Chapter 97
(Bild: Bahnhof King's Cross)
Selena Black P.o.V.:
Für James, Sirius und mich wartet am Bahnhof King's Cross keine winkende Familie mit Freudentränen in den Augen. Stattdessen steht ein vom Leben gezeichneter Mann mit einem normalen und einem magischen Auge abseits der Menschenmenge. Er trägt ein Holzbein und einen so wachsamen Blick, dass sein Gesicht grimmig wirkt. Er mustert jeden im Umkreis, als würde er in ihn hineinsehen und jede noch so gut versteckte Emotion oder Absicht erkennen können. Was bei dem blauen, ständig rotierenden Auge vielleicht gar nicht so abwegig ist.
Ich habe Gerüchte über einen Autor mit einem solchen Auge gehört, doch sicher bin ich mir nicht bei der Person, die uns in diesem Moment alle nacheinander fokussiert. Die Narben auf seinem Gesicht sind um einiges schlimmer als die, die Remus trägt, und seine Beine wirken aufgrund des Holzbeines asymmetrisch.
Je näher wir dem Mann kommen, desto sicherer werde ich mir, dass der Spitzname des Mannes Mad-Eye ist. Und als ich James' Gesichtsausdruck sehe, gibt es keinen Zweifel mehr. Enttäuschung, aber auch Wiedersehensfreude nehmen jeden Zentimeter seines Gesichts ein.
"Mr Moody!", James streckt die Hand aus, die Moody aber lediglich misstrauisch betrachtet.
"Der kleine Potter!", brummt der Mann, während sein Auge zwischen Sirius, James und mir hin und her hüpft. Zwischendurch richtet es sich auch auf Personen, die hinter uns stehen. Immer wachsam.
James atmet erleichtert aus.
"Gut, Sie sind es wirklich!" Er zieht seine Hand zurück, von der er, das weiß ich jetzt, nie erwartet hat, dass Moony sie ergreift. Das war ein Test.
Auch der Autor versteht das. Für einen Sekundenbrauchteil bilden sich kleine Fältchen um seine Augen.
"Wie der Vater, was?"
Ich nehme an, das war eine rhetorische Frage, aber James nickt trotzdem stolz. "Immer doch!"
"Und dennoch hast du zwei Todesser-Kinder Zuhause angeschleppt, kleiner Potter.", er blickt zwischen Sirius und mir hin und her, "Das macht deinen Eltern ziemlichen Ärger. Und dem Ministerium erst. Das effektivste Auroren-Team braucht selbst Schutz - was ein Schwachsinn!"
Er Schnaubt und betrachtet uns Todesser-Kinder wieder mit einem misstrauischen Seitenblick. Wenn er von Alec wüsste... Sein Blick würde mich bei lebendigem Leibe in Asche verwandeln.
Sirius tritt von einem Fuß auf den anderen, halb beleidigt und verletzt, halb wütend.
James drückt die Schultern zurück und tritt Moony entgegen.
"Man kann sich seine leiblichen Eltern eben nicht aussuchen, Mr Moony. Apropos, sind sie nicht hier, um uns zu Mum und Dad zu bringen?"
Einen Moment lang herrscht ein bitterernstes Blickduell zwischen den beiden, während dem Sirius und ich einen einvernehmlichen Blick tauschen - James sollte nicht so für uns einstehen müssen - doch dann seufzt Moody, als wäre er es Leid mit einem Kleinkind zu diskutieren und brummt mit einem finsteren Blick auf Sirius und mich:"Ich hab dir schon dutzende Male gesagt, dass du mich nicht Mr nennen sollst, kleiner Potter! Und jetzt kommt mit, hier sind zu viele Zauberer an einem Ort!"
Er wendet sich ab und eilt trotz Holzbein unglaublich schnell über den Bahnsteig zu der magischen Barriere zur Muggelwelt. Wieso habe ich das Gefühl, sein magisches Auge ist keine Sekunde lang von uns abgewendet?
