Chapter 98

(Bild: Malfoy Manor)

Alexander Malfoy P.o.V.:

"Du bist zurück!", Vater kommt mit großen Schritten auf mich zu und reicht mir mit einer großen Geste die Hand.
"Hast du deine Mutter schon gesprochen?", mit mahnendem Blick sieht er mich an. Sein Händedruck wird fester.
Und ich weiß, wenn ich jetzt Nein sagen würde, wäre mir der Cruciatus-Fluch sicher.
"Ja, Vater, wir haben zusammen zu Abend gegessen." Dass sie mir alle ihren baldigen Tod vorenthalten haben, erwähne ich nicht.
Vater nickt und lässt meine Hand fallen wie eine Phiole voller hochtoxischem Gift.

Lucius, der hinter ihm den Salon betreten hatte, in dem ich mit einem der Reinblutbücher vor dem Kamin saß, bedenkt mich nur mit einem kühlen Blick. Erst als sein Blick auf das Buch in meiner Hand fällt, wird sein Blick freundlicher. Oder weniger feindselig jedenfalls.
Lucius hat es schon im Kindesalter gehasst, wenn Vater sich auch nur mit mir unterhalten hat. Eifersucht war immer sein größtes Problem.
Mein Blick fällt auf Lucius' Umhang, an dessen Säumen Straßenstaub den dunklen Stuff aufhellt. Er sieht allgemein etwas mitgenommen aus. Als wäre er gerade in seinem schweren Reiseumhang eine Meile gerannt. Vater dagegen sieht nur missgelaunt aus, wie nach einem beinahe erfolgreichem Geschäft, das erst im letzten Moment geplatzt war.

"Wieso bist du noch immer in diesen geschmacklosen Schulumhang gekleidet, Junge? Du hast bessere Kleidung als das.", seine scharrende Stimme prallt an mir ab wie ein stumpfer Pfeil an einer massiven Mauer. Vater mochte Hogwarts noch nie besonders. Zu geringe Ansprüche an ihre Schüler, zu lasche Regeln, zu viele Muggelstämmige. Auch Lucius, sein ewiger Spiegel, blickt jetzt unmutig auf die beiden Abzeichen auf meiner Brust. Bei ihm ist es allerdings eher kalte Wut und Eifersucht. Er war nie Kapitän des Qudditchteams und obwohl er Vertrauensschüler war, hat er es nicht zum Schulsprecher geschafft.

Lucius kommt einige Schritte auf mich zu und baut sich vor mir auf.
"Du hast verloren, Kapitän.", spuckt er spöttisch aus. "Wie kannst du es nur wagen, dieses Abzeichen zu tragen!"
Lucius greift nach meinem Kapitänsabzeichen und reißt es kurzerhand von meinem Umhang. Der Stoff reißt und ein Loch bleibt auf meiner Brust zurück. Die kurzen Fäden wiegen einen Moment, dann hängen sie lasch herab.
Immerhin habe ich jetzt eine Ausrede, in die Winkelgasse zu müssen. Schon eine Stunde weniger in diesem Haus ist ein mit Geld unersetzbares Geschenk.

Mein Bruder steckt das Abzeichen ein und schubst mich im nächsten Moment nach hinten. Ich versuche, mich so elegant wie möglich wieder zu fangen und meinen Blick hochmütig werden zu lassen. Da ich das jeden Tag in Hogwarts gezwungenermaßen übe, fällt mir das zweite nicht schwer.
Ich darf mich nicht wehren, aber nichts tun ist auch falsch. Die Fassung bewahren ist das einzige, was in solchen Situationen weiterhilft.

"Ich war sehr betrübt, von Horace zu hören, dass du die Gryffindors", dieses Wort spuckt Vater aus, als wäre es das schrecklichste Schimpfwort, das er kennt, "den Sieg überlassen hast.", mit gefährlich leiser Stimme taxiert er mich. Er steht vor dem Kamin, etwa drei Meter entfernt, eine Hand elegant gegen den im Augenblick kalten Stein gestemmt. Er kommt mir vor wie ein Raubtier, jeden Moment bereit, seine Beute zu Fall zu bringen.
Ich sehe seine Hand in seinen Umhang greifen. Lucius tritt zurück, seine Augen leuchten schadenfroh. Wir wissen alle, was jetzt passiert.

Sämtliche Okklumentiklektionen meines Vaters ziehen vor meinem inneren Auge vorbei. Wie ich es, seit ich Selena in meinen Gedanken und Erinnerungen trage, jeden Abend vor dem zu Bett gehen geübt habe, schließe ich alle Emotionen aus. Vater darf nichts von meinen Gefühlen sehen können. Und die Bilder, die er zu Gesicht bekommt, die muss ich lenken können.
Er und Lucius wissen nicht, wie gut ich darin geworden bin, meine wahren Gefühle und Erinnerungen so abzuschirmen, dass sie für sie nicht verdächtig wirken. Seit Monaten bereite ich mich auf diesen Augenblick vor. Den Augenblick des Misstrauens, der spätestens seit meiner emotionsgesteuerten Aktion auf dem Quidditchfeld unweigerlich auf mich zukam.

