. ⋅ ˚̣- : ✧ : - ⭒Kapitel 25 ⭒ - : ✧ : -˚̣⋅ .
◇ ─ ◇ ── ◇ ── 25 ── ◇ ── ◇ ─ ◇
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Seine Füße tragen ihn durch die stillen Straßen von Seochon. Yoongi hat kein Ziel, er streift umher in der Hoffnung einen Ort zu finden, an dem das Loch in seiner Brust nicht mehr so elendig schmerzt. Es ist Nacht. Nicht nur in Seochon, auch in seinem Inneren ist die finstere Dunkelheit über ihn hereingebrochen. Er hat seine Mutter endgültig verloren. Ein Leben lang hat sie sich aufgeopfert, bis sie es nicht mehr konnte, und Yoongi hat sich geschworen, dass er so lange für sie da ist, bis sie von dieser Welt geht. Er hat sein Versprechen gebrochen, hat sich in der Illusion des puren Glücks verlaufen und ist blind geworden für das, was seine eigentliche Aufgabe war. Hat diesen einen kurzen Moment der Glückseligkeit eingetauscht gegen ein Leben, das ihm einst seines schenkte. Es gibt keinen Begriff für das, was Yoongi gerade empfindet. Er spürt einen solchen Hass auf sich selbst, dass er sich am liebsten selbst in Stücke reißen würde, wenn dieses Gefühl dann nur endlich aufhören würde.
Und weil er das nicht kann, läuft er unaufhörlich weiter, obgleich sich jeder Schritt anfühlt, als würde er dem Leben nur noch mehr den Rücken zukehren. Ganz allein in den dunklen Gassen Seochons fühlt sich sein Leben noch sinnloser an, als es ohnehin schon der Fall ist. Er hatte nur eine Aufgabe: dem Menschen beiseite stehen, der ihn von der ersten Sekunde seines Lebens an geliebt hat. Aber selbst das hat er nicht hinbekommen. Er ist gescheitert. Und weil es das einzige ist, dass Yoongi wirklich gut kann, hat er noch eins draufgesetzt. Hat diesen einen Menschen von sich gestoßen, der ihn trotz seiner multiplen Fehltritte immer noch geliebt hat. Er hat die Vorwürfe, die ihm selbst gegolten haben, an ihn gerichtet. Jetzt bleibt ihm nichts mehr, außer seiner düsteren Gedanken, die sich in der nächtlichen Umgebung wie Zuhause fühlen.
Es gibt nur einen Ort, an dem eine kaputte Seele wie Yoongi jetzt noch ein Zuhause findet. Seine Füße tragen ihn ohne bewusstes Zutun dahin. Sie kennen den Weg. Zu oft hat er sich dort schon hin verwirrt, hat der Ruine beim Verfall zugeschaut, genau wie sie Yoongis genauestens beobachtet hat. Sie zerfallen mit jeder verstrichenen Sekunde ein bisschen mehr. Sie folgen dem selben Prozess. Wahrscheinlich ist es genau das, was dem niedergeschlagenen Mann jetzt noch Trost spenden kann. Das einzige, das Yoongi gerade noch für sich annehmen kann, auch wenn es einen bitteren Beigeschmack hat. Was soll er jetzt tun? Jimin anschreiben? Ihn um Verzeihung bitten, obwohl ein solches Verhalten nicht zu entschuldigen ist? Darf er das überhaupt, obwohl er gerade erst die bitterste Nachricht seines Leben bekommen hat? Aber wie soll er ohne Jimin durch diese Zeit kommen? Er kann es nicht, dafür ist er viel zu schwach.
Ob das egoistisch ist? Ja, ist es. Trotzdem ist es der letzte Hoffnungsstern am dunklen Nachthimmel. Ist es nicht irgendwie logisch, dass Yoongi sich an ihn klammert? Kein Mensch mag es, der Dunkelheit allein und ohne Hoffnung ausgesetzt zu sein. Oder?