James wirft uns einen erleichterten Blick zu, den ich mit einem Lächeln erwidere.
"Es ist sein Job, misstrauisch zu sein. Mach dir um uns keine Gedanken.", sage ich, obwohl das Todesser-Kinder in meinem Kopf immer noch in Dauerschleife läuft.
James schüttelt unzufrieden den Kopf. "Du bist viel zu nachsichtig, Sel, wie oft soll ich dir das noch sagen. Ein bisschen weniger Altruismus und dafür mehr Egoismus würde dir wirklich gut tun!"
Sirius lacht schnaubend, zieht uns aber im selben Moment mit sich und Moody hinterher.
"Danke, Alastor.", sagt Fleaumont eine halbe Stunde später. Es wundert mich, dass Moody nicht zusammenzuckt und ihn mit einem finsteren Blick bedenkt, als er auch noch eine Hand auf seine Schulter legt. Stattdessen nickt er.
"Ich beziehe an der Tür Stellung, ihr bleibt hier hinten!" Einen warnenden Blick später verschwindet er aus dem hinteren Teil des Restaurants, das so gut wie leer ist. Einzig ein älteres Paar sitzt einige Meter entfernt und unterhält sich über Orchideen. Ein sehr spannendes Thema, wie ich finde.
"Setzt euch, setzt euch", meint Euphemia, ehe sie mich auch schon neben sich auf die Sitzbank zieht. Obwohl wir uns gerade erst zur Begrüßung umarmt haben, legt sie den Arm um meine Schultern und zieht mich nah an sich. Mir kommt es vor, als würde das Eis, das nach dem Abschied von Alec mein Herz umgibt, brechen.
"Erzählt uns von eurem Schuljahr. Was habt ihr angestellt?", Fleaumont klingt eine Spur zu euphorisch, was ihm sogleich einen mahnenden Blick von seiner Frau einbringt.
"Ich meine, was gibt es Neues in Hogwarts? Ist alles noch beim Alten?"
Sirius lacht, erzählt aber sofort von einigen Missetaten. Anscheinend hat er die verbesserte Frage auch so verstanden, dass Fleamont eigentlich meinte, ob noch alles heil ist.
Euphemia seufzt, als sie von Sirius Verwandlung in eine Ritterrüstung hört, die ihm Nachsitzen bei Gonni erspart hat. "Was hab ich euch kurz vor eurer Abreise gesagt?"
Mit leuchtenden Augen wechselnt Sirius einen Blick mit mir.
"Benehmt euch!", sagen wir unisono, und Euphemia seufzt noch einmal. Diesmal mit einem winzigen Lächeln um die Mundwinkel.
"Und was habt ihr gemacht?"
"Genau das Gegenteil?", antwortet James fragend seiner Mutter.
Obwohl Euphemia etwas verzweifelt aussieht, lachen ihre Augen, als das ganze Tisch in Gelächter ausbricht und Fleaumont klopft James in einem unbeobachteten Moment auf die Schulter. Genau deswegen machen wir das. Es kann ein noch so schrecklicher Krieg toben, unsere Streiche heitern immer auf. Fast wie Schokolade.
Die Kellnerin kommt in eben dem Moment, in dem Fleamont fragt, wie unsere Jahresabschlussprüfungen in Verteidigung gegen die Dunklen Künste waren, was ihm einen verwirrten Blick einbringt. Doch die junge Frau verliert weder ihr Lächeln, noch verlangsamt sie unsicher ihre Schritte, als sie auf uns zukommt. Vielleicht bekommt sie öfter seltsame Sachen zu hören.
"Wissen Sie schon, was Sie trinken wollen?", fragt sie mit professioner Stimme. Den Satz hat sie bestimmt schon tausende Male gesagt.
"Welche Rotweine haben Sie denn?", fragt Sirius sofort mit einem charmanten Lächeln. Die Wangen der Kellnerin werden eine Nuonce dunkler; und dann noch eine, als auch James in die Charmoffensive geht und nach einem fruchtigen Rotwein fragt.
