Kapitel 9

Auf der ausgelassenen Siegesfeier unterhielt ich mich mit einem jungen Mann Anfang 20, der ganz neu einberufen worden war und erstmal nur, als Ersatz die Reihen verstärkte. Er hieß Justus und studierte nebenbei noch Wirtschaftsinformatik. Joshua hatte ich da schon aus den Augen verloren.

„Was hast du eigentlich auf dem CHIO Amsterdam gemacht? Ich habe dich noch nie bei der Equipe gesehen." rief Justus über den Lärm hinweg in meine Richtung und leerte seinen Wodkashot. „Ich habe nur zugesehen" rief ich als Erklärung. „Also bist du keine Pflegerin?" er hatte mich wohl nicht mit Joshua gesehen. Ich sah ihn beleidigt an „Sehe ich etwa so aus?" „Nee!" besänftigte er auch sofort. „Also mit wem bist du da?" irgendwie konnte ich es mir nicht vorstellen, dass er das mit Joshua nicht mitbekommen haben könnte. Ich wollte gerade antworten, da fragte jemand Justus etwas und seine Frage schien, als die Person wieder weg war vergessen zu sein. „Reitest du auch?" Ich nickte „Ja. Dressur". „Cool" kommentierte er nur knapp und kippte den nächsten Shot. Man halte fest Reiter können anscheinend ganz schön was vertragen. „Leider seid ihr Dressurmädels häufig so zickig" lachte er. Mit Klischees schmeißen kann ich auch „Und ihr Springer sind alle Machos" lachte ich. „Bitte! Aber wir sind keine VSler die sind doch alle noch schlimmer als wir" „Mit einem Vielseitigkeitsreiter hatte ich noch nichts!" schloss ich die Diskussion. Justus lachte „Aber mit Springreitern?". Ich lachte und nickte „Ja... war recht abenteuerlich!" Ich nahm jetzt auch einen Shot. „Würdest du denn dann nochmal etwas mit einem Springreiter anfangen?" er grinste spitzbübisch und Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen, während er sich weiter in meine Richtung lehnte. Ich lachte und wollte gerade antworten, dass ich streng genommen ja schon etwas mit einem Springreiter hatte, da kam Joshua auf uns zu.

„Glück...." fing Justus an zu reden, aber brach ab als er Joshuas Blick sah. Joshua schlang von hinten die Arme um mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich sah, dass Justus schlucken musste. Der Arme hatte sich wohl kurz Hoffnungen gemacht. Ich dreht meinen Kopf zu Joshua und legte meine Lippen auf seine. Ich schmeckte den starken Alkohol auf seinen Lippen. Er musste auch schon einiges Intus haben, weswegen der Kuss wohl auch ziemlich leidenschaftlich ausfiel. „Leute nehmt euch ein Zimmer" rief Till uns im vorbeigehen zu. Joshua löste den Kuss und lachte einfach nur. Ich himmelte ihn, Alkohol sei dank, etwas verklärt an. Justus musste noch einmal schlucken, dann stand er auf. Was er noch sagte verstand ich nicht, aber das war mir auch egal, denn in dem Moment zählte für mich nur Joshua.

Der grinste mich an und meinte „So darfst du mich gerne immer ansehen" und dabei am besten noch sein Ego streichelen. Ich wurde rot und legte die Hände in seinen Nacken. Tief blickte ich ihm in die blauen Augen und lallte angetrunken „Ich liebe dich". Wieder lachte er „Darüber sprechen wir noch einmal wenn du nüchtern bist" dann wurde seine Stimme rauer „und über die Sache mit Justus auch!"

