neugierigen Augenpaare der Stadtleute an uns. Vielleicht lag es an der mysteriösen Aura die mich umgab oder aber weil wir von außerhalb kamen und manch seltsame Gerüchte über mich in der Stadt kursierten.
Nicht zuletzt behauptete man von mir, ich würde mit dem Fürsten ins Bett springen.
Dümmliches Pack.
"Es wäre doch überaus interessant zu erfahre, wie ihr eigentlich die ganzen wilden Wölfe niederstreckt.. und das als einzelner Mann, mit einem Diener an eurer Seite, der noch nicht mal im stande ist auf einem einfachen Pferd zu reiten." meinte einer der Berater spitz.
"Ihr kommt und geht wie euch beliebt aber niemand weiß so recht wie ihr das anstellt. Vor eurem Auftauchen wurden unsere Tiere von den Wölfen regelmäßig gerissen. Menschen wurden attackiert und selbst unserer Männer konnten nichts gegen diese Bestien ausrichten... aber kaum taucht so ein junger Hübschling wie ihr hier auf und zack, wirkt es so, als hätte es nie ein Problem gegeben." der Berater erhob sich vom Stuhl und schlug während er seine Rede hielt, die Hände flach auf den Tisch.
Wenn Blicke nur töten könnten.
Der Fürst sagte zunächst nichts und hüllte sich lang in Schweigen aber nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, begann auch er allmählich an meinen Aussagen zu zweifeln.
"In der Tat. Es ist schon äußerst seltsam. Ihr sagt ihr erledigt die Wölfe selbst aber wie? Wie stellt ihr das an?" fragte er und runzelte die Stirn, soweit bis sich tiefe Falten bildeten.
"Mein Fürst." begann ich dann gelassen und behielt dabei meinen natürlichen Charme bei. Ich überkreuzte die Beine und lehnte mich elegant zurück.
"Ich hab meine Vorgehensweise doch bereits erläutert, was wollt ihr noch wissen? Ein Jäger hat so seine kleinen Tricks und Tipps und sollte ich diese einfach so nennen, könnte sie ja jeder verwenden und meine Dienste wären hier überflüssig, meint ihr nicht auch mein Fürst?"
"Hmm.."
"Lügen! Ihr verheimlicht etwas vor uns!" unterbrach der Berater brüllend und schlug nun mit der geballten Faust auf den Tisch ein, was jeden im Saal zum zusammenzucken brachte, nicht jedoch mich.
"Er betreibt garantiert Hexerei, anders kann das nicht möglich sein! Mein Fürst, seht ihr das denn nicht? Seht ihn euch doch mal genau an! Er hat euch bestimmt mit irgendeinem Zauber belegt!" eine große erschütternde Behauptung die jeden entsetzt nach Luft schnappen ließ.
Selbst Namjoon schien so langsam nervös zu werden und nästelte unentwegt an seiner Kleidung herum.
Ich hingegen schmunzelte, was dem Berater die Zornesfalte auf die Stirn trieb. Es sah beinahe so aus als würde sein Kopf jeden Augenblick platzen.
"Ihr wagt es mich auszulachen?!" schrie er wie von Sinnen und wäre mir wahrscheinlich am liebsten über den Tisch hinweg an die Kehle gegangen.
"Es ist in der Tat amüsant. Ihr wollt doch etwas von mir und nicht ich. Mir giert es weder nach Gold noch nach irgendeinem Titel. Ich möchte ledeglich in Ruhe gelassen werden und dafür schaffe ich euch die Wölfe vom Hals." erklärte ich sachlich und behielt die Höflichkeit akkurat bei.
"Weswegen solltet ihr mich also Fürchten? Seh ich etwa aus wie eine Gefahr für den Fürsten und diesem Land?" scheinheilig stütze ich mich mit den Armen auf dem Tisch ab und sah dem einem Berater, der mich am liebsten zum Teufel jagen würde, besonders tief in die Augen.
Er konnte kaum noch den Blick abwehren und schluckte auf einmal leer." D-das... also.. nein-" stammelte er verwirrt.
"Na sehr ihr? Von mir droht keine Gefahr, ich schaffe sie für euch vom Leib also worüber diskutieren wir hier eigentlich?"
Reiheum brach plötzlich ein wildes Getuschel aus.
"Sir Kim Taehyung hat Recht." unterbrach der Fürst das Gerede seiner Leute und strafte sie mit ernstem Blick.
"Er hat uns bisher nur geholfen und nicht wirklich viel dafür verlangt. Ich schätze die Anwesenheit von Sir Kim Taehyung. Wir haben einen neue Vereinbarung und solange wird er hier auch mit Respekt behandelt oder ich lasse Köpfe fallen!"
"Aber mein Fürst-!"
"Damit ist die Versammlung beendet. Ich möchte nichts mehr davon hören. Geleitet Sir Kim Taehyung und seinen Diener bitte bis zum Tor."
Der Fürst erhob sich und verließ anschließend den Saal. Erst als er nicht mehr zu sehen war, erhob auch ich mich von meinem Platz.
"Es war mit eine Freude." grinsend deutete ich eine minimale Verbeugung an, die der Berater einfach zu ignorieren schien, denn er tat nichts anderes, als mich mit zusammengebissenen Zähnen anzuknurren.
Dieser Triumph ging eindeutig an mich und dies ließ ich ihn auch deutlich spüren.
Nachdem wir das Adelshaus verlassen hatten und wieder bei den Pferden waren, fiel vorallem Namjoon ein gewaltiger Stein vom Herzen.
"Das war knapp.." schnaufte er und rieb sich die schwitzigen Hände am Hosenbein ab.
"Ach was. Das war gar nicht knapp." entgegnete ich belanglos. "Das war lachhaft."
"Was wenn sie es herausgefunden hätten? Dieser eine Berater schien es auf euch abgesehen zu haben junger Herr. Ihr solltet aufpassen."
"Er ist derjenige der vorsichtig sein sollte, denn ich habe zurzeit mächtigen Hunger und man sollte mich wirklich nicht reizen wenn ich Hunger hab. Könnte übel enden." Ich griff nach den Zügel des Pferdes und schwang mich anschließend aufs Pferd.
Namjoon versuchte wie gewohnt mit mir mitzuhalten aber als ich dem Pferd bereits die Fersen in die Flanken drückte, hatte er es gerade mal rauf geschafft.
So ein Tölpel.
❥
Das erste Kapitel fiel mir irgendwie am schwersten, dunno why aber ist auch noch nicht wirklich viel passiert, kommt aber alles noch :)
Was sagt ihr zum Plot und zu Taehyung? 🥺
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