🌊 Kapitel 39 🌊

Yoongi.

Mit Musik in den Ohren stand ich etwas abseits auf dem Gehweg.
Obwohl dieser Teil hier eher als Stadtrand bezeichnet werden konnte, waren viele Leute unterwegs, die sich hektisch einen Weg durch die Menschenmasse suchten.

Ich schaute währenddessen hoch zu den Wolken. Eine große Schäfchenwolke, wie ich als Kind immer gesagt hatte, bahnte sich ihren Weg über die Stadt, und so wie es aussah, hat sie ein paar Freunde mitgebracht.

Eine Cumulonimbus Wolke. Eine sehr große, sehr dunkle Cumulonimbus Wolke.

„Aus dem Weg, es ist schon schlimm genug, dass es gleich regnet, da brauch ich nicht noch Menschen, die mir im Weg rumstehen", fauchte mich eine etwas ältere Frau an, die ich vielleicht Ende 50 schätzte.

„Nein, es ist schlimm, dass sie die Schönheit der Natur nicht sehen und einfach wildfremde Menschen anpöbeln, die mehr als genug Platz zum Vorbeigehen gelassen haben."
Trotz meiner scharfen Worte und dem gefährlichen Unterton meiner Stimme, sah ich sie mit einem sanften Ausdruck an. Die Frau entschuldigte sich etwas perplex und ging daraufhin schnell weiter, ohne noch ein Wort darauf hinzuzufügen.

In den letzten Tagen hatte ich mich immer mehr Menschen gestellt. Tatsächlich war es so, dass wenn ich einen Menschen berührte, den ich nicht kannte, Erinnerungen sehen konnte. Meistens die, die die Menschen selbst vermeiden wollten, die sie selbst nicht ertragen konnten und auch nicht wollten.

Am Anfang fand ich das sehr verwirrend und war auch sehr überfordert mit dieser, mir völlig neuen Fähigkeit, doch mittlerweile schaffte ich es ganz gut, dem Brocken Stand zu halten, ohne mir irgendwas anmerken zu lassen.

Ich hatte mich mit Taehyung unterhalten, nachdem ich mehrfach darüber nachgedacht hatte, wo das auf einmal herkam, doch das einzige, was ich mir erklären konnte war, dass es mit meiner Begegnung mit den Engeln zu tun haben konnte.
Taehyung wusste selbst nichts darüber, obwohl auch er versuchte, etwas darüber heraus zu finden.

Langsam trat ich den Weg nach Hause an und überlegte währenddessen, wie es wohl meinem kleinen Engel ging. Ich vermisste ihn tatsächlich ziemlich, die Nächte waren schrecklich kalt ohne ihn.

Heute war Tae wieder bei mir, so wie die letzten Tage auch, und fragte mich sogleich, ob Jimin mittlerweile wieder aufgetaucht war.
"Nein. Ich habe immer noch nichts von ihm gehört", entgegnete ich.

„Irgendwas über mich?", fragte ich ihn, doch er schüttelte nur den Kopf und ich seufzte resigniert.

„Glaubst du er kommt wirklich wieder?", fragte Tae auf einmal. „Er ist so lange weg, ich glaub mittlerweile nicht mehr dran."

"Doch, er kommt wieder. Weil er das da oben nicht für sich macht, sondern für uns. Das spüre ich einfach", meinte ich zuversichtlich, gesellte mich dabei zu ihm und schaute ebenfalls aus meinem Fenster.

„Du fühlst das schon seit fast einer Woche, aber hier ist er immer noch nicht", fauchte der sonst so liebliche Engel mich an. „Sei doch ehrlich. Du glaubst kein Stück daran und eigentlich ist es dir auch egal. Ihr Menschen glaubt nur an euch und an niemand anderes, sonst bräuchte es uns Schutzengel doch nicht mal!"

Geschockt sah ich ihn an. „Ich glaube, du solltest dich erstmal beruhigen, Taehyung. Ich weiß, die Situation ist schwierig, aber den Kopf zu verlieren bringt uns doch auch nichts."

„Ihr Menschen habt gut reden, wenn ihr jemanden verliert macht ihr einfach weiter, als wäre nie etwas gewesen. Ihr trauert doch höchstens ein bis zwei Jahre und dann ist der Schmerz auch schon wieder gegessen. Ihr seit egoistisch, nicht mehr und nicht weniger." Bei den Worten sah er mich beinahe verachtend an.