Verloren in seinen Gedanken bleibt er am Eingang der Ruine stehen und betrachtet den größer gewordenen Riss im Mauerwerk. Er kann seinen Blick nicht abwenden, gesteht sich nicht einmal zu, zu blinzeln, als würde er dadurch eine entscheidende Wendung in seinem Leben verpassen. Erst, als er ein klägliches Miauen hört, spürt er das Brennen seiner Augen, schließt sie schnell und befreit sich aus dem tranceähnlichen Zustand. Mochi schleicht um seine Beine, stupst immer wieder gegen seine Wade, als würde sie ihm etwas mitteilen wollen. Yoongi bekommt Angst. Dieses arme, zerbrechliche Wesen freut sich allem Anschein nach, ihn zu sehen. Sie weiß ja auch nicht, dass Yoongis Gegenwart Unglück, Tod und Verderben nach sich zieht. Wie naiv sie ist. Wie naiv ER ist. Diese dumme Katze ist ihm viel zu sehr ans Herz gewachsen. Es war ein Fehler, Jimin mit hergenommen zu haben. Jetzt hat sie einen Namen, und damit auch eine Vergänglichkeit. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn auch verlässt.
“Geh besser weg von mir”, knurrt Yoongi aus Angst vor der Einsamkeit und schiebt die Katze unsanft von sich weg. Sie schaut ihn irritiert an und kommt wieder auf ihn zu.
“Du dummes Tier! Verstehst du nicht? Du sollst gehen!”, wiederholt er sich, doch Mochi lässt sich nicht abschütteln. Sie kommt immer wieder zu ihm zurück, schnurrt und stößt ihn hoffnungsvoll an.
“Ich hab nichts zu Fressen dabei! Ich bin auch nicht wegen dir hier! Ich bin wegen der Ruine hier, kapierst du das? Ich bin nicht Jimin! Ich bin nicht so uneigennützig und herzensgut. Also verpiss dich endlich!”, brüllt Yoongi das hilflose Tier an. Sie legt die Ohren an, macht sich ganz klein, und wartet. Wartet darauf, dass Yoongi seinem Kummer genügend Luft gemacht hat. Er spürt ihren Blick. Mit diesen scheußlichen smaragdgrünen Augen, die ihn so sehr an Jimin erinnern, starrt sie ihn an.
“JIMIN KOMMT HEUTE NICHT, KAPIERT?!”, schreit er und tritt warnend nach der Katze, ohne sie zu treffen. Er will ihr nur Angst machen, damit sie endlich abhaut. Lieber soll sie jetzt sofort für immer verschwinden, bevor sie ihm noch mehr ans Herz wächst und ein Verlust ihrerseits nicht mehr aushalten ist.
“Schau mich nicht so an! Ich hab’s verbockt, verstehst du? Ich hab ihn angeschnauzt, obwohl ich nicht sauer auf ihn war, sondern auf mich! Jimin hat das nicht verdient. Er ist zu sensibel, verdammt. Genau wie du! Ich kann euch nur kaputt machen, etwas anderes kann ich nicht.” Yoongis Stimme wird zunehmend brüchiger. Die Worte, die er ausspricht, fühlen sich für ihn an, als ramme er sich verrostete Messer tief in seine Haut. Die Wunden hinterlassen einen brennenden Schmerz, einen Schmerz, den er mittlerweile viel zu gut kennt. “Ich bin Schuld, dass meine Mutter esnichtgeschafft hat. Ich bin Schuld, dass Jimin sich nun selbst die Schuld gibt und scheiße!! Er hat keine Schuld, verstehst du?! Er… er darf sich nicht… die Schuld geben. Er darf nicht zerbrechen… ich bin… so ein Idiot…”
Die Erkenntnis auszusprechen reißt ihm den Boden unter den Füßen weg. Weinend bricht er auf dem kalten Steinboden zusammen und fängt durch die eisige Kälte in seinem Inneren an zu zittern.
“Ich wollte es nicht…”, wimmert er. Wieder und wieder finden die Worte einen Weg nach draußen. Sie vermischen sich mit seinen Schluchzern und den gequälten Schreien zu einer markerschütternden Symphonie der Trauer.
Mochi bleibt an seiner Seite, spendet mehr Trost, als es bröckelnde Ruinenwände jemals könnten. Nur langsam beruhigt er sich wieder.
“Was… was soll ich denn jetzt tun..? Mochi… ich… ich will ihn nicht auch noch verlieren.”
Aufmunternd stupst das kleine Tier ihn an, schmiegt sich an ihn und gibt ihn mehr Zuversicht, als ihr wahrscheinlich bewusst ist. Yoongi versteht, dass es jetzt an ihm liegt. Er muss Jimin schreiben, wenn er ihn nicht auch noch verlieren will. Jetzt. Ansonsten wird es niemals schaffen. Außerdem darf er sich nicht so viel Zeit lassen, bis er sich zu einer Entschuldigung durchringt, das wäre Jimin gegenüber nicht fair.
