Eleah
»Zieh das an!«, sagte Bel und legte einen Stapel Kleidung auf den kleinen Tisch in meiner Kajüte. »Und wenn du fertig bist, komm rauf aufs Deck.«
Mit langen, spitzen Fingern inspizierte ich die Kleidung, die sich als Baumwollhemd und einfache Hose entpuppten, in denen noch sämtliche Körperflüssigkeiten meines Vorgängers klebten. »Warum kann ich meine Sachen nicht anbehalten und sie vor Ort waschen?«
»Weil das«, er deutete abfällig an mir auf und ab, »hier bei uns nicht so getragen wird. Du bist zu auffällig. Zieh die Sachen an und dann zeige ich dir, wo du dich waschen kannst. Ansonsten bleib halt so, aber dann wirst du dieses Schiff nicht verlassen und es wird kein Bad geben.« Mit diesen Worten verließ er meine Kajüte und knallte die Tür hinter sich zu.
Ich warf die Kleidung auf das Bett und ließ mich mit einem tiefen Seufzer ebenfalls darauf nieder. Es widerstrebte mir zutiefst, seinem Befehl Folge zu leisten, aber das versprochene Bad war einfach zu verlockend. Widerwillig schälte ich mich aus meinen vor Dreck stehenden Klamotten und untersuchte die ein oder andere Körperstelle, an der sich bereits ein Ausschlag mit roten juckenden Pusteln gebildet hatte. Ein Bad war wirklich unabdingbar.
Ich schlüpfte in Hemd und Hose, die ich mit einer einfachen Kordel notdürftig schließen konnte, und betrachtete skeptisch den großen dunklen Filzhut. Ich wusste nicht, ob er das Outfit komplettieren sollte oder ob er einen anderen Sinn hatte. Die derben Lederstiefel waren mir viel zu groß, also verzichtete ich ganz auf sie und machte mich auf den Weg.
Als ich das Deck betrat, beendeten Bel und Asil gerade ihr Gespräch. Ob die beiden tatsächlich fertig waren oder sich von mir gestört fühlten, konnte ich nicht sagen, denn sie guckten schließlich immer so grimmig drein, als würden sie am liebsten ihre mit kleinen Steinen besetzten Dolche jedem durch die Kehle ziehen.
»Dürfte funktionieren«, sagte Asil und nickte mir zu. Dann wandte er sich an Bel. »Sieht doch unauffällig aus - oder was meinst du?«
Bel musterte mich von oben bis unten, blieb kurz an meinen nackten Füßen hängen, was ihm ein Stirnrunzeln entlockte und wandte dann seinen Blick wieder aufwärts. Nachdenklich kratzte er sich am Kinn, ehe er die Arme in die Luft warf. »Sieht doch ein Blinder, dass sie ein Weib ist.« Wie ein drohendes Unheil stapfte er auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen.
Ich wusste, dass ich zurückweichen und ihm nicht noch mehr Angriffsfläche bieten sollte, doch seit ihm bei Zolas Geständnis über meine Wenigkeit die komplette Selbstbeherrschung entglitten war, fiel es mir schwer, wie ein getretener Hund vor ihm zu kuschen. Und das sollte er ruhig wissen. Also drückte ich das Kreuz durch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Na und?«
Zu meiner Überraschung war Asil der Erste, dem ich eine Reaktion entlockte. Er prustete laut los und bekam gleich darauf einen strafenden Blick von Bel zugeworfen, woraufhin er verstummte. Doch seine Mundwinkel zuckten weiterhin unaufhörlich.
Als sich Bel mir wieder zuwandte, wurde mir bewusst, dass er mir bisher nur bei dem Kuss, den er mir aufgezwungen hatte und bei unseren Auseinandersetzungen näher gewesen war. Dass ich jetzt an diese Situationen denken musste, ließ mich kurz unsicher werden, sodass ich einen Schritt zurückwich, als er die Hände zu meinem Gesicht führte. Er sagte nichts, drang nur mit seinem kühlen Blick in mein Innerstes ein und fesselte mich an Ort und Stelle. Dann machte er einen erneuten Versuch. Diesmal blieb ich stehen und ließ ihn widerwillig meine Haare unter den Hut stopfen.
