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Donner grollte über ihr, so laut, als würden Berge aneinander krachen, und Blitze erhellten dann und wann den dunklen Nachthimmel. Der stürmische Regen prasselte auf ihre Haut, durchnässte ihre Kleider und Haare. Sie bemerkte ihn kaum, denn sie rannte.
Sie rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her. Was sie gerade gesehen und gehört hatte, ließ ihr Herz schnell und hart gegen ihre Brust schlagen, sie fühlte sich, als würde sie ersticken. Ihre Lungen ächzten nach einer Pause, doch die Angst trieb sie voran. Das Gespräch zwischen ihrem Bruder, ihrer Mutter und dem ehemaligen Todesser, welches sie eben belauscht hatte, spukte ihr im Kopf herum.
"Ich weiß, dass du es hast, Joy!"
"Ich habe keine Ahnung, von was du sprichst."
Sie keuchte, als sie stolperte und ihre Knie am Boden aufschürfte, rappelte sich aber sofort wieder auf und eilte weiter.
"Lass ihn gehen, er hat damit nichts zu tun!"
"Wenn du es mir gibst, lasse ich den Jungen los."
"Glaub ihm kein Wort, Mum!"
"Halt den Mund! Also, Joy, was ist? Bist du wirklich bereit, das Leben deines Sohnes zu riskieren?"
Sie hatte den Streit gehört, war leise die Treppe runtergeschlichen. Im Flur war sie stehengeblieben und hatte mit angehaltenem Atem das Gespräch verfolgt. Sie wusste, warum der Todesser hier war - wusste, was er suchte - und sie wusste, dass er bereit war, ihre Familie auszulöschen, sollten sie ihm nicht geben, was er wollte. Sie hatte nach ihrem Zauberstab gegriffen und war von hinten auf den Todesser zu geschlichen, dieser hatte sie jedoch bereits bemerkt und entwaffnet, ehe sie einen Zauber hätte aussprechen können. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah ihre Mutter, welche ebenfalls entwaffnet worden war, von ihrem Sohn, der von dem Todesser festgehalten wurde, zu ihrer Tochter.
"Die liebe, kleine Blair..." Das Lächeln auf seinem Gesicht hätte beinahe aufrichtig gewirkt, wäre da nicht das böse Funkeln in seinen dunklen Augen gewesen.
Denk nicht dran, ermahnte sie sich, bog um eine Ecke. Denk nicht dran! Doch sie konnte es nicht verhindern.
Mehrere Dinge waren gleichzeitig geschehen, nachdem ihre Mutter: "Lauf, Blair!", geschrien hatte...
Der Todesser feuerte einen Fluch auf sie ab, dem sie jedoch ausweichen konnte. Erneut setzte er zum Angriff an, doch Dylan, Blairs Bruder, wandte sich aus dem Griff des Mannes und stieß ihn zur Seite. "Lauf!", rief auch er, noch im selben Moment zuckte ein grüner Blitz durchs Haus und Dylan stürzte zu Boden, blieb dort reglos liegen.
Keuchend trat Blair einen Schritt zurück, ihre Mutter schrie schmerzerfüllt auf. Sie schnappte sich ihren Zauberstab, welchen der Todesser hatte fallen lassen, und feuerte einen Fluch auf ihn, welchen er jedoch abblockte. "Renn weg, hol Hilfe!", rief sie Blair zu, wehrte einen Angriff ab. "Na los!"
Blair zögerte, fuhr dann jedoch herum und stürzte aus dem Haus. Nach wenigen Sekunden konnte sie die Kampfgeräusche hinter sich verstummen hören. Ein Gefühl in ihrer Magengegend sagte ihr, dass jemand sie verfolgte. Alles in ihr schrie danach, zu ihrer Mutter zurückzukehren, zu sehen, ob es ihr gutging, doch sie tat es nicht.
Sie musste das Amulett hier wegschaffen und Hilfe holen, so schwer es ihr auch fiel.
Fieberhaft überlegte sie, wo sie nun hinrennen sollte. Als sie Schritte hinter sich hörte, fuhr sie erschrocken zusammen, sah sich hektisch um. Auf der anderen Straßenseite war eine kleine Gasse. Sie rannte hinein und duckte sich zwischen zwei große Müllcontainer in der Hoffnung, hier übersehen zu werden.
Sie hörte, wenn auch nur schwach dank des laut prasselnden Regens, wie die Schritte vor der Gasse zum Stehen kamen. Eine Weile hörte sie nichts mehr, hielt ängstlich den Atem an. Sie wusste nicht, ob die Person weitergelaufen war oder noch dort stand, darum blieb sie einfach sitzen. Sie stand erst wieder auf, als der Regen nachließ und die ersten Sonnenstrahlen sich am Himmel zeigten. Sie wusste, dass ihre Mutter wollte, dass sie Hilfe holte, aber sie konnte doch nicht einfach weggehen, ohne zu überprüfen, ob sie noch lebte!