Euphemia richtet sich auf und unterbricht die Kellnerin, ehe sie Weinsorten aufzählen kann:"Die beiden nehmen jeweils eine kleine Cola." Sie wendet sich an Sirius und James, die sich grinsend in ihre Stühle zurückgelehnt haben. "Und wenn ihr dann noch durstig seid, dann gibt es einen leckeren Saft. Es ist schon Abends und wenn ihr zu viel Cola trinkt, könnt ihr wieder nicht schlafen."
Sirius und James bekommen nun auch rote Wangen, allerdings aus Scham.
Euphemia lächelt unverhohlen zufrieden die Kellnerin an und deutet dann auf die Speisekarte in ihrer Hand. "Für mich bitte den Hauswein, die Beschreibung klingt köstlich."
Ich verkneife mir ein Lachen, weil es offensichtlich ist, dass die Jungs nie erwartet hatten, einen Rotwein bestellen zu dürfen. Aber: well played, Mum!
Wir sind gerade mit dem Hauptgang fertig und Sirius trinkt den letzten Schluck seines Apfelsafts aus, als James unruhig auf seinem Stuhl umher rutscht und über seine Schulter zu der Milchglas-Wand schaut, hinter der Moody Wache hält. Meine Stirn legt sich automatisch in Falten. Seit seiner Animagus-Verwandlung hat James einen unglaublichen Sinn für die geringsten Gefahren.
Keine Sekunde später kommt Mad-Eye Moody mit dem sich wiederholdenden Tonk seines Holzbeines begleitet in den hinteren Bereich des italienischen Restaurants geeilt. Er hat das magische Auge auf seinen Hinterkopf gerichtet, sein gesundes dagegen wechselt einen alarmierten mit den Potters.
"Wir müssen verschwinden. Ich kann nicht glauben, dass es jemand geschafft hat, uns zu folgen!" Er geht zielstrebig an uns vorbei und durch den Notausgang gleich neben unserem Tisch.
Euphemia und Fleaumont ziehen beide ihre Zauberstäbe, während sie uns gleichzeitig durch die quietschende Hintertür bugsieren. Moody geht voran, den Zauberstab fest umklammert und jederzeit bereit, Flüche abzufeuern. Mum und Dad gehen halb neben uns, halb hinter uns. Es kommt mir vor, als hätten die drei ausgebildeten Auroren ein Dreieck um uns herum gebildet, jeder 120° im Blick.
Der Hinterhof, den wir mit raschen Schritten durchqueren, hinterlässt einen miesen Geruch in der Nase, doch wir gehen so schnell, dass wir den bald hinter uns gelassen habe und uns den stark befahrenen Straßen Londons nähern. Einige umherschlendernde Passanten und sogar gestresste Geschäftsleute werfen uns merkwürdige Blicke zu, doch das ist gerade nicht wichtig.
Etwa hundert Meter hinter uns ertönt ein Aufschrei. Als wäre eine Frau unsanft aus dem Weg geschubst worden. Einen Augenblick später ist ein deutliches hasserfülltes "Stupor" zu hören und der Inlineskater etwa zehn Meter vor uns bricht zusammen. Sofort bildet sich eine Menschentraube um ihn herum und es wird um einiges schwieriger, unserem geplanten Fluchtweg zu folgen. Moody legt einen Haken ein und zieht uns in eine schmale Seitengasse. Jemand zu meiner Linken greift nach meiner Hand und bevor ich schauen kann, werde ich durch einen Gartenschlauch gesogen und die uns umgebenden Menschenstimmen verstummen.
Ich dachte nicht, dass unsere Sommerferien so beginnen würden.
Alexander Malfoy P.o.V.:
Meine Sommerferien beginnen üblicherweise mit einem Dinner im kleinem Kreis der Familie. Doch heuer ist weder Lucius, noch Vater im Anwesen anzutreffen, was ich aber erst mitbekomme, als ich unseren jungen Hauselfen Dobby frage, wo denn alle sind. Diese Neuigkeit hellt meine Stimmung deutlich auf. Also bleiben nur Mutter und ich übrig, was das Abendessen möglicherweise sogar schmackhaft machen wird.
