Chapter 11

(Bild: Alexander Malfoy)


Alexander Malfoy P.o.V.:

Wir halten erst bei dem letzten Passagierwaggon, welcher eigentlich für die Schülersprecher bestimmt ist. Doch Selena schiebt die Tür unbeirrt beiseite und bedeutet mir, an ihr vorbeizugehen. Ich trete ein und hastig sehe ich mich um. Der Waggon ist leer. In den beiden Sesseln vor einem der Fenster sitzt niemand und auch der große Tisch mit den zehn Stühlen ist unbesetzt. "Die Vertrauensschüler und die Schulsprecher patrollieren gerade durch die Gänge und treffen sich dann mit ihren Freunden. Hier wird die restliche Zugfahrt also keiner mehr herkommen." Wie ich ihre Stimme vermisst habe! Ich drehe mich zu ihr um und kann nicht anders, als sie anzulächeln. Erst zögert sie, doch dann erwidert sie es vorsichtig - zumindest solange, bis sie sieht wie mein Blick zu ihren Bauch huscht, wo ich noch vor kurzem den Verband gesehen habe. Sie schlingt beide Arme um ihren Oberkörper, so als könnte sie sich auf diese Weise vor unangenehmen Blicken schützen.

Als ich bemerke, wie unwohl ihr ist, schaue ich ihr wieder in die Augen. "Ich nehme an, du willst mir nicht von deinen Ferien erzählen?" Selena schüttelt den Kopf, kommt aber gleichzeitig einen Schritt weiter in den Waggon. Jetzt ist sie nur noch eine Armlänge von mir entfernt. Ich bin mir ihrer Nähe überdeutlich bewusst und ich bemühe mich, mir das nicht ansehen zu lassen. Doch langsam kann ich nicht mehr. In den letzten zwei Wochen, habe ich bei jedem Gegenstand, welcher die gleiche Farbe hat wie ihre Augen oder ihr Haar, an sie denken müssen. Und bei jedem Essen, das vor mir stand, musste ich an den Abend denken, den wir gemeinsam in der Küche von Hogwarts verbracht haben. Als sie sieht, dass ich ihr ausschließlich ins Gesicht starre, lässt sie die Arme sinken.

"Wieso wolltest du mit mir reden?" Selena zuckt mit den Achseln. "Ich weiß es ehrlich gesagt selbst nicht. Ich glaube, dass ich einmal nicht wie das arme, kleine, verletzte Mädchen angesehen werden wollte." Sie zuckt noch einmal mit den Schultern und kommt noch einen kleinen Schritt in meine Richtung. "Da hast du Glück, denn ich sehe dich nun einmal an, wie ich ein starkes, selbstbewusstes und unabhängiges Mädchen wie dich, ansehe." Sie sieht geschmeichelt aus, und schneller als ich sehen kann, ist sie noch näher zu mir herangetreten und hat die Arme um meinen Bauch geschlungen. Sie legt den Kopf vorsichtig auf meine Brust - genau dahin, wo mir mein Herz vor Freude aus der Brust springen will. Sanft lege ich meine Arme um sie und streiche mit den Händen behutsam über ihren oberen Rücken, darauf bedacht nicht in den Bereich zu kommen, wo sie den Verband trägt. Ich will ihr keine Schmerzen bereiten. Ich kann spüren wie sie atmet. Ich bilde mir sogar ein, dass ich ihr Herz schlagen spüre. Das Kinn auf ihrem Scheitel gelegt, schließe ich die Augen. Es tut so gut sie wieder zu berühren. Ihr nahe zu sein. Ich summe mein aktuelles Lieblingslied ganz leise vor mich hin und allmählich entspannen sich die verspannten Muskeln unter meinen Händen. Wir stehen lange so da. Und ich genieße jede einzelne Sekunde davon.

"Es war meine Mutter.", unterbricht Selena schließlich die behagliche Stille. "Sie hat mich mit ihrem Dolch am Bauch verletzt und ich wäre jetzt vermutlich tot, wenn Sirius und die Potters nicht gewesen wären." Unwillkürlich wird meine Umarmung fester. Ihre Mutter? Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Reinblutkinder mit Folter aufwachsen, aber Messerattacken sind mir neu. "Wieso?", meine Stimme ist nur ein zischen, so sauer bin ich auf Walburga Black. "Ich habe sie nach der Beerdigung gefragt, ob sie Kontakt mit Todessern aufgenommen und ihnen Grace und ihre Familie als mögliche Mordopfer vorgeschlagen hat. Es kam zum Streit, und als Sirius über irgendetwas Belangloses gelacht hat, hat sie einen Teller gegen seine Stirn geworfen. Woraufhin ich auf sie losgegangen bin. Und plötzlich lag ich am Boden und Sirius hat sich über mich gebeugt." Ich halte sie noch fester. "Er hat mich zu James und seinen Eltern gebracht." "...Welche euch natürlich sofort bei sich aufgenommen haben." Sie nickt. "Aber nicht nur für dieses Weihnachten. Sie haben uns vorgeschlagen, dass wir ab jetzt in allen Ferien zu ihnen kommen. Auch in den Sommerferien." Ich schiebe sie behutsam an den Schultern von mir weg um ihr in die Augen schauen zu können. Sie strahlt nur so vor Glück. "Du meinst, dass sie euch sozusagen adoptieren?"

