≋ 11 ≋
≋ Jimin ≋
Ich schultere die große Sporttasche, in der ich einige Dinge für Taehyung verstaut habe, bevor ich die Einrichtung betrete. Taehyung ist nun schon seit einigen Tagen hier und ich bin echt erleichtert, dass er sich wieder einigermaßen gefangen hat.
Ich habe noch nie eine solche Angst um jemanden gehabt, wie vor ein paar Tagen.
Die Bilder, als ich Taehyung gefunden habe und er mit blutüberströmten Handgelenken bewusstlos an der Wand seiner Wohnung lehnte, verfolgen mich noch immer. Niemals möchte ich sowas nochmal mit ansehen müssen.
Vor allem nicht bei Taehyung.
Er ist seit einigen Jahren mein bester Freund und ich glaube ich habe in ihm meinen Seelenverwandten gefunden. Unsere Chemie hat von Anfang an gestimmt, es war, als hätten wir uns ein Leben lang gesucht und endlich gefunden. Nicht im romantischen Sinne von der Liebe auf den ersten Blick, an sowas glaube ich nicht. Was Taehyung und mich verbindet ist stärker, als eine Beziehung. Eine tiefe Freundschaft, die nichts und niemand erschüttern kann.
Ich kenne die langen Flure bereits, auf dem mir einige komische Gestalten entgegen kommen. Ich bin nicht das erste Mal hier, um Taehyung zu besuchen, aber sie sind mir noch immer nicht ganz geheuer, daher versuche sie so gut wie möglich zu ignorieren.
Nicht alle hier sind wie Taehyung, einige sind sogar ziemlich gruselig, wenn ich das so sagen darf und ich wundere mich, dass er bis jetzt mit noch niemanden aneinander geraten ist. Seinen Zimmernachbar kenne ich nicht, doch Taehyung hat gemeint, dass er eigentlich echt okay ist, obwohl sie anfänglich wohl ein paar Schwierigkeiten hatten.
Ich klopfe an und eilig betrete ich sein Zimmer, in dem er allein auf dem Bett sitzt. Er ist gerade dabei, seinen Nachtischschrank aufzuräumen und scheint in Gedanken versunken zu sein, daher klopfe ich ein weiteres Mal an. Endlich scheint er es zu hören und dreht sich zu mir um. Seine Miene hellt sich schlagartig auf, als er mich erkennt. Im nächsten Moment kommt er zu mir gerannt und wir beiden fallen uns in die Arme, als hätten wir uns Jahre nicht mehr gesehen.
Typisch für uns.
"Jiminie!", quiekt er fröhlich und zieht mich, sobald er die Umarmung gelöst hat, zu seiner Hälfte des Klinikzimmers. Wir gehen an dem Bett seines Zimmernachbars vorbei, da mein bester Freund das Bett am Fenster hat. Er scheint mal wieder nicht da zu sein, aber das wundert mich nicht mehr. Ich habe ihn bis jetzt noch nie hier angetroffen, sondern nur von Tae gehört, wie er so ist.
Dabei würde ich ihn schon gerne mal persönlich kennen lernen, immerhin muss ich wissen, wer sich mit meinem Tae das Zimmer teilt.
Ja, kann sein, dass ich einen ausgeprägten Beschützerinstinkt habe, was den sensiblen Gutmenschen Tae angeht. Aber er ist immerhin mein bester Freund und daher gehört es dazu, dass ich ihn vor diesen Bekloppten hier schützen möchte, so gut es geht. Vor allem, weil Taehyung eben sehr sensibel ist, was zwischenmenschliche Interaktionen angeht.
"Ich bin so froh, dass du da bist", fügt Tae hinzu, während er sich aufs Bett setzt und mit einem Klopfen neben sich andeutet, dass ich mich neben ihn setzen soll. Ich komme seiner Aufforderung sogleich nach und ziehe ihn ein weiteres Mal in meine Arme. Tae geniesst die körperliche Nähe. Er ist schon immer sehr anhänglich gewesen, aber in diesem Moment scheint er die Nähe noch stärker zu brauchen, als sonst.
