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Keine Ahnung, wie lange ich zusammengerollt auf dem Fußboden lag. Irgendwann spürte ich jedoch eine Hand auf meinem Rücken.

»Claire?« Die panische Stimme meiner Schwester riss mich endgültig aus meiner Trance. »Oh Gott, habt ihr beiden irgendwas eingeschmissen?«

»Lass mich einfach in Ruhe«, protestierte ich, als sie mir unter die Arme griff und versuchte, mich aufzusetzen. Ich wollte nicht reden, erst recht nicht mit Danielle.

»Sorry, aber wenn ich aus dem Kino komme und euch beide«, sie stoppte, und deutete erst mit dem Finger auf die anscheinend tief und fest schlafende Megan, bevor sie ihn auf mich richtete, »in so einer Verfassung auffinde, werde ich euch ganz sicher nicht in Ruhe lassen. Also? Was läuft hier?«

»Nichts, was dich etwas angehen würde«, antwortete ich genervt, während ich verzweifelt versuchte, mich ihrem Griff zu entziehen. Danielle dachte allerdings überhaupt nicht daran, nachzugeben.

»Entweder du erklärst mir, was los ist oder ich werde es Mom sagen, wenn sie nach Hause kommt. Sie wird es sicher interessieren, dass Megan nicht ansprechbar in deinem Bett liegt, während du vollkommen verheult auf dem Boden kauerst.«

»Du willst wissen, was los ist?«, rief ich daraufhin lauter, als es notwendig gewesen wäre. Mein Körper wurde noch immer von heftigen Schluchzern geschüttelt, als ich meine Wut auf mich selbst, an meiner Schwester raus ließ. »Vielleicht bin ich nicht die, für die du mich hältst. Hast du dich jemals gefragt, wer Quentin damals gesteckt hat, wo er dich findet?«

»Was soll das denn jetzt? Was bitte hat Quentin damit zu tun?« Die Verwirrung war ihr nun deutlich ins Gesicht geschrieben und wahrscheinlich wäre dies der Zeitpunkt gewesen, besser meinen Mund zu halten. Allerdings kochten meine Emotionen derart über, dass es kein Zurück für mich gab.

»Ich habe den Fakeaccount erstellt und ihm die Nachricht geschrieben«, konkretisierte ich meine ursprüngliche Aussage, aber Danielle schüttelte nur ungläubig ihren Kopf.

»Claire«, redete sie sanft auf mich ein, »du musst jetzt nicht irgendwelche Geschichten erfinden, um von eurer Situation abzulenken. Sag mir einfach–«

»Hörst du mir denn überhaupt nicht zu? Ich war es! Ob du mir glaubst oder nicht, ist dir überlassen, aber verschwinde jetzt endlich aus meinem Zimmer!«

Ein dichter Schleier aus Tränen sorgte dafür, dass ich das Gesicht meiner Schwester nur noch verschwommen sehen konnte. Offenbar schien sie meine Offenbarung nun doch in Erwägung zu ziehen, denn sie löste die Verbindung zu mir und trat einen Schritt zurück.

»Warum?«, hörte ich sie fassungslos flüstern, aber ich schüttelte nur abweisend meinen Kopf. »Antworte mir, sofort!«, schob sie fordernd nach und die Besorgnis in ihrer Stimme war nun reiner Wut gewichen.

»Vielleicht bin einfach ich ein schlechter Mensch?«, antwortete ich tonlos, woraufhin meine Schwester ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer stürmte.

Eine Zeit lang verharrte ich noch auf dem Fußboden, bevor ich mich irgendwann aufraffte und neben Megan ins Bett legte.

War ich sauer auf sie? Und ob! Aber gleichzeitig war mir klar, dass ich sie nicht dafür verantwortlich machen konnte. Ohne den Alkoholeinfluss hätte sie diese Dinge niemals gesagt und letztendlich war ich diejenige, die nicht ehrlich zu Dylan gewesen war.

Ich hätte ihm von den Nachforschungen und allem, was damit zusammenhing, erzählen müssen. Außerdem erinnerte ich mich noch ziemlich genau an den Moment, wo er wissen wollte, ob ich irgendjemandem von ihm und seiner Geschichte erzählt hatte.

