Kapitel 3, Schweigen
Kapitelsong: Mr. Loverman - Ricky Montgomery
Rezo POV
Donnerstag, 14:17 Uhr
Soll ich ihm schreiben, dass ich heute leider doch keine Zeit habe?
Ich sehe zu Ju. Er sieht süß aus, wie er sich so an mich kuschelt und mit seinen Knopfaugen gebannt das Geschehen auf dem Fernseher verfolgt.
»Ju, ich habe für 16:00 Uhr Mexi eingeladen zum Videos drehen. Ist das okay, oder soll ich ihm lieber absagen?«, frage ich ihn vorsichtig.
Er sieht auf.
»Nein, alles gut. Ich muss sowieso rüber. Ein Placement für morgen ist noch nicht abgedreht.«
Warte- ist das gerade sein Ernst?
»Ju? Du willst nicht wirklich schon wieder arbeiten?«
Ju zuckt nur die Schultern.
Julien POV
Donnerstag, 14:18 Uhr
Ich weiß, dass es dumm ist. Doch etwas in mir zwingt mich. Ich spüre, wie Rezo mich wieder mit diesen mitfühlenden Augen ansieht. Und plötzlich hasse ich es. Ich will nicht der sein, um den sich alle sorgen. Ich will nicht der sein, um den man sich kümmert, den man bemitleidet.
Rezo will etwas sagen, doch ich schneide ihm das Wort ab.
»Tut mir leid, ich muss gehen.«, meine ich knapp, dann stehe ich auf und gehe zur Tür.
Rezo springt auf und läuft mir hinterher.
»Ju, ich will nur mit dir reden.«
Doch ich gehe weiter.
»Ich brauche jetzt Zeit für mich, okay?«, meine ich noch, dann verlasse ich Rezos Wohnung.
Die Stunden auf dem Sofa haben mich den Rest des Tages verfolgt. Ich kann es noch nicht deuten, aber irgendetwas haben sie mich mir gemacht. Und es lässt mich nicht mehr los. Überall sehe ich sein Gesicht. Das Bild aus der Dönerbude auf meinem PC fühlt sich nun so an, wie ein Phantom, welches mich verfolgt. Mit dem Unterschied, dass es mir keine Angst macht. Diese Obsession gibt mir die Kraft, das Placement abzudrehen und zu schneiden, während mein Handy läd.
Als ich schließlich den Mut zusammennehme und einen Blick darauf werfe, leuchten mir sieben Nachrichten meiner Assistentin, zwei Nachrichten von Thomas, eine von Joon und drei von Rezo entgegen.
Die von Annika sind schnell abgeklappert, die meisten sind gegen neun Uhr entstanden, und fragen mich, wo ich bin. Die neueste wünscht mir gute Besserung.
Ich antworte nicht.
Ich klicke vom Chat weg und schaue die Nachrichten von Joon und Thomas an. Thomas fragte mich ebenfalls wo ich sei und ob es mir gut ginge (ich antworte auch hier nichts) und Joon hat mir eine längere Nachricht geschrieben, in der er mir gute Besserung wünscht und mir sagt, dass ich immer mit ihm reden kann. Bestimmt hat er durchschaut, wieso ich heute gefehlt habe. Ich reagiere mit einem Herz auf die Nachricht.
Mein Finger bleibt kurz über dem Chat Der Blauhaarige hängen. Wieso fällt es mir bei diesem Chat so schwer, darauf zu klicken?
Ju, wenn du das liest, bitte ruf mich an. Wir machen uns Sorgen.
Ich mache mir Sorgen.
Schreib mir, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin für dich da <3
Die ersten beiden sind älter, aber die Neueste wurde vor wenigen Minuten erst verschickt. Ich lese die beiden Sätze immer wieder.
Schreib mir, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin für dich da.
Schreib mir, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin für dich da.
Schreib mir, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin für dich da.
Schreib mir, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin für dich da.
Und plötzlich weiß ich, warum mir die Zeit auf der Couch so viel bedeutet hat.
Rezo POV
Donnerstag, 18:40 Uhr
Während dem Dreh mit Mexi schaue ich immer wieder auf mein Handy, und warte auf eine Antwort von Ju. Das ist gelogen, ich habe von Anfang an keine Antwort erwartet. Trotzdem habe ich ein bisschen gehofft. Einmal habe ich gesehen, dass er schreibt, doch irgendwann hat er aufgehört, und eine Nachricht kam nie bei mir an.
Wir sind mittlerweile fertig mit den Videos, und haben uns Pizza bestellt. Nun sitze ich wieder auf der Couch, und ich kann einfach nicht vergessen, wie Ju sich noch vor wenigen Stunden genau hier an mich gekuschelt hat. Mexi erzählt gerade von einem Abend in Madeira, als er mit Amar und Antonia in einem Club feiern war, und eine Gruppe Fans sie nicht in Ruhe lassen wollte.
»Naja, irgendwann sind wir dann gegangen, und stattdessen woanders hin.«
Ich nicke.
»Rezo? Du wirkst heute irgendwie abwesend, ist alles gut?«
Erneut nicke ich. »Ja, alles gut. Ich bin nur etwas müde.«
Was soll ich schon anderes sagen?
»Okay, aber wenn irgendwas ist, kannst du mit mir darüber reden.«
Kurz ist es still, und wir essen weiter unsere Pizza.
Dann fragt Mexi: »Was ist eigentlich mit Ju? Wollte er nicht auch vorbeikommen?«
Da hat er genau ins Schwarze getroffen.
»Eh, ja. Er hatte bisschen viel zu tun.«
Ich hasse es, dass ich ihn anlügen muss, aber wenn Ju es ihm nicht erzählt, werde ich es auch nicht tun.
»Oh, schade. Vielleicht ein ander Mal wieder.«
Ja... Vielleicht.
»Bestimmt!«, meine ich stattdessen.
Nach dem Essen ist Mexi wieder gegangen, da er morgen einen Termin hat, und jetzt liege ich im Bett. Luna hat sich zu mir gekuschelt, wie schon den ganzen Tag scheint sie zu merken, dass mich etwas beschäftigt. Ich kraule sie sanft am Kopf. Ein weiteres Mal sehe ich zu meinem Handy. Noch immer keine Nachricht von Ju. Ich seufze. Dann nehme ich mein Handy und öffne unseren Chat.
Gute Nacht^^
Fast direkt schwingt die Nachricht auf gelesen um. Gebannt warte ich auf eine Antwort. Wenigstens ein gute Nacht wird er mir doch wohl zurückschreiben?
Ich starre auf den grellen Bildschirm, und halb ist mir bewusst, wie lächerlich das gerade war. Nur weil er mir nicht antwortete, heißt das nicht, dass er sauer auf mich ist.
Dennoch warte ich die nächsten Minuten vergeblich. Ju ist längst wieder offline. Ich hoffe noch, dass mein WLAN Probleme macht, und die Nachricht etwas verspätet kommt. Doch es kommt keine.
Also lege ich das Handy weg und versuche mit aller Kraft, einzuschlafen.
Irgendwann klappt es, aber der Schlaf ist unruhig. Ich träume davon, das Ju wieder am Bahnhof steht, und dieses Mal kann ich ihn nicht überzeugen, zu bleiben.
(1017 Wörter)
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