Mutter ist die einzige in meiner Familie, die wenigstens eine Spur Humor besitzt. Und ihr Herz ist gerade einmal zur Hälfte tiefgefroren. An guten Tagen, wenn Vater unterwegs ist und die Gefahr gering genug ist, dass er nicht jeden Moment auftaucht, ist es sogar möglich, ihr ein Lächeln zu entlocken.
Der Hauself reißt mich aus meinen Gedanken, als er mich mit seiner hohen Stimme fragt:"Wollen Sie alleine im Speisesaal zu Abend essen oder zusammen mit Ihrer Mutter?"
Ich runzle meine Stirn. "Wieso nicht mit meiner Mutter im Speisesaal?", entgegne ich mit einer Gegenfrage.
Der Hauself macht große Augen. "Das.. das wird nicht möglich sein, Sir." Tränen treten in seine Augen und er zieht die Schultern hoch, während er sich gleichzeitig klein macht, als würde er erwarten, dass ich gleich zuschlage. Angst nimmt meinen ganzen Körper ein. Wie Säure, die sich durch alles frisst, was ihr in den Weg kommt.
"Was meinst du damit, Dobby? Wieso soll-", ich breche ab und drehe mich auf dem Absatz meiner teuren Designerschuhe um. Es ist mir egal, das Gummispuren auf dem glänzend polierten Marmorboden zurückbleiben können. Irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht.
Das Schlafzimmer meiner Mutter liegt ganz am Ende des Korridors im ersten Stock, gleich neben dem meines Vaters. Die Tür ist nur angelehnt, weswegen ich das Fußende des großen Bettes aus Eichenholz sehen kann, dass anders als üblich zu dieser Uhrzeit nicht ordentlich gemacht ist. Stattdessen sind unter seinen Decken die Konturen von Füßen zu sehen sind. Normalerweise würde ich anklopfen und auf ein "Herein" warten, wie es sich gehört, doch die Angst, die meinen Körper kontrolliert, lässt kein Stehenbleiben zu.
Mutter liegt auf einem Berg von seidenbezogenen Kissen, was sie in einer halb sitzende Position bringt. Sie ist so blass, das ich mir, auch wenn ich nicht weiß, was sie hat, sicher bin, dass sie sich ohne Kissen nicht aufrichten könnte. Ihre sonst so schönen blauen Augen sind eingefallen und ohne eine Spur des unterdrückten Leuchtens, das ich erst seit ich älter geworden bin, immer mehr wahrgenommen habe.
Bei meinem Anblick öffnen sich ihre Lippen und mein Name kommt zögerlich aus ihrem Mund:"Alexander, du bist hier!"
Sie hebt die Hand und ich habe Angst, dass sie sie gleich wieder fallen lassen muss, weil sie nicht die Kraft hat, sie zu halten. Das sehen zu müssen, würde meine ohnehin schon zitternden Knie nachgeben lassen.
Wie kann es sein, dass ich um die Frau, die ich in den letzten Jahren so gehasst habe, weil sie nie auch nur ein Wort gegen Vater gesagt hat, nun so eine Angst habe?
Sie war schrecklich zu mir, hat mich nie beschützt, wie es ihre Aufgabe als Mutter gewesen wäre. Und dennoch würde ich am liebsten in Tränen ausbrechen. Doch es kommen keine. Meine Augen sind vollkommen trocken.
"Mutter", sage ich so leise, dass ich es selbst nicht verstehe. Langsam trete ich in den Raum ein, der, seit ich das letzte Mal hier war, immer mehr zu einem Krankenzimmer wurde. Fläschchen und Tinkturen stapeln sich auf dem Nachtschränkchen und neben dem Bett steht ein eleganter Tisch, auf dem ein Tablett mit Tee steht. Ein Strohhalm steckt in der wertvollen Teetasse mit Goldelementen. So etwas würde in diesem Haus niemals geduldet werden, wenn es nicht absolut notwendig ist.