"Er hat mir auch von dem äußerst seltsamen Geschehen mitgeteilt, das sich auf dem Quidditchfeld zwischen dir und Selena Cedrella Black zugetan hat.", fährt Vater fort. "Oder sollte ich Selena Potter sagen?"
Mein Kopf leert sich und ich bereite eine Abfolge an Erinnerungen vor, die ich ihm zeigen kann.
Jetzt richtet Vater den Stab auf mein Gesicht. "Wenn es dich nicht stört, Junge, würde ich gerne mit eigenen Augen sehen, ob du ein Verräter oder ein Held bist. Legilimens"

Ich sehe das Quidditchfeld vor mir; im nächsten Moment sitze ich auf meinem Besen und drehe mich in der Luft. Selena klammert sich mit Mühe an ihrem Donnervogel fest. Kurz davor, abzurutschen. Im nächsten Bild grinse ich - nur weiß Vater nicht, dass das nach meinem ersten Torwurf war. Ich greife nach Selenas Arm und spreche mit Verachtung "Blutsverräterin" aus. Selenas Augen weiten sich erschrocken. Als nächstes landet sie ohne die geringste Verletzung auf dem Rasen - und ich stoße ein Knurren aus, wie als hätte ich gerade den Quaffel an das gegnerische Team verloren.

Ich erwarte, dass Vater jetzt aufhört, zufriedengestellt, möglicherweise sogar stolz, doch er ruft stattdessen mehrere Erinnerungen an die Rumtreiber ab.

Sirius Black betrachtet mich mit unverhohlenem Hass.
James Potter spottet über meine Familie und ich begegne ihm mit dem gleichen Spott.
Remus Lupin blickt abfällig, ist kurz davor, mich bei der Statue vor der Großen Halle zu schlagen.
Peter Pettigrew hebt unter seiner Schulbank unauffällig den Zauberstab und verpasst Mulciber den Flederwicht-Fluch. Selena Black starrt mich in unserem vierten Jahr durch die Große Halle hinweg zutiefst hasserfüllt an.

Meine Glieder werden schwerer und es wird immer schwieriger, mich zu konzentrieren. Zu sehr lastet eine Erinnerung auf mir, die ich nicht so einfach weglassen kann. Wenn sie entdeckt wird, muss Selena ins Gefängnis. Oder schlimmer: Zurück zu den Blacks, ihren gesetzlichen Eltern.

Ich spüre wie meine Muskeln nachlassen, als Vater immer weiter auf die imaginäre Mauer zugeht, hinter der sich Selenas Animagus-Verwandlung versteckt. Ich habe sie zu sehr verborgen. Diese Erinnerung zu wichtig werden lassen.
In der Okklumentig geht es nicht darum, etwas zu verbergen und zu unterdrücken, sondern darum, die Gedanken und Erinnerungen so zu lenken und einzuordnen wie es einem selbst passt. Den Gegner zu täuschen, in dem man etwas als Wichtig einordnet, das eigentlich nur eine aus dem Zusammenhang herausgerissene Unwichtigkeit ist. Und die interessanten, verrätterischen Geheimnisse zu offensichtlich darin einbettet.
Aber das funktioniert nur, wenn man die Priorität richtig ordnet. Und seit ich Selenas Verwandlung gesehen hatte, wusste ich, dass ich etwas, was sie ernsthaft in Schwierigkeiten bringen könnte, nicht einfach als Nichtigkeit ablegen kann. Hier geht es nicht um eine Zigarette mit Sirius Black, hier geht es um ihre Freiheit.

Einen Augenblick lang steht dort nur Selena - seltsam weit entfernt - dann verändert sich ihre Gestalt und sie verwandelt sich in ihre Animagusform. Der schwarze Hund mit der weißen Blesse auf der Stirn sieht zu mir herauf. Nur diesmal bin ich viel näher. Mein Abwehrmechanismus lässt eine Art Nebel um ihre Gestalt herum aufwabern.

Vater senkt den Zauberstab und ich sinke auf die Knie. Den Kopf gesenkt, nicht sicher, was gleich passieren wird. Mein Magen scheint umgedreht worden zu sein, mein Kopf zehnmal gegen die nächste Wand geschlagen. Und mein Herz, um das liegt eine felsenfeste Kralle.
Einige Sekunden lang herrscht vollkommene Stille. Totenstille.
Der Smaragd in meiner Tasche wird immer schwerer.
Wenn Vater ihn auch noch entdeckt, bin ich geliefert. Er hat mich immer ermahnt, ihn nicht von diesem Anwesen zu entfernen. Der Smargd gehört den Malfoys. Wenn er ihn sieht, wird er mich verdächtigen, etwas damit vorzuhaben. Zuallererst, ihn zu verkaufen.
Ich habe mit allem gerechnet. Mit einem von den Wänden hallenden Crucio, einen Tritt in meinen ungeschützten Unterbauch; mit allem. Aber nicht mit einem von den Wänden widerhallenden Lachen. Vater lacht nie. Niemals.

