~Leichter gesagt als getan~

Lucian

Ich blinzelte kurz, als mir Licht ins Gesicht schien. Dann schloss ich die Tür hinter mir und ging gemächlich auf die Magier zu.

Die Person, die am nächsten stand, grinste siegessicher. Das musste Talia sein. Sie war recht groß, mit blasser Haut, schwarzen Haaren und eisblauen Augen. Auch war sie recht hübsch, wie die meisten Hexen. Viele von ihnen nutzten ihre Magie, um ihr aussehen zu optimieren. Denn Eitelkeit war wohl die Eigenschaft, die Hexen mit den anderen magischen Wesen am ehesten verbanden.

Sie musterte mich ebenfalls und für ein paar Sekunden erschien auf ihrem Gesicht ein Ausdruck der Bewunderung und Entzückung, doch verschwand er sehr schnell wieder. Sie hatte reagiert wie die meisten Wesen, wenn sie mich zum ersten Mal erblickten. Nichts ungewohntes. Natürlich. Kein bisschen nervig oder so.

Schließlich, als ich ein paar Meter von ihr und dem letzten Zauber entfernt war, begann sie zu sprechen: „Ach, hast du dich dazu entschieden, dich uns zu ergeben?"

Ich antwortete auf ihre höhnischen Worte nicht, schnaubte aber innerlich. Als würde ich mich ihnen ergeben. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meinen Plan. Dabei verließ ich mich darauf, dass sie sich gerne reden hörte. Sonst hätte sie wohl kaum ein Gespräch auf so lächerliche Art und Weise begonnen.

Vorsichtig ließ ich meine Magie ausströmen, bis diese auf den letzten Schutzzauber traf. Ich begann meine Magie am Zauber entlang zu verteilen, um möglich viel Schutz auf einmal zu garantieren. Meine Hände versteckte ich in meinen Hosentaschen, um das Zittern aufgrund des plötzlichen Magieverlustes nicht zu offensichtlich zu zeigen.

Währenddessen sprach Talia unbeeindruckt weiter: "Ich hatte ja erwartet, dass du etwas älter bist, auch wenn der Uralte meinte, dass du nicht älter als 18 oder 19 Jahre alt sein kannst."

Da ich wusste, dass sie eine Antwort erwartete und ich sie hinhalten musste, fragte ich: "Der Uralte? Was hat er denn noch so gesagt?"

Mit dieser Frage beschäftigte ich sie überraschenderweise und sie begann zu erzählen und zu erzählen. Ich hörte gar nicht hin, sondern begann meine Magie erst mit dem Haus, dann mit dem Schutzzauber zu verbinden. Sie war nazistisch, nicht eitel.

Aus beidem würde ich Magie ziehen können, um neue Zauber zu errichten. Ich war fast fertig, als Talia sich selbst mitten in ihrer ewigen Litanei unterbrach.

Sie sah mich misstrauisch an und wollte dann wissen: "Was machst du da?"

Ich antwortete nicht, sondern ging weiterhin in die Knie. Ich hatte gerade damit begonnen, meine Magie auch mit der Erde um mich herum zu verbinden, die mir Energie liefern sollte. Ich war schließlich nicht umsonst ein Nachfahre eines Wesens aus Erde und himmlischer Macht.

Talia schien das auch zu verstehen, da sie mit einem Mal die Augen weit aufriss und den anderen das Zeichen zum Angriff gab. Mit einem Ruck spürte ich die Magie von mindestens zwei dutzend Magiern am Schutzzauber.

Und es war schrecklich. Es fühlte sich an, als würde ein extrem starker Wind wehen, der versuchte, mir die Haut von den Knochen zu wehen. Mir war heiß und kalt zugleich. Gleichzeitig fühlte es sich wie tausend Nadelstiche an, als wäre ich ein großes Nadelkissen, in das eingestochen wurde.

Ich versuchte diese Schmerzen zu ignorieren, was leichter gesagt als getan war. Nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass ich nur einen Schutzzauber bilden konnte, der das Haus und den Vorhof schützte und nicht auch noch den Rasen. Für den Rasen fehlte mir die Magie. Nur blöd, dass ich mitten darauf kniete.

