Chapter 78
(Bild: Professor Minerva McGonagall)
Minerva McGonagall P.o.V.:
"Wenn Sie noch Fragen zu den Hausaufgaben haben, dann melden Sie sich bitte jetzt.", forderte sie ihre sechste Klasse auf. Neben Charlotte Smith, einer blonden Ravenclaw, hob noch ein Schüler die Hand. Da sie von Sirius Black allerdings keine ernstzunehmende Frage erwartete, rief sie als erstes Charlotte auf. "Ja?" "Müssen wir den Aufsatz bis Übermorgen oder nächste Woche schreiben?"
"Übermorgen reicht vollkmmen, Miss Smith. Nun Sie, Mister Black." Sie warf dem Jungen einen strengen Blick zu, in der Hoffnung, ihn so zu einer belangreichen Frage zu bewegen, doch Sirius Black war nicht dafür bekannt, sich von Blicken oder auch Worten einschüchtern zu lassen. "Wenn ein großer schwarzer Hund und ein fast ausgewachsener Hirsch gegeneinader kämpfen, wer gewinnt?", sagte er mit einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass es sie beinahe sprachlos gemacht hätte. Aber eben nur beinahe.
"Ich verstehe nicht, inwiefern die Fellfarbe des Hundes eine Rolle spielt.", erwiderte sie mit ihrer besten ungerührten Lehrerstimme. "Fünf Punkte Abzug für Ihre unterrichtsirrelevante Frage, Mister Black. Und fünf Punkte für Mister Lupin." Remus Lupin, der, nachdem er sich zusammen mit seinem Banknachbar James Potter über Mister Blacks Frage amüsiert hatte, nachdenklich aus dem Fenster gestarrt hatte, sah erstaunt auf. "Wofür, Professor?", fragte er völlig verdutzt.
Sie lächelte schmal. "Dafür, dass Sie es tagtäglich mit Mister Black aushalten. Die Stunde ist aus, Sie dürfen gehen." Sobald sie sich sicher war, dass Remus nicht länger über Mondphasen und Vollmonde nachdachte, sondern ein erheitertes Lächeln auf den Lippen trug, wandte sie sich ab, um sich ans Lehrerpult zu setzten. Die nächste Klasse hatte sie erst am Nachmittag und bevor sie den Klassenraum verließ, wollte sie noch den Schreibtisch leerräumen. Die letzte Doppelstunde war wie immer die anstrengendste der ganzen Woche, sie war kaum dazu gekommen, auch nur ihr Tintenfass zuzuschrauben.
Gerade als sie ihre Feder neben das Tintenfass in die oberste Schreibtischschublade legte, ließ sie ein Räuspern aufblicken. Mister Black hatte sich nicht von der Stelle gerührt, er saß noch immer auf seinem Stuhl, auch wenn seine Schulsachen zusammengeräumt waren. "Möchten Sie etwas mit mir besprechen, Mister Black?" Sie hatte schon lange erkannt, dass jeder der Rumtreiber einen meterdicken Schutzpanzer um sich herum aufgebaut hatte und dass - wenn man es nur sehen wollte - man sehr wohl erkennen konnte, wie verletzlich sie allesamt im Inneren waren. Besonders Sirius war im Kern einer der sensiebelsten Schüler, den sie je unterrichtet hatte.
Aufmerksam musterte sie den Jungen. Er schaute mit unleserlicher Mine zurück. Womöglich wollte er reden. Über seine Familie, seine Eltern, sein neues Zuhause. "Professor?", fragte er mit ernster Stimme. "Ja?", sagte sie mit einem zum Weitersprechen auffordernden Nicken. "James hat mich am Stuhl festgeklebt. Ich kann nicht aufstehen."
Fast hätte sie gelacht. Mir hätte klar sein müssen, dass es wieder einmal nur um ihre Streiche geht, dachte sie, während sie aufstand und neben den schwarzhaarigen Jungen trat. Er war einer der intelligentesten und talentiertesten Schüler ihrer Lehrerlaufbahn, es wunderte sie, dass er sich nicht selbst befreien konnte. Doch als sie bei ihm ankam, sah sie, dass auch seine Handflächen sich nicht von der Tischplatte lösen ließen.
"Sehr nette Freunde haben Sie da.", sagte sie leise. Sirius grinste. "James konnte nur seine Niederlage bei unserem imaginären Kampf nicht ertragen. Aber Remus ist wirklich nett, er hat meine Sachen zusammengeräumt bevor er gegangen ist." Sie runzelte die Stirn, fragte aber nicht weiter nach. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie gar nicht mehr wissen wollte. Mit einem Schwinger ihres Zauberstabes löste sich der Klebefluch und Sirius stand erleichtert auf. Er drehte seine Handgelenke und griff nach seiner Schultasche. "Danke, Professor. Und noch einen entzückenden Tag."
