Chapter 29

(Bild: Lily Evans)


Lily Evans P.o.V.:

Wütend auf mich selbst und total verwirrt haste ich die Gänge entlang. Alexander Malfoy. Der Prinz der Slytherins. Der auserkorene Anführer der Reinblutkinder. Der Kerl, der sich hinter dem Reichtum und der Macht seiner Familie versteckt und sich hier in Hogwarts als den eiskalten Kerl mit den vielen Mädchengeschichten gibt. Wie hat er es nur geschafft Selena zu verführen? Meine beste Freundin, das stärkste und klügste Mädchen Hogwarts'? 

Er muss schlauer und gerissener sein, als ich dachte, denn der, der es schafft Selena Blacks von Schutzmauern umgebenes viel zu großes Herz zu brechen, der bricht ganz Gryffindor. Sie ist die unerschütterliche Säule, die alles zusammenhält. Sie ist vielleicht nicht immer im Vordergrund bei den Taten der Rumtreiber und oft eher zurückhaltend, aber wenn sie spricht, dann hört jeder zu. Ich weiß gar nicht, ob ihr bewusst ist, welchen Platz sie bei uns innehat. Wie sehr wir sie schätzen und lieben und Angst davor haben, dass sie verletzt wird. 

Mein Buch rutscht mir aus der Hand und kracht mit einem lauten wiederhallenden Knall auf den Steinboden. Seufzend hebe ich es auf und führe meinen Weg fort. Mir kommt Sels Blick in den Sinn, als sie gesagt hat, wie lieb und aufmerksam Malfoy ist. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Der Alexander Malfoy, den ich seit Jahren kenne ist nicht sanft oder süß. Er ist ein arroganter Arsch.

Apropos Malfoy, wenn man vom Teufel spricht. Das kann doch nicht wahr sein. Für ein paar Stunden ist das Schloss wie leergefegt und der einzige Mensch, dem ich in der vollkommenen Stille begegne ist der Kerl, wegen dem ich mich gerade mit Sel gestritten habe. Ich bleibe stockstill stehen und starre den blonden Slytherin an, auf einen blöden Spruch wartend oder wenigstens einem gezischten Schlammblut

Doch es kommt nichts. Für einen Moment scheint er wirklich einfach nur an mir vorbeigehen zu wollen. So lange zumindest, bis sein Blick meinen streift und er erschrocken stehen bleibt. Seine Augen zeigen jetzt nicht mehr Gleichmut, sondern Unsicherheit und Scheu. Okay, das habe ich nicht erwartet. Er sieht sich um und reibt sich nervös über den Nacken. 

"Lily" Er hat noch nie meinen Vornamen benutzt, meistens hieß ich Schlammblut. "Alexander", äffe ich ihn angriffslustig nach. Er geht nicht darauf ein. "Du weißt es. Sie hat es dir gesagt.", meint er mit leiser, vorsichtiger Stimme. Ich schnaube abfällig. "Sie hat es mir auch lange genug nicht gesagt!" 

In der Ferne ist das gackernde Lachen von Peeves, dem Poltergeist, zu hören und die wütende und fluchende Stimme von Filch. Malfoy zuckt heftig zusammen und sein Kopf ruckt in die Richtung aus der die Geräusche kommen. "Hast du etwa Angst davor, was passiert, wenn jemand sieht, wie du mit einem Schlammblut sprichst?" 

"Was?" Er runzelt die Stirn. "Es hatte nichts mit deinem Blut zu tun, wieso ich immer so fies war." Ich stemme die Hände in die Hüfte und funkle den Jungen vor mir herausfordernd an. "Ach ja? Und wieso kommt dann in jedem einzelnen Satz von dir mir und Grace gegenüber das Wort Schlammblut vor? Hast du je darüber nachgedacht, was das eigentlich bedeutet? Was es bedeutet, wenn einem jemand, den man überhaupt nicht kennt, an den Kopf wirft, dass man schmutziges Blut hat? Wie- Hey!" Malfoy hat mich am Arm gepackt und mich in das verlassene Zauberkunstklassenzimmer gezogen. 

Nachdem er auch den letzten Winkel gemustert hat, wendet er sich wieder mir zu. "Ja, ich weiß was ich gesagt habe. Und es tut mir leid." Ich blinzle und bekomme nur ein verdutztes "Was?" heraus. "Ich habe das nicht gesagt, weil ich daran glaube, dass dein Blut sich von meinem unterscheidet - das ist es nicht." Er reibt sich wieder den Nacken und läuft vor mir auf und ab. "Ich bin in einer Familie groß geworden, in der man von Geburt an eingetrichtert bekommt, dass man die Elite ist, und ich will nicht leugnen, dass ich eine Zeit lang auch daran geglaubt habe, aber das hat sich geändert, ich habe mich geändert. Ich weiß jetzt was wichtig ist." 

"Wichtig?", wiederhole ich. "Was meinst du damit?", meine Stimme klingt nicht mehr angriffslustig, ich bin viel zu neugierig, was mir der sonst so abweisende Slytherin mitteilen will. "Seit ich Sela treffe, da... da hat sich so viel verändert, verstehst du? Ich weiß jetzt, dass es nicht mein Name ist, der zählt, sondern meine Meinung und meine Taten, dass ich selbst entscheiden kann." 

