Kapitel 8

Elisabeth

Die Stimmung im Hauptquartier, auf die bevorstehende morgendliche Expedition, war förmlich greifbar. Die Rekruten, die dabei waren, befanden sich schon früh morgens im Training.
Auch Eren war sehr früh auf den Beinen und trainierte seine Titanenkräfte zusammen mit Hanji und Mikasa. Nur Levi hielt sich an keinen der besagten Plätze auf, als sich die Rekruten zum Frühstück sammelten.

»Der Hauptgefreite trainiert alleine im Wald«, erklärte mir Springer beiläufig, während er Braus davon abhielt, nicht die erste zu sein, die in den Saal zum Essen stürzte. Ich wiederum nickte nur verstehend. Seit dem gestrigen Abend hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich war in meinem Bett aufgewacht. Hanji hatte mir erklärt, dass Levi mich ins Hauptquartier getragen hatte, und sie dazu verdonnert hatte, mich ins Bett zubringen und mir die nasse Kleidung auszuziehen. Auf ihre Bemerkung hin, dass er ganz wie ein Gentleman dachte, hatte ich gar nicht reagiert. Diese Angelegenheit war mir irgendwie unangenehm. Ich hatte mich in der ganzen Panik Levi förmlich um den Hals geschmissen! Was ich so nie wollte.

Meine Brust fühlte sich so unglaublich schwer an.
Nicht nur, weil Levi nach wie vor glaubte, dass Alfred mein Verlobter sei. Morgen würde er wieder außerhalb der Mauern aufbrechen. Es überkam mich schon immer ein trübes Gefühl, wenn eine neue Expedition startete. Die Ungewissheit, ob es alle heil zurückschaffen würden. Doch nun war mein Herz schwerer als sonst, bei den Gedanken, Levi könnte etwas zustoßen.

Ich seufzte schwer und sammelte einige vereinzelte Handtücher, oder Uniformjacken vom Trainingsplatz auf. Gedankenverloren warf ich die Sachen in den geflochtenen Korb, ehe ich den Korb mit den Gemüseabfällen nahm und zu den Ställen ging. Auch die Pferde mussten morgen wieder ihr Bestes geben. Es war unglaublich, was sie leisteten. Automatisch schweifte mein Blick zu der Box, in der Levis Hengst stand. Dieser war jedoch nicht da. Wahrscheinlich trainierte er mit seinem Pferd zusammen.

Ich verteilte die einzelnen Abfälle und schritt mit den Körben wieder ins Gebäude. Jeder war fleißig. Und bereitete sich auf den morgigen Tag vor. Ich sollte dabei nicht stören. Ich würde Levis Umhang einfach im Laufe des Tages in sein Zimmer legen.

Nachdem ich Victoria bei der Vorbereitung für das Mittagessen geholfen hatte. Beschloss ich in Hanjis Räumlichkeiten weiter Dokumente zuordnen. Dies war das einzige, was ich tun konnte. Erschrocken blinzelte ich, als ich erkannte, wie eine einzelne Träne auf das Blatt vor mir fiel. Sofort wurde sie vom Material aufgesogen. Zögerlich berührte ich meine Wange.

Ich weinte. Doch … warum …?

Es fühlte sich an, als würde sich meine ganze Brust zusammen ziehen. Mein Herz fühlte sich so schwer an, bei dem Gedanken, dass Levi morgen aufbrach und ich nicht mehr die Gelegenheit hatte, mit ihm zusprechen. Verzweifelt presste ich meine Hand auf meinem Mund und schluchzte.

Ich hatte Angst. Angst nicht mehr den Mann wieder zusehen, in den ich mich verliebt hatte …

Levi

Mit einem harten Schlag landete ich rücklings auf den Boden. Verdammt! Ich hatte mich beim Abspringen verschätzt! So etwas war mir noch nie passiert!