Eine Idee bildet sich in meinem Kopf. Nur so viel ist sicher: Wenn die nicht funktioniert, dann bin ich tot. Wenn sie funktioniert, dann nur, wegen der Arroganz meines Vaters
Ich atme flach ein, sauge so viel Sauerstoff in meine Lunge wie ich ohne aufzufallen kann. Dann verziehe ich meine Mundwinkel zu einem boshaften Grinsen. Und ich sehe voller Ehrfurcht in das Gesicht meines Vaters.
"Wie hast du das gemacht? Wie konntest du...? Ich wusste nicht, dass ich das gesehen habe!"
Vater, der den Kopf in den Nacken gelegt hat, beruhigt sich bei meinen Worten schlagartig. Sein Blick wird noch eisiger als Lucius'.
"Ich musste ja auch ein ganzes Stück Talent einsetzen, um die Barriere zu durchbrechen, die nur ein Gedächtniszauberso stark aufbauen kann! Du elender, nutzloser Bengel! Du hast deine Erinnerungen von Blutsverrätern und Schlammblütern manipulieren lassen!"

Der Cruciatus-Fluch trifft mich unvorbereitet, weswegen ich nicht in der Lage bin, meine Muskeln davor zu entspannen. Jetzt zucken sie schmerzhaft, spannen sich bis zum Zerreißen an, während ich mich fühle, als würde ich tausend Tode sterben. Messer durchbohren meine Organe, lassen meinen zerschnittenen Körper nutzlos zurück.

Als ich meine Augen öffne, liege ich auf dem Boden. Schwer atmend stemme ich mich auf die Beine. Je schneller ich stehe, desto weniger Respekt verliert Vater vor mir. Und desto weniger glaubt er, mich erziehen zu müssen.

Vater steht nicht mehr an dem Platz, an dem er eben noch war. Er geht gerade aus der Tür, ohne einen Blick zurück.
"Was macht er?", frage ich Lucius ohne ihn anzusehen. Angst vertreibt den Schmerz aus meinen Zellen.
"Die Blutsverräterin vor Gericht zerren, natürlich.", meint er gleichgültig. "Ein Brief und sie sitzt eine zehnjährige Strafe ab; wenn sie Glück hat!"

Lucius Stimme kommt näher. Langsam drehe ich mich in seine Richtung, so aufrecht wie möglich, wenn ich doch eigentlich aus dem Haus rennen will, um Selena an der Hand zu fassen und sie außer Landes zu bringen.

"Erst verlierst du deine Ehre beim Quidditch. Und dann lässt du dir von einer kleinen Blutsverräterin einen Gedächtniszauber auferlegen?" Lucius verzieht angeekelt seine Mundwinkel. "Dein Versagen widert mich an!" Und er spuckt mir ins Gesicht.
Sein Speicheln läuft über meine Wange, andere kleine Tropfen benetzen meine Haut wie ein Netz, das sich immer enger zu ziehen scheint.
Ich öffne die Augen, die ich automatisch zusammengekniffen habe, und sehe meinem großen Bruder ins Gesicht. Inzwischen sind wir gleich groß, er ist sogar schmächtiger. Wobei mager es auch gut treffen würde.
Wie gerne ich ihm sagen würde, dass mich seine bloße Existenz anwidert. Sein blinder Gehorsam, seine Arschkriecherei.
Doch an diesem Punkt bin ich noch nicht.
Das geht erst, wenn sämtliche Vorkehrungen getroffen sind.
Erst, wenn ich genug Informationen habe und ich sie tief genug mit mir in den Abgrund reißen kann.

"Ich werde mich bessern, Lucius. Ich verspreche es!", ich klinge wie ein kleiner Bruder, der nach Anerkennung jammert. Und genau so soll ich klingen.
Lucius schnaubt abfällig. "Da hast du noch eine Menge vor!" Mit diesen Worten dreht er sich um und verlässt den Salon ohne einen weiteren Blick auf mich zu verschwenden.
Gut so. Sonst hätte er vielleicht gesehen, dass ich mich schon abgewendet habe, um durch den nächsten Dienstbotendurchgang in den ersten Stock zu gelangen. Ich muss Selena warnen, meine Eule sofort zu ihr schicken.

Aber das würde zu spät ankommen. Außerdem habe ich keine Ahnung, wo sie ist. Und unsere Armbänder sind zu klein, um ihr wirklich brauchbare Informationen sofort zu übermitteln.
Ich nehme immer zwei Stufen auf einmal auf der schmalen Wendeltreppe, die zwischen den Wänden des Salones und des Ballsaales versteckt liegt. Ich muss vor meinem Vater dem Ministerium schreiben, das ist die einzige Möglichkeit, Selena zu schützen.

***************************************

(Bildquelle: https://data.whicdn.com/images/310901884/original.jpg)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top