Chapter 89
(Bild: Lily)
Selena Black P.o.V.:
Ich schaffe es bis zu einem unschmeichelhaften Porträt von Federick dem XI., bevor meine Hundebeine einknicken und ich mich im Fallen auf dem Boden zusammenrolle. Mir wird schwarz vor Augen und die Welt scheint sich um mich herum zu drehen und zu drehen und zu drehen. Wie bei nie enden wollendem Karussell hebt und senkt sich der kalte Steinboden und die Wände biegen und verschieben sich.
Es ist eine Erleichterung, als ich endlich ganz ohnmächtig werde und die Dunkelheit mich mit offenen Armen aufnimmt.
Das Nächste, was ich höre, sind sich nähernde Schritte. Im ersten Moment denke ich, dass die Person keine zehn Schritte mehr entfernt sich kann, aber sobald mein vernebeltes Gehirn sich daran erinnert, dass ich gerade in meiner Animagusform bin, wird klar, dass sie mindestens noch drei Korridore weit weg ist.
Ich stelle meine Ohren auf und lausche. Die Schritte meiner Freunde kann ich normalerweise ohne Probleme von fremden Menschen unterscheiden. Die Person geht langsam, vorsichtig, aber auch in gewisser Weise energisch. Erleichtert atme ich aus. Die Schritte kommen näher und halten dann kurz inne.
Ein Anflug von Panik durchströmt mich, als mir klar wird, dass ich mich zurück in einen Menschen verwandeln muss, ehe die Person um die Ecke kommt. Mein Fell verschwindet und anstattdessen berührt jetzt Haut den kalten Kerkerboden. Die Schritte, die gerade eben noch klar und deutlich waren, sind plötzlich viel weiter weg. Dennoch höre ich, dass sie sich in die falsche Richtung entfernen. Ich versuche mich aufzurichten, scheitere und lege dann erschöpft meine Wange auf den eisigen Stein.
"Lily?", meine Stimme ist nur ein Krächzen und ich wundere mich von ganzem Herzen, als die sich entfernenden Schritte plötzlich innehalten.
Mir wird erneut schwarz vor Augen, während ich das Ohr auf dem Boden den dumpfen Schritten lausche. Als Lily die letzten Meter zu mir rennt und sich neben mich kniet, um mir das Haar aus dem Gesicht zu streichen und mich mit riesigen Augen anzustarren, klärt sich mein Blick für einige Sekunden. Doch ihre Worte, die sie der Bewegung ihrer Lippen nach formt, kann ich weder hören, noch verstehen. Ich starre sie an, runzle die Stirn und folge den hastigen Bewegungen ihres Mundes bis ich in den dunklen sich bildenden Tunnel abgedriftet bin.
Als ich wieder aufwache, lehne ich an der Wand, Lily neben mir, eine gläserne Wasserflasche in der Hand. Sie dreht gerade den Verschluss auf und erschrickt, als ich mich in eine aufrechtere Position stemme. Dann atmet sie erleichtert aus.
"Verdammt, Selena! Was ist passiert? Und wieso - in Gottes Namen - sieht dein Hals aus wie der meiner dicken Tante Ursula?"
Ich sehe langsam hinab, was an sich schon schmerzt, aber als ich die Schwellung um meine Kehle herum wahrnehme, kommt mir der Schmerz um drei Stufen schlimmer vor.
"Äh, danke.", versuche ich herauszubekommen, doch es ist mehr ein Flüstern als ein Sagen und eher unverständlich als klar.
Doch Lily versteht mich und verdreht die Augen, ehe sie mir die Flasche ans Kinn hält und mir offensichtlich beim Trinken helfen will.
"So schwer bin ich dann auch wieder nicht verletzt!", behaupte ich. Doch als ich die Hände hebe, sie an die volle Flasche lege und Lily mit einem zweifelndem Blick und einem Schulterzucken ihre Hände zurückzieht, sackt die Wasserflasche erst einmal ein ganzes Stück ab. Sie ist einfach zu schwer.