Doch anstatt im Klassenzimmer zu bleiben, ging sie vor ihrem Schüler zur Tür und öffnete diese. "Ich begleite Sie zu ihrer nächsten Stunde. Na los, sputen Sie sich, sie wollen doch sicher nicht den Anfang versäumen." Sirius ging lässigen Schrittes an ihr vorbei. "Wie könnte ich das wollen?", fragte er sich dramatisch ans Herz fassend. Sie schloss die Tür und entdeckte erst da Remus Lupin, der ein Buch in der Hand neben der Klassenzimmertür gelehnt hatte.
Sobald er seinen Freund entdeckte, stieß er sich an der Wand ab und klappte sein Buch mit dem Zeigefinger zwischen den Seiten zu. Ihr fiel auf, dass er knallrote Socken trug. Sie lugten gerade so unter seinem Hosenbein hervor. Den meisten fielen sie wahrscheinlich nicht auf, aber sie bewunderte den Gryffindor unwillkürlich für seinen Stil.
Ihr waren schon öfter kleine, aber klare Zeichen von Rebellion an dem sonst so stillen Schüler aufgefallen. Für ein halbes Jahr trug er einen einzelnen goldenen Ohrring, meistens unter seinem Haar versteckt, und im nächsten halben Jahr Schuhe, die genaugenommen nicht zur Schuluniform passten. Jetzt waren es also Socken. Sie nahm sich vor in der nächsten Stunde am Mittwoch zu schauen, ob er dort kanariengelbe trug.
"Um ehrlich zu sein, bin ich kaum noch überrascht über Ihre kleinen Albernheiten. Vielleicht sollten Sie in Betracht ziehen, erwachsen zu werden.", meinte sie, während sie neben den beiden Rumtreibern herging. Soweit sie sich erinnern konnte, mussten die Gryffindor-Sechstklässler jetzt zu Zauberkunst bei Filius. Sie erwartete nicht, dass ihre Worte Gehör fanden. Im Herzen wusste sie nämlich genau, dass die Jungs diese ganzen Missetaten nur deshalb begingen, weil sie längst viel zu erwachsen waren.
"Das ist nicht lustig, Professor. Sagen Sie gerade wirklich, dass sie unsere Streiche langweilig finden?", Sirius klang so aufrichtig entsetzt, dass sie ihn mit einem ihrer forschenden Blicke bedachte. Zeitgleich entging ihr nicht, dass er ihren zweiten Satz geflissentlich überhört hatte. "Fühlen sie sich davon nicht herausgefordert, Mister Black."
"Und ob ich mich herausgefordert fühle! Am Mittwoch ist der erste April, sie werden schon sehen, wie langweilig wir sind!" Fast hätte sie geseufzt. Der erste April, der schlimmste Tag eines Lehrers. Vor allem seit die Rumtreiber in Hogwarts ihr Unwesen trieben, wünschte sie sich am Morgen jedes Jahres, einfach im Bett bleiben zu können, die Decke übers Gesicht gezogen und nichts davon mitbekommend, was außerhalb ihres kleinen Apartments im dritten Stockwerk geschah.
"Sie könnten den ersten April auch mit einem ausführlichem Spaziergang um den Großen See verbringen. Das Sonnenlicht genießen, die wärmenden Strahlen auf der Haut. Was gibt es Schöneres?", fragte sie, sich bewusst, dass ihr Versuch ein äußerst schwacher war. "Was soll ich mit Sonnenlicht? Ich kann keine Fotosynthese!", murrte Sirius. Er wirkte noch immer beleidigt von ihrer Bemerkung gerade eben.
Sie waren beim Zauberkunstklassenzimmer angekommen. Die Tür war schon geschlossen, doch bevor sie wie es sich gehörte höflich anklopfen konnte, öffnete Sirius sie schwungvoll. Filius hohe Stimme verstummte so schnell, dass sie nicht einmal das Wort verstand, das er gerade auf den Lippen hatte. "Entschuldigen Sie, ich bringe Ihnen noch zwei Nachzügler, Filius." Sie machte eine auffordernde Handgeste und Remus und Sirius huschten in den Raum. Sie schloss die Tür und sah als letztes, wie James Potter bei Peter Pettigrew einklatschte.
