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Die Ruine hat sich seit dem letzten Besuch nicht verändert. Was aber einen Wandel erfahren hat, ist diese Verbindung zwischen ihm und Jimin. Er ist sich mittlerweile sicher, dass es tatsächlich ein Meteorit war, der geradewegs in sein Bewusstsein eingeschlagen ist, denn dort herrscht heilloses Durcheinander. In der postapokalyptischen Wüstenlandschaft liegen verkümmerte Synapsen herum wie Autowracks. Das mag zwar melodramatisch klingen, aber das ist das einzige Bild, das Yoongi passend findet. In dieser trostlosen Stimmung treffen Jimins Frühlingssonnenstrahlen auf das öde Land. In ihnen wohnt die Hoffnung, das Licht schenkt ihm Zuversicht. Jimins Lächeln verwandelt sich in hellleuchtenden Strahlen, die langsam ihre Katze hervorlocken. Ihre... Yoongi lässt sich das Wort auf der Zunge zergehen. Es ist nicht ihre Katze, streng genommen ist es nicht einmal seine. Und doch fühlt sich dieses 'ihre' warm an. Yoongi kann noch nicht genau lokalisieren, woher dieses Gefühl kommt, aber es ist auch nicht der richtige Zeitpunkt, dem nachzugehen. Er wird es zu gegebener Zeit wohl herausfinden.
"Das ist traurig", hört er den anderen sagen, als die Katze auf sie zukommt, "Sie hat doch nichts getan, und doch wird sie von den anderen total gemieden. Schau mal." Und da fällt es Yoongi auf. Ein dunkler Schatten, der sich über das lächelnde Gesicht von Jimin legt. Er möchte ihn trösten, den Schatten verscheuchen und, egoistisch wie er ist, in der Frühlingssonne baden. Es ist doch das Einzige, was ihm in dieser trostlosen Welt Zuversicht schenkt. Aber alles, was er hervorbringen kann, ist die brutale Realität. "Das ist bei Katzen nicht anders, als bei Menschen. Es wird immer das schwächste Glied gesucht, nur damit die anderen sich stark fühlen können." Yoongi wollte etwas anderweitiges sagen. Er hätte sein Bedürfnis, dem anderen klar zu machen, dass er weiß, wovon dieser spricht, netter verpacken können. Aber ist das überhaupt möglich? Er hat nie am eigenen Leib erfahren müssen, wie es ist, ausgeschlossen zu werden. Das hat er viele Jahre sogar selbst beabsichtigt. Dennoch hat er schon viel zu oft mit ansehen müssen, wie brutal die Menschen sein können, wenn jemand nicht in ihr Bild passt. Personen, die nicht in die Gesellschaft passen, die nicht so viel Leistung erbringen, wie andere, werden aussortiert und auf die Ersatzbank der Gesellschaft gestellt.
"Es ist schrecklich, dass es überall gleich ist. Vielleicht hast du Recht, Yoongi. Es ist bei Katzen nicht anders. Aber ich glaube, der Effekt, den es ausübt, ist auf den Menschen anders. Sie denken anders. Sie fühlen anders. Zumindest glaube ich das. Die Katze wird abends nicht irgendwo liegen und sich über den unzureichenden Zusammenhalt ihrer Spezies Gedanken machen. Sie wird das Alleinsein fühlen, klar. Aber eben anders als so jemand wie ich." "Klingt, als würdest du aus eigener Erfahrung sprechen", schafft Yoongi schließlich, zu antworten. Die Sonnenstrahlen werden mittlerweile völlig von den dunklen Schattenwolken verdeckt, aber er weiß auch, wie es gerade wichtig ist, dass Jimin diesen Gefühlen den nötigen Raum schenkt.
"So in etwa." Jimins Blick schweift in die Ferne. Es sieht nicht so aus, als würde er einen bestimmten Punkt fixieren, sondern eher, als würde sein Blick sich in der Weite irgendwo verlieren. "Versteh mich nicht falsch. Ich hab ein gutes Leben. Meine Eltern wollen nur das beste für mich. Mein Vater ist zwar streng, aber er meint es nur gut. Und meine Mutter beschützt mich, wo sie nur kann. Es könnte wirklich schlimmer sein."
"Aber?"