Sie nickt noch einmal, breit lächelnd. Ich kann nicht anders als sie ebenfalls anzustrahlen. "Ihr habt es geschafft! Ich bin so unglaublich stolz auf dich. Auf euch beide." Sie lächelt und schlingt dann die Arme wieder um mich. Ich mag es, dass sie mich so gerne umarmt. Zumindest glaube ich, dass sie es gerne tut. Sonst würde sie es nicht so häufig machen, oder? Ich schließe noch einmal die Augen und atme tief den Duft ihres Haares ein. Wenn ich ehrlich bin, mag ich viel mehr als das an ihr. Viel, viel mehr.

Wir stehen eine ganze Weile einfach nur so da. Und ich genieße jeden Augenblick von Selenas Nähe. Doch schließlich löst sie sich wieder von mir und blickt mir ins Gesicht. "Du trägst deine Haare kürzer!", stellt Selena fest. Sie fährt mit einer Hand durch meine kurzen Locken und ich kann gerade so einen genießerischen Seufzer unterdrücken. Was macht dieses Mädchen nur mit mir? "Meine Mutter hat darauf bestanden. Du weißt schon: 'Sonst siehst du aus wie ein Bettler, der sich keinen gescheiten Haarschnitt leisten kann' und so weiter. Dabei haben sie mir früher besser gefallen!" Ich grinse schief. "Mir auch.", rutscht Selena heraus und einen Moment blickt sie mich erschrocken an, dann zuckt sie mit den Schultern und grinst ebenfalls. Mir ist allerdings nicht entgangen, wie sie die Lippen vor Schmerz kurz zusammengepresst hat, nachdem sie die Schultern so ruckartig bewegt hat. Die Beerdigung ist schon fast ganze zwei Wochen her, und dennoch hat sie noch solche Schmerzen. "Du solltest heute noch bei Madam Pomfrey vorbeischauen. Vielleicht kann sie dir irgendwie helfen."

Zu meiner Überraschung schüttelt Selena den Kopf. "Nein, Fleamond und Euphemia haben einen befreundeten Heiler, der im St. Mungo arbeitet, um Rat gefragt, und als er sich die Verletzung und den Dolch angeschaut hatte, hat er gesagt, dass ich nichts anderes tun kann, als mich zu schonen und abzuwarten." Meine Stirn legt sich in Falten und ich blinzle sie verwirrt an. "Er hat sich auch den Dolch angeschaut? Du meinst, dass er kein normaler Dolch ist, sondern auf irgendeine Art ..."

"...verzaubert ist. Ja.", beendet sie meinen Satz. "Die Flüche darauf bewirken, dass Wunden nur sehr eingeschränkt mit magischen Mitteln behandelt werden können. Das heißt, dass sie so lange brauchen um zu heilen, wie es bei einem Muggel dauern würde." Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, denn das was mir gerade in den Sinn kommt, kommt dem was ich fühle nicht einmal annähernd nahe. 

Um mich abzulenken grinse ich Selena schief an. "Das bedeutet dann wohl, dass die Slytherins dieses Jahr eine super Chance auf den Quidditchpokal haben - wenn du nicht dabei bist." Die Griffindor lacht kurz auf, und ich bin froh, dass der verletzte Ausdruck für kurze Zeit aus ihrem Gesicht verschwindet. Auch wenn Selena es niemals zugeben würde, von der eigenen Mutter mit einem Messer beinahe tödlich verletzt zu werden, bricht ihr das Herz. Stattdessen tritt eine leichte Röte auf ihre Wangen. Ist sie etwa verlegen?

Sie schlägt mir mit der Faust gegen die Schulter und sagt:"Mach dir da mal keine zu großen Hoffnungen, Malfoy. Ich werde in Null-Komma-Nichts wieder auf dem Besen sitzen und euch Slytherins fertigmachen!" Ich kann nicht anders als sie anzugrinsen. 