Lily blickt mich nicht mit einem Ich-hab's-dir-doch-gleich-gesagt-Blick an, sondern fängt meine Hände auf und hilft mir dann doch beim Trinken. Das kühle Wasser ist furchtbar unangenehm, wie ein Eiswürfel nachdem man sich beim essen verbrannt hat, aber gleichzeitig ist es auch genau das, was ich jetzt brauchte.
"Was ist passiert? Wer war das?", fragt Lily vorsichtig, während sie die Flasche achtlos hinter sich abstellt. Ich weiche erst ihrem Blick aus, sie weiß nichts von dem Buch, aber dann besinne ich mich und erzähle ihr flüsternd die ganze Geschichte. In abgekürzter Version, weil mein Hals sich zehnmal schlimmer als bei meiner letzten Erkältung anfühlt.
"Und jetzt sind sämtliche Slytherins auf der Suche nach diesem Buch?" Lily zieht die Augenbrauen zusammen. "Was ist mit Alexander? Ist er auch beteiligt? Weiß er, wo du deine Kopie versteckt hast?"
Ich schüttle den Kopf. "Wenn er es wüsste, müsste er bei diesem Thema immer lügen. Und wer weiß, welche Legilimentoren unter den Todessern sind. Ich habe gehört, Lord Voldemort ist ein ausgezeichneter Legilimentor. Es reicht schon, dass er uns verbergen muss, wenn dann auch noch Todesser-Angelegenheiten dazu-"
"Hey, alles gut. Du musst dich nicht rechtfertigen. Na komm, ich bring dich zu Madam Pomfrey.", unterbricht mich meine beste Freundin.
Ich lasse mir von ihr hochhelfen, widerspreche aber hinblicklich ihrer Pläne:"Ich kann aber nicht sagen, dass ich einen Einbruch begangen und meine Eltern erpresst habe, Lils. Ich würde die Jungs mitreinziehen. Außerdem ist das nichts, was die Professoren etwas angeht.", versuche ich mich zu erklären.
Lily seufzt, während sie mich beim Gehen stützt.
"Zu stolz um wahr zu sein.", murmelt sie ein kleines bisschen bitter. "Aber okay, wo willst du hin? Sir-"
"Raum der Wünsche", unterbreche ich sie, ehe sie meinen Bruder richtig erwähnen kann.
Lily bleibt ruckartig stehen und ich gerate ins Straucheln.
"Sel!", stößt sie beinahe schon empört aus. "Du kannst nicht immer alles mit dir selbst ausmachen! Die Jungs müssen von Pitres' Aktion erfahren, verdammt! Sie können dich nur beschützen, wenn sie wissen, wie ernst die Lage ist!"
Seit wann flucht Lily?
"Du bist so ein sturer Esel! Ich fasse es nicht! Lass dir helfen, Selena! Du behältst immer die brisanten und Konflikt auslösenden Dinge zurück und willst die Sachen alleine klären, aber so läuft das nicht mehr! Ich hab darauf keine Lust mehr." Lily deutet mit dem Finger auf mich. "Du lässt dir helfen. Von mir, von den Rumtreibern und wegen mir auch von deinem Freund. Ich warne dich, wag es ja nicht, wieder alles allein schaffen zu wollen!"
Ich kneife die Augen zusammen und starre meine beste Freundin an.
"Was ist nur aus der kleinen, schüchternen Lily Evans geworden?"
Meine Mundwinkel zucken und auch Lilys Lippen verziehen sich nach einem Augenblick, in dem sie mich starr gemustert hat, zu einem Grinsen.
"Ach, halt die Klappe, Krächzmonster."
Zehn Minuten später sind Lily die Wörter ausgegangen. Sie sieht sich staunend in Alecs und meinem Raum der Wünsche um. Seit Sylvester hat sich der Raum immer weiterentwickelt, jetzt ist er eigentlich schon eine Wohnung. Ich wende mich von Lily ab und will mich auf das nicht weit entfernte Sofa vor dem Kamin fallen lassen. Aber dort sitzt schon jemand, den wir beide bis zu diesen Moment total übersehen haben. Alec, ein Buch in den Händen, die kuschlige Wolldecke über den Knien und mich mit schief gelegtem Kopf ansehend. Er lächelt, bis sein Blick auf meinen roten und angeschwollenen Hals fällt.
