Kapitel 41: Keine Wahl


„Hey!", eine vertraute Stimme neben ihr unterbrach den Panikstrudel, Ginny schob sich in ihr Blickfeld, „Es ist so schön dich hier zu sehen!", nahm sie schnell in die Arme und drückte sie an sich, musterte, als sie sich löste, ihren verkniffenen Gesichtsausdruck, „Alles ok?"
„Mhm...", brachte Hermine gerade eben noch hervor.
Ginny zog sie lächelnd mit sich mit, betrat mit ihr die Große Halle, die voller Leben und wie immer vor ihr lag, nur wenige sahen auf, als Hermine an ihnen vorbeilief, am Gryffindortisch angekommen sprangen Harry, Neville und Dean sofort auf, begrüßten sie erfreut, selbst Ron schenkte ihr ein, „schön, dass du wieder fit bist", mampfte dann seine Schüssel mit Porridge weiter auf.
Ihr Blick huschte kurz zum Lehrertisch, an dem sie weder Snape noch Dumbledore sah, nur eine lächelnde McGonagall, die ihr zunickte.

Sehr viel erleichterter nahm sie an ihrem Tisch Platz, sah in die Gesichter ihrer Freunde, die wirklich erleichtert waren, dass es ihr wieder besser ging.
„Wie geht's dir?", fragte Neville beinahe schon aufgeregt.
„Ich glaube besser... obwohl ich ziemlich nervös war, wenn ich ehrlich bin... auch wenn es nur drei Tage waren.", sie lächelte entschuldigend, „Ich war noch nie drei Tage nicht im Unterricht.."
„Das stimmt nicht so ganz... immerhin warst du bestimmt zwei Wochen im Krankenflügel als du versteinert warst..", warf Ron ein, lachte leicht.
„Und den Unfall, der dich in eine Katze verwandelt hat, nicht zu vergessen...", fügte Harry lachend hinzu.
„Okay... okay... ich war schon öfter außer Gefecht gesetzt, ihr habt ja recht.", lachte Hermine ebenfalls, aber niemals wegen so einer Sache..., dachte sie still und heimlich, versuchte die Gedanken auf andere Themen zu lenken.
„Die Hauptsache ist, dass es dir wieder besser geht", sagte Ginny.
„Ich glaube... das schlimmste hab ich hinter mir.", bestätigte Hermine, redete sich damit selbst ein, dass der größte Schock bereits überwunden war, auch wenn das nicht im geringsten der Wahrheit entsprach.
Sie räusperte sich, „hab ich... irgendetwas Aufregendes verpasst?", wollte sie möglich ungezwungen wissen, schüttete sich dabei ihr Glas voll Kürbissaft und versuchte etwas in Seamus' Tagespropheten zu erkennen.
„Eigentlich nichts Besonderes", nuschelte Ron mit vollem Mund, Ginny versuchte dabei ihr Frühstück vor der möglichen Spuckattacke ihres Bruders zu schützen, „von Snapes blauem Auge hast du bestimmt gehört", lachte er schadenfroh.
„Ja...", Hermine schluckte, „das hat Harry erzählt..."
„Hätte nie gedacht, dass der sich prügelt", nuschelte Ron weiter, versuchte sich dabei krampfhaft vorzustellen, mit wem sich sein verhasster Lehrer geprügelt haben könnte.
„Ich frage mich, warum er es nicht geheilt hat", warf Ginny ein, „das ist doch merkwürdig, oder nicht?"
„Naja... damals hat er die Wunde von Fluffy auch nicht geheilt... er ist noch Tage danach umher gehumpelt, erinnerst du dich?", mischte sich nun auch Harry ein.
„Ist vielleicht irgendein Fetisch von ihm...", Ron zuckte mit den Schultern.
„Du meinst er steht auf Schmerzen?", fragte Ginny skeptisch.
„Wer weiß... vorstellen könnte ich es mir..", sagte der Rothaarige, schob dann seine halbvolle Schüssel zur Seite, „und da vergeht mir der Appetit..."

Hermine saß ziemlich verloren zwischen ihren Freunden, die ganze Situation war mehr als nur unangenehm, sie wollte eigentlich nicht schon am frühen Morgen mit diesem Thema konfrontiert werden, auch wenn sie sich natürlich denken konnte, dass sein Veilchen ein sehr großes, wenn nicht DAS, Gesprächsthema in Hogwarts war.
Sie nahm einen großen Schluck ihres Safts, stand dann schnell auf und entschuldigte sich mit einem schnellen, „ich geh schon mal vor... dann kann ich schon mal in die Bücher gucken", und lief eiligen Schrittes aus der Halle nach unten in die Kerker, um die erste Stunde hinter sich zu bringen; ihre Freunde folgten weniger euphorisch eine Viertelstunde später.