"Danke", murmelt Yoongi einige Minuten später. Mochi macht es sich derweil auf seinem Schoß bequem und schnurrt.
Es gibt ihm die nötige Ruhe, um sein Handy hervorzuziehen und eine Nachricht zu tippen. Viele Versuche braucht er, bis er endlich etwas zustande kriegt, dass er schafft abzuschicken. Letztendlich fragt er nur, ob die beiden reden können. Zu mehr kann er sich nicht überwinden. Er findet es unangebracht, sich in einer Nachricht zu entschuldigen. Auch wenn es schwer werden wird, will er ihm das persönlich sagen.
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Yoongis Herz klopft aufgeregt und ängstlich in seiner Brust, als er den Chat mit Jimin wieder öffnet. Als er die Antwort liest, schlägt es noch kräftiger, diesmal vor Nervosität. Jimin ist einverstanden. Er will sich mit ihm treffen und fragt, wo er gerade ist. Yoongi will so viel sagen und trotzdem schafft er außer einem "Bei Mochi" nichts darauf zu antworten. Er fragt nach, warum er nicht mehr im Krankenhaus ist, aber Yoongi antwortet nur, dass er ihm das später erklärt.
Jimin bittet ihn zu warten und verspricht, dass er so schnell es geht an ihren Lieblingsort kommt. Selbstverständlich schreibt Yoongi, dass er warten wird. In erster Linie, weil er für Jimin immer warten würde, egal wie lange es dauert. Aber das ist nicht der einzige Grund. Yoongi hat Angst alleine nach Hause zu gehen. Die Spuren seiner Mutter, und damit meint er nicht nur die bräunlich - roten Spuren der verhängnisvollen Unglücksnacht, sind überall. Die Wohnung besteht aus ihnen, egal wo er hinschauen würde, sie würden ihm den Boden unter seinen Füßen wegziehen.
Fast eine Stunde vergeht, bis Jimin endlich auftaucht. Yoongi hat die Zeit genutzt, um alle mögliche Gesprächsverläufe in seinen Gedanken durchzuspielen und dabei seine Reaktionen immer wieder angepasst. Er glaubt, dass er nun auf das Gespräch vorbereitet ist, aber als er Jimins entschuldigenden Blick sieht, weiß er, dass er sich geirrt hat. Er ist nicht gut darauf vorbereitet, das wäre er niemals. Egal, wie lange er dort gesessen hätte.
"Yoongi", erklingt die wackelige Stimme in der lauen Nacht, kurz bevor sich zwei Arme um Yoongis Körper schlingen. Für einen Moment vergisst er, wie atmen funktioniert. Es tut so gut und gleichzeitig so weh, die Nähe des anderen zu spüren.
“Es… es tut mir Leid”, sagt Jimin den Tränen nahe, “Es tut mir so Leid, dass ich heute so blöd reagiert habe. Ich hätte für dich da sein sollen, ich hätte dich nicht einfach alleine lassen dürfen.”
Yoongis Herz bricht. Jimin ist nicht derjenige, der sich entschuldigen sollte. Definitiv nicht. Das ist so falsch, dass Yoongi keine passenden Worte darauf findet.
"Idiot", antwortet er deswegen ohne der nötigen Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Jimin bringt etwas Abstand zwischen sie, damit er ihm in die Augen sehen kann. Er ist sichtlich irritiert, wahrscheinlich, weil er eine andere Reaktion erwartet hatte. Nicht einmal Yoongi selbst hatte damit gerechnet, dass er so reagieren würde. In all seinen gedanklichen Gesprächverläufen ist nicht einmal das Wort 'Idiot' aufgetaucht. Aber er hatte auch in keiner seiner Überlegung eine Entschuldigung von Jimin eingebaut.
Yoongi holt tief Luft, legt seine Hände auf Jimins Schultern und erwidert den Blick. "Du… du bist ein Idiot, Jimin. Nicht du solltest dich entschuldigen, sondern ich."