Während ich mit ausgestreckten Gliedern da lag und in die Wolken starrte, näherte sich mein Hengst mir und schnaubte in meine Haare. Ich brummte nur und strich ihm über die Schnauze, ehe ich mich nach vorne beugte. Ich war absolut nicht in Topform! Wenn dies so weiter ging, sah ich schwarz für die Expedition!

Sanft drückte mein Pferd seine Schnauze an meine Halsbeuge. Auch er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich seufzte auf und strich ihm durch die Mähne. »Was ist nur los mit mir?«, flüsterte ich und erhob mich langsam. Während ich mir den Dreck von der Kleidung klopfte, ließ ich meinen Blick den Hügel hinab, zum Hauptquartier wandern. Der leichte Wind wehte durch mein Haar.
Der Trainingsplatz war leer. Anscheinend waren die Rekruten zum Frühstück aufgebrochen. Erneut seufzte ich schwer. Vielleicht sollte ich auch eine Pause einlegen. Ich atmete tief durch und sprang auf mein Pferd.

Elisabeth

Hörbar atmete ich aus und ging den Korridor entlang. Hanji hatte mich dazu verdonnert, eine Pause einzulegen. Sie wollte alleine sein, um noch einmal ihre Berichte der letzten Tage durchzusehen, um eventuell einen Plan für die morgige Expedition zusammenzustellen.

Ich wusste nicht, warum, aber ich kam mir fehl am Platz vor. Jeder versuchte sein Bestes. Und ich? Ich sammelte nur die Dreckwäsche ein. Und nun war ich auf den Weg zu Levis Zimmer, mit seinem Umhang.

Abrupt blieb ich stehen, als ich erkannte, wie Levi gerade die Klinke seiner Tür umfasste. Sein Haar stand etwas ab und seine Kleidung war schmutzig. Dieses Bild, was sich vor mir ergab, schnürte mir die Kehle zu. Levi sah total fertig aus. Vollkommen automatisch beschleunigte ich meine Schritte. Die vom Boden widerhallten. Ruckartig sah Levi auf. Für eine kurze Weile sahen wir uns einfach nur an.

»Levi …«, hauchte ich. Er verzog die Mundwinkel und öffnete die Tür. »I-Ich … dein Umhang!«, presste ich hektisch hervor und folgte ihm in sein Zimmer, ehe ich automatisch die Tür hinter mir schloss. »Er ist gewaschen und ordentlich zusammen gelegt«, schmunzelte ich verlegen.

Levi blickte über seine Schulter zu mir herüber. Unbewusst presste ich den Umhang dicht an meine Brust. Während er sich die Uniformjacke auszog. Wieso sagte er nichts? Wahrscheinlich störte ich nur. Es war mehr als offensichtlich, dass er vom Training erschöpft war.

Betrübt presste ich die Lippen zusammen. Mein ganzer Körper fühlte sich taub an, von der Anspannung. Während Levi die Jacke über seinen Stuhl hing, atmete er hörbar aus. Zögerlich trat ich näher und kam an seiner Seite zum Stehen. »L-Levi … es … es ist nicht gut, wenn du es mit dem Training übertreibst. Es ist noch nicht mal Nachmittag und du siehst total fertig aus«, merkte ich vorsichtig an und streckte meine Hand vorsichtig zu seinem schmutzigen Halstuch vor, um es ihm abzunehmen.

Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Levi plötzlich mein Handgelenk. Erschrocken zuckte ich zusammen. »Was willst du, Elisabeth?«, knurrte er rau. Augenblicklich begann ich schwer zu schlucken. Sein Umhang glitt mir aus den Armen und landete auf dem Boden.

»L-Levi … dein Umhang!«

»Vergiss diesen scheiß Umhang und beantworte meine Frage!«, brummte er mit Nachdruck und ließ mich los.

Zögerlich winkelte ich meine Arme an meine Brust und senkte den Blick. »N-Nun ja … ich wollte dir deinen Umhang zurückgeben«, nuschelte ich leise.

