...als eine Reihe von guten Tagen

Wir wollen uns wieder mal zanken,
Auf etwas hacken wie Raben,
Dass unsre zufriednen Gedanken
Eine Ablenkung haben.

Wir wollen irgendein harmloses Wort
Entstellen,
Dann uns verleumden und zum Tort
Etwas tun; das schlägt dann Wellen.

Wir wollen dritte aufzuhetzen
Versuchen,
Dann unsere Freundschaft verfluchen,
Einmal sogar ein Messer wetzen,
Dann aber uns – in Blickweite -
Auseinander zusammensetzen,
Um superior jedem weiteren Streite
Auszuweichen;
Mit dem Schwur beiseite:
Uns nimmermehr zu vergleichen.

Dann wollen wir, jeder mit Ungeduld,
Ein paar Nächte schlecht träumen,
Dann heimlich eine gewisse Schuld
Dem anderen einräumen

Dann lächeln, dann seufzen, dann stöhnen,
Dann plötzlich uns gründlich bezechen,
Dann von dem vergänglichen, wunderschönen
Leben sprechen.

Und dann uns wieder einmal versöhnen.

~Joachim Ringelnatz~

Als ich mich ins Wohnzimmer schleppte, allein von der Anwesenheit meiner Eltern ermüdet, fand ich Chris auf der Couch vor, die Beine angezogen, während er auf den dunklen Fernseher starrte. Seufzend ließ ich mich neben ihn fallen, den Kopf auf der Lehne, und sah an die Decke.

„Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt."

Müde drehte ich den Kopf, sodass ich Chris ansehen konnte. Er hatte seinen Kopf gedreht und erwiderte meinen müden Blick mit funkelnden Augen.

„Ja, immerhin haben sie mit den Vorwürfen bis zur Haustür gewartet."

Chris zog eine Grimasse, dann legte er den Kopf auf seinen Knien ab. Für ein paar Sekunden genoss ich den Anblick. Es kam nicht oft vor, dass er so ruhig war. Also rutschte ich näher, bis ich einen Arm über seine Schulter legen konnte. Chris drehte sich ein wenig und lehnte sich gegen mich, den Kopf an meiner Schulter, die Knie gegen meine gepresst.

„Sie mögen mich wohl wirklich nicht, oder?"

„Das liegt wohl an mir. Sie fänden es besser, wenn ich eine Ehefrau, 1,5 Kinder und einen Job mit gutem Einkommen hätte. Aber das will ich nicht."

„Okay."

Wieder wurde es still und ich wagte einen Blick auf die Uhr. 22:34 Uhr. Es war noch Verhältnismäßig früh, dennoch spürte ich, wie sich mein Magen nervös zusammenzog. Ich atmete einmal tief durch, froh darüber, dass Chris mein Gesicht nicht sehen konnte.

„Ich wollte fragen, ob du vielleicht heute Abend bei mir übernachten möchtest."

Gespannt hielt ich den Atem an. Es war zwar bloß eine Frage, aber was, wenn er zu viel hineininterpretierte? Vielleicht war es ihm unangenehm-

„Klar."

Chris klang so ruhig und sein Tonfall sagte mir, dass es für ihn wohl keine große Sache war. Also entspannte ich mich wieder und sank noch ein Stück tiefer auf dem Sofa.

„Ich habe eine Frage."

Ich brummte bloß, während ich meine Augen schloss. Ich war so müde, jetzt, wo meine Eltern endlich weg waren. Und Chris war so warm.

„Wir sind zusammen, nicht wahr?"

Ich runzelte die Stirn. War das schon die Frage? Weil das hatten wir schon ein paar Tage zuvor festgestellt. Zuerst hatten wir diskutiert, ob unser Status nur „daten" war oder ob man nach einem Date schon von einer Beziehung reden konnte, doch schließlich waren wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir schon so viel Zeit miteinander verbracht hatte, dass es okay war, einander als „festen Freund" zu beschreiben.

Sofia wäre vor Freude fast vom Stuhl gefallen, nachdem ich es ihr erzählt hatte. Denn anscheinend war sie schon besorgt gewesen, dass ich die Chance mit Chris in den Sand setzte und bis in alle Ewigkeit allein blieb. Keine schöne Vorstellung.

„Ich weiß, wie haben die Sache geklärt, wir sind ein Paar. Es ist nur noch irgendwie so surreal, weißt du? Jedenfalls haben sich mir da ein paar Fragen aufgedrängt, für die es wahrscheinlich viel zu früh ist. Aber du bist nicht mehr der Jüngste, darum sollten wir die Sache klären, bevor du zu alt bist."

Genervt versetzte ich ihm einen kleinen Stoß mit meinem freien Arm.