Ihre Gedanken kreisten um den Stillsten der Rumtreiber, während sie zu ihren Privaträumen ging. Sie sollte Peter erneut zu mehr Selbstständigkeit und Selbstvertrauen ermutigen. Er mochte ihre Worte im ersten Moment als harsch empfinden, doch er sollte sich mehr aus dem Schatten von Potter und Black trauen. Es würde ihm gut tun. Er war vielleicht nicht der begabteste Zauberer, aber sie hatte ihn in ihren Stunden schon einige richtige Kunstwerke mit einer einzigen Feder malen sehen. Er war ein Künstler, der mit mehr Eigeninitiative eine Menge schaffen könnte.
Den restlichen Tag verbannte sie alle Gedanken an die Rumtreiber aus ihren Gedanken. Erst als sie abends durch die Gänge patrouillierte kamen sie ihr wieder in den Sinn. Sie war gerade aus den Kerkern in die Eingangshalle getreten, als sie ein leises Flüstern auf der anderen Seite der Marmortreppe hörte. Sie eilte durch die Eingangshalle, um zu sehen, ob es Schüler waren, die während der Nachtruhe im Schloss herumschlichen, doch gute zehn Schritte weiter, konnte sie nur einen großen schwarzen Hund und einen Hirsch mit einem beträchtlichen Geweih entdecken, die sie erschrocken anstarrten. Sie starrte zurück. Wie als wäre sie mehrere Korridore entfernt, hörte sie das Quieken einer Ratte.
Sie erinnerte sich an die Worte von Sirius Black ein paar Stunden zuvor. Ob die Tiere, die er bei seiner Frage wählte, Zufall waren? Oder wusste er von diesen beiden Tieren? Hatte er sie womöglich sogar eigenhändig ins Schloss gelassen? Gemächlich und mit vorsichtigen Schritten ging sie zur Seite. Die Tiere gingen ihr Gegenüber in die entgegengesetzte Richtung.
Sie waren Meter entfernt, doch sie spürte, wie ihr mit jeder Sekunde, die der schwarze Hund in ihrer Nähe war, übler wurde. Seit ihrer Verwandlung zum Animagus konnte sie Hunde nicht mehr ausstehen. Sie wurde regelrecht krank, wenn sie zu lange in ihrer Gegenwart war. Nicht, dass sie sie vor ihrer Verwandlung besonders mochte, sie war schon immer mehr der Katzen-Mensch.
Sie gingen im Kreis, sich die ganze Zeit anstarrend, bis sie die Plätze getauscht hatten. Dann hob sie den Zauberstab und richtete ihn auf die Eingangstür zu ihrer rechten. Die Doppeltür öffnete sich mit einem Knarzen. Sie glaubte, ein unterdrücktes Schnauben hinter sich zu hören, doch sie wusste sicher, dass hinter ihr keiner war, und so drehte sie nicht den Kopf, um noch einmal nachzusehen.
Stattdessen schaute sie die Tiere an, die beide zur Eingangstür sahen. Synchron drehten sie den Kopf wieder in ihre Richtung. Sie legte den Kopf leicht schief. Irgendwie fragend. Sie wusste nicht was, aber irgendetwas stimmte nicht mit diesen Tieren. Sie waren zu ruhig, zu beherrscht, zu ... cool, wie ihre Schüler oft sagten. Ihr fiel einfach kein anderes Wort dafür ein.
Sie trat einen Schritt zurück und dann noch einen. Der Hirsch und der Hund starrten sie noch einen Augenblick lang an, dann drehten sie sich um und trabten durch die Eingangshalle und durch das hohe Schlossportal. Also verrückter konnte diese Nacht wohl kaum werden, dachte sie ganz bei sich, während sie den Zauberstab hob, um die Eingangstür wieder zu schließen. Sie hörte wieder ein Geräusch hinter sich, aber als sie sich nun doch umdrehte, sah sie nichts außer einer kalten Steinwand.
Den Kopf über sich selbst schüttelnd ging sie weiter. Nur zur Sicherheit, um die Rumtreiber auszuschließen, wollte sie noch einmal einen Abstecher zum Eingang des Gryffindorturms machen. Wenn jemand unterwegs war, war die Chance ihn dort zu erwischen am größten. Auf dem Weg kam ihr eine graue Ratte entgegen. Sie rannte so schnell, dass sie sie kaum sah. Ihre Finger zuckten, doch sie unterdrückte ihre Katzen-Instinkte. Es war ihr noch nie gut bekommen, als Katze auf die Jagd zu gehen. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum.
