43

Nach kurzer Überlegung hatte ich meinen Kopf auf Yoongis Schoß gelegt und sofort meine Augen geschlossen. Falls er unzufrieden schaut, sehe ich das so nicht. Ha! Wir, meine Eltern, er und ich, saßen alle im Wohnzimmer, verteilt auf den zwei Sofas, die wir haben. Meine Eltern auf dem einen, wir auf dem anderen. Dabei hören wir Radio und entspannen einfach. Yoongi und meine Eltern haben sich Bücher genommen und lesen scheinbar darin. Ich kann zwar auch lesen, es aber so als Familienaktivität zu machen, habe ich nicht verstanden. Also habe ich einfach meine Augen geschlossen und bin fast auf dem Sofa eingeschlafen. Da kam mir die Idee, Yoongi einfach als Kopfkissen zu benutzen.
Und ihn scheint das nicht zu stören. Seine Hand legte er schnell an meine Haare und fuhr durch sie. Froh lächelte ich.

So lag ich minutenlang dort, vollkommen entspannt, aber nicht am Einschlafen. Vielleicht, weil mein Körper die letzten Tage mit Yoongi komplett wahrnehmen will. Ja, das kann ich mir vorstellen, denn das will ich auch. "Yoongi, ich-" Ich öffnete meine Augen und kam wieder zu Sinnen. Gott, mein Liebesgeständnis sollte ich ihm nicht vor meinen Eltern geben. Vielleicht, wenn er abfährt... Ja, dann habe ich es endlich gesagt und mir geht es besser. Und wenn er mich dann abweist, muss er sowieso weg und ich muss mir das nicht anhören.

"Hm?", fragte er und bewegte das Buch, damit er in mein Gesicht schauen konnte.

Ich öffnete meinen Mund, doch bevor ich etwas sagen konnte, sprach das Radio.

"Einmeldung!", kam es unangenehm laut durch die Stille, die wir hier hatten.

"Schatz, kannst du wieder Musik anmachen?", fragte meine Mutter mit Blick in ihr Buch. Mein Vater nickte zwar, doch hatte sein Blick auch in seinem Buch. Wow, so spannend, oder was?

"Der Präsident So Sunguk", kam es weiter aus dem Radio. "Hat nach den neusten Anschuldigungen seinen Rücktritt bekannt gegeben."

Nun sahen alle von ihren Büchern weg, zu dem Radio. Ich selber setzte mich auch auf. Sunguk ist nicht mehr Präsident? Warum? Ich habe ihn gemocht. "Was hat er gemacht?", fragte ich in die geschockte Runde, doch da Radio beantwortete meine Frage.

"Nachdem seine homosexuelle Affäre zu seinem Sekretär Kim Yongmin ans Licht gekommen ist, hat sich die Regierung dazu entschieden, das Volk nicht in Gefahr zu bringen, einen homosexuellen Präsidenten zu haben." ...was? Der Präsident ist schwul..? "Viele fragen sich berechtigterweise, warum hat er da getan? Aber Anzeichen, dass er nicht kompetent ist, gab es schon immer-"

"Sie haben recht", sagte meine Mutter, was das Radio übertönte. "Das so jemand überhaupt Präsident werden konnte..." "Ja, in was für einer Welt leben wir?", fragte sich mein Vater. "Und es hat drei Tage gebraucht, bis sie ihn abgeschafft haben? Wiederlich..."

Ich saß immer noch so da, wie vor ein paar Momenten, als ich herausgefunden habe, der Präsident ist schwul. Bewegen konnte ich mich scheinbar nicht und denken sowieso nicht. Das einzige, was mir so langsam klarwurde, ist, dass meine Eltern und wahrscheinlich ganz Korea mich niemals wirklich akzeptieren wird.
Erst als Yoongi mich anfasste, er legte seine Hand an meine Schulter, was ich aus der Starre gerissen. Dann achtete ich auf keinen mehr, sondern stand sofort auf und rannte barfuß aus dem Haus, bis zu meinem Baum mit der Schaukel, wo ich anfing zu weinen.

Warum? Warum muss das Leben so sein? Was gibt es denn für Unterschiede in Liebe zwischen Mann und Frau und Mann und Mann oder Frau und Frau? Solange man keinem damit wehtut, ist doch okay! Warum wird es nicht als Okay angesehen? Warum... warum?

Frustriert, traurig und wütend weinte ich laut. Meine Eltern werden mir hoffentlich nicht nachgerannt sein. Ich hoffe aber...

"Jiminie." Zum Glück.

"Warum?", schluchzte ich und sah hoch zu Yoongi. Ich wischte mir über mein Gesicht, um ihn klar zu erkennen und realisierte, er sieht auch etwas fertig aus, wohl den Tränen auch nicht weit weg.

"Ich weiß es nicht." Ich hielt ihm meine Hand hin, die er annahm. Dann setzte er sich vor mich auf den Boden und lächelte traurig. "Es wird alles gut, Jimin."

"Ich verstehe es einfach nicht", schluchzte ich. "Er hat doch keinem wehgetan? Bestimmt... bestimmt hätte er das Leben für-... für uns leichter gemacht, Schritt für Schritt." So, das ist nun das erste Mal, dass ich Yoongi wirklich klar sage, dass ich homosexuell bin. Aus irgendeinem Grund verunsicherte mich das, obwohl er selbst ja schwul ist.

Er lächelte nur weiter und legte eine Hand an meine Wange. "Es wird nicht immer so sein. Vielleicht dauert es noch, aber wir beide werden noch miterleben, wie sich die Gesellschaft ändert. Es wird okay. Die Zukunft wird okay." Natürlich reagiert Yoongi mal wieder besser, als ich es mir je vorstellen hätte können.

"Yoongi, ich-..." Das hier ist wirklich kein romantisches Setting. Meine Nase läuft bestimmt, ich sehe ihn nicht wirklich, da Tränen meine Augen füllen und wir haben gerade eine mehr als schlechte Nachricht aus dem Radio gehört. Er braucht jetzt nicht noch ein dummes Geständnis von mir. Ich bin nur ein dummer, fauler, klein geratener, hässlicher-

"Jimin", er ließ von meiner Hand ab, legte dafür aber diese Hand auch an mein Gesicht, an meine freie Wange. Dann wischte er mir sanft die Tränen mit seinen Daumen weg und sah mich ruhig, mit einem leichten Lächeln, an. "Ich liebe dich."

...huh?

---
Schon Kapitel 43. Wow, danke fürs Dabeisein und Sternchen und vor allem auch Kommentare 😭 Herzen gehen raus an euch

Ach ja, dramatisches Kapitel, ja, ja. Was natürlich keiner von euch machen wird, wenn ich es nicht sage, ist, die Namen des Präsidenten und seines Sekretärs zu googeln :P

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top