»Schon besser«, murmelte er. »Gehen wir.«
***
Während ich die ganzen neuen Eindrücke mit großen Augen in mich aufsog, erinnerte mich der stechende Schmerz, der meinen Arm durchzuckte, daran, dass er in einem Schraubstock steckte. Möglichst unauffällig lotste Bel mich durch die kleine Hafenstadt, schob mich in verwinkelte Gassen oder zog mich in dunkle Hauseingänge. Ich vermutete zwar, dass es zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, wenn herauskäme, dass sich eine alleinreisende Frau an Bord dieses beeindruckenden Dreimasters befand und dass er deswegen so geheimnisvoll tat, aber ich bezweifelte, dass wir noch länger unbemerkt bleiben würden, wenn die Grenzen meines Schmerzempfindens erreicht waren.
Missmutig rieb ich meinen Arm und konzentrierte mich auf den Anblick der schmalen doppelstöckigen Gebäude, die in mehreren Reihen hintereinanderstanden. Die oberen Etagen wurden scheinbar bewohnt, da an den meisten Scheiben kleine Gardinen und Vorhänge befestigt waren, während die großen Schaufenster, an denen wir vorbeigelaufen waren, zum Bummeln einluden. Überall hingen kleine Laternen, die nur darauf warteten, entzündet zu werden, sodass sie die Stadt in der Dunkelheit erleuchteten. Es musste ein wunderschöner Anblick sein, wenn das Licht der Kerzen die Schatten über die alten Gemäuer tanzen ließ.
Je weiter Bel mich durch die Gassen in Richtung dahinterliegenden Wald führte, desto mehr verdrängte der Kiefernadelwald den salzigen Geruch des Meeres. Ich hatte keine Ahnung, was unser Ziel war, aber ich war sowieso viel zu abgelenkt, sodass ich mich erst jetzt zu wundern begann. Mir waren in der Stadt bestimmt ein halbes Dutzend Möglichkeiten für einen Zwischenstopp mit Bademöglichkeit aufgefallen, doch in keine davon waren wir eingekehrt.
»Wohin gehen wir?«
»Wir sind gleich da.«
Ich hatte keine Ahnung, was er hier zu finden hoffte, denn man sah den Wald vor lauter Bäumen nicht. Selbst die Geräusche der Stadt waren mittlerweile verklungen und hatten der Ruhe des Waldes Platz gemacht.
Zielgerichtet begann Bel damit, durch das dichte Unterholz zu schleichen und einige Holzlatten aufzusammeln. Die gesägten und abgeschliffenen Kanten zeugten davon, dass sie keinen natürlichen Ursprung hatten, und unwillkürlich fragte ich mich, wie die Latten mitten in den Wald gekommen waren und was der Sinn dahinter war.
Mit den Fingerknöcheln klopfte er auf dem Holz herum und warf die ein oder andere bereits verwitterte Holzlatte wieder zurück in die Büsche.
Der Typ war doch echt irre.
Als Bel meinen Blick bemerkte, zog er die Augenbrauen fest zusammen. »Weiter!«, forderte er.
Wir verließen den Hauptweg und stiegen über dicke Wurzeln und moosbedeckten Waldboden. Eine ganze Zeit lang ging er voraus und ich folgte ihm in angemessenem Abstand, bis beunruhigende Fragen immer wieder in meinem Kopf widerhallten: Was zur Hölle tat ich hier eigentlich? Warum folgte ich einem wildfremden Mann, der mich auf einem Schiff gefangen gehalten hatte, mitten in den einsamsten Wald, den ich je gesehen hatte? Was, wenn er mich nur hier herbrachte, um sich meiner zu entledigen?
Ehe der rational denkende Teil meines Gehirns die Oberhand ergreifen konnte und mir klarmachte, dass er mich dafür nicht in diesen Wald schleppen musste, suchte ich mit den Augen bereits den Waldboden nach einer geeigneten Waffe ab. Gerade als ich einen Ast, der mir dick genug erschien, von losen Nadeln und Moos befreite, blieb Bel abrupt stehen. Verärgert warf er mir einen Blick zu.
»Lass das und komm her! Wir sind da.«
Mein Blick glitt seitlich an ihm vorbei und blieb an einer große Felsformation hängen. Weil ich nur auf den Boden geachtet hatte, war sie mir vorher nicht aufgefallen. Vor uns lag der Eingang zu einer Höhle, die direkt in den Felsen gehauen worden war.