Mutter lässt ihre Hand sinken, langsam genug, um vorzutäuschen, sie würde es nicht aus Kraftmangel tun. Aber ihre Augen verraten sie, das tun sie immer.
Wie festgezaubert bleibe ich im Türrahmen stehen, während Mutter mich mit müdem, aber wissendem Blick betrachtet.
"Wieso hat mir keiner was gesagt?", frage ich leise. "Ich hätte herkommen können. Schon früher."
Mutter lächelt. "Deine Priorität sollte deine Schulbildung sein, Alexander, nicht die Sorge um deine kranke Mutter."
Zögerlich trete ich an ihr Bett und setze mich an ihre Seite. Es wundert mich, dass sie nach meiner Hand greift und sie überraschend kraftvoll drückt. Normal sind Berührungen in der Familie Malfoy nicht gerade.
"Ich freue mich, dich zu sehen.", sagt sie leise. Ich glaube erst, mich verhört zu haben, so etwas hat sie noch nie gesagt.
Ich betrachte unsere Hände, ihre blassen, wo die Adern deutlich auszumachen sind, und meine großen, im Kontrast furchtbar hautfarben.
"Was hast du?" Ich kann sie nicht ansehen, während ich auf eine Antwort warte.
"Pankreaskarzinom", sagt sie mit ernster Stimme und so, als würde sie es lieber nicht aussprechen wollen. "Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ich habe noch einige Wochen."
Mein Kopf ruck nach oben. Einige Wochen? Wie kann das sein? Sie ist noch nicht einmal 50 Jahre alt! Und das wird sie auch nicht werden, flüstert eine leise Stimmer in meinem Hinterkopf. Sie wird sterben. Bald.
Durch den Schleier vor meinen Augen sehe ich - ohne es wirklich wahrzunehmen - Mutters Hand. Erst als ich sie an meiner Wange spüre, kommt ihr Vorhaben bei mir an. Wieder von einer solchen Berührung überrascht, zucke ich zusammen.
"Das ist in Ordnung, mein starker Alexander. Der Tod ist nicht das Schlimmste, was dir im Leben geschehen kann."
"Wieso tust du das?" Ich nehme ihre weiche Hand von meiner Wange und sehe meiner Mutter direkt in die Augen. "Wieso bist du erst so ... nett, wenn du stirbst?"
Ich bilde mir ein, Tränen in ihren Augen aufblitzen zu sehen.
"Alexander", sagt sie kraftlos, aber dennoch mit einem Art Flehen darin.
Nachdem ich aufgestanden bin und ihre Hand losgelassen habe, wiederholt sie meinen Namen. Als sie ihn noch einmal wiederholt, gerade als ich bei der Tür bin, hören meine Beine auf mir zu gehorchen und ich drehe mich auf der Stelle um.
"Nach all den Sachen, die du zugelassen hast... Nach Vaters Reinblutunterricht, den unzählbaren Folterflüchen, den ewigen Erwartungen und all den Vorschriften. Wie kannst du erwarten, dass ich jetzt, wo du einmal etwas von mir brauchst, einfach so alles vergesse, was du und Vater mir angetan habt? Ich kann das nicht, ich will das nicht."
Ich wende mich ab und stürme den Flur entlang, die Treppe hinunter und in den Keller unter dem Salon. Der großzügige Raum erinnert an ein Gefängnis, ist es auch an bestimmten Tagen, doch meistens ist es mein Rückzugsort. Niemand geht jemals hier runter. Zu dreckig, zu unwürdig. Für mich ist es der perfekte Platz, um nicht gefunden zu werden.
In der hintersten Ecke ist einer der Ziegelsteine locker und ich weiß ohne nachzudenken, welcher. Wie oft ich ihn bereits herausgezogen habe. Und ihn dann wieder so positioniert habe, damit keiner sieht, das etwas dahinter versteckt ist. Aber wer würde schon hier nach einem Schatz suchen?