Ein paar Minuten später lasse ich mich wieder neben Bailee auf meinen Platz fallen. "Es ist offiziell, Jungs. Selena und Sirius Black sind von Zuhause angehauen." Alle meine Freunde blicken überrascht auf. "Meinst du das Ernst?", frage Adalar, während Gerrick fragt:"Woher weißt du das?" Ich zucke nur entspannt mit den Schultern. "Ja, ich meine das vollkommen Ernst. Und gehört habe ich es von ein paar Griffindors, die ich auf dem Weg zur Toilette getroffen habe." Ich schnaube gespielt empört und meine angeekelt:"Die waren auch noch stolz darauf, dass ihre Anführer solche Verräter sind." 

"Was soll man auch anderes erwarten von diesem Pack aus Schlammblütern? Sie sind doch viel zu einfältig um zu erkennen, wie falsch sie mit ihren Ansichten liegen.", lässt Rodolphus von sich hören, als er sich wieder gelangweilt dem Schachbrett vor ihm zuwendet. Doch Adalar hat mehr Interesse an den Neuigkeiten, die ich ihnen gerade gebracht habe - vermutlich wegen der Wette, die er damit verliert - und lässt mich noch lange nicht in Ruhe. "Und wo schlafen sie jetzt?" Er lacht. "Etwa auf der Straße?" Ich zwinge mich zu grinsen, als würde mich diese Vorstellung amüsieren und nicht Übelkeit in mir hervorrufen. Ich will die Potters nicht in Schwierigkeiten bringen, und so sage ich nichts von dem, was Selena mir gerade noch anvertraut hat:"Woher soll ich das wissen? Sehe ich etwa aus, als wäre ich ein Legilimentor?", fahre ich Adalar daher an. Er zieht den Kopf ein, als er meinen gereizten Ton hört und meint nur:"Tut mir leid." Dann wendet er sich wieder Rodolphus und dem Zauberschach zu.

Ich fühle mich wie ein Arsch, weil ich meinen Freunden nicht die ganze Wahrheit sage, aber sollte ich ihnen von Selena erzählen? Von dem was ich über sie denke? Nein, das kann ich nicht tun. Wenn ich das täte, würden sie mich fertig machen. Und zwar auf jede erdenkliche Weise. Sie würden mich nicht mehr als Freund ansehen und meiner Familie alles erzählen - welche mich verstoßen würden - und anders als die beiden Blacks habe ich dann niemanden zu dem ich gehen kann - und auch niemanden der mit mir geht. Nein, das zwischen Selena und mir - was immer das auch ist - muss geheim bleiben, und zwar um jeden Preis. Es würde mich nämlich alles kosten. Meine Freunde, meine Familie und das Leben, das ich bisher kannte. 

Ich war so darauf konzentriert mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mehr weiß als das was ich sage, dass mir Bailees Hand auf meinem Oberschenkel erst jetzt auffällt. Um nicht mit Bailee streiten zu müssen, stehe ich auf um das Zugfenster zu öffnen und setzte mich dann etwas weiter von ihr entfernt wieder hin. Doch das Ganze hätte ich mir sparen können. Bailee rutscht einfach wieder neben mich und ist mir dieses Mal noch näher. Na toll.


Remus Lupin P.o.V.:

Das war jetzt schon das dritte Abteil, in dem Freunde von Lily sitzen und obwohl ich alle diese Menschen kenne - und auch mag - sehne ich mich danach, mich neben die anderen Rumtreiber fallen zu lassen und mir einen Schokofrosch zu genehmigen. Zum Glück kann ich Lily mit einem bittenden Blick dazu überreden, dass sie sich von den vier Ravenclaws verabschiedet und wir unsere Runde durch den Hogwarts Express fortführen. Wir sind schon fast fertig und schon wenige Minuten später sitze ich wieder im Abteil der Rumtreiber - mit Schokolade im Mund. Sirius spielt mit Peter Koboldstein und Selena hat es sich auf der Sitzbank mir gegenüber gemütlich gemacht. Den Hinterkopf hat sie auf die Oberschenkel von James gelegt, welcher mit einer ihrer Haarsträhnen spielt und dessen Augen seit Lily und ich eingetreten sind durchgehend auf der rothaarigen Hexe neben mir liegen. Ich seufze leise. Lily hat es ihm ja schon immer angetan, aber seit er vor zwei Jahren angefangen hat, sie bei jeder ihm bietenden Gelegenheit nach einem Date zu fragen und sich in ihrer Gegenwart wie ein Idiot aufzuführen, hat es ihn endgültig erwischt. Mich wundert es noch heute, dass kluge Lily davon überhaupt nichts mitbekommen hat. Sie denkt immer noch, dass das alles nur ein blöder Scherz ist.