Ich schluckte. »Was ist mit meinem Bad?«
Bel verdrehte die Augen und betrat ohne weitere Antwort die Höhle. Ich stand da, sah ihm nach und wägte zögerlich meine Möglichkeiten ab. Das erste Mal seit geraumer Zeit war ich wirklich alleine – und in Freiheit. Rückwärts entfernte ich mich ein paar Schritte, ohne den Eingang aus den Augen zu lassen. Vielleicht könnte ich einfach fliehen. Vielleicht hatte Bel mich hier hergebracht, um mir eine faire Chance auf einen Fluchtversuch zu gewähren. Wahrscheinlich war er genauso froh wie ich, wenn wir endlich wieder getrennte Wege gehen konnten ...
Aber dann holte mich die harte Realität wieder ein. Denn leider hatte ich keine Ahnung, wo ich mich befand und wie ich in meine Welt zurückkehren konnte. Ob es mir nun gefiel oder nicht: Ich brauchte Bel. Er war einer der wenigen, die wussten, wo sie mich aus dem Wasser gefischt hatten. Und dort in der Nähe musste sich auch das Portal befinden. Da ich vorerst keine andere Wahl hatte, folgte ich ihm widerwillig in die Höhle.
Bel wartete bereits mit einer Fackel in der Hand, ein paar Meter im Höhleninneren. Er hockte auf einem kreisrunden gemauerten Gebilde, das sich beim Nähertreten als Brunnen herausstellte.
»Nimm die Fackel!« Er schwenkte das Feuer in seiner Hand an der Höhlenwand entlang, bis es auf ein weiteres Licht in einer gusseisernen Halterung traf.
Ich tat ihm den Gefallen, trat zu ihm an den Brunnen und sah irritiert seiner Fackel nach, die er in den Brunnen warf. Einige Sekunden beleuchtete sie den Brunnen im freien Fall von innen und ich wartete auf den Moment, wo sie mit einem zischenden Geräusch auf Wasser traf, aber stattdessen landete sie dumpf auf steinernem Boden.
»Es wird anstrengend«, sagte Bel und hob den Kopf. »Aber es lohnt sich.«
»Du willst, dass ich da hinunter klettere?« Entsetzt deutete ich in den Brunnen.
»Wir könnten schon unten sein, wenn du nicht ständig so viel herummosern und alles infrage stellen würdest, was ich sage.« Mit beiden Händen rammte Bel eines der Bretter in einen Spalt im Mauerwerk des Brunnens. Dann sprang er mit einem Satz auf das Brett und wippte darauf herum. Mir wurde nur vom Hinsehen schon ganz übel.
Nach und nach versenkte er auf die gleiche Art und Weise auch die anderen vier Bretter immer ein Stück tiefer. Dann sah er aus dem Brunnen zu mir hinauf. »Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, wo du mir folgen solltest. Und zieh das obere Brett hinter dir heraus und gib es mir.«
Ich starrte ungläubig in den Brunnen, wo Bel bereits einige Meter auf der selbst gebauten Treppe zurückgelegt hatte und darauf wartete, dass ich es ihm gleichtat. »Was ist mit der Fackel?« Meine Stimme klang piepsig.
»Wirf sie mir zu.«
Ich zögerte.
»Na los! Mach schon!«
So fühlte man sich also, wenn man von einer Katastrophe in die nächste schlitterte. Ich ging ein Stück um den Brunnen herum und blieb auf Bels Höhe stehen, wo ich vorsichtig die Fackel zu ihm hinunterfallen ließ. Geschickt fing er sie mit einer Hand am Griff auf und rammte sie in eine Halterung im Inneren des Brunnens.
»Das Brett!«, forderte er.
»Ich mach ja schon. Hör gefälligst auf mich zu hetzen!« Er funkelte mich an, aber ich ließ mich von ihm nicht aus der Ruhe bringen. Wenn er wollte, dass ich ihm in diesen Irrsinn folgte, dann würde ich das in meinem Tempo machen.
Mein Herz schlug wild in meiner Brust, als ich mich mit schweißnassen Händen vorsichtig auf die Brunnenmauer setzte. Ich litt zwar nicht unter Höhenangst, aber mein gesunder Menschenverstand hielt das hier trotzdem für keine gute Idee.
