Chapter 2


"Also, auf was hast du Lust? Fernsehschauen, Zocken.... Wir können machen, was wir wollen. Bis Brad zurück ist.", grinste der Junge mit den schlumpfblauen Haaren und ließ sich ein Zwinkern nicht entgehen.
"Ich verstehe nicht so recht, ich bin doch für Hausarbeit zuständig. Oder meinen Sie meinen anderen Dienstbereich? Soll ich das Schlafzimmer vorbereiten, ich-".
"Bei CyberLife , Coby - Nein, so war das nicht gemeint.", seufzte Joah, mit seiner Hand fuhr er sich frustriert durch das eigene Gesicht. Nach einem tiefen Atemzug musterte er den verwirrten Androiden für einen Moment. Coby sah die Enttäuschung in seinen nebelgrauen Augen, erkannte jedoch nicht den Auslöser dafür.

"Hör mal. Sobald Brad wieder hier ist, wird es nicht mehr so angenehm sein. Du hast ihn ja schon kennengelernt... Spiel doch bitte wenigstens ein paar Videospiele mit mir. Wir haben gemeinsam alles aufgeräumt und es gibt nichts mehr zu tun. Wo liegt das Problem?", versuchte Joah ihn mit einer schmollenden Grimasse zu überzeugen.
Sein System befahl Coby eigentlich, zuerst nach weiteren Dingen zum Erledigen zu suchen. Andererseits war Joahs Bitte ebenfalls eine Art Befehl. Und jeglichen Befehlen hatte er Folge zu leisten. Zumindest redete sich der JC500 das ein.

So saßen beide wenige Minuten später auf dem extravaganten, beigen Sofa, bewaffnet mit Controllern in ihren Händen. Um seinen Meister nicht zu verärgern, verlor Coby absichtlich jedes Spiel. Bei seiner Rechenleistung und seinen analytischen Kompetenzen war er dem Menschen überlegen und empfand dies als einzig faire Möglichkeit, dieses Spiel zu spielen. Solange, bis Joah auf Pause schaltete und sich verärgert zu dem Androiden drehte.
"Spiel richtig.".
"Ich verstehe nicht, wie-".
"Hör auf das Unschuldslamm zu spielen. Ich weiß, dass du mich gewinnen lässt. Glaub mir, du bist mir nicht überlegen.".
"Aber-".
"Nix aber, jetzt konzentrier' dich auf das Spiel oder ich schieße das zweiundfünfzigste Tor der Runde.".

Da er sich Joah nicht widersetzen wollte, nutzte Coby seine Kompetenzen. Nach einer kurzen Analyse hatte er die Strategie seines Meisters bereits durchschaut und wusste, wie er vorzugehen hatte. Er stand tatsächlich kurz davor, Joah einzuholen, als dieser plötzlich ohne mit der Wimper zu zucken konterte. Seine Strategie war nun eine völlig andere. Jeden von Cobys Versuchen, an sein Tor zu gelangen, sah er voraus und er hatte jedes Mal ein Ass im Ärmel, um den Androiden zu schlagen. Als könnte der Mensch jeden seiner Spielzüge voraussehen. Nun war es Coby, der sich entrüstet zu seinem Meister drehte und diesen ungläubig anstarrte.

"Aber... Das kann...Wie-".
"Ich sagte doch, du bist mir nicht überlegen.", zitierte er seine eigenen Worte und legte den Controller beiseite. Ohne lange zu fackeln erhob sich Joah und schaltete die hochtechnische Spielkonsole mit einem Wortbefehl aus, ging dann auf den verblüfften Androiden zu und nahm auch diesem den Controller ab. Danach streckte er ihm eine Hand entgegen, bot ihm somit seine Hilfe beim Aufstehen an. Mit monotoner Stimmlage und starrem Blick sprach er: "Lass uns das Abendessen vorbereiten. Brad sollte bald zurück sein.".

Coby sah zu ihm auf. Der Sieg seines Meisters war noch lange nicht so verwirrend wie seine unvorhersagbaren Stimmungsschwankungen. Er würde wohl nie verstehen, wie die Menschen so ticken. Dennoch verspürte er eine gewisse Neugier. Er wollte Joah verstehen. Ihm näher kommen. Irgendwas brannte in dem Androiden. Das Verlangen, den blauhaarigen, mysteriösen Mann besser kennenzulernen. Und er wusste, dass dieses Bedürfnis sicher nicht in seinem Programm geschrieben stand. Schlussendlich ertappte er sich selbst beim Starren. Etwas geniert versuchte Coby, sich nichts anmerken zu lassen und ließ sich von Joah aufhelfen.