Die kleine Schmuckschatulle in der Größe eines Miniaturwörterbuches liegt schwer in meiner Hand. Und das liegt nicht an dem wertvollen Schmuckstück meiner Großmutter, das sich darin befindet. Eher an der zugehörigen Geschichte.
Ich klappe die Schatulle auf und betrachte die goldene Kette mit dem Daumengroßen Smaragd. Der Celeste-Smaragd.
Benannt nach einer meiner Vorfahren, die so strahlend grüne Augen gehabt haben soll, dass ihr Liebhaber ihr diesen 600 Tausend Galleonen teuren Edelstein zur Verlobung geschenkt haben soll.
Zu seinem Pech hatte Celeste nie vor, ihn zum Mann zu nehmen und hat ihn kurz darauf vom König zum Tode verurteilen lassen. Sie heirate wenig später den Sohn des Königs, einen richtigen Kronprinzen, wobei sie bei der Hochzeit den Stein getragen haben soll. Ein paar Wochen später starb ihr Ehemann und sie zog weiter. Der Geschichte nach, hat sie immer wieder reiche Männer geheiratet, die kurz nach der Heirat durch den Fluch des Steines zu Tode kamen, auf die unterschiedlichsten Arten.
Mit gerade einmal dreißig Jahren starb sie dann an Einsamkeit, wie man sagt, und hat den Smaragd ihrem drittältesten Sohn vermacht. Seit dem war er stets im Besitz der Familie. Und wurde an den möglichst drittältesten weitergereicht. Da aber bei den Malfoys schon lange nur noch zwei Kinder üblich waren, hat meine Großmutter ihn mir gegeben.
Ich glaube zwar nicht an den Fluch, doch an den Wert des Steines besteht kein Zweifel. Er ist das Startkapital für Selenas und mein gemeinsames Leben.
Ich sollte ihn einstecken und abhauen. Meine Familie zurücklassen, ob krank oder nicht. Wenn sie von Selena und mir erfahren, werden sie sich sowieso von mir abwenden. Meine Flucht würde dem nur zuvorkommen. Ich sollte weglaufen. Genau so, wie ich es ohnehin geplant hatte.
Ich betrachte den Stein, der im Laufe der Jahrhunderte in eine filigrane goldene Fassung eingesetzt wurde aus allen Richtungen.
Meine Flucht ist sicher.
Ebenso mein Plan für danach.
Doch die Zeit bis dahin, die steht in den Sternen.
Ich könnte jetzt in den Speisesaal gehen und zu Abend essen, meine egoistische Mutter nicht mehr besuchen und auf Vater und Lucius warten.
Doch das wäre nicht recht. Und furchtbar schwach. Selena würde sich für mich schämen. Sie hätte die Kraft, zurück in das Zimmer meiner kranken Mutter zu gehen und ihr für unsere Maßstäbe schönes Abendessen zu bescheren.
Ihr wäre klar, und mir ist es das jetzt auch, dass es nicht darauf ankommt, was ich will oder glaube, im Stande zu sein. Sondern darauf, was ich tun muss. Weil es das Richtige ist.
Ich lege die schwere Halskette zurück in die Schmuckschatulle, schiebe sie aber nicht wieder in das Loch in der Wand, sondern verstaue sie in meiner Umhangtasche. Den Ziegelstein lege ich zurück. Diesmal ist nicht wichtig, ob jemand das Versteck entdeckt, denn der Smaragd wird nicht zurückkehren.
Als ich den Keller verlasse, betritt Dobby gerade mit einem üppig gefüllten Tablett die unteren Treppenstufen, die zum Zimmer meiner Mutter führen.
"Warte bitte, Dobby.", sage ich mit überraschend fester Stimme. "Ich mache das."
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/564x/db/fe/17/dbfe17a26576fa1ec29fbab1b48e3e4b.jpg)
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