Kein Wunder, denn hier hat er ja niemanden, dem er wirklich nah ist.
"Erzähl. Wie geht's dir?", frage ich mit einem Hauch Sorge in der Stimme. Kaum habe ich die Frage ausgesprochen, merke ich, wie die Stimmung kippt. Taehyungs Augen füllen sich mit Tränen und selbst das Lächeln, dass er auflegt, hat etwas trauriges an sich. Ich kraule ihm durch die Haare, weil ich weiß, dass er das gerne hat und es ihm beruhigt.
"Es geht... Ich glaube langsam geht es wieder", antwortet er leise, doch ich kann sofort merken, dass es ihm noch immer ziemlich nah geht.
"Wie war denn die Sitzung heute mit Dr. Kim?", hake ich weiter nach, in der Hoffnung, dass Taehyung endlich anfängt darüber zu reden, was ihm im Kopf herum schwirrt.
"Naja. Anstrengend...", antwortet er ziemlich knapp und es dauert noch lange, bis er endlich offen mit mir redet.
"Wir haben heute über... den Vorfall gesprochen", sagt er mit zittriger Stimme. "Er hat mich gefragt, ob es vor ihm schon mal Partner gab und ob mir eine Trennung da auch so schwer gefallen ist. Ich hab ihm von Mark und Lucas erzählt. Und dass ich mit der Trennung auch so zu kämpfen hatte."
Ich erinnere mich noch an die beiden. Die Trennung ging ihm nicht so nah, wie die von seinem letzten Ex Baek, doch auch da hatte er lange Schwieigkeiten, darüber hinweg zu kommen. Das Problem ist, dass Taehyung, sobald er sich mal auf jemanden einlässt, mit ganzem Herzen dabei ist. Er richtet sein Leben nach der Person aus, vergisst alles um sich herum und oft eben auch sich selbst. Leider.
Als Baek ihm gestanden hat, dass er ihn schon seit Monaten betrogen hat, weil er Tae zu anstrengend fand, da ist für Taehyung eine Welt zusammen gebrochen. Nicht alle Menschen kommen mit seiner anhänglichen Art zurecht, Baek erst recht nicht.
Wobei ich sagen muss, dass ich ihn nie wirklich mochte. Ich hatte immer schon bedenken, was ihn angeht, aber dass er meinem lieben Tae so weh tun würde, das hätte ich nicht mal ihm zugetraut. Ich habe damals versucht, Tae zu warnen, dass er sich nicht so reinsteigern soll, aber da war es schon zu spät. Er hat ein großes Herz, aber anscheinend hat er bis jetzt noch nicht den richtigen getroffen, der das auch zu schätzen weiß.
Das schlimmste aber finde ich, dass Tae die Fehler dann immer bei sich selber sucht. Er macht sich Vorwürfe, grübelt darüber nach, was er hätte besser machen können, dabei hat er echt nur Pech, dass er immer an die falschen gerät. Wobei ich nicht unbedingt glaube, dass es nur Pech ist, denn ich habe mal gehört, dass so Menschen wie Tae sich unbewusst immer wieder solche kaputten Typen aussuchen. Und ich hoffe inständig, dass sein nächster Freund nicht wieder so ein mieses Arsch ist.
"Was hat Dr. Kim dazu gesagt?", frage ich leise nach, ohne von meinem besten Freund zu weichen.
"Er meint, dass ich mich zu stark an andere Menschen binde und, dass das wahrscheinlich aus meiner Kindheit herrührt. Ich scheine eine ziemlich ausgeprägte Verlustangst zu haben...", murmelt er leise. Und ich weiß, wie schwer es ihm fällt, diese Worte auszusprechen. Es ist so schwer für ihn, das Thema nochmal durchzukauen, doch es gibt keinen anderen Weg, wenn er das endlich abschließen möchte.
Es tut mir in der Seele weh zu sehen, wie sich erneut Tränen in seinen Augen ansammeln, daher drücke ich ihn schnell noch etwas näher an mich.