Ehrlich währt am längsten, hätte meine mittlerweile verstorbene Oma mir wahrscheinlich in diesem Augenblick gesagt und ich hätte alles gegeben, um nur noch ein einziges Mal ihren Rat einholen zu können. Allerdings war es wahrscheinlich sowieso zu spät, denn Dylan nahm offenbar an, ich hätte ein spannendes Ferienprojekt in ihm gesehen.

Mutlos schloss ich meine Augen und lauschte dem Schnarchen meiner Freundin, während sich meine innere Verzweiflung wie eine eiserne Faust um mein Herz legte.

****

»Ich glaub, ich muss kotzen«, hörte ich plötzlich jemanden sagen. Es schien, als wäre die Person meilenweit von mir entfernt, weshalb ich beschloss, sie einfach zu ignorieren. Meine Augenlider fühlten sich ohnehin tonnenschwer und ich wollte sie daher unbedingt geschlossen lassen.

Als das gesamte Bett zu wackeln begann, riss ich sie dann allerdings doch auf. Megan war über mich geklettert, um in Windeseile aus dem Zimmer zu stürmen. Während ich ganz deutlich die Kotzgeräusche aus dem Badezimmer hören konnte, prasselten die Ereignisse des vergangenen Abends wieder auf mich ein. Kurzerhand nahm ich eines der Kissen und drückte es mir auf mein Gesicht, um irgendwie die sofort wieder einsetzende Tränenflut zu unterdrücken.

»Was ist gestern passiert? Wie bin ich überhaupt hergekommen?« Megan war offenbar zurück ins Zimmer gestolpert und erinnerte sich anscheinend an nichts mehr, was mich ehrlich gesagt nicht überraschte. »Claire?«, schob sie ängstlich nach, als ich nicht reagierte. Irgendwann zog sie das Kissen von meinem Kopf und ihr besorgtes Gesicht erschien direkt vor mir.

Mit belegter Stimme berichtete ich ihr daraufhin, was sich zugetragen hatte und der Horror, welcher sich in ihrer Mimik widerspiegelte, sprach Bände.

»Sag mir bitte, dass das ein schlechter Scherz ist«, flehte sie mit tränenerstickter Stimme, aber ich schüttelte lediglich meinen Kopf. »Warum zur Hölle hast du mich nicht rausgeworfen? Wie kannst du meine Gegenwart überhaupt noch ertragen?«

Dicke Tränen bahnten sich ihren Weg, liefen über ihre Wangen und tropften schließlich auf das weißes Kleid, wo sie dunkle Flecken hinterließen. Sie war am Boden zerstört, das war mehr als offensichtlich.

»Ich erinnere mich noch daran, bei Kyle gewesen zu sein. Wir haben einen Film geguckt, bis plötzlich ein paar seiner Freunde vorbeigekommen sind und alle möglichen Flaschen Alkohol mitgebracht haben. Irgendwie wurden es dann immer mehr Leute und ich war wirklich genervt davon, weil wir eigentlich einen gemütlichen Abend geplant hatten. Trotzdem habe ich mitgetrunken und so getan, als hätte ich Spaß. An irgendeinem Punkt ist Beth aufgetaucht und hat angefangen, zu behaupten, dass Kyle mich nur ausnutzt. Sie sagte, sie hätte letzte Woche mit ihm geschlafen und daraufhin ist mir irgendwie eine Sicherung durchgebrannt. Ich habe mir heimlich eine der noch vollen Whisky-Flaschen geschnappt und bin abgehauen. Danach erinnere ich mich an nichts mehr.«

»Offenbar hast du die Flasche geleert und bist dann zu mir gekommen«, schlussfolgerte ich daraufhin nüchtern und sie griff vorsichtig nach meiner Hand.

»Es tut mir unglaublich leid«, schluchzte sie verzweifelt, »aber ich werde es wiedergutmachen, das schwöre ich dir!«

Bevor ich auf ihre Aussage reagieren konnte, sammelte sie ihre Schuhe vom Fußboden und rannte durch die Tür.

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