„Sicher, dass du die wichtigen Entscheidungen nicht den Erwachsenen überlassen solltest? Ich bin mir sicher, dass ich noch ein „Winnie the Pooh"-Hörspiel im Haus habe. Oder willst du lieber schon schlafen?"

Ich zuckte zusammen, als Chris einen Finger gegen meinen Brustkorb stieß, dennoch grinste ich weiter. Am Anfang war der Altersunterschied noch ein kleines Problem für mich gewesen, doch mittlerweile machte es Spaß, diese Sticheleien mit Chris auszutauschen. Dennoch wurde ich schließlich ernst.

„Also, was wolltest du wissen?"

„Naja, so Sachen, über die man halt redet. Willst du irgendwann heiraten? Kinder? Einen Pool? Oder vielleicht lieber ein Ferienhaus am Strand?"

Ich schnaubte bei der Auswahl an Fragen.

„Ehrlich? Über die meisten dieser Fragen habe ich noch nie nachgedacht. Aber Kinder? Ich hätte gerne drei."

Von Chris kam ein kleines Geräusch, beinah ein Glucksen.

„Drei? Das ist eine blöde Zahl. Wie wäre es stattdessen mit zwei?"
„Oder vier."
„Nicht mit mir."

Ich rutschte ein Stück weg, um Chris einen empörten Blick zuzuwerfen, den er grinsend erwiderte.

„Tut mir leid, aber ich stehe nicht so auf Transporter. Aber wie wäre es mit zwei Kindern und einem Hund?"
„Zwei Kinder, ein Hund und Kaninchen."
„Deal."

Ich lehnte lachend meinen Kopf gegen die Lehne.

„Okay, eine Sache geklärt. Was ist mit dem Pool? Dein Garten ist groß genug."
„Ich hätte nichts dagegen."

Begeistert setzte Chris sich etwas auf und sah mich an.

„Und das Ferienhaus am Strand?"

„Was denkst du denn, wie viel ich verdiene?", stellte ich belustigt die Gegenfrage.

Chris zuckte bloß mit den Schultern, dann sah er sich um.

„Basierend auf der Größe des Hauses, deiner Bücher, dem Wagen und der Tatsache, dass du eine Haushälterin hast? Genug, dass ich dich von meinen Freunden fernhalten muss. Nachher will mir noch jemand diese Chance stehlen."

Ich lachte wieder, doch dann schüttelte ich den Kopf.

„Keine Sorge, mein Interesse an anderen Leuten ist dafür nicht groß genug. Trotzdem will ich kein Strandhaus."

Beinah beleidigt sah Chris mich nun an.

„Warum nicht? So ein Strandhaus ist toll. Man muss nicht ständig mit blöden Vermietern streiten und kann fahren, wann man will. Außerdem habe ich gehört, dass das Meer im Alter sehr guttun kann."

„Ach ja? Zuerst denkst du nur an mein Geld, dann an mein steigendes Alter? Ich habe das Gefühl, dass ich bei meinem Testament aufpassen sollte. Vielleicht sollte ich meine Lebensversicherung auch noch verstecken."

„Sehr lustig, ich lache mich Tod. Als wärst du in der Lage, das zu verstecken. Bald werde ich die besseren Augen haben, da bin ich mir sicher."

Ich verdrehte die Augen, dann zog ich Chris wieder ein Stückchen an mich heran.

„Willst du irgendwann heiraten?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Und du?"

Chris Kopf lag schwer auf meiner Schulter, während er zu überlegen schien.

„Ich denke schon. Ich meine, wir haben hier die Möglichkeit, also sollte ich das auch nutzen."

Ich nickte verständnisvoll.

„Und wie stellst du dir deine Hochzeit vor?"

Dieses Mal dauerte es nicht allzu lange, bis Chris mir antwortete.

„Es sollte im Sommer sein. Am Standesamt würden wir uns trauen lassen und dann würde die Hochzeitsgesellschaft zu einer alten Ruine reisen. Irgendwas am Berg, mit Trümmern und einer tollen Aussicht und den ganzen Sachen, die nun einmal zu so einer Ruine gehören.

Da würden wir dann essen. Ich denke da an ein spanisches Menü und einen Haufen Alkohol. Wir würden bis tief in die Nacht hinein feiern, mit einem Lagerfeuer und Stockbrot. Und unsere Hochzeitsbilder wären eine Mischung aus total kitschig und romantisch sowie affig und peinlich."

Ich lächelte bei dem Gedanken.

„Klingt gut."

„Okay, ich suche nach einem Termin."

Ich schoss in die Höhe und starrte Chris an, der meinen Blick lachend erwiderte.

„Ist dir das Datum egal, oder ziehst du einen Tag vor?", fragte er weiter, während er sein Handy aus einer Hosentasche zog.

„Vielleicht bist du jetzt doch etwas schnell."

Immer noch grinsend steckte Chris das Gerät wieder weg.

