010. Hinter Efeubehangenen Mauern
𝓃ℴ 𝓊𝓃𝒶𝓊𝓉𝒽ℴ𝓇𝒾𝓈ℯ𝒹 𝓌𝒾𝓏𝒶𝓇𝒹𝓈 𝓅𝒶𝓈𝓉 𝓉𝒽𝒾𝓈 𝓅ℴ𝒾𝓃𝓉
Es war schon später Nachmittag, die Sonne tauchte den Abendhimmel in ein tiefes Rotgold, als der Hogwarts Express in den Bahnhof von Hogsmead einfuhr.
Weißer Dampf quoll aus der Lok hervor und verflüchtigte sich mit dem Herbstwind in der Kälte.
Ein langer, gellender Pfiff ertönte und der Zug kam endgültig zum Stehen.
Das aufregende Kribbeln, das schon die ganze Fahrt über gegen seinen Magen geschlagen hatte, breitete sich nun in seinem ganzen Körper aus, so dass es Remus schwer fiel, überhaupt aufzustehen.
Alle seine Sinne verschärften sich, als die anderen Schüler aufstanden, ihre Taschen aus den Gepäckablagen zogen und hinaus auf den Gang traten.
Vielleicht war das alles doch keine gute Idee gewesen?
Vielleicht sollte er wieder nach Hause fahren?
Vielleicht hatte sich Dumbledore geirrt und es war nicht sicher, einen Werwolf auf dem Schulgelände zu halten...
»Hey, kommst du?«, fragte das rothaarige Mädchen, das zusammen mit ihm und den anderen im Abteil gesessen hatte.
Ihre grünen Augen blitzten vor Aufregung.
Erwartungsvoll musterte sie Remus, wie er sich langsam aufrappelte.
»Ich bin total aufgeregt«, gestand sie und lächelte zaghaft.
Remus nickte. »Ich auch. Sehr sogar.«
Das Mädchen öffnete erneut den Mund, doch...
»Lily!«
Dem schwarzhaarigen Jungen war ihr Fehlen wohl aufgefallen, denn mit einem Blick über ihre Schulter und einem entschuldigenden Nicken, verabschiedete sich das Mädchen von Remus und eilte zu ihrem Freund, der ungeduldig auf sie wartete, während sich die restliche Schülerschar an ihm vorbei zu zwängen versuchte.
Sehr sogar.
Das war noch eine Untertreibung.
Remus konnte sein Herz beinahe aus seinem Brustkorb springen sehen, so nervös war er. Das Adrenalin, das durch seine Venen jagte, hätte jeden anderen vermutlich schon umgehauen.
Ihn nicht, ein nicht ganz so verachtenswerter Nebeneffekt seines... Zustandes.
Mit einem Seufzen kletterte Remus ungeschickt aus dem Zug auf den Bahnsteig.
Überall tummelten sich große Schülermassen, Mädchen und Jungen, die ihre alten Freunde begrüßten, sich umarmten oder schreiend aufeinander zuliefen.
Ein Mädchen aus Hufflepuff berichtete ihrer Freundesgruppe gerade in jeder Einzelheit, wie sie die Sommerferien über zum ersten Mal Wasser auf Muggel-Art hatte kochen müssen (»Das hat Ewigkeiten gedauert!«).
Zwei Siebtklässler aus Ravenclaw hingegen unterhielten sich lautstark über die Geschehnisse der letzten Wochen und Monate aus dem Tagespropheten.
»Eins der verschwundenen Kinder ist wieder aufgetaucht«, sagte der Erste. »Die Tochter eines Ministeriumarbeiters, aber die Familie hat eine Stellungnahme verweigert.«
»Sie wollen nicht erzählen, wo sie die ganze Zeit über gewesen ist? Was ist mit den anderen Kindern?«, fragte sein Freund bestürzt.
Die Antwort hörte Remus schon nicht mehr.
Eine sich nähernde Laterne erregte stattdessen seine Aufmerksamkeit, doch das wäre gar nicht nötig gewesen, denn spätestens der Mann, der sie fest umklammert hielt, zog alle Blicke der Erstklässler auf sich.
Er war doppelt so groß wie ein normaler Mann und mindestens dreimal so breit. Sein rundes Gesicht war von einem vollen schwarzen Rauschebart bedeckt und von dunklen, buschigen Haaren umrahmt.
Er steckte in einem dicken Pelzmantel und riesigen Stiefeln, die Remus vermutlich unter sich hätten begraben können.
»Erstklässler! Erstklässler zu mir!«, rief er.