"Aber trotzdem spüre ich den Druck, weißt du? Ich habe an dem Tag, wo du mich auf der Kreuzung gerettet hast, meine Prüfung verhauen. Ich weiß, dass das kein Grund ist, sowas tun zu wollen. Aber... wie sage ich es am besten? Es zerfrisst mich, weißt du? Ich verstehe ja, dass sie es nur gut meinen. Sie wollen, dass ich einen vernünftigen Anschluss bekomme, damit ich später ein gutes Leben führen kann. Aber dieser Druck, den die ausüben, den die Schule und die Gesellschaft ausüben, der treibt mich in den Wahnsinn. Ich kann kaum noch an was anderes denken, als an meine Abschlussprüfung im nächsten Halbjahr. Ich ... ich bin nicht gut. Nicht gut genug. Es ist ja nicht so, als hätte ich es nicht probiert, nur es reicht einfach nicht. Wie viel soll ich denn noch machen, damit ich nicht mehr von den anderen aussortiert werde? Ich möchte nicht mein ganzes Leben lang das schwächste Glied der Gesellschaft sein. Ich möchte nicht aussortiert werden. Ich... meine Eltern verstehen es nicht, niemand versteht es. Aber ich möchte gerne jetzt schon leben. Nicht erst in ein paar Jahren, wenn ich mich kaputt gemacht habe für meine Leistungen."
Jimin ist in Not. Seine Worte wirken, als wären sie eine tonnenschwere Last auf den schmalen Schultern eines Jungen, der nie gelernt hat, aufrecht zu stehen. Yoongi ist nicht in der Lage, darauf zu antworten. Er denkt an den Zeitungsartikel zurück und fragt sich, ob es Jeongguk genauso ging. Jimin wirkt nicht, als würde er den anderen zeigen, welches Leid und welche Not sich hinter den Sonnenstrahlen verbergen. Und genau das ist es, was ihn an dem Bericht erschüttert hat. Selbst Jeongguks Familie hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie schlecht es ihm ging. Yoongi möchte nicht so sein wie die anderen Menschen. Er möchte alles von Jimin sehen, nicht nur die guten Momente. Wie gerne würde er ihn fragen, ob er mit seiner Vermutung recht hat und er ebenfalls an Depressionen leidet. Aber es geht nicht. Es ist unpassend, egal wie oft er die Frage gedanklich umstellt und neu formuliert. Schließlich schafft er es doch, eine Reaktion auf die Worte zu formulieren, auch wenn sie nur eine Annäherung an seine eigentliche Frage ist. "Darf ich... dich was fragen?" Jimin nickt, sodass Yoongi direkt weitersprechen kann. "Warum wolltest du nicht, dass ich einen Krankenwagen rufe? Nach der Kreuzung, du weißt schon."
Jimin schweigt und wirkt, als müsse er angestrengt nachdenken. Als er sich zu einer Antwort aufraffen kann, klingt seine Stimme zittrig. "Angst. Ich wollte nicht, dass meine Eltern es erfahren. Sie würde es sowieso nicht verstehen, wenn ich ihnen sage, dass es mir oft nicht gut geht und das nicht das erste Mal war, dass ich solche Gedanken hatte." Also doch. Yoongi ist sich immer sicherer, dass er an der selber psychischen Bürde leidet wie unzählige andere Erkrankte. "Ich hab ja sogar schon mal versucht, mit ihnen darüber zu reden. Aber sie verstehen es nicht. Sie meinten nur, dass ich mich nicht so anstellen soll und dass es jedem Mal schlecht geht. Ich glaub, sie wollen es nicht begreifen. Vielleicht haben sie selbst Angst, weil sie nicht wissen, wie man damit umgeht. Immerhin redet niemand darüber."
Das ist bitter. Am schlimmsten findet Yoongi aber, dass in Jimins Stimme Verständnis herauszuhören ist. Er versucht wirklich, seinen Eltern dafür keinen Vorwurf zu machen. "Das ist echt bitter." Yoongi teilt dem anderen nur einen Bruchteil seiner Gedanken mit, und obwohl er noch viel mehr dazu sagen könnte, schweigt er. Er ist überfordert, hat Angst, dass seine Worte falsch rüberkommen. Aus dem Grund schaut er auf seine Uhr und stellt eher nebenbei fest, dass sie tatsächlich schon lange hier sitzen. Und weil Yoongi zu feige ist, seine Frage bezüglich der Depressionen auszusprechen, nutzt er es, um ihr Gespräch zu vertagen. Er möchte sie immer noch aussprechen, aber dafür braucht er Zeit. Und diese verschafft er sich. "Ich muss los", presst er daher verkrampft hervor, "Meine ... Mutter wartet."
