{𝟑.𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍} 𝑺𝒉𝒐𝒓𝒆

Gegen Mittag klarte das Wetter endlich ein Wenig auf. Den restlichen Vormittag hatten sie im Hotel verbracht, weil Jan vollkommen fertig gewesen war, was Tim nicht entgangen war obwohl er versucht hatte es zu verbergen. Sein Seufzen, als er sich auf das weiche Doppelbett gelegt hatte, hatte ihn jedoch verraten. Inzwischen hatte Tim seinen Koffer ausgepackt und sich auf dem Bett breitgemacht während sein bester Freund am Fenster stand, von dem aus sie eine ziemlich beeindruckende Aussicht aufs Meer hatten. Die Sehnsucht war ihm deutlich anzusehen.

„Sag mir jetzt nicht, dass du schwimmen gehen willst", sprach Tim ihn an und setzte sich auf. Das Bett war wirklich sehr bequem und dafür, wie klein das Hotel war, war das Zimmer sehr sauber.
„Natürlich will ich schwimmen gehen", erwiderte er und zuckte mit den Schultern, woraufhin Gisela noch ein lautes „Gluck, gluck." hinzufügte. Tim entfuhr ein prustendes Lachen, in das Jan mit einstimmte.

„Vorher sollten wir aber noch eine kleine Roomtour machen." Er drehte sich um und nahm die Tasche mit der Vlog- und der Filmkamera von der kleinen, weißen Kommode.

Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, das kleine Zimmer und das noch kleinere Bad zu zeigen und zu erzählen, wie der Tag bisher gelaufen war. Sobald die Kamera anging, wurde Gisela um einiges aktiver, und um Haaresbreite hätte sie den Handtuchhaken abgerissen. Glücklicherweise konnte Jan sich aber gerade noch so bremsen und nachdem sie fertig waren und Tim bestimmt zehn Mal wegen irgendwas beleidigt worden war, öffnete Jan zum ersten Mal seinen Koffer um sich umzuziehen. Ein paar Minuten später kam er in einer gewagten Kombination aus hellblauem Hoodie und grün-schwarzer Badeshorts aus dem Bad, die ihm aber ziemlich gut stand. Tim konnte darüber nur den Kopf schütteln, niemals würde er bei dem Wetter weiter als bis zu den Füßen ins Wasser gehen. Stattdessen nahm er die kleinere Kamera mit.

Bis zum Strand war es nicht weit und auch wenn das Dorf klein war, trafen sie auf relativ viele Menschen. Jan wirkte entspannt und so kam es auch nur zu wenigen, motorischen Tics während sie die lange Hauptstraße entlanggingen.

„Ich liebe den Charme vom ländlichen Großbritannien", sagte er mit einem Lächeln und sein Blick schweifte immer wieder hin und her zwischen den Häusern und dem Meer, das wieder in Sicht kam, sobald sie um die Ecke bogen.

„Ja, irgendwie ganz anders als daheim", erwiderte Tim nachdenklich. Er hielt Ausschau nach Bars oder Pubs, aber wie es zu erwarten gewesen war, gab es hier keine wirklichen Kneipen. Also würden sie sich wohl am Abend in einem der Cafés unter die Leute mischen müssen, „Du sag mal, willst du eigentlich heute Abend noch feiern gehen?"

„Ich glaub feiern wird hier schwer, wir können uns vielleicht wo reinsetzen und ein Bisschen was trinken, wenn du willst. So richtig wird das erst in einer größeren Stadt gehen."

Tim zuckte nur mit den Schultern. Im Endeffekt war es ihm auch egal, Hauptsache er konnte mit Jan eine schöne Zeit haben.

„Wir könnten auch den Film aus dem Flugzeug weiterschauen. Ich hab ihn ausgemacht, nachdem du eingeschlafen bist."

Der Kleinere nickte stumm und wirkte irgendwie in Gedanken verloren, aber Tim kam nicht mehr dazu, ihn nach dem Warum zu fragen, denn in diesem Moment erreichten sie den Strand.

Die Straße wurde hier zu einem schmalen, gepflasterten Weg, der zwischen einem Streifen von kleinen und größeren Steinen hinunter zum Sandstrand führte. Jan wurde schneller und Tim hatte Schwierigkeiten, ohne zu rennen mitzuhalten, als sie sich dem wunderschönen, graublauen Meer näherten.