Remus wusste natürlich, wer der Mann war.
Nicht umsonst hatte er jede kleinste Information über Hogwarts gesammelt und in sich aufgesogen, noch bevor Professor Dumbledore ihm überhaupt eröffnet hatte, dass Hogwarts ihn aufnehmen würde.
Natürlich hatte er dann auch etwas über den Wildhüter Hagrid gelesen, den Hüter der Schlüssel und Ländereien.
»Erstklässler zu mir!«
Auch Remus setzte sich nun in Bewegung und folgte dem Schein der Lampe, während die Sonne hinter den Hügeln endgültig verschwand und die Dunkelheit über sie hereinbrach.
»Fetzig!«, hörte er einen Jungen rufen.
»Genial!«, erwiderte ein anderer.
Hagrid marschierte los, die Laterne hoch erhoben, so dass sie ihnen allen den Weg leuchtete.
Die Traube aus Elfjährigen folgte dem Wildhüter stolpernd zu einem schmalen, steilen Pfad, der von Bäumen zu beiden Seiten versteckt abseits des Gleises lag.
Zusammen trotteten sie im Gänsemarsch durch die Dunkelheit, bis sie am Ende des Weges an das Ufer eines schwarzen Sees stießen.
Vor ihnen, auf der Spitze eines hohen Berges, erstreckte sich ein gewaltiges Schloss weit hinauf in die Höhe, aus dessen dunklen Mauern sich viele Türme mit blau schimmernden Dächern und Zinnen hervorhoben. Dabei war ein Turm größer als der andere, als versuchten sie sich nach den Sternen zu strecken, um den Mond vom Himmel zu holen.
Die nach oben hin abgerundeten Fenster reflektierten die funkelnden Lichter der rabenschwarzen Nacht, während sich die durch säulenartige Bogengänge verbundenen Gräben und mit Steinen gepflasterten Plätze unter langen, freiliegenden Brückenkonstrukten entlangstreckten.
»Genial!«, erklang es erneut.
»Wow!«, erwiderte ein anderer.
Im See reihten sich kleine Ruderboote aneinander, die mit jeder kleinen Welle gegen das Ufer dotzten. Ihre Schatten ließen das schwarz des Sees umso erdrückender, umso tiefer wirken, als wäre der Boden schon gar nicht mehr vorhanden, als würde das Wasser ins unendliche Nichts führen, wie ein Strudel in die Unterwelt.
»Nicht mehr als vier in einem Boot!«, rief Hagrid.
Remus ging den anderen langsam hinterher, er kannte noch niemanden und fühlte sich nicht wohl dabei, sich einfach zu fremden Schülern ins Boot zu setzen.
Vielleicht wollten diejenigen ihn auch gar nicht bei sich haben.
Er erkannte Lily, das Mädchen aus dem Zug, und ihren Freund Sonoros - oder so ähnlich - schon immer hatte sich Remus schwer getan, Namen zu lernen.
Er konnte zwar jedes geschichtliche Ereignis mit einem Datum versehen, doch wenn es darum ging, sich einen Namen zu merken, war er ein hoffnungsloser Fall.
»Setzt du dich zu uns?«, fragte Lily, als sie seinen Blick auffing.
Erleichterung durchströmte ihn bis in die Fingerspitzen. Remus nickte zaghaft und wollte gerade auf die beiden zutreten, als er beinahe von einem kupferfarbenem Wirbelwind über den Haufen gerannt worden wäre.
»Jamesie!«, rief der Wirbelwind und steuerte auf drei Jungen etwas abseits zu, wo sie von einem Jungen mit Brille und schwarzen, unruhigen Zotteln mit einem breiten Lächeln empfangen wurde.
Das Mädchen warf sich ihm regelrecht um den Hals und begann wie ein Wasserfall draufloszusprudeln, dass sie ihn die ganze Zugfahrt über gesucht hätte und wie furchtbar es sowieso gewesen war, dass sie nicht zusammen zu Gleis 9¾ hatten aufbrechen können.
»Wenn ich die Anwesenheit meiner Mutter noch eine Sekunde länger hätte aushalten müssen, hätten sie mich nach Azkaban stecken dürfen.«
Remus blinzelte mehrmals.
Als der Schaffner die Türen geschlossen hatte, wäre Remus beinahe wieder umgekehrt, nur um seiner Mutter zurück nach Hause zu folgen. Um sich erneut in ihre Arme zu schmiegen und ein letztes Mal den Duft von zuhause einzuatmen.