Jimins Blick schnellt zu ihm. Der Schatten zieht sich währenddessen lautlos zurück. Yoongi weiß im ersten Moment nicht, weshalb ihn diese Aussage so irritiert, doch dann versteht er es. Yoongi ist viel älter. Er wird sich sehr wahrscheinlich fragen, weshalb er in diesem Alter noch wegen seiner Mutter nach Hause muss. Es wird seltsam auf ihn wirken, und kurz überlegt er, ob er ihn einfach anlügt. Aber da wären wir wieder bei den kleinen Notlügen, zu denen Yoongi sich nicht überwinden kann. Er könnte Jimin nicht in die Augen sehen, während er erklärt, dass sie ihn nur zum Kaffeetrinken eingeladen hat. Davon abgesehen, würde er es sowieso nicht glauben, nicht mit diesen Augen, die geradewegs in seine Gefühlswelt blicken können.
"Ich ... sie ist krank. Sie braucht mich, deswegen muss ich nach Hause." Wie auch immer Jimin es geschafft hat, dass er diese ehrlichen Worte ausspricht. Bis auf Hoseok und die nette Nachbarin weiß niemand, welche große Verantwortung ihm jeden Tag auferlegt wird. Er hatte nicht vor, Jimin das zu offenbaren. Er bereut es, denn dadurch bietet er zu viel Angriffsfläche und wenn Yoongi eines hasst, dann, dass er angreifbar ist. Auf der anderen Seite traut er Jimin nicht zu, dass er die Chance nutzt und ihn jetzt angreifen wird.
Im nächsten Moment hat er die Gewissheit, dass seine Sorge völlig unberechtigt ist. Statt die Chance zu nutzen und Yoongi anzugreifen, sieht er ihn mit so aufrichtiger Anteilnahme an, dass es ihm schon wieder die Luft raubt. Was ist mit diesem Kerl, der mehr Emotionen besitzt, als ein einzelner menschlicher Körper in der Lage ist auszuhalten?
"Das... das tut mir furchtbar Leid, Yoongi. Es muss schwer sein, wenn man sich um seine eigene Mutter kümmern muss." Jimin rutscht etwas näher an ihn heran und legt seine Hand auf seinem Oberschenkel ab. Die sanften Bewegungen, die Jimin ausführt, hinterlassen ein seltsames Gefühl auf seiner Haut. Es fühlt sich an, als würde er ihn durch den Stoff hindurch berühren. Als würde er nicht nur sein Bein streicheln, sondern auch seine Seele. Scheiße. Yoongi begreift, wie weit sich dieser Typ schon in seinem Inneren eingenistet hat. Yoongi hat gar nicht bemerkt, wie er geradewegs in die angreifbarste Stelle seiner Seele vorgedrungen ist. Und genauso begreift er, dass er sich nicht mehr dagegen wehren kann. Er hat sich bereits viel zu sehr auf ihn eingelassen und jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück.
"Ich ... willst du mitkommen? Also, nicht weil ... ich wollte dich nur nicht unterbrechen grade." Wem versucht er sich hier noch was vorzumachen? Er will Jimin weiter zuhören, er will ihn ergründen. Begreifen, wie dieser Mensch es schafft, nicht unterzugehen, obwohl er kurz davor ist. Jimin scheint vieles auf dem Herzen zu liegen und Yoongi wird das Gefühl nicht los, dass es noch so einiges gibt, was er sich von der Seele reden möchte. Er ist bereit, ihm weiter zuzuhören, weil die anderen Menschen blind für seine innere Not sind. Auch wenn er weiß, dass es ihn immer weiter mit unter Wasser ziehen wird. "Ich würde dir zuhören. Ich glaube, es ist gut, wenn du einfach mal aussprechen kannst, was dich belastet."
Die Worte sind ganz klar an Jimin gerichtet. Dennoch beschleicht Yoongi das Gefühl, dass er sich seine eigenen Worte zu Herzen nehmen sollte. Dass sie nicht ausschließlich an den anderen gerichtet sind, sondern auch an sich selbst. Natürlich ist er noch lange nicht bereit, über sich zu sprechen. Aber wer weiß. Vielleicht kommt dieser Zeitpunkt eines Tages. Er kann sich vorstellen, dass Jimin ihm dann ebenfalls zuhören würde, und er hofft, dass er sich da nicht täuscht.
