Kapitel 9

James konnte nicht glauben, dass er das freiwillig tat, aber irgendwo hatte er schon einen Verstand, der ihm sagte, was Verantwortungsbewusstsein bedeutete. Beispielsweise wenn es um seine Freunde ging. Oder seine Eltern.
Oder jetzt eben um Evans, die er nicht im Stich lassen wollte.
Sichtbar überrascht sah sie ihn schon gleich viel freundlicher an. "Um was geht es denn?" James lächelte und sah ihr in die grünen Augen. So konnte sie ihn ruhig öfter anschauen.

"Potter?"
"Hm?"
"Du wolltest mir gerade etwas über unsere Pflichten als Schülersprecher erzählen.", sagte Evans und sah ihn zweifelnd an. "Aber anscheinend war es doch nicht so wichtig." Sie wandte sich wieder ihrem Aufsatz zu.
"Nein, nein, warte.", sagte James hastig. "Es ist wichtig."
Evans wandte sich genervt erneut an ihn. "Dann spuck's schon aus, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit."
"Schon gut, schon gut, Evans." James hob abwehrend die Hände. "Mich hat vorhin McGonagall angesprochen wegen den Aufsichten, die die Vertrauensschüler machen müssen. Da war irgendwie ein Fehler drin und jetzt müssen wir den ganzen Plan nochmal umschmeißen. Sie hätte gerne die neue Liste bis heute Abend."

"Heute Abend?", wollte Evans geschockt wissen und ihre Augen weiteten sich. "Und das sagt sie heute?"
James grinste schief. "Naja, heute ist eben Freitag...und nächste Woche müssen die Aufsichten anfangen."
Gestresst fuhr sich Evans durch ihr langes, rotes Haar.
"Okay, das kriegen wir irgendwie hin."
"Klar kriegen wir das hin.", meinte James schulterzuckend.
"Wir teilen einfach selbst ein."
Evans sah ihn unsicher an. "Ich glaube nicht, dass das einfach so-"
"Ach was, natürlich geht das einfach so.", unterbrach James sie und klaute ihr ein Blatt Pergament und ihre Feder, die sie immernoch in der Hand hielt.
Er zeichnete eine Tabelle auf das Pergament, ähnlich der im Zug und trug willkürlich einfach irgendwelche Namen ein.
"Wie hießen nochmal die zwei Ravenclaws?"
"Also, äh, Lucy McShane und Will Martin.", meinte Evans überfordert. "Da werden bestimmt nicht alle zufrieden sein.", fügte sie dann noch zweifelnd hinzu.
James zuckte mit den Schultern. "Das Leben ist eben kein Wunschkonzert und ich hab es gerecht verteilt."
"Gerecht?", wollte Evans misstrauisch wissen und schielte auf das Stück Pergament. "Moment mal...wo stehen wir da?"
James blickte angestrengt auf das Blatt. "Ähm, da! Dienstag Abend."
"Und?"
"Und was?", fragte er verwirrt.
"Wir können nicht nur eine einzige Schicht übernehmen, Potter, während die Vertrauensschüler drei Schichten machen müssen.", brauste Evans auf.
James stöhnte genervt. "Na gut, ein Versuch war es wert."
Er zückte erneut die Feder und kritzelte auf dem Pergament herum.
Nach einer Weile blickte er wieder auf und sah Evans abwartend an. "Besser?"
Sie entzog ihm das Blatt und scannte es sorgfältig.
James beobachtete sie dabei fasziniert. Ein paar Strähnen ihres feuerroten Haares glitten nach vorne in ihr Gesicht und ihre Augenbrauen zogen sich angestrengt zusammen. James fragte sich ernsthaft, wie er sie nur aus seinem Kopf bekommen sollte. Er bereute, Evans heute nach einem Date gefragt zu haben, denn nun zeigt sie ihm wieder die kalte Schulter.

"Ich denke, das können wir so lassen.", gab sie schließlich ihren Zuspruch. "Und wie teilen wir das den Vertrauensschülern mit?"
James lächelte kurz und deutete mit dem Zauberstab auf das Stück Pergament, das sich augenblicklich vervielfältigte.
"Problem gelöst.", meinte er.
Evans atmete laut aus. "Na gut, ich bin einverstanden. Teilst du das den Vertrauensschülern aus?"
James legte den Kopf schief. "Und was ist deine Ausrede?"
Empört öffnete Evans ihren Mund. "Ich...ähm, hab hier zu tun."
Der Schwarzhaarige seufzte. "Na gut, was ich nicht alles für dich mache, Partnerin." Er stand auf und schnappte sich die Zettel. "Dann bringe ich eben allein den Plan zu McGonagall und sahne den Ruhm ab."
Er grinste und richtete seine Brille.
Das rang Evans ein kleines Lächeln für ihn ab.
"Schon okay, ich überlasse dir gerne den Ruhm."
Enttäuscht schob James die Unterlippe vor. "Also Partnerarbeit müssen wir nochmal üben, Evans."
Evans schüttelte lächelnd den Kopf. "Jetzt geh schon, Potter. Du schaffst das auch alleine."
James fuhr sich durch sein schwarzes Haar. "Du bist mir was schuldig, Evans.", zwinkerte er und verschwand aus der Bibliothek.