Die Vorstellung von seinen Eltern wegzuwollen, fühlte sich falsch an, doch der Junge lachte bloß, als wären diese Gedanken alltäglich.
Er bedachte seine Freundin mit dem Blick dieser tiefen Verbundenheit, der Remus einen Stich versetzte.
Remus hatte noch nie Freunde gehabt, die ihn so ansahen.
Den Schock, beinahe über den Haufen gerannt worden zu sein, schüttelte Remus ab und überquerte die letzten Meter zu Lily und Sonorus, der eindeutig weniger freundlich zu ihm hinauf stierte.
Dennoch dankbar setzte er sich zu den beiden ins Boot.
Nicht so recht ahnend, ob er nun dazu aufgefordert war, Konversation zu machen, knetete er seine Hände in seinem Schoß, den Blick auf das tintenschwarze Wasser gerichtet.
Hagrid sah sich um, ob auch alle in einem der Boote Platz genommen hatten, dann richtete er sein Augenmerk dem Schloss zu.
»VORWÄRTS!«
Die kleinen Boote setzten sich alle auf einmal in Bewegung und glitten ganz behutsam über den spiegelglatten See.
Remus beobachtete die anderen.
Während die meisten gebannt auf das Schloss vor ihnen starrten, schienen der Junge mit den unruhigen Haaren und einer seiner Freunde es sehr lustig zu finden, von einer auf die andere Seite der Barke zu schaukeln, um diese aus dem Gleichgewicht zu bringen, woraufhin die zwei anderen beinahe ins Wasser fielen.
Das Mädchen schimpfte, während der kleinste von ihnen sich bloß die Hände auf den Magen presste.
»Lasst den Unfug!«, bellte Hagrid, der ein ganzes Boot für sich allein beanspruchte.
Das Schloss und seine von Immergrün bewachsenen Mauern wurden immer größer und majestätischer, während sich die Flotte dem Berg näherte, auf dem es erbaut worden war.
»Köpfe runter!«
Sie alle duckten sich nach Hagrids Ruf, als die ersten Boote einen Vorhang aus Efeu erreichten, der bis hinunter ans Wasser hing. Die Pflanzen kitzelten Remus im Nacken, doch als sie es hindurch geschafft hatten, ragte unter dem Felsen eine Art Tunnel empor, wo der See in einem unterirdischen Hafen mündete.
Sie alle kletterten aus den Booten.
Remus war erleichtert wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ein Blick über die Menge verriet ihm, dass er nicht der einzige war, dem es so erging.
»Auf geht's!«, rief Hagrid.
Im Gänsemarsch stiefelte die Erstklässler-Traube dem Schein der Lampe hinterher und einen Felshang hinauf, vorbei an einem alten Bootshaus bis sie eine im düsteren Schatten des Schlosses liegende klamme Wiese erreichten. Von hier aus konnte Remus die peitschende Weide gut sehen, auch wenn sie mehrere hundert Meter entfernt stand.
Das war seine Chance. Seine Chance, einmal im Leben normal zu sein. Sogut es eben ging.
Die hohe Luftfeuchtigkeit fraß sich in Remus' ohnehin vom baldigen Vollmond überanstrengte Lunge und ließ ihn bloß schwer atmen. Schon völlig erschöpft von dem langen Marsch, kämpfte er sich die steile Steintreppe empor, ehe sie sich alle um ein riesiges Eichentor versammelten.
Hagrid hob seine monströse Pranke und schlug damit dreimal gegen das Schlosstor.
KLONK
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
KLONK
Er würde das hier durchstehen.
KLONK
Das war seine Chance auf ein normales Leben, seine einzige Chance.
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Die hohen Torflügel öffneten sich und eine großgewachsene Hexe in einem smaragdgrünen Umhang mit ebenholzfarbenem Haar trat zu ihnen hinaus in die Dunkelheit.
Remus senkte automatisch den Kopf und zog bei ihrem Anblick die Schultern ein, aus Angst, schon am ersten Abend gerügt zu werden.
»Professor McGonagall«, begrüßte Hagrid sie freundlich. »Guten Abend.«
»Guten Abend, Hagrid«, ihr schottischer Akzent war deutlich zu erkennen, »Ich nehme sie dir hier ab.«
Sie deutete auf die Schüler und verabschiedete den Wildhüter mit einem Nicken. Dieser winkte den Erstklässlern noch einmal mit seiner großen Pranke zu und verschwand dann im Inneren des Schlosses, um vermutlich ebenfalls zum Festessen zu gehen.