Selena hat schon die ganze Zeit die Augen geschlossen und ein breites Lächeln auf den Lippen. Irgendetwas ist passiert. Erst dachte ich, dass ihr verändertes Verhalten an dem Tod von Grace liegt, aber dann fiel mir das Lächeln auf, welches manchmal auf ihr Gesicht tritt wenn sie in die Ferne sieht. Es ist ein heimliches und gleichzeitig glückliches, welches nicht zu der Traurigkeit und dem Schmerz passte, den ich an jenem ersten Schultag unseres fünften Jahres in ihren Augen gesehen habe. Ich habe die stille Vermutung, dass sie etwas vor uns geheim hält oder das etwas passiert ist, von dem wir nichts wissen. Als erstes dachte ich, dass sie vielleicht einen heimlichen Verehrer hat, aber sie ist die meiste Zeit mit uns zusammen und für einen Freund hat sie nicht genug Zeit - es sei denn, sie trifft ihn mitten in der Nacht? Nachdenklich sehe ich Selena an. Wieso erzählt sie uns nicht alles? Ist er ein so schlimmer Kandidat? Würde Sirius ausrasten, wen er von ihm erführe? Wahrscheinlich, da kann er noch so ein guter Typ sein. 

Die Schiebetür des Abteils, in welchem nur Peter's und Sirius' Stimmen zu hören sind, geht auf und Bailee Parkinson und zwei ihrer Slytherin Freundinnen treten ein. "Na wen haben wir denn da? Schlammblüter und Blutsverräter.", meint Parkinson spöttisch und rümpft die Nase. Erst reagieren wir nicht. Wir sind viel zu gut gelaunt, um uns von ihr die Stimmung vermiesen zu lassen. "Und wieso seid ihr dann hier, wenn ihr uns so abscheulich findet?", fragt Sel ungerührt, die Augen immer noch geschlossen. Parkinson schnaubt. "Ich wollte nur wissen, ob es wahr ist." Neugier tritt in ihre Augen. "Seid ihr von Zuhause abgehauen?" James ballt die Fäuste, aber da Sel auf ihm liegt, will er sich nicht richtig bewegen. Dafür stehe ich auf. "Ich würde vorschlagen, dass ihr jetzt verschwindet.", sage ich, wobei ich Bailee direkt in die Augen schaue. "Oder willst du etwa noch im Zug Punkte abgezogen bekommen?" Der pure Hass steht ihr ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder, für sie bin ich nur ein dreckiges Halbblut. Langsam dreht sie sich zum gehen um. "Na kommt, Mädels. Dieser Abschaum ist unserer Anwesenheit nicht würdig. Und Alex wartet bestimmt schon auf seine Freundin." 

Erleichtert darüber, dass James und Sirius nichts Dummes getan haben, setze ich mich wieder auf meinen Platz - nur um eine Selena, mit vor Schock aufgerissenen Augen, mir gegenüber liegen zu sehen. Was ist denn jetzt los? Diese Begegnung mit den Slytherins war im Gegensatz zu den anderen recht harmlos. Es gab schon viel, viel schlimmere. "Alles in Ordnung? Schmerzt deine Wunde wieder?", frage ich sie vorsichtig und sofort sind alle Blicke im Abteil auf Selena gerichtet. Doch sie schüttelt zu meiner Überraschung den Kopf und lacht leicht. "Ich kann nur nicht glauben, dass Alexander Malfoy mit Parkinson geht." Sie verzieht angeekelt den Mund. James lacht. "Ich glaube, dass Parkinson gerade etwas übertrieben hat. Jemand wie Malfoy hat keine feste Beziehung. Er ist nur auf Spaß aus, weil er in ein paar Jahren zwangsverheiratet wird und dann nur noch wenige Gelegenheiten auf diese bestimmte Art von Spaß hat." 

Sirius blickt seine Schwester grinsend an. "Wenn wir nicht die bekanntesten Blutsverräter dieser Generation wären, wärst du seine Frau geworden. Weißt du noch?" Selena verzieht noch einmal das Gesicht, doch für mich sieht es sehr gezwungen aus. "Ja, stimmt. Und ich danke dir unendlich dafür, dass ich niemals den Namen Malfoy tragen werde." Sie grinst, woraufhin wir in Gelächter ausbrechen. Die Vorstellung, dass Selena Black Alexander Malfoy heiraten sollte, ist einfach so unvorstellbar.


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(Bildquelle: https://peopledotcom.files.wordpress.com/2016/08/freddie-stroma-240.jpg

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