𝗲 𝗽 𝗶 𝗹 𝗼 𝗴 𝘂 𝗲
"Rose sucht dich. Seit einer Viertelstunde, aber ich war zu beschäftigt mit Harry, um es dir auszurichten."
Es war der perfekte Tag. Die Sonne schien hell und warm vom Himmel herab und die Vögel zwitscherten, als wollten sie die bevorstehende Hochzeit zelebrieren. Anfangs war Scorpius noch nervös gewesen, bis ihm aufgefallen war, dass es dazu keinen Grund gab; James hatte sich als wahrhaftes Organisationstalent entpuppt. Bei der Hochzeit von ihm und Alice hatten sie ganz klassisch eine Hochzeitsplanerin eingestellt, aber den heutigen Tag hatte James monatelang im Voraus sorgfältig durchgeplant. Eine unangenehme Nebenwirkung war, dass er nun unruhiger war als seine vierjährige Tochter Harriet, die mindestens zweimal am Tag jemanden umrannte oder etwas durch die Gegend schmiss.
"Ist kein Problem. Weißt du, wo sie-", begann Scorpius, wurde jedoch von einem lauten Schrei unterbrochen.
"Scorpio!", rief Harriet begeistert und lief mit einem ungeheuren Tempo auf ihn zu, bevor sie sich um seine Beine klammerte.
Albus und Scorpius hätten ihr Geschenk zu Harriets fünftem Geburtstag noch einmal ordentlich überdenken sollen. Es war ein Buch, in dem alle Sternbilder je auf einer Seite abgebildet waren. Die Sterne veränderten die Position, je nachdem, wie sie gerade am Himmel zu sehen waren, und Harriet war davon mehr als nur fasziniert. Jetzt zwang sie unter lauten Protesten und Geschrei einmal täglich jemanden, mit ihr "die Sterne zu überprüfen".
Und nicht nur das; seit Albus ihr erzählt hatte, dass Scorpius nach dem Skorpionsternbild benannt war, bestand sie darauf, ihn Scorpio zu nennen.
"Harry, lass das. Wir haben darüber geredet, benimm dich heute.", sagte Alice streng. "Rose ist im Ankleidezimmer im ersten Stock.", fügte sie dann ein wenig gehetzt an Scorpius gewandt hinzu. Im selben Moment kam James in die Eingangshalle gestürmt.
"Ich habe mich klar ausgedrückt, und trotzdem werden meine Anweisungen nicht befolgt.", beschwerte er sich, sobald er Alice, Scorpius und seine Tochter erreicht hatte, die den Malfoy immer noch umklammert hatte.
Alice verdrehte die Augen. "Was ist denn passiert, Schatz?", fragte sie.
"Die Servietten sollten ganz klar schieferblau sein, aber anstatt dessen haben sie sie in sommerblau geliefert!", echauffierte er sich weiter und hielt zwei komplett identische Servietten hoch.
"Ich seh keinen Unterschied.", erwiderte Alice nur trocken. James sah sie entgeistert an.
"Natürlich ist da ein- Ist es zu spät für eine Scheidung?"
"Die Papiere sind zuhause, ich nehme Harry.", antwortete Alice wie aus der Pistole geschossen.
"Darauf werde ich später empört und ein klein wenig besorgt antworten, jetzt muss ich erstmal sicherstellen, dass die Caterer nicht solche Idioten sind wie die Serviettenlieferanten und die von der Portschlüsselverwaltung."
"Kommen Jolene und Roxanne mal wieder nicht rein?", fragte Alice, während sie Harriet von Scorpius wegzog und auf den Arm nahm.
"Ja.", antwortete James kurz angebunden und ging mit schnellen Schritten aus der Tür.
"Kannst du vielleicht- und er ist weg.", begann Alice und schüttelte den Kopf. "Wo waren wir? Ach ja, Rose. Ankleidezimmer im ersten Stock.", wiederholte sie fahrig und strich Harriet ein paar verirrte Strähnen des rotbraunen Haares aus dem Gesicht.
"Klar.", erwiderte Scorpius bloß und machte sich auf den Weg.
Er fand sich in dem von James gemieteten Gebäude noch nicht besonders gut zurecht, aber nach ein paar fehlgeschlagenen Versuchen fand er Rose, wie sie gegenüber von Albus an einem Kaffeetisch saß und Schach spielte. Bei dem Anblick schlich sich wie automatisch ein Lächeln auf Scorpius' Gesicht.
"Dame auf E4.", sagte Rose da gewinnend. Albus starrte ein paar Sekunden auf das Brett, bis er sich abwandte und sagte: "Ich hab keine Lust mehr."