»Setz dich hin, wenn du eines der Bretter herauszieh–«
»Sei still!«
Bel schnaubte.
Vorsichtig rutschte ich vom Brunnenrand und ließ mich auf dem zweiten Brett nieder. Meinen Lippen entkam ein entzücktes Glucksen, als das Brett unter meinem Gewicht nicht nach gab und mich hielt. »Ich hoffe, dieser Aufwand lohnt sich wirklich«, murmelte ich.
Es war ein bisschen knifflig für mich, die Latte herauszuziehen und dabei nicht nach hinten überzukippen, als sie sich löste, aber als ich sie endlich in den Händen hielt, spürte ich, wie Adrenalin durch meine Adern pumpte. Das erleichterte mir den Abstieg und das Ziehen der anderen improvisierten Stufen, die ich an Bel weiterreichte, sodass er sie in die Spalten rammen konnte.
Als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, atmete ich erleichtert aus. Bel hob die brennende Fackel auf und entzündete damit weitere Fackeln an den Wänden. Mit offenem Mund folgte ich ihm in eine riesige unterirdische Kammer. Ich wusste nicht, ob ich erstaunter über den großen See war, der sich direkt vor meinen Augen auftat oder über den Berg aus Münzen, Gold und Edelsteinen.
»Was ist das für ein Ort?« Ich trat an den See heran und warf einen Blick auf das Wasser.
»Ein Höllenloch mit einer unterirdischen Quelle.« Bel hockte sich an das Ufer und fuhr mit der Hand durch das Wasser. Dabei wirbelte er den Dunst auf, der wie eine Schicht aus Schnee und Eis auf der Oberfläche ruhte. »Es ist heiß.«
»Warum ...?«
Er zuckte mit den Achseln. »Vermutlich vulkanische Aktivität.«
»Das meine ich nicht. Warum sind wir hier?«
»Du wolltest doch ein Bad nehmen.«
»Ja, schon«, murmelte ich. »Aber hätte es nicht auch eine Gaststätte oder ein Badehaus getan? Und das?« Ich deutete auf den Schatz in der Ecke. Noch nie hatte ich so viel Wertvolles auf einem Haufen gesehen. Diese Höhle war der Traum eines jeden Archäologen oder Schatzsuchers.
»Mein Anteil einiger Plünderungen.« Bel stand auf und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. »Willst du jetzt ein Bad nehmen oder sind wir nur zum Plaudern hierher gekommen?«
Zögerlich trat ich von einem Fuß auf den anderen. Ich ließ mir bei der Verkündung meiner Entscheidung viel Zeit, aber in Wahrheit hatte ich sie längst getroffen. Das Wasser sah einfach zu verführerisch aus.
»Geh!«, forderte ich ihn schließlich auf und war froh, dass meine Stimme fest und sicher klang. Als er mich irritiert ansah, fügte ich hinzu: »Wenn du denkst, dass ich mich hier unten vor dir ausziehe und ein Bad nehme, dann hast du dich geschnitten.«
»Geschnitten«, echote Bel. Als ich aber keinerlei Anstalten machte, mich meiner Kleider zu entledigen, schnaubte er ein weiteres Mal. »Als ob ich dir etwas weggucken könnte ...«, murmelte er, ehe er mir schließlich den Rücken zuwandte und sich auf einen der vielen dunklen Felsen am Rand der Quelle setzte.
Fürs Erste erleichtert, dass er scheinbar doch irgendwo genug Anstand in seinem Inneren versteckte, begann ich mich langsam zu entkleiden, wobei ich ihn trotzdem von hinten mit meinen Blicken erdolchte. Wenn er sich auch nur einen Millimeter von diesem Felsen bewegen würde, würde ich ihm die Augen auskratzen.
Als das heiße Wasser meine Hüften umschmeichelte, fiel sofort die gesamte Anspannung inklusive angestauter Mordlust von meinen Schultern und ich seufzte zufrieden auf.
»Ich hab ...« Bel wandte sich mir noch einmal zu und erstarrte.