Ihr wäre beinahe ein "Bei Merlins besten Kilt!" über die Lippen gekommen, als sie tatsächlich nur zwei Korridore vom Porträt der dicklichen Dame im rosanen Seidenkleid entfernt Geflüster hörte. Ein Junge lachte leise auf die für sie nicht zu verstehenden Worte eines Mädchens. Wie war das mit, die Nacht konnte nicht verrückter werden?
Als sie um die letzte Ecke bog, die sie von den beiden Teenagern trennte, wurde ihr endgültig klar, dass es immer verrückter ging. Denn das grelle Licht ihres Zauberstabs fiel auf die letzten beiden Personen, die sie nachts in einem dunklen Korridor, eng umschlungen und erschrocken ins Licht blinzelnd erwartet hätte. Alexander Malfoy und Selena Black.
Als hätte sie drei sich nicht eben erst zehn Sekunden angestarrt, wichen sowohl der Slytherin als auch die Gryffindor mehrere Schritte zurück. Keiner sagte etwas, sie waren alle zu sehr aus der Fassung gebracht.
Sie musste sich wirklich zusammenreißen, um nach fast einer Minute vollkommener Stille Worte zu formen. "Es ist sehr später.", sagte sie nach einem verhaltenem Räuspern. Die beiden Teenager sahen sich an, dann blickten sie wieder zu ihr. "Entschuldigen Sie, Professor McGonagall, wir gehen natürlich sofort in unsere Gemeinschaftsräume.", Selena senkte schuldbewusst den Kopf.
Als sie allerdings an ihr vorbeigehen wollte, zu dem Porträtloch am Ende des Korridors, hielt Alexander sie am Handgelenk fest. "Warte", flüsterte er und sie war überrascht, mit welcher Sanftheit er Selena ansah. Sie zögerte, nickte aber zu dem, was er ihr mit seinem Blick vermittelte.
Sie konnte nicht anders als auf die Hände der beiden Teenager zu starren, als Alexander ihre Finger ineinander verschränkte. Als er jedoch sprach, sah sie auf. "Professor", begann er zögernd. Er warf einen Blick zu Selena, die ermutigend den Kopf neigte. "Niemand darf von Selena und mir wissen, nur so sind wir einigermaßen sicher. Sie können mir Nachsitzen ohne Ende aufbrummen, wenn Sie mich als unhöflich empfinden, aber ich muss wissen, ob Sie unser Geheimnis für sich behalten werden!"
Erstaunt zog sie die Augenbrauen zusammen. "Sie beide haben eine Liebesbeziehung?", fragte sie das Offensichtliche. Beide nickten und Selena lies ein leises "Ja" hören. "Wie lange schon?", diesmal war ihre Frage nicht aus reinem Erstaunen heraus, sondern aus Neugier. "Anfang letzten Jahres... Allerdings mit einer längeren Unterbrechung.", lies Alexander verlauten.
Wie konnte sie das nicht merken? Normalerweise war sie die Königin der Wetten, die Filius und sie immer am Anfang eines Schuljahres über die im Laufe des Jahres entstehenden Liebesbeziehungen der Schüler abschlossen. Sie hatte ein Auge für verlegene und verliebte Blicke, für Spannung, die in der Luft lag. Sie erkannte Paare, bevor sie es selbst taten. Wie konnten ihr da diese zwei Kandidaten entgangen sein?
Ich hätte einfach niemals damit gerechnet. Allein der Gedanke war absurd, flüsterte die schlaue Stimme in ihrem Kopf. Doch jetzt, wo ihr Selena und Alexander gegenüberstanden, konnte sie die Chemie zwischen den beiden wirklich wahrnehmen. Es war kein Hass mehr, der in der Luft lag, es war das genaue Gegenteil.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Alexander, das Wohlergehen meiner Schüler hat bei mir höchste Priorität. Und nun verschwinden Sie in ihre Betten, damit sie morgen nicht vor Müdigkeit vom Stuhl fallen und sich verletzen." Das unerwartete Paar verschwand so schnell in die entgegengesetzten Richtungen, dass sie genauso gut disappariert sein konnten.
Erst als sie sich abwandte und ihre Gedanken sich langsam ordneten, fiel ihr ein, dass sie den beiden gar keine Hauspunkte abgezogen hatte. Auch einem Nachsitzen waren sie entkommen - einfach, weil sie so konfus gewesen war.
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(Bildquelle: https://i.pinimg.com/564x/83/00/de/8300de0aef5ed27b7b35899bf024191e.jpg)
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