"Schlechter Verlierer.", zog Rose ihn auf, während sie das Brett zusammenpackte, und fügte kurz darauf überrascht hinzu: "Scorpius! Wie lange stehst du da schon?"
"Alice hat mich geschickt.", erwiderte er und ließ sich auf die Couch neben Rose fallen. "Wieso hast du mich gesucht?"
"Ich wollte eigentlich nur mit dir Schach spielen, aber dann bin ich deinem Verlobten hier über den Weg gelaufen, der übrigens miserabel darin ist.", sagte Rose breit grinsend.
"Bin ich nicht. Du bist nur gut.", grummelte Al und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.
"Ich weiß. Wie auch immer, ich bin eigentlich nur hier, um mich vor Harriet zu verstecken." Scorpius schnaubte.
"Das Mädchen ist vier, Rose, sie wird dir schon nichts tun."
Die Weasley stöhnte genervt. "Aber sie ist laut und rennt rum!", beschwerte sie sich.
"Das machen Kinder so, Rose.", antwortete Scorpius.
"Bin ich froh, dass ich keine haben werde. Ach ja, wenn Alice ihr zweites Kind bekommt, werde ich auswandern, seid vorbereitet."
"Das würde ich empfehlen. Es gibt eine fünfzigprozentige Chance, dass es wie James wird.", warf Al breit grinsend ein.
"So funktioniert Genetik nicht, Albus.", sagte Rose wie als würde sie einem Kindergartenkind beibringen, dass eins plus eins zwei ergibt.
"Wenn du mal nichts zutun hast, lernst du dann eigentlich Lehrbücher auswendig?", fragte Al.
"Ja. Solltest du auch mal probieren.", feuerte sie zurück.
"Okay, Leute, reicht dann auch wieder.", ging Scorpius dazwischen. Rose seufzte bloß und lehnte sich gegen die Armlehne der Couch.
"Wie auch immer, ich warte, bis sie jugendlich sind. Dann kann ich ihnen wichtige Dinge beibringen.", verkündete sie stolz.
"Zum Beispiel Genetik?", fragte Al.
"Nein, du Idiot, wie sie Wein von ihren Eltern klauen können. James versteckt den echt nicht gut genug vor mir.", erwiderte Rose und grinste breit.
"Wenn meine Kinder Wein wollen, kauf ich ihnen Wein. So verhindert man Rebellion.", sagte Albus.
Scorpius sah irritiert zwischen den beiden umher. "Okay, gut, jetzt weiß ich schon mal, von wem ich unsere zukünftigen Kinder fernhalten werde.", sagte er.
Die drei unterhielten sich noch für einige Weile und irgendwann forderte Rose Scorpius zu einer Runde Schach auf, die er haushoch verlor. Die Zeit verging viel zu schnell, und irgendwann kam James gehetzt ins Zimmer gestürmt und schlug die Tür mit einem Krachen auf.
"Rose Granger-Weasley.", sagte er und versuchte dabei, bedrohlich zu wirken. Ohne Erfolg.
"Ja?", antwortete Rose nur.
"Ich habe dir gesagt, dass ihr um halb eins runterkommen sollt. Jetzt ist es wie spät? Viertel vor eins. Sofort mitkommen.", fuhr der Potter angepisst fort und ging mit schnellen Schritten den Flur entlang. Die drei folgten ihm bloß schweigend.
Unten angekommen befanden sich schon ziemlich viele Leute in der Eingangshalle und unterhielten sich oder tranken den angebotenen Sekt. Die meisten kannte Scorpius nur grob vom Sehen her, er hatte immerhin keine besonders große Familie. Eigentlich war nur sein Vater hier; Lucius und Narcissa hatten spontan abgesagt, und um ehrlich zu sein erleichterte das Scorpius ein wenig. Er hatte sowieso noch nie viel mit ihnen zutun gehabt, und das würde nur wieder für unnötiges Drama sorgen zwischen Albus' und seinem Großvater.
Draco hatte sich über die Jahre hinweg ganz gut mit einigen angefreundet, vor allem mit Luna Scamander, mit der er sich gerade unterhielt. Lysander und Lorcan standen ein wenig abseits und schwiegen sich wie immer an, während Lorcans Frau Molly mit ihrer kleinen Schwester sprach.
"Scorpius! Al! Wie geht's, wie steht's? Und vorab gesagt, ich bin nicht hier für euch, sondern für die Gratisgetränke." Roxanne trug eine schwarze Jeans und eine kanariengelbe Bluse, die sich von ihrer dunklen Haut abhob.
"Wo ist Jolene? Ich möchte ihr gerne erneut mein Beileid aussprechen.", erwiderte Al.