Professor McGonagall ließ einen prüfenden Blick über die Anwesenden gleiten, doch schien schließlich zufrieden und führte die Schüler hinein, hinein in ihr neues zu Hause.
Remus stockte der Atem, als er die Architektur der Eingangshalle erblickte.
Sein Familienhaus hätte hier vermutlich drei Mal mehr Platz gefunden, als nötig gewesen wäre.
Gegenüber des Eingangportals führte eine riesige Steintreppe hinauf in eine Art Korridorsystem aus Gängen, Treppen und angrenzenden Klassenzimmern.
Die steinernen Wände schmückten flackernde Fackeln, deren Lichtkegel die Decke nicht erreichen konnten, so dass es den Anschein erweckte, die Halle würde hinauf ins Nichts führen.
Mehrere quadratische Säulen aus Holzintarsien schmückten das Entrée und säumten vier große Stundengläser, die sonst gefüllt mit Smaragden, Rubinen, Saphiren und Topazen den jeweiligen Punktestand der vier Häuser repräsentierten.
So viel Remus auch über Hogwarts gelesen hatte, es schließlich mit eigenen Augen zu sehen, hatte einfach etwas... Magisches.
Während er sich dem berauschenden Anblick der Halle und den vielen neuen Eindrücken widmete, schienen die Gedanken des Jungen neben ihm etwas ganz anderes zu umkreisen.
Sonorus hielt Lilys Hand und das war offenbar alles, was für ihn in diesem Moment von Bedeutung war.
Obwohl sie Professor McGonagall durch die Eingangshalle hinterhereilten, um gleich in ihre Häuser eingeteilt zu werden, einem Ereignis, dem jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin seit Jahren entgegengefiebert hatte, schien die ganze Anspannung in seinem Körper verpufft zu sein, als Lily vor lauter Aufregung nach seiner kaltschweißigen Hand gegriffen und ihre Finger miteinander verschränkt hatte.
Weder die Ansprache der Lehrerin über die vier Häuser und das Punktesystem, geschweige denn die Albernheiten der beiden Jungen in der letzten Reihe zogen seine Aufmerksamkeit auf sich.
Stattdessen betrachtete er grinsend seine und Lilys Finger, als würde die Wärme, die von ihnen ausging, bunte Rauchwolken aussenden.
»Sev, ich bin so nervös«, murmelte Lily und wippte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
Es war das erste Mal seit einer langen Weile, dass Sonorus den Blick wieder hob und bemerkte, dass McGonagall weit und breit nicht mehr zu sehen war.
An ihrer statt ertönte das Geschnatter der anderen.
»Ich hätte nicht so viel essen sollen! Mir ist schlecht!«, rief einer der Schüler.
»Ich hab es dir gesagt, Sirius«, erwiderte der bebrillte Junge mit den unruhigen, schwarzen Haaren.
»Du hast das Boot zum Schunkeln gebracht!«
»Das waren wir beide!«
Remus verkniff sich den Anflug eines Lächelns.
»Sev?«, sagte Lily erneut und schließlich blickte er ihr in die smaragdgrünen Augen.
»Hm?«, machte er ahnungslos, schnell realisierte er jedoch, dass sie mit ihm gesprochen hatte und ergänzte, »Oh, ja, total.«
Lily lachte leise und schüttelte belustigt den Kopf.
Verlegen zog ihr Freund den Kopf zwischen die Schultern, die schwarzen Haare, fielen ihm ihn fettigen Strähnen vor die Augen.
»Ich hab auch Angst«, setzte er nach, strich sich die Haare zurück und drückte ihre Hand, gerade in dem Moment, als Professor McGonagall wieder durch eine riesige Doppeltür getreten kam und die Erstklässler mit einem »Es ist nun soweit, folgen Sie mir« in Bewegung brachte.
Im Gänsemarsch trotteten die Schüler der stellvertretenden Schulleiterin hinterher in die große Halle, doch dieser Name hätte nicht unzureichender sein können.
Die Halle war wunderbar, majestätisch und gigantisch zugleich, einer jener Orte, an die man sich nur in Träumen wagte, ein Ort, wo alles wahr wurde, auch die illusionärsten Vorstellungen und Wünsche.
Tausende und Abertausende Kerzen schwebten in der Luft über vier langen Tischen aus dunklem Holz, geschmückt mit spitzenverzierten Tüchern und goldenem Geschirr, die beinahe die gesamte Halle ausfüllten und an denen die anderen Schüler saßen und die Erstklässler mit aufmerksamen Blicken beobachteten.