Beim hin und her eilen ist das schmale Lederarmband an seinem Handgelenk unter seinem Ärmel hervorgerutscht und ich greife nach seinem Unterarm. Es verblüfft mich, dass er nicht zusammenzuckt. "Ist das...?" Malfoy nickt, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. "Das ist der gleiche Quaffel, wie ihn Selena trägt, ja. Ich habe ihr das Kettchen geschenkt, damit wir uns verabreden können." Mir fällt auf, wie nah ich bei Malfoy stehe und als hätte ich mich verbrannt lasse ich seinen Umhangärmel los und trete einen Schritt zurück. Er beobachtet mich aufmerksam.

Ich denke, dass es das Beste ist, wenn ich ihn direkt das frage, was ich wissen will. "Triffst du dich nur mit ihr um sie zu verletzten?" Ich behalte ihn genau im Auge. Er blinzelt mich erst überrascht an, dann schüttelt er mit ernster Miene den Kopf. "Nein, ich liebe sie." Ich nicke langsam. "Gut" Mit schief gelegenem Kopf fahre ich fort:"Du weißt doch was passiert, wenn ich höre, dass du ihr weh getan hast, oder?" 

Er nickt und zu meiner Überraschung lächelt er gleich darauf. "Ich bin froh, dass sie eine Freundin wie dich hat. Und es tut mir wirklich leid, was ich immer zu Grace und dir gesagt habe. Und...und auch, was ihr zugestoßen ist." 

Von Abscheu zu so etwas wie nette Bekannte in ein paar Sekunden? Das ist mir alles zu viel. Ich drehe mich um, aber Malfoy tritt vor die Tür und versperrt mir so den Weg. "Wirst du es jemanden sagen?", fragt er mit einem Zögern in der Stimme, dass ich von ihm nicht kenne. Mit gehobener Augenbraue blicke ich zu ihm auf. "Fragst du das ernsthaft? Ob ich meine Freundin verrate?" 

Malfoy senkt den Blick. "Ich wollte nur... Es würde sie nur noch mehr in Gefahr bringen, als eh schon. Sie hat jetzt schon den Titel als größte Blutsverräterin des Jahrhunderts. Was wird dann erst sein, wenn man herausfindet, dass sie auch mich zu einem gemacht hat?" Die Sorge in seinen Augen ist nicht zu übersehen. Und auch die Angst. 


Remus Lupin P.o.V.:

Als die Jungs aus Hogsmeade zurückkommen, haben sie Taschen voller Butterbier, Nesselwein und sogar ein wenig Feuerwhisky dabei. Ich weiß nicht, wie sie da ran gekommen sind, weil Schüler normalerweise nur Butterbier ausgeschenkt bekommen, aber ich will es auch gar nicht so genau wissen. Sobald sie den Gemeinschaftsraum betreten, rufen sie laut, dass heute Abend eine große Rumtreiberparty stattfinden wird und dass jeder kommen darf, der nicht langweilig in einer Ecke herumsteht, dann lassen sie sich neben mich fallen und breiten ihre Einkäufe über unseren Schulsachen aus. 

Als Lily nach ihrem kleinen Spaziergang wieder zu uns kam, hat sie sich mit einem Lächeln neben Selena gesetzt und sich vollkommen auf die Wiederholung von Zaubereigeschichte konzentriert. Jetzt zieht sie aber die Nase kraus und mustert Sirius, James und Peter mit zusammengekniffenen Augen. "Weiß Professor McGonagall von eurer Party?" Sirius und James wechseln einen kurzen Blick. "Sei nicht so ein Spießer, Evans. Das wird nur eine ganz kleine Party, so wie immer.", sagt James. Lily schnaubt. "Klein? Ihr wisst doch gar nicht was das ist!" 

Auf James' Gesicht breitet sich ein gigantisches Grinsen aus, und ich weiß, genau wie Lily, die jetzt knallrot wird, was gleich kommen wird. "Stimmt, Evans. Ich hab keine Ahnung, was klein bedeutet. Ich kenne nun einmal nichts Kleines." Sirius schlägt ihm auf die Schulter und lacht laut auf und auch Peter und ich fangen an zu grinsen - jedenfalls so lange, bis Lily uns einen giftigen Blick zuwirft. Ich presse hastig die Lippen zusammen und will mich wieder meinen Wiederholungen zuwenden, doch die Tüten, die darauf herumstehen, machen das ziemlich schwierig. 


Die Partys, die wir schon seit Jahren immer mal wieder organisieren, sind legendär. Laute Musik, jede Menge Alkohol und Knabberzeug und in jeder Ecke Pärchen, die in Ruhe gelassen werden wollen, sind die wohl am meisten im Gedächtnis bleibenden Erinnerungen, die alle Gryffindors an diese Abende haben. 