Die Stunden an sich verliefen im Grunde genau gleich ab, die Professoren waren froh und erleichtert, dass es Hermine wieder besser ging, die mit ihrem nach- und auch vorgearbeitetem Wissen glänzte und nicht den Hauch eines Eindrucks hinterließ, dass sie drei Tage verpasst hatte.
Nach den ersten vier Stunden hatte sich Hermine ein wenig beruhigt, das Lernen und der Unterricht lenkten sie ab und in der darauffolgenden Mittagspause konnte sie sogar schon wieder mit ihren Freunden zusammen in der Großen Halle über alle möglichen Themen reden und lachen und nachdem sie auch die anstrengenden Stunden Verwandlung bei McGonagall nach der Mittagspause überstanden hatten, wartete nur noch eine Stunde auf sie, die die vorausgegangene Entspannung mit einem Schlag zu nichte machte.

„Auf zur letzten Stunde", seufzte Harry, der sich unsicher umsah, als Hermine nicht mehr neben ihm lief, „kommst du?", nahm dann Hermines Hand, die, wie ein scheues Reh im Lichtkegel stand und zog sie hinter sich her, als würde sie sich sträuben auch nur in die Nähe des Raumes zu gelangen.
Je mehr Schritte sie in seine Richtung trugen, desto nervöser wurde sie; wieder spürte sie den immer schneller werdenden Herzschlag, wie das Blut immer schneller durch ihren Körper gepumpt wurde, hörte das Rauschen in ihren Ohren und hatte das Gefühl, dass sie sich entweder erneut übergeben müsste oder sie den Halt unter den Füßen verlor.
Noch ehe sie sich versah, stand sie in Snapes Unterrichtsräumen, alles in ihr schrie, dass sie weglaufen sollte, aber sie konnte sich kaum bewegen, wurde von Harry auf ihren Platz geschoben, „keine Sorge... es ist nur Snape... du kannst dir vielleicht ein- zwei blöde Sprüche anhören und dann-"

„Mr. Potter....", zischte eben erwähnter, „würden Sie die Güte besitzen, sich auf Ihren Platz zu setzen und aufhören zu reden?"
„Aber natürlich, Sir", gab Harry verächtlich zurück, drückte Hermines Schulter und lächelte aufmunternd, bevor er sich neben Ron auf seinen Platz setzte.
Als Potter sich auf seinen Platz setzte, gab er den Blick auf Hermine frei, die Severus bis zum Schluss nicht gesehen hatte.
Es war das erste Mal, dass er sie sah nach diesem katastrophalen Ausgang der Affäre.

Für einen kurzen Moment musste er sich sammeln, schluckte dann die Nervosität herunter, die sich immer weiter in ihm aufbaute und ignorierte sie komplett.
Er ordnete an, die letzte Stunden in einer kleinen Gruppenarbeit wiederholen zu lassen, dabei übten sie nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis, so schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe, er zwang die Schüler damit den Stoff zu wiederholen und stellte gleichzeitig sicher, dass Hermine nichts grundlegendes verpasste.
Anstatt wie sonst durch den Raum zu laufen, die Fehler der Schüler mehr als deutlich hervorzuheben und sie für ihre Unzulänglichkeiten mit Punktabzug zu bestrafen, widmete er sich den katastrophalen Aufsätzen der Viertklässler und korrigierte diese noch unbarmherziger als üblich.
Er wollte sie nicht ansehen, er durfte sie nicht ansehen, er konnte es einfach nicht.
Die Gefahr, dass sie zu ihm sah, ihn mit einem anklagenden Blick oder Ignoranz strafte und ihn damit quälte, war einfach zu groß.

Was sollte er sagen?
Wie sollte er das Ganze je wieder gut machen?

Er hatte sich immer noch nicht entschieden, wie er ihr gegenüber treten sollte, ob er je das Gespräch mit ihr suchen sollte oder würde, ob sie jemals über all das Reden würden, was sie zusammen erlebt hatten, ob sie ihm jemals die Chance geben würde über all das zu reden.
Bei Salazar, reiß dich ein wenig zusammen... dir muss doch klar sein, dass du nie wieder richtig mit ihr reden können wirst... das hast du dir selbst zuzuschreiben...
Noch bevor er sich selbst dafür gedanklich geißeln konnte, trat Parkinson in sein Blickfeld, er konnte sich immer noch nicht erklären, wie ihre Noten für diesen Kurs zustande kamen, sie war, wenn er ehrlich war, eher mäßig begabt, „Sir... Crabbe und Goyle haben sich gegenseitig ausgeknockt...", sie zeigte auf die beiden am Boden liegenden Schwachköpfe, „ich glaube Crabbe hat sogar eine Platzwunde."