Als er jedoch an den Regalreihen vorbeilief, entdeckte er Severus Snape, der an eines der Regale gelehnt war. Es juckte James in den Fingern, ihn zu provozieren, doch Evans saß nur wenige Meter entfernt und würde wahrscheinlich alles hören, was er sagen würde. Deshalb biss James die Zähne zusammen und lief weiter. Zumindest bis er aufgehalten wurde von einem giftigen "Potter!"
James drehte sich wieder um und sah Snape, der ihm ein paar Schritte gefolgt war, vor ihm stehen.
"Schniefelus! Lang nicht mehr gesehen.", sagte James trocken. "Was willst du?"
Er sah Snape an, dass es ihm gewaltig gegen den Strich ging, James anzusprechen.
"Lass sie in Ruhe.", sagte der Slytherin leise.
James sah ihn kurz verständnislos an. Dann glitt sein Blick auf den Rücken von Lily Evans, die über ihren Aufsatz gebeugt saß.
"Evans?", fragte er verwundert, grinste dann aber. "Bist du etwa eifersüchtig?"
Snape verzog vor Zorn seinen Mund. "Lass sie einfach in Ruhe, Potter. Sie hat etwas besseres verdient als dich."
James sah ihn belustigt an. "Du meinst doch nicht etwa dich selbst, Schniefelus?"
Snapes Hand ertastete seinen Zauberstab durch den Stoff seines Umhangs.
"Wirklich jetzt?", wollte James mit hochgezogen Augenbraue wissen. "In der Bibliothek?"
"Halt dich von ihr fern.", zischte Snape und seine Augen funkelten böse.
"Tut mir wahnsinnig leid, aber mir geht es so ziemlich am Arsch vorbei, was du mir zu sagen hast.", sagte James und konnte einfach nicht wiederstehen, ihn zu provozieren. "Evans kann glaube ich ganz gut auf sich alleine aufpassen und braucht erst recht keine irren Reinblutfanatiker, die das für sie erledigen. Immerhin haltet ihr doch nichts von ihresgleichen, oder nicht?"
Snape schnaubte wütend. "Du verstehst das nicht."
James verdrehte die Augen. "Ich glaube, ich versteh das ganz gut. Und jetzt entschuldige mich, ich muss meinen Pflichten als Schülersprecher nachgehen."
Damit ließ er Snape mit seiner Wut stehen.

Überrascht stellte James fest, dass diese Art der Auseinandersetzung mit Snape nicht weniger befriedigend war, als ihn mit Flüchen zu demütigen.
Grinsend schlenderte James durch das relativ verlassene Schloss und fühlte sich seltsamer Weise richtig gut. Evans schien ihm das mit dem Date nicht nachzutragen und Schniefelus hatte er in seine Schranken gewiesen, ohne gegen die Schulregeln zu verstoßen. So könnte es doch immer laufen.

Nun stellte sich jedoch die Frage, wie er all die verschiedenen Vertrauensschüler ausfindig machen sollte. Kurzerhand lief er zum Gryffindorgemeinschaftsraum, wo er außer den Vertrauensschülern auch noch Sirius und Remus antraf, die Schulzeug vor sich ausgebreitet hatten. Eher gesagt Remus hatte es ausgebreitet und arbeitete wie Evans an einem seiner Aufsätze, während Sirius die Karte des Rumtreibers studierte. Die Karte war ihr ganzer Stolz und zeigte ganz Hogwarts, jeden Korridor, jeden Raum und jeden Geheimgang. Sogar die Ländereien waren darauf zu sehen. Und das Beste daran war, dass jeder einzelne Mensch im Schloss ebenfalls gezeigt wurde, wo er war und wo er hinging.