Aber was, wenn er Zuhause auf mich wartet? Sie hatte ihren Zauberstab nicht mehr, es wäre also ein Leichtes für ihn, sie umzubringen. Die Sorge in ihr siegte über die Vernunft und eine Viertelstunde später stand sie wieder vor ihrem Haus. Leise öffnete sie das Gartentörchen, schlich um das Haus herum und spähte durchs Wohnzimmerfenster. Alles war zerstört oder umgeworfen, in Mitten des Chaos lag Dylan.
Tränen stiegen in ihr auf, als sie ihren Bruder vor sich liegen sah. Sie konnte nicht fassen, dass er ihn so kaltherzig ermordet hatte! Dass ihre Mutter nicht neben ihm lag, gab ihr jedoch neue Hoffnung. Sie drehte sich um und ging zurück, öffnete die leise quietschende Haustür. Aufmerksam spähte sie ins Innere des Hauses, erstarrte kurz bei all den zerstörten Möbeln, konnte jedoch niemanden sehen. Als sie eintrat, knackte etwas unter ihrem Schuh. Sie sah hinunter und entdeckte einen zerbrochenen Bilderrahmen, hinter dem ein sich bewegendes, magisches Foto sie und ihren Bruder zeigte. Ihre Sicht verschwamm, als sie es aufhob, den Rahmen entfernte und vorsichtig mit dem Zeigefinger über das Bild strich. Sie schluckte, faltete es zusammen und steckte es in ihre Hosentasche.
Dann ging sie ins Wohnzimmer. Sie bemühte sich, Dylan nicht anzusehen - sonst wäre sie vermutlich auf der Stelle zusammengebrochen - hob ihren Zauberstab auf, der hinter dem umgeworfenen Sofa lag, und ging in die angrenzende Küche. Sie sah unberührt aus, von ihrer Mutter war auch hier keine Spur. Mutlos ließ sie die Schultern hängen, spannte sich an, als sie vom Flur aus ein Knarzen hörte. Ihren Zauberstab griffbereit, schlich sie an der Wand des Wohnzimmers entlang und hielt neben der offenstehenden Tür inne.
Schritte näherten sich.
Sie festigte den Griff um ihren Zauberstab, bereit, ihren Bruder zu rächen, falls sie es musste. Als die Schritte direkt neben ihr waren, sprang sie hervor und entwaffnete -
Ihre Mutter.
"Mum?" Geschockt und erleichtert zugleich starrte Blair die Frau vor sich an. Ihr braunes Haar war zerzaust, das Gesicht, welches Blairs so sehr glich, zierte ein roter Kratzer an der Wange. Ihre Augen waren gerötet, Erleichterung ließ sie jedoch aufleuchten, als sie ihre Tochter erkannte. Die beiden fielen sich in die Arme, klammerten sich aneinander fest und weinten. "Ich hätte dich nie verlassen sollen", weinte Blair, ihre Tränen nahmen ihr die Sicht. "Ich hätte dir helfen sollen, es tut mir leid, Mum... Es tut mir so leid..."
"Schon okay, Liebes", schluchzte Joy leicht. "Es ist gut, dass du geflohen bist... Ich habe dich überall gesucht. Ich dachte schon, er hätte dich-"
"Mir geht's gut", unterbrach Blair sie, schniefte und lies von ihrer Mutter ab. Blinzelnd wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. "Was ist passiert, nachdem ich weg war?"
"Ich habe es geschafft, ihn zu entwaffnen", berichtete Joy mit bebender Stimme. "Er schwor, dich zu finden und umzubringen, wie er es mit Dylan getan hat, sollte ich ihm das Amulett nicht geben. Ehe ich etwas sagen konnte, ist er disappariert." Joys ganzer Körper begann, zu zittern und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. "Oh, Schatz, ich dachte, du wärst tot..."
"Du hast mich in der Stadt gesucht?" Blair verspürte Erleichterung, Scham und Sorge zugleich, als ihre Mutter nickte. Sie nahm Joys Hände in ihre und sagte: "Mum, ich verspreche dir, er wird bezahlen für das, was er Dylan angetan hat."
Wieder schluchzte Joy unterdrückt auf und zog ihre Tochter an sich. Eine Zeit lang standen sie so da, bis Joy sich von Blair löste, ihre Tränen wegwischte und sagte: "Wir werden eine Weile untertauchen müssen. Ich schicke Xenophilius sofort eine Eule."
"Wird das ihn und Luna nicht in Gefahr bringen?"
Joy zögerte, zog dann aber ein Papier und eine Feder heraus und setzte sich an den Küchentisch, Blair folgte ihr. "Er wird dich jagen, Blair. Ich muss dich irgendwo in Sicherheit bringen." Sie beendete den Brief, faltete ihn und ging nach oben in ihr Schlafzimmer, wo ihre Eule in einem Käfig saß. Sie band den Brief an deren Fuß und schickte sie los, dann ging sie wieder nach unten.
Blair saß neben ihrem Bruder auf dem Boden und hielt seine Hand. Stumme Tränen rannen ihre Wangen hinunter. "Ich liebe dich, Dylan", flüsterte sie, für ihre Mutter nicht hörbar, "und ich werde dich rächen... Egal, was es kostet."
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