Das Buch kommt mit einem lauten Knall auf dem Boden auf, als Alec aufspringt und mit zwei großen Schritten bei mir ist. Lily, die Alec noch gar nicht bemerkt hatte, zuckt heftig zusammen und wirbelt mit wehendem Haar herum. Sie atmet ruckartig aus, als sie ihn erkennt und seufzt im nächsten Moment entnervt. Sie war schon immer sehr schreckhaft.
Alec tastet, die Stirn in tiefe Falten gelegt, vorsichtig meinen Hals ab, ehe er seinen fast schon vorwurfsvollen Blick auf meine Augen lenkt.
"Ist das ein verfluchter Handabdruck? Wer war das?", seine Stimme ist leise, und deswegen umso gefährlicher. Er trippelt nervös mit seinen Füßen auf der Stelle und sieht aus, als würde er gerne sofort loslaufen und jemanden eine heftige Abreibung verpassen.
Ich greife nach seinen Unterarmen und lege dann meinen Kopf auf seinem Schlüsselbein ab. Seine hektischen Bewegungen stoppen abrupt, er zögert aber deutlich wegen Lilys Anwesenheit, bevor er die Arme um mich legt und sein Kinn auf meinem Haar ablegt. Er atmet tief ein und spricht dann erneut, diesmal ruhiger:"Was ist passiert?"
Ich antworte nicht sofort, aber Lily, die sich inzwischen auf dem Sofa niedergelassen hat, nimmt mir das zum Glück ab. Langsam kann ich wirklich nicht mehr sprechen.
"Einer deiner Slytherin-Freunde wollte Informationen." Lily wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich nicke, damit sie weiterspricht. "Er wollte wissen, wo dieses Auktionsbuch der Blacks ist."
Alecs Muskeln spannen sich an, doch als er mit angespanntem Kiefer spricht, sagt er nur ein Wort:"Wer?"
"Pitres", sagt Lily mit deutlicher Abneigung in der Stimme.
Alle Luft entweicht aus Alecs Körper und ich weiß, auch wenn ich sein Gesicht nicht sehe, dass er die Augen geschlossen hat. Ich taste nach seinen Händen, die zu Fäusten geballt sind, und nach mehreren Versuchen lässt Alec mich unsere Hände verschränken. Er ist in sich zusammengesunken, weswegen seine Lippen jetzt auf Höhe meines Ohres sind und ich ganz deutlich sine geflüsterten Entschuldigungen hören kann. Immer wieder sagt er mir, wie leid ihm Pitres' Aktion tut, obwohl er nichts damit zu tun hat.
Alec ist derjenige, der einem leid tun kann. Denn obwohl er seine Freunde inzwischen als Fanatiker ansieht, sind sie dennoch seine Freunde, mit denen er eine Menge Dinge erlebt hat. Wer an seiner Stelle hätte nicht die Hoffnung, dass seine Freunde doch trotz allem auf seiner Seite sind?
"Hör auf damit!", murmle ich gegen seinen Hals und Alec verstummt schlagartig. "Mir geht es gut und Adalar hat falsche Infos."
Ich weiß, dass Lils die Augen verdreht und wahrscheinlich zum ersten Mal Alecs Meinung ist, wohnach ich gerade gequirlten Unsinn labere, aber keiner der beiden sagt etwas.
Doch mich beschäftigt gerade anderes. Diese Hilflosigkeit von vorhin, als ich meinen Zauberstab nicht erreichen konnte, nagt an meinen Gedanken. Jetzt, mit Alec und Lily fühle ich mich vollkommen sicher und mir ist auch endlich wieder warm, aber das Gefühl, mich nicht verteidigen zu können, ausgeliefert zu sein, lässt mich nicht los.