Jimin will bereits zum Antworten ansetzen, aber Yoongi hält ihn davon ab. "Ich hab dir Sachen an den Kopf geworfen, die ich gar nicht so gemeint habe. Ich hab dir Vorwürfe gemacht, die ich eigentlich gegen mich selbst richten sollte. Ich weiß, dass ich echt nicht fair war dir gegenüber und dass es eigentlich nicht zu verzeihen ist… Du mir schon viel zu oft über Fehler von mir hinweg gesehen hast. Aber… verzeihst du mir trotzdem nochmal?" Yoongi ist sich nicht sicher, ob er nicht doch zu leise gesprochen hat; ob Jimin das alles überhaupt gehört hat, oder ob er die richtigen Worte gewählt hat. Sind sie bei dem anderen richtig angekommen? Wie soll Yoongi sich sonst erklären?
Er rechnet nicht damit, dass Jimin ihm plötzlich näher kommt. Viel näher. Die Hände, die gerade noch entspannt auf seinen Schultern lagen, sind jetzt nur noch ein Störfaktor. Er nimmt sie runter, weiß aber nicht, wohin mit ihnen. Sowieso liefert Yoongi mit Sicherheit einen ziemlich traurigen Anblick ab. Jimin scheint es nicht zu stören. Er legt seine geschmeidigen Finder auf Yoongis Wangen ab und schenkt ihm ein aufbauendes Lächeln.
"Wer ist der Idiot von uns beiden, hm?", fragt er und sogleich wandelt sich sein Lächeln in ein schelmisches Grinsen. "Natürlich verzeihe ich dir. Ich weiß doch, dass du das nicht so gemeint hast. Ich war nur… verletzt. Weil ich Angst habe, dass du… die Nacht wirklich bereust."
"Nein, Jiminie", antwortet Yoongi mit ungewöhnlich sanften Tonfall, "ich bereue es nicht. Natürlich nicht. Ich… es war nicht gut, dass wir… eingeschlafen sind. Und ich mache mir auch immer noch Vorwürfe, aber ich bereue nicht eine Sekunde, die ich mit dir verbringen kann. Niemals."
Jimin beugt sich nach vorne und küsst den anderen zärtlich. Yoongi lässt sich in dieser wundervoll sanften Berührung fallen und blendet den Schmerz in seinem Herzen aus. Nur kurz, nur einen winzigen Moment will Yoongi nicht darüber nachdenken, dass er außer Jimin niemanden mehr in seinem Leben hat, der ihn so liebt, wie er ist.
Seine Blase hält keine zehn Sekunden. Sie platzt auf brutale Art und Weise, als Jimin den Kuss löst und ihn fragend ansieht. "Yoongi? Warum… bist du eigentlich nicht mehr im Krankenhaus? Du meintest, dass du mir das noch erklären willst. Und ich glaube, wir sollten langsam wieder zurück, oder?"
Yoongi schweigt, weicht dem Blick aus und vergrößert die Distanz zwischen ihnen.
"Yoongi?"
Wieder keine Antwort. Er will nicht darüber nachdenken. Er will es verdrängen. Jimin weiter küssen, bis er nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist. Er will nicht an das Gespräch mit dem Arzt zurückdenken, nicht an die vielen Schläuche und piependen Geräte und schon gar nicht daran, dass er seine Mutter für immer verloren hat.
"Yoongi, was ist los? Rede mit mir."
Jimin klingt so furchtbar besorgt, trotzdem kann er nicht antworten, selbst wenn er wollte. Seine Kehle ist wie zugeschnürt. In seinem Kopf tobt der selbe Orkan wie in seinem Herzen. Taumelnd weicht er noch einen Schritt zurück, beißt sich viel zu fest auf die Unterlippe und ballt seine Hände zu Fäusten. Jimin scheint das mitzubekommen, denn kurz darauf spürt Yoongi, wie der andere seine Finger und seine Fäuste legt.
"Yoongi, bitte sieh mich an. Und sag mir, was los ist. Ich bin da, okay?"
Damit ist es endgültig vorbei. Die letzte Schutzmauer bricht ein. Plötzlich steht wieder alles unter Wasser. Er kann es nicht zurückhalten, und noch weniger kann er die unumgängliche Wahrheit aussprechen.
"Ist sie...?", fängt Jimin zögernd an zu fragen, doch er spricht den Satz nicht zu Ende. Yoongis Reaktion scheint Antwort genug zu sein, denn im nächsten Augenblick schlingt er die Arme um ihn, zieht ihn an sich heran und sagt wieder und wieder, dass alles gut werden wird, als handelte es sich dabei um ein Mantra.
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