»Hä?«
Mehr habe ich nicht zu der einen Person in zwei Teilen zu sagen. Was auch immer diese sich irritierend ähnlich sehenden Mädchen mit ihrem seltsamen Geplapper aussagen wollen, es interessiert mich nicht. Ich habe momentan wirklich andere Probleme.
»Doch, ich glaube, wir sind Cousinen!« Der nervigere Zwilling scheint mich unbedingt überzeugen zu wollen, während der stillere die Klappe hält. Gut so.
»Schau mal, Aria, wir haben Beweise und sind sehr weise, du kannst uns ruhig glauben. Das ist kein Scherz, ich schwöre es auf meine Rumkugeln.« Schwester Nervig ist wohl December.
»Dieser Vortrag ist ein Scherz. Ich komme nie wieder zu euch, um etwas an einem Referat zu arbeiten«, schnaube ich, werfe aber dennoch einen Blick auf den Computer, den sie mir vor die Nase auf den Tisch gestellt haben.
Grüne Augen, hochgesteckte braune Locken, verkniffenes Lächeln. Kenne ich nicht.
»Was soll die mir jetzt sagen?«
Die Haustür wird von irgendjemandem geöffnet.
December verzieht die Augenbrauen seltsam, als hätte sie Kopfschmerzen.
»Hallo, ich bin zuhause vermutlich.«
»Hallo, ich bin wieder da!«, ruft eine weiche Frauenstimme gleich darauf und die Mutter der Zwillinge betritt das Wohnzimmer.
Noch irritierender. Jetzt starren mich vier grüne, fast identische Augenpaare an.
Moment...
December schaltet das Licht an, als wolle sie die Glühbirne, die gerade in meinem Kopf aufgeploppt ist, unterstreichen. Sie wirft mir einen weiteren Kopfschmerzen-Blick zu, bevor sie den Computer zuklappt.
Christmas dagegen steht das schlechte Gewissen wie ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Mom zur Begrüßung umarmt. Ihre Mom. Der Gedanke bringt die aus Teer gebaute Mauer in meinem Bauch kurz zum Bröckeln und ich beiße mir auf die Lippe. Nicht jetzt.
»Macht ihr am Referat weiter? Dann will ich nicht dabei stören.« Nicken in meine Richtung mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, Streichen über Decembers Haar, dann ist die Frau mit den grünen Augen, braunen Locken und dem verkniffenen Lächeln durch die Tür verschwunden.
Ich blinzle, aber leider sehe ich immer noch doppelt, als ich meinen Blick den Zwillingen zuwende.
»Okay, nochmal von vorne. Worum ging's?«
Der nervige Zwilling grinst triumphierend.
»Also, meine liebe Vielleicht-Cousine, wir sind etwas Großem auf der Spur. Hariclea Diaz -«, sie sieht mich vielsagend an, »deine Tante im Übrigen – war so ein Musikwunderkind. Berühmt, super musikalisch, total abgehoben. Außerdem ein Kind von Musikproduzenten, die Familie hatte im Winter definitiv genug Kohle für Kohle. Oder die neuesten Heizungen, was weiß ich, was die da hatten. Soweit alles klar?«
Ich nicke etwas überfordert von dem plötzlichen Redeschwall.
»Super. Was dafür nicht so super ist, ist die Tatsache, dass sie entführt wurde. Scheinbar ging es ganz plötzlich, schwupp und weg. Danach kam der übliche Scheiß – Lösegeldforderung und so weiter. Die Familie schaltet aber entegen der Anforderungen die Polizei ein und da haben wir das Problem – ein paar Tage später haben sie ihnen ein Video zukommen lassen, in dem sie Hariclea erschossen haben. Die haben einen vollkommenen Schuss.«
Christmas und ich verdrehen gleichzeitig die Augen. Eine Kleinigkeit scheinen wir ja doch gemeinsam zu haben. Vielleicht mag Arvid uns deshalb. Ich rümpfe die Nase bei dem Gedanken und bin ausnahmsweise dankbar, dass December uns ignoriert und weiterredet.
»Das ist alles wirklich tragisch und ich will es auch gar nicht runterspielen, aber es gibt noch eine kleine, erwähnenswerte Kleinigkeit: Unsere Mutter sieht aus wie die Tote in älter. Ist sie ein Alien, ein Klon, ein Zombie oder doch Dieter Bohlen in Verkleidung? Wir werden es wohl nie erfahren.«
Sie breitet in einer dramatischen Geste die Arme aus und sieht mich abwartend an.
»Aha«, sage ich. Christmas schließt die Wohnzimmertür, als hätte sie Angst, ihre Mutter könne uns belauschen. Verständlich bei dem Schwachsinn, den December so von sich gibt.
Decembers Stirn kräuselt sich und ich habe schon fast Mitleid mit ihr. Sie hat bestimmt schreckliche Migräne.
»Du solltest eine Kopfwehtablette nehmen«, empfehle ich ihr.
»Was?« Sie sieht mich irritiert an. »Mir geht's super. Deshalb habe ich auch eine Theorie, was passiert ist.«
Christmas steht immer noch schweigend neben ihrer Schwester, welche gar nicht erst auf eine Reaktion meinerseits wartet. Sie ist voll in ihrem Element.
»Christmas hat alte Texte, so Poetry Slams, von Mom gelesen, die uns einige Hinweise geben. Ich zitiere: Die Samen sind gesäht, die Pflanze wird wachsen im Sonnenlicht. Und weißt du was?« Sie sieht mich vielsagend an und schiebt einen ausgedruckten Artikel zu mir. »Der Gärtner der Familie Diaz hat bestimmt eine Woche vor ihrem Verschwinden gekündigt. Wenn diese Parallele kein Zufall ist, weiß ich auch nicht.«
»Inwiefern?«, hake ich zum ersten Mal etwas nach. Wenn das wirklich die Schwester meiner Mutter ist, hilft es ihr vielleicht irgendwie. Weil sie ihre Präsenz spürt oder so. Wenn es meine oder die meiner Großeltern schon nicht schafft, die bis jetzt allerdings nur mich und nicht sie besucht haben. Sie sind extra aus den USA eingeflogen. Ich habe sie schon zu lange nicht mehr gesehen.
»Der Gärtner war sicherlich relativ jung. Wir kennen unseren Vater nicht. Was, wenn sie gemeinsam durchgebrannt sind?«
»Es wäre so toll, ihn kennenlernen zu können«, meldet Christmas sich leise. Dann sieht sie mich entschlossen an. »Aber zuerst vielleicht unsere Tante. Wir wollen ein Treffen zwischen ihr und dei- unseren Großeltern arrangieren. Bei Angeolina. In Edmonton. Morgen.«
»Ihr spinnt doch.« Ich stehe auf und gehe zur Tür, bleibe aber in der Schwelle stehen. Die ganze Geschichte klingt abgedreht, aber ehrlich gesagt wäre es mir ziemlich egal, wenn ich auf irgendeinen Blödsinn reinfallen würde. Wenn nur die Chance besteht, dass meine Mutter irgendwie mehr Unterstützung bekommt oder sich wohler fühlt, werde ich sie ergreifen.
»Schreibt mir, wie das Gespräch mit eurer Mutter läuft. Ich glaube, ich muss jetzt mal mit meinen Großeltern reden.«
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