Ich stöhnte auf. Verdammte scheiße nochmal! Mein Kopf dröhnte dermaßen, dass der gestrige Tag ein Witz dagegen war. Ich blinzelte und hoffte so mich möglichst gut an das Licht zu gewöhnen. Ich hörte wie jemand ein Wasserglas neben mir auf dem Nachttisch abstellte. Ich rollte mich auf die entsprechende Seite und sah das Glas in dem sich gerade eine Kopfschmerztablette auflöste. Dankbar lächelte ich Joshua an, der auf der Bettkante saß und anscheinend darauf wartete, dass ich ansprechbar und in einigermaßen guter Verfassung war. Noch etwas kraftlos richtete ich mich auf und griff nach dem Glas um es in einem Zug zu leeren. „Besser?" fragte er. „Ja. Wie lange habe ich geschlafen?" ich fasste mir an den Kopf. „Das Frühstück hast du verschlafen und meine Prüfung mit Firebird auch" erklärte er. Das erklärte auch warum er Jeans und T-shirt trug und nicht Turnierklamotten. „Oh das tut mir leid!" komischerweise fühlte ich mich schlecht nicht da gewesen zu sein. „Schon okay. Du warst ziemlich ausgenockt." grinste er. Ich fand das nur garnicht witzig.

„Außerdem haben wir noch etwas zu klären" Wir hatten was? „Warum?" fragte ich reichlich verwirrt. „Justus hat gestern Abend mit dir geflirtet" plötzlich kippte seine Stimmlage und auch sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Nichts an ihm war mehr freundlich. Ich musste schlucken. Das hatte ich ja gar nicht mehr auf dem Schirm.

Bruchstückhaft fielen mir einige Sachen von gestern Abend ein. Ja Justus hatte mit mir geflirtet und Joshua war nicht begeistert gewesen, aber ich hatte doch den Rest des Abends nur an seinen Lippen gehangen und ihn etwas grenzdebile angeschmachtet, da er mir so surreal vorgekommen war. Außerdem kam mir wieder meine Liebesbekundung in den Sinn. Fuck!

„Sorry. Er hatte es nicht mitbekommen, dass wir zusammen sind" wobei ich bei ‚zusammen' mit den Fingern Anführungszeichen formte. Wusste ich doch immer noch nicht was das zwischen uns war. „Dann hättest du es ihm sagen können!" knurrte er unwirsch. Was zur Hölle war sein Problem? „Wollte ich ja, aber..." er unterbrach mich „Rede dich nicht raus!" beim klang seiner Stimme zuckte ich zusammen. Er schluckte und ließ unruhig seinen Blick über mich wandern, als würde er überlegen was er mit mir machen könnte um mir klar zumachen, dass ich nur und auch wirklich nur zu ihm gehörte zumindest bis zum Vertragsende.

Kikis Worte spukten wieder durch meinen Kopf. ‚Pass auf dich auf! Joshua ist nicht so wie er scheint'. Gerade bekam ich um ehrlich zu sein etwas Angst vor ihm.

Grob griff er nach meinen Handgelenken. Verwirrt sah ich ihn an. Er drückte mich zurück auf die Matratze und fixierte meine Handgelenke über meinem Kopf, in dem er sie neben mir auf das Bett drückte. Ich musste scharf einatmen. Immer noch blickte ich ihn Verständnislos an. „Wolltest du etwas von ihm?" fragte er scharf. Ich schüttelte den Kopf und behielt meinen Blick bei. Sein Griff verstärkte sich und inzwischen tat es ziemlich weh, da er ziemlich stark auf den Bereich der Pulsadern drückte. Ich wand mich leicht unter seinem Griff „Joshua, bitte hör auf und lass mich los! Ich wollte nichts von ihm! Wir haben uns nur nett unterhalten"