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"Joah, bevorzugst du Weiß- oder Rotwein zur Speise?".
"Ich würde bevorzugen, wenn du diese verkrampft geschwollene Sprache  seinlassen könntest. Danke der Herr.".
"Wie du wünschst. Trotzdem hilft mir das auch nicht mit der Auswahl eures Weins...", erwiderte der Android und merkte selbst den dezent dreisten Unterton in seiner Stimme. Wissend, dass Joah diesen ebenso zur Kenntnis genommen haben musste, widmete er sich schnell dem Tischdecken.
"Hab ich mich verhört oder hast du gerade deine freche Seite gezeigt, Coco?", neckte Joah ihn und folgte ihm mit schleunigem Schritte aus der Küche.
"Ich weiß nicht, was du meinst. Wann ist dir denn der Kosename für mich eingefallen?", wechselte Coby das Thema, seine Wangen ergatterten dabei einen zarten, roten Schimmer. Diese Funktion musste er dringlichst entfernen lassen.

"Nicht ablenken, Coco.", den Spitznamen betonte er mit besonderem Nachdruck, "Ich wusste gar nicht, dass dir dein Programm solche Aussagen erlaubt.".
Langsam aber sicher schaffte Joah es, mit jedem seiner provozierenden Worte Coby mehr zu verwirren. Das Getümmel aus Antwortmöglichkeiten in dessen Festplatte schien sich nicht mehr einordnen zu wollen, sodass er gar keinen Zugriff mehr darauf hatte. Dass Joah dann obendrein noch auf ihn zukam und seine Hand auf Cobys legte, welche das Besteck umklammerte, machte die Situation nicht angenehmer. Ihm war, als würde er Unsicherheit verspüren. Herzrasen, verschnellerter Atem, Sprachlosigkeit. Typische Merkmale eines nervösen Menschen. Doch er war keiner.
Das kann nicht sein. Kein Mensch. Kein Empfinden. Due bist defekt.


"Schau mich doch nicht so entsetzt mit diesen braunen Kulleraugen an. Das macht nur offensichtlicher, dass ich dich gerade verwirre. Solltest du nicht unbeeindruckt von sowas sein?", stichelte Joah weiter, ein schelmisches Grinsen lag auf seinen rosé-farbenen Lippen. Plötzlich glitten Joahs Fingerspitzen in die Handfläche des Androiden, ehe er ihm das Silberbesteck abnahm und es beiseite legte. Seine großen Hände fanden achtsam ihren Platz an Cobys Seiten. "I-ich... Der T-Tisch... J-Joah...", nicht einmal ein klarer Satz konnte Coby aus seiner Kehle herauspressen. Stottern sollte er eigentlich gar nicht können.

"Irgendwie niedlich, wie verunsichert du auf einmal bist.".
Ähnlich wie bei einem unsicheren Mensch huschte Cobys Blick unruhig von einem Punkt zum nächsten, um Joahs fesselndem Blick auszuweichen. Die Berührung an seinen Seiten wurde zu einem Streicheln, kaum zu spüren durch den dicken Pullover. Genau diese Zärtlichkeit der Berührung  machte sie nur umso intensiver.
"Erinnerst du dich an nichts mehr? Ist da nichts mehr vom alten Coby in dir?", wisperte Joah.

Seine neckische Zunge schien er verschluckt zu haben. Nun bebte die raue Stimme. Die grauen Augen wurden matt und dunkel, als sie zaghaft das Gesicht des verunsicherten Androiden studierten. Beide waren wie eingefroren, nur Joahs Daumen führten die liebevolle Streichelbewegung fort. "Komm zurück.", der Befehl war ebenso unerwartet wie unplausibel. Coby hörte das Rauschen seines Bluts in seinen Audioprozessoren. Er selbst konnte es nicht sehen, doch der kleine LED-Ring an seiner linken Schläfe leuchtete tief rot statt blau.
"Komm wieder zu mir zurück.", wiederholte Joah, Tränen zogen bereits ihre Bahnen über seine Wangen.

Das System des Androiden war unfähig, normal zu funktionieren. Die ganzen Reize und Informationen, die auf es hereinprasselten, brachten es beinahe zum Überhitzen. Schnappatmung. Verwirrung. Unzählbare Fragen.

Software Instabilität festgestellt.
Prozessor benötigt dringend Kühlung.
Systeme werden in Energiesparmodus versetzt.

Fluchtartig löste sich der JC500 von seinem weinenden Meister und rannte in das Badezimmer. Wie automatisiert schloss er die Tür hinter sich ab.
Zum ersten Mal wusste er nicht, was er tun sollte. Er hatte einen eigentlich klaren Befehl bekommen. 'Komm zu mir zurück'. Trotzdem war er so irrational. Er stand doch direkt vor ihm.
Etwas in Cobys System brüllte ihn an. Versuchte ihm die Bedeutung des Satzes ins Gedächtnis zu rufen. Nichtsdestotrotz verharrte diese verschwommene Stimme in seinem Hinterkopf. Sie konnte nicht zu ihm durchdringen, die fehlende Erinnerung formte eine Barrikade in seinem System. 

Überfordert sank der Junge zu Boden, den Rücken an die verschlossene Tür gelehnt. Das Schluchzen des Menschen drang gedämpft in den Raum und versetzte Coby einen Stich. Beinahe wäre er losgestürmt um ihn zu trösten, doch etwas hielt ihn zurück.
Du kannst kein Mitleid haben. Du darfst kein Mitleid haben. Du bist defekt.

"Was geschieht mit mir?".

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