Ein schriller Schrei entkam meiner Kehle und ich tauchte bis zum Kinn unter Wasser, während ich mit meinen Armen meine Nacktheit verdeckte. »Du Mistkerl! Was soll das? Dreh dich um!«
Blinzelnd neigte er den Kopf, sodass ihm seine Haare ins Gesicht fielen. »Ich ...«
»Ich glaube es ja wohl nicht. Was habe ich mir überhaupt dabei gedacht?«, wetterte ich, während mir immer mehr Hitze in die Wangen stieg. »Elender Spanner!«
Wortlos drehte Bel den Kopf wieder in Richtung Höhlenwand und verharrte so, ehe er sich noch einmal räusperte und zu Wort meldete. »Ich wollte dir nur das hier geben.« Seine Stimme klang ein wenig dünner als sonst. Er hob die Hand und warf ein Stück Seife über seinen Kopf hinweg, dass mit einem Platschen neben mir im Wasser landete.
»Wenn du denkst, dass das irgendetwas wiedergutma–«
»Aye, dann habe ich mich geschnitten. Ich weiß«, unterbrach er mich. »Sieh zu, dass du fertig wirst.«
Missmutig schrubbte ich den Dreck der letzten Wochen von meiner Haut. Auch wenn er drängte, ließ ich es mir nicht nehmen, in der Quelle neue Kräfte zu tanken. Nur die unangenehme Stille, die sich ausbreitete, hinderte mich daran, mich vollends zu entspannen.
»Woher kennst du diesen Ort?«
Bels Schultern hoben sich, als er einen tiefen Atemzug nahm, ehe er antwortete. »Ich bin vor einigen Jahren durch einen blöden Zufall mal hier hinuntergefallen.«
»Den ganzen Brunnen?«
»Hatte halt Glück«, sagte er achselzuckend.
»Weiß sonst noch jemand hier rüber Bescheid?«
»Asil.« Bel räusperte sich. »Und jetzt du. Also halt bloß dein vorlautes Mundwerk.«
»Warum hast du mich dann überhaupt erst mit hierher genommen, wenn es so ein supergeheimer Ort ist?«
»Für den Fall, dass du ...« Er hielt inne.
»Welchen Fall?«, bohrte ich nach und spülte mir die Haare aus.
»Oh heiliger Klabautermann, bist du anstrengend. Ist dir nicht aufgefallen, dass es zwar möglich ist, den Abstieg alleine zu schaffen, es aber wesentlich schneller geht, wenn man zu zweit ist? Ich habe lediglich eine helfende Hand benötigt und dachte, es würde sich anbieten, dich mitzunehmen, da du ja sowieso ein Bad nötig hattest. Und jetzt komm endlich raus da, oder muss ich dich holen?«
»Untersteh dich!«
Lachte er etwa? Perplex starrte ich auf seine bebenden Schultern. Dann schüttelte ich diesen unwahrscheinlichen Gedanken aus meinem Kopf, tauchte noch einmal unter Wasser und ging zurück an den Rand der Quelle. Im Wasser war es so warm gewesen, dass die kühle Luft der Höhle mich unerwartet frösteln ließ. Schnell wrang ich meine Haare aus und schlüpfte zurück in Hemd und Hose.
»Bin fertig.«
Bel streckte sich auf dem Felsen und kam dann zu mir herüber. Kurz vor mir blieb er stehen und ließ seinen Blick an mir hinuntergleiten, wo er kurz an meinen Brüsten verweilte. Gerade als ich demonstrativ die Arme verschränkte und mich empört beschweren wollte, hob er den Blick und fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. »Oh Mann ...«, stöhnte er. »Ist dir kalt?«
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern atmete tief ein und stieß dann scharf die Luft aus. Eilig knöpfte er sein Hemd auf und warf es mir an den Kopf. »Zieh das an! Deine Sachen sind klitschnass. Und dann geh und warte beim Aufstieg auf mich.«
Wortlos verließ ich die Höhle und kehrte zum Aufstieg zurück. Während ich die Hemden tauschte, tauchte vor meinem inneren Auge immer wieder sein nackter Oberkörper auf. Aber das war es nicht, was meinen Atem stocken ließ. Es war auch nicht sein komplett tätowierter Rücken gewesen, den ich gesehen hatte, als er an mir vorbeigegangen war. Es war viel mehr der Anblick der bereits verheilten, aber immer noch deutlich sichtbaren Brandwunden auf seiner Brust gewesen.
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