Augenblicklich löste sich sein Griff. Ich setzte mich sofort wieder auf und ich rutschte sofort etwas von ihm weg. Meine Handgelenke taten immer noch weh und ich konnte seinen Griff um sie quasi noch spüren. Er wirkte erschreckt, als hätte er das eigentlich nicht tun wollen und die Kontrolle verloren. Seine vollen Lippen öffnete er leicht und wollte anscheinend etwas sagen, aber entschied sich wohl dagegen. Er streckte stattdessen die Hand nach mir aus, aber ich wich weiter zurück. „Fass mich nicht an!" brachte ich zittrig über die Lippen. Sein Blick lag weich und bedauernd auf mir „Malar, es tut mir leid!" nervös fuhr er sich durch die Haare „Ich dachte ich hätte mich inzwischen besser unter Kontrolle." murmelte er so leise, dass ich es kaum hörten konnte. Wieder griff er, dieses mal vorsichtig und liebevoll, nach meiner Hand. Ich war noch zu paralysiert und verwirrt, so zog ich sie nicht weg. „Es tut mir leid" beteuerte er noch einmal. Seine dürren und schlanken Finger fuhren tröstlich über meinen Handrücken. Ich vermied es tunlichst ihn anzusehen. „Malar schau mich an!" ich reagierte nicht, so hob er mein Kinn an und zwang mich ihn anzusehen. „Ich hoffe du kannst mir verzeihen" ich starrte mehr oder weniger an ihm vorbei. Er zog mich in seine Arme und hielt mich einfach nur fest. Ich war jedoch immer noch zutiefst verwirrt und wusste nicht ob ich diesen ‚Ausfall' verzeihen konnte. Am liebsten hätte ich ihn von mir gedrückt und wünschte er würde mich los lassen.

Es dauerte etwas bis sich dieser Wunsch erfüllet und er mich los ließ. Sein Handy hatte geklingelt und zeigte eine Nachricht an. Er überflog sie lediglich und wandte sich dann an mich. „Till will wissen ob wir mit in die Stadt kommen" Ich nickte. Hauptsache ich war nicht allein oder gar allein mit ihm. Ich schlug die Decke nun komplett zurück und stand auf.

Kiki musterte mich, als wir auf sie zu gingen. Ich hielt etwas abstand zu Joshua. Sie zog die Augenbrauen fragend zusammen und legte den Kopf schief. „Kater?" zog da Till meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich entgegnete sein Lächeln freundlich und meinte „Nee nicht mehr". „Sie war so fertig. Ich habe es heute morgen echt nicht über das Herz gebracht sie zu wecken" erzählte Joshua grinsend. Er tat so als wäre nichts gewesen. Mir fiel es schwer. Eigentlich hätte ich so etwas wie ‚Das war auch wirklich lieb von dir. Du weist ja wie ich bin, wenn ich schlechte Laune habe' sagen sollen, aber ich schwieg.

Wir liefen gerade an einer der Unzähligen Grachten lang, da zog Kiki mich neben sich. „Was ist los?" fragte sie. „Nichts. Ich bin einfach noch müde" murmelte ich wenig überzeigend. Sie griff wieder nach einem meiner Handgelenke. Ich wollte es ihr sofort entreißen und die Hand wieder in meine Jackentasche stopfen, aber sie ließ es nicht los. Vorsichtig schob sie den Ärmel hoch und als ihr Blick auf die deutlich sichtbaren dunkel lilanen Flecken fiel weiteten sich ihre Augen. „Das war jetzt aber kein Pferd!" stellte sie trocken fest und lies mein Handgelenk los. „Sieht das andere auch so aus?" ich nickte betreten. „Ich mache ihm die Hölle heiß!" beteuerte sie. Ich schüttelte den Kopf. Irritiert und Vorwurfsvoll sah sie mich an. „Es tut ihm leid" erklärte ich. „Malar, das wird er immer sagen. Jedes einzelne Mal. Willst du es jedes mal verzeihen, weil er dich so lieb aus seinen blauen Augen anschaut und sich so liebevoll um dich kümmert? Das ist doch... " sie suchte nach Worten. Ich kaute unschlüssig auf meiner Unterlippe herum „Was ist wenn es nur einmalig war?" Sie lachte auf „Joshua hat sich nicht wirklich unter Kontrolle. Er wird wieder rot sehen." Ihre braunen Augen blitzten mich an „Lös die Verlobung und renn!"

Wenn das so einfach wäre! Sie hatte ja keine Ahnung.

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