"Keine Ahnung, irgendwo dahinten. Mom liebt sie.", erwiderte die Weasley und deutete vage hinter sich.
"Keine Zeit für Gespräche, ihr müsst euch fertig machen, die Zeremonie beginnt in einer Stunde.", unterbrach James die beiden und schob sie weiter.
Auch nach Jahren waren Parties immer noch nicht Scorpius' Ding. Es war mittlerweile dunkel und in dem gemieteten Saal wurde getanzt. Selbstverständlich war er eine Weile da gewesen, es war immerhin seine Hochzeit, aber nun brauchte er ein wenig frische Luft.
Er stand an einem kleinen Teich und starrte ins Wasser, sah sich die Reflexion seines Gesichts an. Er war jetzt Scorpius Potter-Malfoy, und das klang so verdammt gut.
"Hey.", begrüßte ihn da eine unbekannte, raue Stimme und ließ ihn zusammenzucken. Er hatte sie schon mal gehört, konnte sie bloß nicht einordnen, daher drehte er sich um.
Sie sah erwachsener aus, aber ihre Gesichtszüge hatten sich kein Stück verändert. Ihre Haare waren kurz, kürzer als der schulterlange Bob von Alice. Anstelle einer ihrer karierten Röcke und dem Crop Top dazu trug sie nun eine gebügelte, elegante Hose und ein hellblaues Hemd, das sie irgendwie blass erschienen ließ.
"Ellen McVay. Ist eine Weile her."
"Ich schätze schon.", erwiderte sie, nicht eine Spur des manipulativen Grinsens auf ihrem Gesicht.
"Was machst du hier?", fragte Scorpius kalt.
"Es stand im Tagespropheten. Lang ersehnte Potter-Malfoy Hochzeit oder so ein Schwachsinn. Die sind noch nicht drüber hinweg." Sie lachte leicht.
"Da können wir uns ja alle bei dir bedanken. Hat dein Erscheinen auch einen Grund oder dachtest du, du schaust einfach mal, was so aus uns geworden ist?"
"Es tut mir leid.", war alles, was sie antwortete.
"Schön. Du hättest nicht kommen sollen."
"Wie geht es Alice?", wechselte sie das Thema. "Sie hat zugenommen, oder?"
"Ja. Sonst wäre sie nämlich gestorben. Aber ich bin sicher, das wäre dann auch nur ein Scherz gewesen, oder?" Scorpius spuckte die Worte förmlich aus.
"Es tut mir leid. Ich war fünfzehn, okay? Ich wusste nicht, was so ein paar Worte anrichten könnten.", sagte sie und schaute zu Boden.
"Alice geht es gut. Sie ist mit James verheiratet und hat eine Tochter. Ihnen beiden geht es fantastisch. Rose geht es auch gut, falls es dich interessiert, und mir und Al geht es blendend.", zählte er auf.
"Freut mich.", sagte Ellen nur.
"Weißt du, es war eine gute Entscheidung, nicht zur Feier zu kommen. James hätte dich fertig gemacht. Al auch. Wahrscheinlich sogar Alice und Rose.", erwiderte Scorpius kalt.
"Es sind Jahre vergangen, können wir das nicht einfach vergessen?", fragte sie und zog ein Stück Papier aus ihrer Hosentasche. "Das ist die Adresse von dem Büro im Ministerium, in dem ich arbeite. Schau mal vorbei." Sie lächelte, und auch, wenn es vermutlich nicht so gemeint war, sah Scorpius dahinter immer noch das gefühlskalte Grinsen der Fünfzehnjährigen.
Ellen streckte ihm das Stück Papier entgegen. Er nahm es an und wartete, bis sie ging. Dann zerriss er es in tausend kleine Papierfetzen und warf es in den Teich.
"Scorp? Bist du hier?", fragte da eine Stimme, die um einiges willkommener war.
"Du bist der einzige, den ich kenne, der bei seiner eigenen Hochzeitsparty abhaut.", sagte Al und grinste. "War irgendwer hier? Ich dachte, ich hab Stimmen gehört."
"Nein, hier war niemand.", log Scorpius.
Anstelle einer Antwort schlang Albus bloß die Arme um seinen Hals und küsste Scorpius. Der Kuss schmeckte nach der Hochzeitstorte von vorhin und nach all den Gefühlen, die nicht in Worte gefasst werden konnten. Wäre es nicht von Nöten, ab und an Luft zu holen, hätten sie noch Stunden dort so gestanden.
"Ich liebe dich, Al. So sehr.", murmelte Scorpius.
"Ich weiß, Scorp. Ich dich auch."
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