Es ziehen sich nur sehr wenige zum Schlafen in ihre Schlafsäle zurück, die meisten Schüler bewegen sich zum Takt der Musik, die James beaufsichtigt, oder holen sich gegen eine kleine freiwillige Spende etwas vom Buffet. Da Sirius allerdings mit Adleraugen daneben steht, in ein Gespräch mit Marlene McKinnon vertieft, und jedem einen finsteren Blick zuwirft, der seiner Meinung nach zu geizig ist bei der Spende, kann man das alles eigentlich nicht freiwillig nennen. 

Wahrscheinlich haben wir am Morgen wieder mehr eingenommen, als die Jungs heute Vormittag ausgegeben haben. Man mag es den beiden Chaoten nicht ansehen, aber sie schaffen solche Sachen immer wieder. Und das ohne sich richtig anzustrengen. Einen Moment lang mustere ich Sirius und Marlene, die ein Jahr älter ist als wir. Sie verstehen sich prächtig. Sirius bringt die blonde Gryffindor immer wieder zum Lachen und geht immer wieder einen kleinen Schritt näher zu ihr. Dann wandert mein Blick weiter zu Megan, die nur ein paar Schritte entfernt steht und die beiden genauestens im Auge behält. 

Wenn es mich nicht täuscht, dann sind ihre Augen ungewöhnlich rot und geschwollen. Die Arme. Es ist nichts neues, das Sirius das Interesse nach ein paar Wochen an einem Mädchen verliert und auf der nächsten Party mit jemand anderen flirtet. Das habe ich schon viel zu oft erlebt. 

Ich hole mir nur noch einmal eine Flasche Butterbier, weil ich mich nicht allzu sehr betrinken will. Betrunkene Leute reden wie ein Wasserfall, ohne Hemmungen und Scham. Und ich kann es mir nicht leisten über das Thema zu philosophieren, welches mich am meisten beschäftigt. Mit der Flasche an den Lippen lasse ich mich in einen der weniger bequemen Sessel fallen, da alle beliebten vor dem Kamin besetzt sind, und beobachte weiter die Leute um mich herum. 

Lily scheint inzwischen die Neuigkeiten vollkommen verdaut zu haben - auch wenn es mich wundert, dass es so schnell ging. Ich hätte eher gedacht, dass zwischen den beiden erst einmal ein paar Tage Funkstille herrschen würde, doch es schaut nicht so aus, als ob Lily Sel noch irgendetwas übel nimmt. Sie tanzen ausgelassen in der Menge, breit lächelnd und die Welt vergessend. Ich bin froh, dass Sel sich nicht weggeschlichen hat und stattdessen bei ihrer besten Freundin bleibt. Heute würde es nämlich niemanden außer denen, die es wussten, sich fragen, wo sie war. 

James, an das riesige Grammophon gelehnt, hat schon einige Drinks intus und auch Peter, der neben ihm steht schwankt etwas. Und Sirius ist heute Abend viel zu sehr auf Marlene fokussiert, um sich großartig Sorgen zu machen. 

Dorcas Meadowes, eine hübsche Ravenclaw, die sich für die Party extra in den Gryffindorgemeinschaftsraum geschlichen hat, stellt sich neben mich und schaut lächelnd zu mir herab. "Remus" Ich hebe die Flasche in meiner Hand. "Der bin ich!", meine ich grinsend und etwas zu laut. Oh man, vielleicht habe ich doch schon zu viel getrunken. Hastig stelle ich das Butterbier auf den Boden, damit ich nicht auf die Idee komme noch mehr zu trinken. 

Doch Dorcas lacht leise und setzt sich auf die Armlehne zu meiner rechten. Ihr süßlicher Duft steigt mir in die Nase und automatisch lächle ich breiter. Wenn es ein Mädchen gibt, das ich interessant finde, dann ist es Dorcas Meadowes. "Bist du betrunken, Remus?" Ich schüttle den Kopf und stemple das leichte Schwindelgefühl in meinem Kopf als angetrunken und nicht als betrunken ab. 

"Schade, denn wenn du betrunken wärst, würde ich mich trauen mich näher zu dir zu setzen." Ich räuspere mich, weil mein Hals plötzlich so rau geworden ist, und meine betont beiläufig:"Möglicherweise habe ich doch schon einige Butterbiere getrunken. Ich bin also nicht mehr ganz so zurechnungsfähig wie sonst." Dorcas grinst zufrieden. "Geht mir genauso." Und damit rutscht sie von der Armlehne und direkt auf meinen Schoß. Ich atme tief ein. 

Ich bin mir trotz dem Nebel in meinem Gehirn bewusst, dass ich keine gute Partie für ein Mädchen bin - wahrscheinlich bin ich sogar die schlechteste Wahl, die man treffen kann. Aber ich beschließe in dem Moment, in dem Dorcas ihre Hand auf meine Schulter legt und mich eine ihrer Haarsträhnen an der Wange kitzelt, dass es mir für heute Abend egal ist. Heute bin ich einfach nur ein betrunkener - und hoffentlich bald herumknutschender - Schüler. Ein ganz normaler Teenager.


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(Bildquelle: https://data.whicdn.com/images/207829746/original.gif)

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