Und als ich den Sinn seiner Worte endlich verstand, sah ich ihn einfach an und hasste ihn in diesem Moment. In diesem einen Moment hasste ich ihn wirklich abgöttisch. „Ich werde meine Ma nie vergessen können. Nie! Doch was bleibt mir anderes übrig, als weiter zu machen? Für Engel ist es vielleicht leicht einfach mal ein paar Jahrzehnte jemanden hinterher zu trauern, aber die Zeit bleibt für Menschen nicht stehen. Sie läuft immer weiter und das jedes Jahr schneller. Sie achtet nicht auf unsere Gefühle, denn damit kann die Zeit nichts anfangen. Wir Menschen trauern und das unser Leben lang, aber wir haben nicht das Privileg eines unendlichen Lebens. Natürlich sind wir egoistisch, weil wir uns nun mal nicht in ein Feuer schmeißen, denn wir denken an uns. Und an unsere Familien. Daran, das diese Menschen jemanden verlieren, der ihnen wichtig ist, auch wenn sie es nicht zeigen. Ja, Taehyung. Wir Menschen sind so. Aber denkst du wirklich wir machen das gerne?" Erschrocken sah er mich an, realisierte seine Worte erst jetzt so richtig und wurde von der Bedeutung meiner komplett verschluckt.

„Wir brauchen euch Schutzengel nicht, denn ihr haltet nur auf, was wir sowieso machen." Jetzt war ich wieder ruhiger. Nicht mehr so wütend, nicht mehr voller Hass. Ich hatte meinem Ärger Luft verschafft und sah, dass auch Tae zuvor nur sowas gesagt hatte, weil er von Kummer zerfressen wurde. Sein jetziger Blick war reumütig.

„Sterben", hauchte er daher mit Tränen in den Augen.

Ich nickte einfach bloß und sah wieder hoch zum Fenster. „Du hast mir gesagt ich soll an dieses Gefühl glauben, dass Hobi wiederkommt und es Jimin besser geht, daran glaube ich. Daran muss ich glauben. Aber es bringt uns nichts, wenn wir uns daran festhalten und verharren, davon gewinnt ein Mensch nichts."

Wieder musste ich seufzen und sah mich dann in meinem Raum um. „Lust auf Eis?", fragte ich einfach so aus heiteren Himmel und sorgte durch meine Worte dafür, dass Tae mich perplex anstarrte. Überrumpelt von der Frage nickte Tae und wir machten uns wenig später auf den Weg in die Stadt. Unterwegs schrieb ich noch Gguk, den wir dann später an der Eisdiele trafen.
Wir unterhielten uns viel und hatten wirklich Spaß zusammen, als allerdings die Situation irgendwie kippte.

Die Menschen um uns herum wurden unruhig, die Angestellten gingen zu jedem Tisch und baten die Kunden zugehen, da sie "Früher schließen mussten". Die meisten taten dies und verzogen sich, doch einige protestierten. Entweder weil sie gerade erst gekommen waren, oder weil sie noch nicht fertig waren und nicht einsehen wollten, einer so spontanen Aufforderung Folge zu leisten.

„Ich gebe dir Recht, Tae, wir brauchen euch Engel, aber nicht weil wir egoistisch sind, sondern dumm...", flüsterte ich ihm entgegen. „Riechst du das?"

Der nickte verwirrt, während er mich besorgt ansah.

„Gas, wenn jetzt auch nur eine Klötze kleine Flamme entsteht. Ist dieser Laden...", ich ließ meinen Satz offen, doch symbolisierte mit meinen Händen was sehr wahrscheinlich passieren würde.

„Warum gibt es hier eigentlich Gas? Ich dachte, die kochen mittlerweile mit Induktion", fragte Gguk beiläufig, doch seine Frage war durchaus berechtigt. Auch Tae hörte gespannt zu, während ich erklärte, was der Grund dafür war.

„An sich ja, aber die haben ein BBQ-Grill, der mit Gas und Holzkohle betrieben wird und durch den Restaurantsabschnitt und der Kosten haben sie wohl doch noch vereinzelt Flaschen und Leitungen hier."

„Sollten wir uns nicht eigentlich in Sicherheit begeben?", fragte der Engel etwas panisch.

Wir, die sterblichen Menschen sahen ihn belustigt an und schüttelte den Kopf, was ihm, verständlicherweise die Gesichtszüge entgleiten ließ.

„Tae, das Eiscafé wurde erst vor 5 Tagen wieder eröffnet. Die haben hier weitestgehend alles renoviert. Denkst du wirklich, denen wäre sowas wie ein defekter Schlauch nicht aufgefallen?", Gguk sah ihn fast etwas zu fröhlich an.

Immer noch entsetzt starrte er uns an, als es wohl endlich doch klick machte. Seine Augen weiteten sich, bis er sich, immer noch recht panisch, im Raum umsah.

„Ja, Tae", beantwortete ich seine Frage. „Sie sind hier."

„Die Edgas.", erklang eine vertraute Stimme hinter uns. Weswegen wir uns geschockt umdrehten, um den Neuankömmling zu begrüßen.

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