Schwaches Gemurmel von mehreren Katzen brachte Raven in die Realität zurück. Sein Körper fühlte sich verwundbar an und seine Muskeln waren schlapp. Er hatte nicht mal genug Kraft, um seine Augen zu öffnen. Angestrengt lauschte der Schüler auf die leisen Stimmen, die weit entfernt schienen.
"Wann wird er denn wieder aufwachen? Die Nacht ist schon angebrochen und es hat sich nichts verändert." Das war Windbrise. Ein kleiner Funke von Wut strömte durch Ravens Adern. "Hab etwas Geduld", entgegnete ein sanftes Miauen, welches von Schneeschweif stammte.
"Er hatte einen schweren Unfall hinter sich. Da ist es normal, dass er für eine Weile weggetreten ist." Einen Unfall? Was war denn passiert? Er konnte sich nur schwer daran erinnern. Verzerrte Bilder tauchten in seinem Kopf auf, doch sie ergaben keinen Zusammenhang.
Es herrschte kurz Stille, bis langsame Pfotenschritte darauf hindeuteten, dass sich eine weitere Katze näherte. "Ist Raven immer noch nicht aufgewacht?", fragte eine tiefe Stimme und Raven erkannte, dass es sich um Schattenkralle handelte.
"Nein, leider nicht", war die bedrückte Antwort, die nach Karminpelz klang. Wie viele Katzen waren denn bei ihm? Da schoss ihm wie ein Blitz die Erinnerungen zurück. Nachdem Raven erfuhr, dass Veilchenhauch nicht seine echte Mutter war, war er geflohen und unbewusst auf den Donnerweg zugerannt.
Ein Monster hatte ihn gerammt, dann wurde alles schwarz. Nun war er vermutlich im Heilerbau. Doch wer hatte ihn gefunden? Und wie konnte er das Monster überleben? Raven schwirrte der Kopf und er schob diesen Gedanken beiseite.
Langsam öffnete er die Augen und musste sich zuerst an das helle Mondlicht gewöhnen, welches in sein Gesicht schien. "Er wacht auf!", miaute Windbrise erfreut. Seine Sicht war zuerst verschwommen, doch allmählich wurden die Gesalten der Katzen klarer.
"Raven, hörst du mich?", fragte Windbrise sanft, der sich zu ihm hinab gebeugt hatte. Ja, aber sprich etwas lauter , wollte er antworten, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. "Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen?", erkundigte sich sein Vater weiter.
Raven blinzelte nur benommen. "Hör auf ihn mit Fragen zu bedrängen", meinte Karminpelz. "Er muss sich zuerst erholen." Windbrise schwieg und Schneeschweif erklärte: "Karminpelz hat recht. Gib Raven etwas Zeit, er steht noch unter Schock."
Der schwarz-weiße Kater hätte sich gerne zu Wort gemeldet, doch sein Körper erlaubte es ihm nicht. "Ihr solltet nun den Heilerbau verlassen. Raven braucht dringend Ruhe", bestimmte die Heilerin.
Karminpelz nickte und erhob sich. Schattenkralle betrachtete den Schüler für einige Herzschläge aufmerksam und stemmte sich dann auf die Pfoten.
Nur Windbrise kauerte noch mit besorgtem Blick neben ihm und Raven wünschte, er würde gehen. Sein Gesicht wollte er am wenigsten sehen. "Komm, Windbrise", forderte Schattenkralle auf. "Du kannst jetzt auch nichts für ihn tun."
Sein Vater beäugte ihn kummervoll, er reckte seinen Hals vor und berührte seine Stirn mit der Nase. Raven würde am liebsten zurückzucken und dem Krieger die Schnauze zerkratzen.
"Du kannst ihn morgen wieder besuchen", miaute Schneeschweif hinter ihm. Windbrise nickte knapp und folgte den zwei Kater. Die Heilerin tappte in den hinteren Bau, wenig später tauchte sie mit grünen Blättern zurück.
"Das ist Thymian. Es wird deinen Schock lindern", erklärte sie. "Nimm etwas davon." Raven hob mühsam den Kopf. "Danke", krächzte er und leckte die Blätter auf. Er war erleichtert, dass seine Stimme allmählich zurückkehrte.
Schneeschweif blickte ihn warm an. "Ich werde dir nasses Moos bringen, damit du etwas trinken kannst." Als die dunkelbraune Kätzin den Bau verließ wurde Raven von der Müdigkeit übermannt und fiel in einen tiefen Schlaf.
Der nächste Morgen brach an und die ersten Sonnenstrahlen erklommen den Horizont. Ächzend setzte sich Raven auf, doch seine Pfoten fühlten sich, wie tote Äste an. Sie knickten unter ihm weg und er fiel zurück in sein Nest.
"Langsam, Raven", miaute eine Stimme hinter ihm. Schneeschweif eilte zu ihm herbei. "Du musst dich schonen." Raven seufzte. "Wie lange denn? Mir geht es schon viel besser." Die Heilern legte den Schwanz um ihre Pfoten. "Mindestens einen Viertelmond", antwortete sie.
Der Schüler riss ungläubig die Augen auf. "Aber ich muss meine Kriegerprüfung abschließen! Sonst kann ich keine Krieger werden", protestierte er. "Ich werde dich erst entlassen, bis du wieder bei Kräften bist, nicht vorher", erwiderte die dunkelbraune Kätzin streng.
Raven knurrte wütend, schwieg aber. Plötzlich raschelte der Brombeervorhang und Flockenjunges trat mit einem Kaninchen in den Bau. "Ich habe gehört, dass du einen Unfall hattest", miaute das Junge und schleppte die Beute zu Raven.
"Du musst bestimmt hungrig sein." Sie legte es vor seine Pfoten und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. "Danke", miaute er liebevoll und biss in das zähe Fleisch. Verlegen senkte die Kätzin den Blick "Ich habe es natürlich nicht selbst gefangen, aber..."
Flockenjunges verstummte und ihre bernsteinfarbenen Augen wurden groß. "Boah! Du hast ja nur noch ein Ohr!" Raven würgte, als er sich vor Schreck fast verschluckt hätte. "Ich habe was?", fragte er ungläubig und sein Blick wanderte zu Schneeschweif.
Sie blinzelte schuldig. "Durch den Zusammenschlag mit dem Monster hast du dein rechtes Ohr eingebüßt", erkärte sie. "Leider wird es nicht mehr nachwachsen, da es komplett abgerissen ist."
Sein Herz stockte. Das kann doch nicht möglich sein. Vorsichtig tastete er mit der Pfote seinen Kopf ab, dort, wo sich sein rechtes Ohr befinden sollte, spürte er nur eine kahle Stelle die mit Spinnenweben bedeckt wurde.
"So schlimm ist es gar nicht", meinte Flockenjunges zögerlich. Raven sagte nichts, er starrte ausdruckslos auf das angebissene Kaninchen und hatte den Appetit verloren. "Heißt das jetzt, dass ich kein mehr Krieger werden kann?", murmelte er monoton.
"Natürlich wirst du ein Krieger!", erwiderte Schneeschweif eilig. "Möglicherweise wird das Jagen für dich nun etwas schwerer werden. Da du dich sonst auf deine beiden Ohren verlassen hast, wird es anfangs etwas ungewohnt sein, aber Windbrise wird dir das schon beibringen."
Wut überkam ihm, er bohrte die Krallen in das Moos und stellte sich vor, es wäre das Fell seines Vaters. Das ist alles Windbrises Schuld!
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