"Ich hab da eine Bitte.", flüstere ich, wobei mein Hals mit Schmerzen protestiert.
Alec bewegt sich leicht und ich hebe den Kopf, um ihn ebenfalls ansehen zu können.
"Kannst du Lily und mir dabei helfen, zu lernen, wie man sich ohne Zauberstab verteidigt? Also auf Muggelweise."
Alec runzelt die Stirn und sein Blick wird noch eine Spur besorgter. Offensichtlich sieht man mir an, wie sehr diese Hilflosigkeit in meinem Kopf herumwirbelt.
Er nickt und versucht ein schwaches Grinsen. "Klar, Honey. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob es so in meinem Interesse ist, Lily das Zuschlagen beizubringen. Ich hab wirklich Angst vor ihrem finsteren Blick." Er zwinkert Lily zu und ich linse neugierig auf ihre Reaktion zu ihr.
Sie kneift erst die Augen zusammen und setzt ihren besten finsteren Blick auf. Dann muss sie die Augen schließen und die Hände auf ihre Wangen legen, damit wir ihr unfreiwilliges Grinsen nicht sehen.
"Arsch!", ertönt es gedämpft hinter Lilys Händen hervor und Alec grinst stolz. Als sein Blick allerdings wieder auf meinen geschundenen Hals fällt, erlischt das echte Grinsen und ein schwaches Abbild davon bleibt übrig. Im nächsten Moment hat er sich von mir gelöst und ist mit schnellen Schritten auf dem Weg ins angrenzende Badezimmer.
Während meine Augen Alec folgen, lasse ich mich neben Lily auf das Sofa plumpsen und breite die noch warme Wolldecke über unseren Beinen aus. Was auch immer er vorhat, werden wir schon noch früh genug erfahren.
"Er ist...", beginnt Lily flüsternd. Sie zieht die Augenbrauen zusammen und scheint nach einem passenden Wort zu suchen.
"Ich weiß.", meine ich lächelnd, denn ich sehe ihr an, dass das gesuchte Wort nicht negativ sein sollte.
Lily dreht den Kopf und mustert aufmerksam mein Gesicht. Im Badezimmer räumt Alec derweil auf der Suche nach irgendetwas, das nur er kennt, den ganzen Raum um. Zumindest hört es sich so an. Vielleicht sollte ich ihn erinnern, dass wir im Raum der Wünsche sind? Nein, das kriegt er schon hin...
"Selbstverteidigung?", fragt Lily schließlich. "Ist das wirklich nötig? Sind die nicht alle viel zu vernarrt in ihre Zauberstäbe?"
"Es schadet nicht, oder? Sowas kann man nicht aus Büchern lernen, man muss es üben. Und lieber wissen wir, wo es wirklich weh tut, statt dass es eine Wiederholung von Heute gibt.", ich senke den Kopf und mein Blick fällt auf Alecs Buch, das er vorhin einfach fallen gelassen hat. Es ist eine der Pflichtlektüren seiner Eltern, das erkenne ich sofort am Buchtitel: Mittel und Wege zur absoluten Reinheit
Schritte vom Badezimmers aus ertönen und als Lily aufsieht, greife ich nach dem Buch und lasse es unter dem nächsten Kissen verschwinden. Lily ist gerade dabei, Alec zu mögen und allein der Titel des Buches könnte sie zum Davonlaufen bringen.
Als ich mich Alec zuwende, blitzen seine Augen für einen Sekundenbruchteil ungeniert in meine Richtung. Er hat mich also gesehen.
Ich zucke unschuldig mit den Schultern, was sein Grinsen breiter werden lässt und meiner verwirrten besten Freundin einen abgrundtiefen Seufzer entlockt. In einer Hand hält er eine Tube mit Salbe, die ich nach Vollmonden immer verwende, und in der anderen seinen Zauberstab, womit er aus der hohen Kommode neben unserem Bett einen Schal in meinen Hände schweben lässt.
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/564x/23/87/bc/2387bc2e89363d96966f2ad3c34ff6fb.jpg)
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