"Irgendwann wirst du jemanden finden, bei dem du diese Angst nicht haben musst, Tae", sage ich leise, weil ich dadurch hoffe, ihn wieder beruhigen zu können. "Und solange hast du ja mich. Mich wirst du so schnell nicht los. Ich bleibe bei dir, ich hoffe, das weißt du."
Es ist ein geringer Trost, weil ich eben nicht die Liebe des Lebens bin, die ihm das sagt, doch es scheint trotzdem zu funktionieren. "Ich weiß, Jiminie. Und darüber bin ich auch wirklich froh."
"Du findest schon noch deinen Mr. Right. Allerdings werde ich jetzt jeden einen persönlichen Jimin-Check unterziehen müssen, vorher lasse ich die nicht mehr an dich dran!", sage ich, während ich Taehyung in die Seite pieckse. Er gluckst leise auf und als ich anfange ihn durchzukitzeln, kann er nicht mehr anders, als laut los zu lachen.
Ich drücke ihn aufs Bett, während ich ohne Gnade seine besonders kitzeligen Stellen abklappere. Er windet sich unter mir, fleht mich an, aufzuhören. Ich grinse jedoch nur breit, während ich weiter mache. Ich habe diese unbeschwerten Laute von ihm zu lange nicht mehr gehört und kann davon grade nicht genug bekommen.
Ich habe es so vermisst. Dieses Lachen meines besten Freundes, bei dem mir das Herz aufgeht. Er ist einfach viel zu lieb für diese Welt und ich will nicht, dass ihm noch mal jemand so weh tut. Ich möchte ihn nicht mehr so traurig sehen.
Und ich denke mal, dass Taehyung weiß, wie ernst mir meine Aussage ist, trotz der lockeren Art, wie ich es gesagt habe. Niemals werde ich mehr zulassen, dass einer meinem lieben Tae etwas antut.
Lachend lassen wir uns auf das Bett fallen, Tae versucht sich von der Kitzelschlacht wieder zu beruhigen, doch sein Atem geht noch ziemlich schwer. "Maaan, du bist so fies! Du weist genau, wie kitzelig ich bin!", meckert er, obwohl ein breites Grinsen sein Gesicht ziert. "Tja, Freunde sind manchmal gnadenlos", erwidere ich nur und kuschel mich näher an ihn, um meinen Arm um seine schmale Taille zu legen.
"Aber wenigstens guckst du jetzt nicht mehr so traurig. Du kennst das doch. Der Zweck heiligt die Mittel", füge ich nur mit einem schelmischen Grinsen hinzu.
Taehyungs Miene verändert sich ein weiteres mal, als er mir direkt in die Augen sieht. "Danke, Jimin. Ich bin wirklich froh, dass es dich gibt. Und
... dass du bei mir bist. Ich hab dich lieb", sagt er leise und ein rosaner Schimmer der Verlegenheit legt sich auf seinen Wangen ab. "Ich hab dich auch lieb, TaeTae", antworte ich nur, und genieße es, ihn neben mir zu haben.
Ich bin wirklich froh, dass er noch hier ist. Das hätte auch anders ausgehen können und ich will mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben ohne meinen besten Freund aussehen würde.
Ich hoffe nur, dass er es schafft, über die schlimmen Ereignisse hinweg zu kommen, mit Baek endgültig abschließt und an seinem mangelndem Selbstvertrauen arbeiten kann. Ich hoffe so sehr, dass diese Therapie ihm wirklich was bringt, aber bis jetzt scheint es ganz gut zu funktionieren.
Natürlich ist es nicht leicht und Taehyung wird sich auch noch so einige Male den schlechten Gefühlen stellen müssen, aber nur so wird er es schaffen, wieder positiv im nach vorne blicken zu können.
Und wärend dieser Zeit werde ich nicht von seiner Seite weichen.
______________________________________
Und nochmal eine neue Sicht auf die Dinge :D
1660 W
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top