»Tcch! Du weißt genau, dass ich zwei davon habe. Es hatte also keine Dringlichkeit! Dein Verlobter war gestern schon nicht sehr erfreut, als du dich an mich geklammert hast. Was würde er wohl sagen, wenn er uns jetzt so zusammen sehen würde?«

Meine Augen weiteten sich und ich sah zu ihm auf. »D-Das … wegen gestern … ich wollte mich auch nochmal für deine Hilfe bedanken«, murmelte ich verlegen.

»Gut!«, schnaubte Levi, lockerte sein Halstuch und sein Blick fixierte mich. »Das hast du jetzt getan! Also kannst du jetzt gehen!«, fuhr er kühl fort, hob den Umhang auf und warf ihn achtlos über die Stuhllehne.

»L-Levi … wegen der Sache mit Alfred … das …«

Gereizt fuhr sich Levi durchs Haar. Erst jetzt realisierte ich, dass er mir näher kam, und ich automatisch immer weiter zurück ging. »Du solltest gehen, Elisabeth! Meine Stimmung ist nicht die beste«, brummte er.

»A-Aber ich … ich wollte dir doch nur etwas erklä -«

»Geh einfach!«

Ich biss mir auf die Unterlippe und kniff verzweifelt die Augen zusammen. Wenn ich es ihm jetzt nicht erklären würde … es ihm jetzt nicht sagen würde …
dann würde ich das bereuen!

»B-Bitte hör mir doch zu!«, presste ich lautstark hervor und stieß mit dem Rücken gegen die Tür.

Mit einem lauten Knall streckte Levi seinen Arm neben meinen Kopf an der Tür ab und fixierte mich ausdruckslos. »Gut. Ich höre?«, murmelte er tief.

Aufgeregt schluckte ich und blickte unsicher zur Seite. Er war mir so nahe und sein Duft raubte mir die Sinne. Angestrengt holte ich tief Luft. »Alfred ist … Alfred ist …« Ich verschluckte meine Worte, als Levis Finger sanft meine Wange streiften. Ohne ein Wort musterte er mein Gesicht und seine Augen blieben an meinen Lippen stehen.

»Kaum bist du wieder in meiner Nähe, bin ich konzentrierter …«, flüsterte er. Mein Herz hämmerte so stark, dass ich den Puls in meinen Ohren hörte. Mit bebenden Fingern legte ich sanft meine Hände auf seine Brust. »Du solltest gehen … das … ist nicht richtig …«, hauchte er und sein Gesicht kam meinen näher. Ich senkte halb die Augenlider und traute mich nicht zu atmen.

Ein lauter Rums ließ mich erschrocken zusammen zucken und ich presste mich automatisch an Levis Oberkörper. Dieser legte seinen Arm um meine Taille und drehte mich zur Seite, von der Tür weg. Diese ging mit Schwung auf und Hanji linste in den Raum, während sie sich den Kopf rieb. Anscheinend war sie in ihrer Euphorie gegen die Tür geknallt.

»Hey, Shorty! Es gibt eine Änderung bei der Aufstellung deines Tea … ms …« Ihre Augen weiteten sich, als sie mich und Levi erblickte. »Oh! Da bin ich wohl einfach so hereingeplatzt!«, lachte sie bitter und kratzte sich am Hinterkopf.

Levi knurrte auf und ließ mich abrupt los, ehe er zu Hanji auf den Korridor trat. »Ich gehe davon aus, dass ich zu Erwin soll, oder Vierauge?«, zischte er. Hanji nickte nur stumm und Levi setzte sich in Bewegung. Zunächst sah die Brünette ihm nach, bis sie sich zu mir wandte und mich irritiert anschaute, ehe sie begann, breit zu grinsen.

»Was ist denn hier los?«, säuselte sie mit Unterton.

Ich hingegen schluckte aufgeregt.

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