"Das würdest du tun?", hakt Jimin verwirrt dreinschauend nach, "Ich meine, ich freue mich. Wirklich. Ich ... hatte jetzt nur nicht damit gerechnet." Er macht eine kurze Pause, in der er sein herzerwärmendes Lächeln wiederfindet. Endlich kann Yoongi sich vom Licht der Zuversicht wieder wärmen lassen. Wer weiß, vielleicht können sie ein Stück des Irrwegs ihres Lebens zusammengehen. Vielleicht sollte Yoongi in Erwägung ziehen, dass es nicht immer alles Zufall ist, sondern das Konzept des Schicksals tatsächlich existiert. Oder er bildet es sich ein, damit er sich es einfacher schönreden kann, Zeit mit Jimin zu verbringen.
"Ich würde wirklich gerne mit zu dir kommen", fügt Jimi hinzu und greift im selben Moment nach Yoongis Hand. Kurz zuckt dieser unter ihrer Berührung zusammen, aber dann akzeptiert er es. Wenn sich etwas so warm anfühlt, kann es doch nicht so falsch sein, oder?
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Es ist lange her, dass Yoongi jemanden mit zu sich nach Hause genommen hat. Er kann sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann genau das war. Es muss noch gewesen sein, bevor sein einziger damaliger Freund Seokjin die Schule verlassen hat, also vor über zehn Jahren. Das erklärt aber auch, weshalb Yoongi furchtbar aufgeregt ist. Er ist nie der Mensch gewesen, der gerne jemand zu sich einlädt. Generell hat er nie wirklich richtige Freunde gehabt, die es länger mit ihm ausgehalten haben. Yoongi weiß, dass es bei Jimin nicht anders sein wird. Er wird es ein paar Tage, vielleicht sogar ein paar Wochen, mit ihm aushalten und dann wird er ebenfalls verschwinden wie alle anderen.
Aber gerade will Yoongi nicht daran denken. Er kann sich nicht erklären, weshalb er hofft, dass Jimin eine Ausnahme ist. Vielleicht ist es die Hoffnung, dass er einen Menschen findet, der ihn emotional auf seinen Irrwegen begleitet. Aber ob Jimin dafür der Richtige ist? Nur, welche Wahl hat er sonst? Hoseok hält es nur aus dem Grund immer noch mit ihm aus, weil sie Arbeitskollegen sind. Und er ist ja nicht dumm. Er weiß, dass Streit zwischen Mitarbeitern schnell zu einem Kündigungsgrund werden kann. Hoseok hat demnach keine andere Wahl, als mit Yoongi auszukommen.
Bei Jimin ist es anders. Zumindest hofft Yoongi das. Er wird ja bald erfahren, ob er nur aus Dankbarkeit oder Schuldgefühlen wieder auf ihn zugekommen ist oder ob er wirklich an einer Freundschaft mit ihm interessiert ist.
"Warte hier", sagt er knapp, während er die Klingel der Nachbarin betätigt. Aus dem Augenwinkel sieht er, dass Jimin nickt, die Hände vor seinem Bauch zusammenführt und ein freundliches Lächeln aufsetzt.
"Ach, da bist du ja schon", begrüßt die ältere Dame ihn, ehe sie bemerkt, dass ein Stückchen hinter Yoongi ein weiterer junger Mann steht. "Oh, hast du einen Freund mitgebracht?" Ein Freund? Gute Frage. Er hat keine Ahnung, als was er Jimin bezeichnen soll und er weiß auch nicht, wieso es sie interessiert. Macht es denn einen Unterschied? Eigentlich doch nicht. Er ist hier, um seine Mutter abzuholen, ob alleine oder mit jemanden zusammen.
"Nein", antwortet er daher monoton, "War alles okay heute?" Seine Nachbarin weiß, was er damit meint. Er stellt die Frage jeden Tag, und jedes Mal nickt sie freundlich. Auch wenn Yoongi das nicht wirklich glauben kann, akzeptiert er es stillschweigend und nimmt seine Mutter in Empfang. Sie scheint bis gerade ganz gut drauf zu sein, aber als sie Jimin entdeckt, bleibt sie irritiert stehen. Sie mustert ihn eingehend, als Jimin ein paar Schritte auf sie zugeht und sich mit einer tiefen Verbeugung vorstellt. Seine Mutter reagiert darauf nicht, betrachtet den Fremden nur. Yoongi bekommt Zweifel, ob es eine gute Idee war, ihn mitzunehmen. Es ist mühselig, sie in ihre Wohnung zu dirigieren, aber irgendwann schafft er es. Jimin folgt ihnen, ohne etwas zu sagen, dennoch verschwindet das freundliche Lächeln nicht aus seinem Gesicht.
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