So blieben mir nur zwei Möglichkeiten: Der neue Schutzzauber für das Haus oder der Alte. Ich musste nicht lang überlegen, ich hatte mich schon entschlossen, als mir die Idee gekommen war. Denn leider war mir beigebracht worden, dass große Ganze im Blick zu haben.

Mit einer letzten Kraftanstrengung erschaffte ich einen neuen Zauber. Dann versiegelte ich diesen mit der Magie des Hauses und der Energie des Bodens. Als letztes, um meinen Zauber zu vollenden, löste ich den alten auf und nutzte dessen übrig gebliebene Macht, um den neuen zu unterstützen.

Die Magier, die ihre ganze Macht auf den Zauber verwendet hatten, stolperten überrascht ein paar Schritte vor, als der Bann so plötzlich brach. Ihre Verwirrung nutzte ich dazu, etwas ihrer Magie, die nun arbeitslos durch die Luft sauste, zu schnappen.

Es war ein recht simpler Zauber den ich schon als kleines Kind erlernt hatte. Die Magier nicht, da sie keine "natürlichen" magischen Wesen waren, sondern lediglich eine etwas stärkere Bindung zur Natur hatten. Und diese Bindung war noch eher erzwungen als harmonisch, wie es eigentlich sein sollte.

Dann, als sich die Magier langsam wieder sammelten und bemerkten, dass ich ihre Magie stahl, wirkte ich einen weiteren Zauber. Ein Unsichtbarkeitszauber, bestehend aus nur ein paar Worten. Sofort begannen ein paar der Magier mit ebenso unsichtbaren Magiefäden nach mir zu tasten, doch gab ich ihnen keine Zeit, tatsächlich etwas zu bewirken. Sie sollten verstehen, dass ich ihnen überlegen war. Zumindest momentan noch.

Und so tat ich das, was jeder Engel gerne tat. Ich streifte mir das Oberteil ab und erlaubte meinem wahren Ich zu erscheinen. Die Tätowierungen, die sich auf meinem Rücken befanden, erwachten langsam zum Leben. Ich spürte, wie meine Flügel zu sprießen und zu wachsen begannen. Immer größer und größer. Ich liebte dieses Gefühl fast so sehr wie das Fliegen selbst. Vorfreude war schließlich die schönste Freude.

Dann, als meine Flügel ihre beeindruckende Größe erreichten, bewegte ich sie etwas. Aus dem Augenwinkel sah ich die weißen Federn, die sich sanft in der Brise bewegten. Ich wusste, dass meine Flügel etwas über meinen Kopf reichten und ich spürte, wie die unteren Enden gegen meine Waden stießen. Das Gefühl hatte etwas unglaublich beruhigendes.

Aus alten Überlieferungen hatte ich gelernt, dass sich die Flügel bei den meisten Engeln traditionell ab ihrem 20. Lebensjahr bildeten und das selbst ein uralter Engel mehr als stolz auf die Größe meiner Flügel gewesen wäre. Ich nahm an, dass meine schon jetzt so ausgeprägt waren, weil ich in direkter Blutlinie zum ersten Erdengel stand, welcher angeblich Kinder mit einem Engel des Himmels gezeugt hatte. Doch sicher war ich mir nicht.

Ich begann mich jetzt auf die Magier zu konzentrieren, die mich umkreisten, wahrscheinlich um mich von allen Seiten erledigen zu können. Aber nicht mit mir. Mit einem leichten Sprung erhob ich mich in die Höhe. Dabei drückte ich meine Handflächen nach unten, um mit Magie meinen Aufstieg etwas schneller zu bewältigen. Leider hatte dieser Zauber die Nachwirkung, dass der Unsichtbarkeitszauber aufgehoben wurde.

Einige Magier hoben die Köpfe und erstarrten, als ich mich mit kräftigen Flügelschlägen in die Höhe erhob. Die Wirbel, die ich dabei erzeugte, stießen ein paar von ihnen beinahe um. Nach einigen Sekunden des Starrens jedoch erinnerte sich ein Teil des Zirkels wieder an die Aufgabe. Sie begannen mich mit, aus Magie gebildeten, Feuerbällen abzuwerfen.