"Na, schönes Pläuschchen mit Evans gehabt?", neckte Sirius ihn. "Und Schniefelus war ja auch am Start. Ich wäre zu gern dabei gewesen."
Remus verdrehte die Augen. "Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, in die Bibliothek zu rennen. Ich hätte echt nicht gedacht, dass ich das jemals machen werde."
James lachte und setzte sich neben Remus. "Ich hatte tatsächlich ein nettes Pläuschchen mit Evans und Schniefelus."
"Hat Lily dir verziehen?", fragte Remus hoffnungsvoll. James zuckte mit den Schultern. "Es war eigentlich gar kein Thema, aber ich glaube, es hat ihr gefallen, dass ich meine Pflichten ernst nehme."
"Hab ichs doch gesagt.", meinte der Werwolf zufrieden.
"Habe ich gerade richtig gehört?", wollte Sirius ungläubig wissen. "Du hast dich mit Schniefelus unterhalten?"
James grinste. "Allerdings. Er wollte mir klarmachen, dass ich mich von Evans fernhalten soll, weil sie 'jemand besseren verdient hat'. War ganz witzig mit anzuhören, weil er und seine ganzen Todesserfreunde sie doch als  Schlammblut sehen."
Sirius nickte genervt. "Der soll einfach seine dumme Klappe halten. Da kommt nichts als Mist raus."
"Wo ist eigentlich Peter?", wollte James plötzlich wissen, denn das vierte Mitglied der Rumtreiber fehlte.
"Ich glaube er hat etwas von Koboldstein-Club gesagt.", meinte Remus und wandte sich wieder seinem Aufsatz zu.
Sirius sah auf die Karte. "Ich finde ihn nicht...ach egal, der wird schon wieder kommen."
Stöhnend lehnte James seinen Kopf an die Sofalehne. "Ich muss noch die Pläne an die Vertrauensschüler verteilen, obwohl ich nichtmal mehr weiß, wie die alle aussahen."
Remus sah ihn mitleidig an. "Draußen auf der Wiese liegen viele, vielleicht findest du da welche?"
James nickte. "Kann ich die Karte haben, Tatze? Dann finde ich sie schneller."
Wiederwillig reichte ihm Sirius die Karte.
"Na toll, und was mach ich jetzt?"
"Wie wärs mit dem Zaubertränkeaufsatz?", grinste Remus schief.
Sirius schnaubte abfällig. "Ich komm mit, Krone. Hab ja sonst nichts zu tun."
Remus zog genervt die Augenbrauen hoch. "Wenn du meinst."
James grinste. "Danke, Kumpel."

Sie klapperten erst Hufflepuff, dann Ravenclaw und zum Schluss Slytherin ab, die sie bewusst bis zum Schluss aufgeschoben hatten.
"Jetzt müssen wir noch zu McGonagall.", meinte James und suchte ihren Namen auf der Karte.
Sie trafen sie beim Lehrerzimmer, wo sie mit Professor Flitwick etwas besprach.
"...dann sind das etwas zehn Schüler pro Haus. Das könnte etwas knapp vom Platz werden, aber wir kriegen das schon hin.", sagte Flitwick gerade.
"Entschuldigung, Professor McGonagall?", unterbrach James ihr Gespräch vorsichtig.
"Was ist denn so dringend, Mr Potter? Und Mr Black ist auch dabei?", fragte McGonagall verwundert.
Sirius grinste sie frech an. "Ich helfe meinem Freund, seinen Pflichten als Schülersprecher nachzukommen, Professor."
McGonagall sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Ach, ist das so?"
James streckte ihr das Pergament mit den Aufsichten entgegen.
"Das ist die Schichteinteilung der Vertrauensschüler.", erklärte er.
"Vielen Dank.", meinte McGonagall. "Ich schätze es sehr, dass Sie das heute noch auf die Reihe bekommen haben. Sie machen sich gut, Potter." Sie lächelte ihn kurz an.
"Danke, Professor.", grinste er und fuhr sich durch sein Haar. "Allerdings habe ich das gemeinsam mit Evans gemacht, Sie müssen sie also auch noch loben."
McGonagalls Augen blitzten kurz auf. "Natürlich, Potter."

"Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen, meine Herren.", sagte Sirius feierlich und öffnete ein Butterbier.
"Einer der Rumtreiber hat ein Lob von einem Lehrer bekommen, weil er zum Gelingen des Schulalltags beigetragen hat."
"Hör auf, das ganze so zu dramatisieren, Tatze.", lachte Remus. "Wir sind ja trotzdem noch die Rumtreiber, auch wenn James jetzt Schülersprecher ist."
"Versau mir nicht die Show, Moony.", meinte Sirius genervt.
James öffnete sich auch ein Butterbier und lehnte sich zurück in die Kissen. "Also ich genieße diese Aufmerksamkeit, die ihr mir zukommen lasst."
Peter kicherte und biss von seinem Lakritzzauberstab ab.
"Du willst da jetzt echt drauf anstoßen?", fragte Remus ungläubig.
"Nein, eigentlich müssten wir Krone dafür rausschmeißen.", sprach Sirius ernsthaft.
"Das geht gar nicht.", sagte dieser.
"Wer sagt das?", wollte Sirius wissen.
"Ich.", meinte James, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. "Ohne mich seit ihr ja gar nicht mehr die Rumtreiber."
Und daraufhin antwortete niemand mehr etwas, denn es war die Wahrheit und alle wussten das. Egal, wer von ihnen fehlen würde, sie wären nicht mehr die Rumtreiber, wie die Welt sie kannte. Würde nur einer die Gruppe verlassen, würden die Rumtreiber nicht mehr existieren.

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