„Alter, warte doch mal", rief Tim ihm nach, aber er blieb erst stehen, als er am Sandstreifen angekommen war, um die Schuhe auszuziehen.

Du bist zu langsam, Specki", warf Gisela ihm entgegen und beide brachen in Gelächter aus. Keine Menschenseele war am Strand zu sehen, einzelne Sonnenstrahlen kämpften sich ihren Weg durch die Wolkendecke und am Wasser ein Stück links von ihnen stand ein Reiher in einem Meer aus grünen Pflanzen und pickte nach Futter. Aber trotzdem fiel Tims Aufmerksamkeit schnell wieder auf Jan, als der sich ohne zu zögern seinen Hoodie über den Kopf zog, und ihn ihm entgegenstreckte.

„Kannst du den nehmen, während ich ins Wasser gehe?"

Kurz konnte er nicht anders, als ihn anzustarren, aber dann nickte er hastig. „Klar."

Seine Stimme war belegt und er räusperte sich schnell leise, doch sein bester Freund schien zum Glück nichts bemerkt zu haben. Sobald er sich umgedreht hatte und barfuß in Richtung Wasser lief, folgte Tim ihm und versuchte ihn, so wenig wie möglich zu mustern. Aber trotzdem konnte er nichts dagegen machen, dass er fand, dass er gut aussah. Und dass seine Hände sich fester um den Stoff des Pullovers schlossen, als der Kleinere sich nochmal zu ihm umdrehte und ihn zufrieden ansah.

„Bist du sicher, dass du nicht mit reinwillst?" Er war inzwischen an der Wasserlinie angekommen und knetete mit den Zehen den dunklen Sand. Tim schmunzelte und schüttelte den Kopf, einen Hauch von Wehmut im Herzen. Verdammt, sein Plan, sich nicht von seinen Gefühlen beeinflussen zu lassen, funktionierte ja großartig.

„Ich schau lieber zu und filme", rief er ihm über den Wind hinweg zu, der immer stärker wurde je mehr er sich dem Wasser näherte. Jans Haare waren noch bevor er ins Wasser ging vollkommen zerzaust und schnell begann der Größere zu filmen, um sich abzulenken.

„Also Leute, wir sind jetzt ein Bisschen am Strand, weil Jan trotz lebensgefährlicher Kälte unbedingt schwimmen gehen wollte", sprach er in die Kamera und schwenkte über die Ebene, nur um am Ende auf Jan zu zoomen, der inzwischen bis zum Bauch im Wasser war. Auf seinem Oberkörper hatte sich eine Gänsehaut gebildet, aber er schien es nicht mal zu bemerken. Stattdessen winkte er in Richtung Kamera, bevor er durch einen Tic nach unten griff, und Wasser in Tims Richtung spritzte.

Käpt'n Niveau – wir sinken", rief er laut und wieder prustete Tim los.

„Zum Glück bin ich weit genug weg", sagte er in die Kamera, doch obwohl es leise gewesen war schien Jan – oder besser Gisela – es gehört zu haben. Mit irrem Todesblick sah er ihn an und stürmte völlig unerwartet in seine Richtung. Naja, ganz so unerwartet war es eigentlich nicht. Tim hielt sich die Kamera schnell über den Kopf, möglichst weit weg aus Jans Reichweite und filmte, wie er am Arm Richtung Wasser gezogen wurde. „Geh baden. He."

„Jan, ich hab meine Schuhe noch an", protestierte er lachend, aber der reagierte nicht sondern zerrte ihn geradewegs ins Meer. Mit einem schmatzenden Geräusch drang eiskaltes Wasser in seine Schuhe und Tim schrie auf, „Das ist arschkalt. Lass mich los!"

Jetzt war der Tic endlich vorbei. Jan ließ von ihm ab und nahm die Kamera, während der Größere aus dem Wasser ging und sich schnell Schuhe und Socken abstreifte. Der Sand war fast so kalt wie das Wasser und mit gespieltem Kopfschütteln ließ er sich von Jan filmen.

„Hätte ich mal besser nichts gesagt."

„Also, und deswegen zieht man sich die Schuhe aus, bevor man ins Wasser geht", ignorierte Jan seinen Kommentar und sah ihn mit entschuldigender Miene an. Dann klappte er die Kamera zu und seufzte.

„Sorry, Tim."