Severus verdrehte die Augen, „beim heiligen Salazar... kriegen Sie es nicht einmal hin eine einfache Aufgabe ohne Unfälle auszuführen?!", brüllte er das arme Mädchen an, das in der Tat überhaupt nichts dafür konnte, stand dann derart schwunghaft auf, dass der Stuhl mit einem lauten Knall hintenüber kippte und damit die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse auf sich zog und stürmte zu den leicht verletzten Schülern, grummelte sich die eine oder andere Beleidigung in den nicht vorhandenen Bart.
„Was steht ihr hier noch so rum? Verschwindet, die Stunde ist beendet!", bellte er, als die übrigen Schüler den Atem anhielten und seine Heilkünste bestaunten, „Mr. Malfoy! Sorgen Sie dafür, dass diese beiden Tölpel nochmal zu Madame Pomfrey gehen."
Draco, der dem Unterricht, wie immer, nicht gefolgt war, sah genervt auf, „aber-"
„Kein aber", zischte er, „nehmen Sie Zabini mit!", ordnete er an, hielt den ausgeknockten Schülern ein widerlich stinkendes Riech-Öl unter die Nase, um sie aus der leichten Benommenheit aufzuwecken.

Als er aufstand und sah, dass sich keiner der Schüler auch nur einen Meter bewegt hatte, verlor er endgültig die Geduld, „RAUS!", brüllte er in einer ungeahnten Lautstärke, die die Wände nur so erzittern ließ.
Ron ließ sich das nicht drei Mal sagen, packte so schnell es ging seine Tasche, Harry folgte wenig später, zog Hermine wieder einmal hinter sich her.
„Was ist denn mit dem nicht richtig?!", fragte Ron hysterisch, sah sich beinahe schon paranoid um und nahm die Beine in die Hand.
„Es ist doch immer dasselbe mit Crabbe und Goyle...", Harry zuckte mit den Schultern.
„Alter... er hat die ganze Klasse zusammen gebrüllt, weil die beiden Idioten nichts können, hast du Pansy gesehen? Sie hatte sogar Tränen in den Augen... der Typ hat sie einfach nicht mehr alle.", meinte Ron immer noch aufgebracht, schüttelte den Kopf.
„War vielleicht wirklich ein wenig drüber...", Harry nickte langsam.
„Würd mich nicht wundern, wenn Dumbledore die Fledermaus zu sich bestellt..."

Hermine sagte zu alledem nichts, viel zu geschockt war sie über seinen plötzlichen Wutausbruch, so hatte sie sich das erste Aufeinandertreffen garantiert nicht vorgestellt.
Anders als Harry, Ron und die ebenso erschrockenen Slytherins vermutete Hermine allerdings einen bestimmten Grund für seine vollkommen übertriebene Reaktion: er war ebenso überfordert mit allem, wie sie.
Es war ihm nicht egal, so, wie sie die letzten drei Tage gedacht hatte.
Dass er nicht gefragt hatte, wo sie war, war vielleicht nicht einmal eine böse Niederträchtigkeit, kein Beweis seiner Grausamkeit und Kälte, sondern ein Anzeichen für seine Überforderung, die heute ganz deutlich nach außen getragen wurde, nachdem er sie erblickt hatte.
Sie glaubt etwas in seinem Blick gesehen zu haben, was etwas wie Verzweiflung hätte sein können, aber konnte sie ihren eigenen Gedanken und Gefühlen diesen Mann betreffend überhaupt noch glauben?
Hatte sie ihn in den vergangenen Monaten wirklich kennengelernt?
Oder war das alles nur ein Vorspielen falscher Tatsachen, die Hermine, naiv wie sie war, einfach so glaubte?
Warum bildete sie sich ein ihn lesen zu können?
Und warum war es ihr überhaupt noch wichtig zu wissen, was sein verdammtes Problem war?