„Keine Sorge, ich habe bloß einen Scherz gemacht. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass wir noch einen guten Termin bekommen?"

„Chris", ermahnte ich ihn leise, dann musste auch ich grinsen.

„Wir sollten uns erst einmal Gedanken über die Verlobungsfeier und die Ringe machen, findest du nicht?"

Damit brachte ich ihn zum Lachen, was jedoch von einem Gähnen unterbrochen wurde. Ich grinste, dann stand ich auf und zog Chris mit hoch.

„Komm, lass uns ins Bett gehen."

Chris nickte bloß und ließ sich von mir ins Bad verfrachten, wo ich ihm eine Zahnbürste und ein paar Schlafsachen überreichte. Gemeinsam machten wir uns fertig, doch ich folgte Chris nicht direkt ins Bett. Stattdessen stieg ich die Treppe noch einmal hinunter, nur um das Licht in der Küche zu sehen.

Müde trottete ich darauf zu und lehnte mich an den Türrahmen, von wo aus ich Paula dabei beobachtete, wie sie die Küche sauber machte.

„Sie sollten nachhause gehen."

Überrascht drehte sie sich zu mir herum.

„Elias, erschrecken Sie mich doch nicht so. Und keine Sorge, ich bin sowieso fast fertig."

Zögerlich nickte ich, während sie weiter machte, das restliche Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Doch ich ging noch nicht, sondern blieb wortlos stehen. Schließlich schloss Paula die Maschine und drehte sich mit einem kleinen Lächeln zu mir herum.

„Sie scheinen sehr glücklich mit dem jungen Mann zu sein."

Ich nickte, nicht ganz sicher, worauf das hier hinauslaufen würde.

„Er scheint mir auch sehr nett zu sein. Sie sollten den behalten, denke ich, und Ihre Eltern ignorieren."

„Danke", war alles, was ich sagen konnte.

Normalerweise zog Paula es vor, mich aufzuziehen oder Kritik zu üben, auch wenn sie dabei nie zu weit ging, wie auch immer sie das machte. Diese plötzliche Änderung machte mich sprachlos, aber glücklich.

„Und jetzt sollten Sie zu ihm zurückgehen, sonst denkt er noch, Sie würden sonst etwas machen."

„Ja, klar. Gute Nacht Paula", verabschiedete ich mich, immer noch ein wenig überrumpelt.

Dann machte ich mich auf den Weg in mein Schlafzimmer, wo Chris tatsächlich immer noch wach wartete. Sobald ich unter die Decke rutschte, rutschte auch er näher an mich heran. Ich wälzte mich auf die Seite, sodass ich ihn ansehen konnte. Im Halbdunkel des Zimmers, nur beleuchtet durch eine kleine Lampe, wirkten Chris' graue Augen noch heller als sonst.

Ich war glücklich, hier zu liegen. Selbst das Essen mit meinen Eltern konnte mir die gute Stimmung nicht gänzlich nehmen und so schob ich mich noch ein Stück näher, um Chris sanft zu küssen. Dabei spürte ich, wie Chris einen Arm über meine Hüfte legte und ich tat es ihm gleich, bis wir schließlich dicht aneinander lagen. Wieder musste ich einfach so Lächeln, denn ich hatte nicht erwartet, dass es so einfach sein würde, neben ihm zu liegen.

„Du hast keine Ahnung, wie viel du mir bedeutest", murmelte Chris leise, während seine Lippen meine sacht streiften.

„Das kann ich wohl auch behaupten", gab ich zurück, mein Lächeln noch ein Stück breiter.

Und das meinte ich so. Er bedeutete mir mehr als jeder andere Mensch in meinem Leben, was mich eigentlich erschrecken sollte. Doch es machte mich nur noch glücklicher, denn ich war mir sicher, dass Chris genauso fühlte. Und ich war mir ebenso sicher, dass mich dieses pure Glück niemals verlassen würde, solange Chris mich auch nur ansatzweise so sehr liebte, wie ich ihn jetzt schon. Doch es war noch zu früh für mich, das laut auszusprechen.

Ich liebe dich, Chris Martin, war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.

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Okay, das letzte richtige Kapitel. Gott, fühlt sich das seltsam an. Jedenfalls, die nächsten Tage kommt noch der Epilog und am 06.07. dann beginne ich meine brandneue Story. 

Und ich überarbeite momentan intensiv 2095, für alle, die sich also für die Geschichte interessiert haben: Ich werde wahrscheinlich zwischendurch und vielleicht sogar noch am Ende das ein oder andere Kapitel hinzufügen, so stay tuned!

Over and Out,

DasLebenLesen

15/06/20

PS: Noch jemand hier, der eigentlich heute, also Montag den 15.06., auf das 5sos Konzert in Düsseldorf wollte? Immerhin wurde es nicht ganz abgesagt, aber ich bin dennoch traurig.



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