Doch so beeindruckend die Halle am Boden auch sein mochte, war das nichts im Vergleich zu der prunkvollen Decke, die sich direkt dem Nachthimmel zu öffnen schien.
Remus blickte hinauf und alles was er sehen konnte, war eine sternenklare Nacht mit leichten Rauchschwaden, die er als Überbleibsel der hauchzarten Wolken identifizierte, doch besonders der fast volle Mond, ließ seine Nackenhaare kribbeln.
Er fühlte sich unangenehm beobachtet, der Mond schien wie ein Riese dort oben zu thronen, ein König, der ihn, seinen Diener, verurteilte und verspottete, gar zu entblößen versuchte.
Am anderen Ende der Halle stand ihnen längs ein weiterer Tisch gegenüber, an dem die Lehrer und Professor Dumbledore, der Schulleiter, höchstpersönlich saßen.
Vor eben diesen führte Professor McGonagall die Erstklässler und ließ sie sich in einer geraden Reihe aufstellen.
Sie platzierte an ihrer Spitze einen Dreibeiner und auf diesem einen alten, zerschlissenen Spitzhut, der, nach den vielen Flicken zu urteilen, wohl schon deutlich bessere Zeiten gesehen hatte und, nachdem er in Position gebracht worden war, erzitterte, worauf sich nahe der Krempe ein Riss auftat, der einem zahnlosen, schiefen Grinsen ähnelte.
Die Schüler verstummten und der Hut begann zu singen:
Es war einmal vor geraumer Zeit,
Da nähte mich ein Schneider für die Ewigkeit,
Bevor ich dann kam nach Hogwarts zuvor,
Gehörte ich noch Godric Gryffindor,
Nun höret gespannt,
Welches Haus euch verlangt,
In Hufflepuff herrscht die Freundlichkeit,
Gerecht und loyal und hilfsbereit,
Doch denkt immer dran, euch hinzugeben,
Ist nicht unbedingt stets das beste Bestreben,
Uneingeschränkte Treue ist ein zweischneid'ges Schwert,
Verschenkt euer Herz nur an die, die sind's wert,
Rowena Ravenclaw die wusste immer,
Wissen ohne Weisheit bringt euch bloß Kummer,
Rätsel und Bücher sind euer höchstes Gut,
Wie Rodins 'der Denker' seid ihr resolut,
Und auch wenn die Wahrheit oft schwer zu erkennen,
Lassen Scharfsinn und Intelligenz euch den Irrgarten niederbrennen,
Gerissen und charmant war der Salazar,
Tückisch und Entschlossen, Slytherin ein Anführer ganz und gar,
Das Erbe gebaut auf Reinheit, Freundschaft und Tradition,
Das Streben nach Macht, eine Intention,
Wer unverfroren, listig und dem Ehrgeiz verfiel,
Der bricht keine Regel, er ändert das Spiel,
Mein alter Meister, der wusste es wohl,
Mut und Tapferkeit machten ihn zum Idol,
Und auch wenn ein Ritter nicht ohne Angst lebt,
Ist es nicht die Furcht, nach der er strebt,
Habt ihr Nerven aus Stahl, seid ehrlich und kühn,
Müsst euch gar nicht groß mühen, denn hier gehört ihr hin,
Meine Worte trotz wahr,
Seid füreinander da,
Denn wisset ihr wohl,
in Zeiten wie diesen,
Liegt uns're Zukunft obwohl
Ungewiss, auf euren Schultern,
Das ist bewiesen,
Nun setzet mich auf,
Ich sag's euch genau,
Denn für einen Hut bin ich ziemlich schlau.
Der Hut verstummte, verneigte sich vor allen vier Tischen, erzitterte erneut, ehe er reglos auf dem Dreibeiner verharrte und die Halle brach in Beifall aus.
Remus sah gebannt zwischen dem alten Hut und Professor Dumbledore hin und her, doch als der Schulleiter ihm mit seinem goldenen Kelch zuprostete, wandte sich der Braunhaarige wieder beschämt der Professorin zu, die gerade eine große Pergamentrolle aus ihrem Mantel hervorgeholt hatte und die Stimme erhob:
»Ich lese Ihre Namen nun in alphabetischer Reihenfolge vor, Sie treten einzeln nach vorne und setzen sich auf den Stuhl. Der sprechende Hut wird Sie dann in ihre Häuser einteilen.«
Sie entrollte das Pergament.
»Avery, Drystan!«
Und die Zuteilung begann...
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010. Hinter Efeubehangenen Mauern
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