Sicher war, dass er ihr verdammtes Problem war und so lange blieb, bis sie die Schule beendete und diese Zukunftssicht war nicht besonders ermutigend.
„Apropos Dumbledore...", Harry seufzte.
„Man... was will er immer von dir? Wir können nicht einen Abend mal zusammen verbringen.", motzte Ron, ließ sich auf die Bank der Gryffindors fallen und schnaubte.
„Es ist wichtig, Ron...", Harry legte den Kopf schief, beugte sich dann zu ihm, „kümmer dich ein bisschen um sie... irgendwas stimmt nicht."
„Das ist ja mal was ganz neues, dass mit ihr was nicht stimmt..", nuschelte Ron.
„Ron...", Harry schüttelte den Kopf, „ich mein's ernst... vertragt euch bitte einen Abend mal...", gab ihm einen eindringlichen Blick, verabschiedete sich von Hermine, die dem Gespräch der Jungs überhaupt nich gefolgt war.

„Wohin geht er?", fragte sie verwirrt, sah ihm hinterher.
„Zu Dumbledore...", brummte Ron, „wie so oft in den letzten Wochen."
Sie nahm einen tiefen Atemzug, „ich hoffe es hilft ihm.."
„Wobei?", fragte der Rothaarige skeptisch.
„Bei was auch immer Harry wann auch immer machen muss...", sie dachte an die Enthüllungen des Todessers, von dem sie nicht akzeptieren wollte, dass es Snape war, dass auch Voldemort immer nervöser wurde und etwas plante und sie hoffte mehr als alles andere, dass der Schulleiter Harry auf alles vorbereitete, was auch immer da kommen würde.
„Du glaubst, dass Dumbledore ihn auf einen Kampf mit Du-weißt-schon-wem vorbereitet?", fragte Ron besorgt, rutschte auf seinem Platz ein wenig näher zu Hermine.
„Ich denke darauf wird es hinauslaufen.... Erinner' dich an das, was die Prophezeiung gesagt hat... keiner von beiden kann leben, während der andere überlebt... am Ende muss einer den anderen umbringen.", flüsterte Hermine ehrfürchtig, sie wollte weder, dass Harry getötet wurde, noch, dass er jemanden töten musste, das hatte er nach allem, was er erlebt hatte, nicht verdient.
Ein wenig bedröppelt und nachdenklich sah Ron auf den Holztisch vor ihm, „glaubst du... ich meine... denkst du, dass er es schaffen könnte?", er wägte beinahe schon ängstlich die Chancen seines besten Freundes ab.
„Er muss es schaffen... ansonsten wäre alles umsonst gewesen... wie oft ist er ihm schon begegnet... und Voldemort hat es nie geschafft...", eine grimmige Verzweiflung legte sich in sie, „das muss doch etwas bedeuten.", redete sie sich ein.
„Ich hoffe du hast recht..", Ron nickte, „hat er dir gesagt, was er bei Dumbledore macht?"
Sie schüttelte den Kopf, „kein Wort... ich glaube er hat Angst, dass er uns noch weiter in die Schusslinie bringt... je mehr wir wissen, desto größere Ziele sind wir."
„Wir sind alle Ziele... egal wie viel wir vielleicht wissen oder eben nicht...", er schwieg einen Moment, „Mum verlässt das Haus nicht mehr, Dad bekommt selbst auf der Arbeit Drohbriefe... George hat es mir erzählt", meinte er leise, „und das Ministerium macht einfach nichts dagegen..."
„So viel Einfluss wie Voldemort schon jetzt hat, wird er mit Sicherheit auch dort seine Leute haben... treue Anhänger, die immer noch seiner Ideologie folgen."
„Da könntest du sogar recht haben... naja, zumindest ist Malfoy Senior da, wo er hingehört... auch wenn Junior jetzt vermutlich seinen Platz einnimmt...", auch für Ron war die Möglichkeit, dass Draco zu den Todessern gehörte immer wahrscheinlicher, was ihn, wenn er ehrlich war, sehr nervös machte.
„Dafür gibt es immer noch nicht eindeutige Beweise... es sind Vermutungen...", rügte Hermine, seufzte dann und strich sich über die Augen, beobachtete, wie Draco und Zabini mit Crabbe und Goyle die Halle betraten und sich an ihren Tisch setzten.
„Wie viele Beweise brauchst du denn? Er war bei Borgin&Burkes mit Fenrir Greyback! Malfoy hat wie sein Vater die falsche Wahl getroffen."
„Vielleicht hatte er gar keine Wahl", sagte sie gedankenverloren.
„Man hat immer eine Wahl", motzte Ron.
Sie sah auf, „hatte Harry auch eine Wahl? Oder Remus damals? Nein, Ron...es gibt Menschen, die haben keine Wahl... Manchmal ist das Leben einfach nicht fair."

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