Magisches Feuer war das einzige, was mich wirklich verletzten konnte. Das hatte ich schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, als ich einige Jahre zuvor versucht hatte, einen Streit zwischen zwei Magiern zu schlichten. Noch Tage später hatte ich das leichte Brennen in meinen Flügeln gespürt, die bei den Wutausbrüchen der beiden Feuer gefangen hatten.

Anfangs versuchte ich, die Bälle mit Magie wieder zu ihren Besitzern zurück zu schicken, doch merkte ich bald, wie viel Magie, ich bereits am heutigen Tage verbraucht hatte. Es wurde Zeit, schleunigst zu verschwinden.

Doch das war leichter gesagt als getan. Wie Bluthunde schienen die Magier meine Erschöpfung zu spüren und strengten sich noch mehr an. Immer öfter rettete mich nur noch meine schnelle Reaktionsfähigkeit vor den gefährlichen Geschossen. Langsam unruhig sah ich mich um. Doch die Menge an Zauberern war erdrückend. Warum folgten so viele von ihnen denn bitte einem Dämonen?

Ein weiteres mal konnte ich nur knapp ausweichen, dabei fiel mir jedoch ein weiterer Feuerball nicht auf. Dieser traf mit einem hässlichen zischen auf meinen linken Flügel. Ich keuchte schmerzerfüllt auf und verlor an Höhe. Ein weiterer Magieball traf mich in den anderen Flügel und ich stürzte ab. Ich kam am schwer Boden auf und fiel auf die Knie. Meine Flügel brannten wie Feuer und mein ganzer Körper zitterte unter der Anstrengung, die Flügel vor bleibenden Schäden zu bewahren. Diese verdammte, unreine Magie.

Ich nahm kaum wahr, dass der Zirkel den Angriff einstellte, zu sehr war ich auf die Bekämpfung der Schäden konzentrierte. Schließlich hatte ich es geschafft und meine Flügel waren wieder geheilt, doch war mein ganzer Körper vor Anstrengung am zittern und mir war klar, dass ich verloren hatte. Kurz schloss ich die Augen und atmete durch.

Noch brach ich nicht zusammen. Ich hob den Kopf und sah mich um. Dabei fiel mir auf, dass die Magier des círculo del demonio ein federleichtes Netz über mir ausgebreitet hatten. In dem Moment, in dem mir das auffiel, zogen sie das Netz zusammen. Ich konnte spüren, wie meinen Flügeln die Bewegungsfreiheit genommen wurde. Dann zogen sie das Netz etwas zur Seite, sodass ich das Gleichgewicht verlor und schwer zur Seite fiel. Mein Gesicht berührte das weiche Gras, genauso wie mein Oberkörper.

Es war seltsam tröstend, die weichen Grashalme an meinem Körper zu spüren. Mit müdem Blick verfolgte ich Talia, die sich neben mich kniete und durch das Netz hindurch vorsichtig über meine Flügel strich. Ekel stieg in mir auf, als ich die unnatürliche Magie spürte, die mit der Berührung auf mich übertragen wurde.

Sie sah meine Flügel fast schon sehnsüchtig an, dann meinte sie leise zu sich selbst: "Schade, dass wir dich lebend und in einem Stück zum Uralten bringen sollen. Deine Flügel würden sich super über meinem Kamin machen."

Dann erhob sie sich und winkte einen Typen heran, den ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Dem starken Fischgeruch nach war es ein Troll, der mich als nächstes hochhob als würde ich nichts wiegen. Doch selbst er war mir lieber als diese Hexe.

Nur am Rand bemerkte ich, wie ich zu einem Auto getragen wurde. Erst als ich das weiche Leder eines Sitzes am Gesicht fühlten merkte ich, dass ich auf der Rückbank eines Autos lag. Müdigkeit übermannte mich und wie sehr ich auch dagegen kämpfte, meine Augenlider wurden immer schwerer. Erschöpft schloss ich die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

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So Leute, ein neues Kapitel. Ich hoffe, dass es euch gefällt. Eine Frage: Entwickelt sich alles zu schnell oder ist es gut so, wie es ist? Ich würde mich sehr über ein paar Votes und Kommis freuen.

_Amnesia_Malum_            

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