Er schüttelte den Kopf. „Mach dir nichts draus, ist ja nicht deine Schuld", erwiderte er aber Jan wirkte trotzdem etwas bedrückt. Und weil der Größere ihn nicht so sehen wollte, ging er, obwohl alles in ihm dagegen protestierte doch nochmal auf ihn zu. Jetzt war es ja eigentlich auch schon egal.

Wieder fühlte es sich so an, als würde jemand seine Füße mit Eiszapfen durchbohren, aber er ignorierte es und stürmte auf Jan zu. Diesmal war es an ihm, etwas unerwartetes zu tun, seine lange Jeans klebte an seinen Beinen als er den Kleineren leicht schubste und mit Wasser vollspritzte.

„Ah, das ist wirklich arschkalt", rief der, als er am Kopf und an der Brust getroffen wurde.

Tim grinste, mit einem Mal hatte er Spaß daran gefunden und es war ihm auch egal, dass er nass wurde. Als Jan innehielt nutze er seine Chance und stürzte sich auf ihn, riss in zu Boden und mit einem lauten platschenden Geräusch landete der Tourettekranke im seichten Wasser. Sogar Gisela war sprachlos, als Jans Kopf für den Bruchteil einer Sekunde untertauchte, er dann aber prustend wieder hochkam und zu Tim aufschaute, der auf ihm lag.

„Tja, das hast du jetzt davon", sagte er unbarmherzig, die Hände neben ihm im matschigen Sand aufgestützt. Jan blickte ihn mit einer Mischung aus Schock und Belustigung an, dann veränderte sich der Ausdruck in seinen braunen Augen für den Bruchteil einer Sekunde und erst da wurde dem Größeren bewusst, wie nah sie sich gerade waren, an wie vielen Stellen sein Körper den seines besten Freundes berührte. Und was das in ihm auslöste. Sein Herz begann sofort, schneller zu schlagen, drohte aus seiner Brust zu springen, und so schnell es ging rappelte er sich auf und brachte Abstand zwischen sie. Fuck, Tim, was tust du?

Jan ließ sich jedoch nichts anmerken, er stand einfach auf und lachte sein ehrliches, von Tics unbeeinflusstes Lachen.

„Das kam zugegebenermaßen unerwartet", sagte er trocken, „Aber ich hab es wohl verdient."

Tim war schwindelig und schnell ging er zurück zum Strand. Wandte sich ab, damit der Kleinere seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er konnte nur an das Blitzen in den braunen Augen denken. Was auch immer es bedeutet hatte, irgendwas hatte Jan in diesem Moment empfunden. Und die Tatsache, dass er jetzt so tat, als wäre nichts gewesen, war wohl ein Anzeichen dafür, dass es keine positive Empfindung war.

Innerlich verfluchte er sich und fror nicht nur wegen dem Wind, als er tropfend den blauen Hoodie aus dem Sand aufhob und ihn zurückgab. Natürlich war das nicht positiv gewesen. Jan war zwar schwul, aber deswegen hatte er nicht automatisch Gefühle für ihn.

Es war gerade mal der erste Tag und er hatte schon die Beherrschung verloren.

Na das fängt ja toll an.

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𝐒𝐨, 𝐡𝐞𝐮𝐭𝐞 𝐦𝐚𝐥 𝐞𝐢𝐧 𝐥ä𝐧𝐠𝐞𝐫𝐞𝐬 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐢𝐜𝐡 𝐡𝐨𝐟𝐟𝐞, 𝐝𝐢𝐞 𝐒𝐭𝐫𝐚𝐧𝐝𝐬𝐳𝐞𝐧𝐞 𝐡𝐚𝐭 𝐞𝐮𝐜𝐡 𝐠𝐞𝐟𝐚𝐥𝐥𝐞𝐧. 𝐖𝐚𝐬 𝐡𝐚𝐭𝐭𝐞 𝐝𝐞𝐫 𝐀𝐮𝐬𝐝𝐫𝐮𝐜𝐤 𝐢𝐧 𝐉𝐚𝐧𝐬 𝐀𝐮𝐠𝐞𝐧 𝐰𝐨𝐡𝐥 𝐳𝐮 𝐛𝐞𝐝𝐞𝐮𝐭𝐞𝐧? 𝐖𝐢𝐫 𝐰𝐞𝐫𝐝𝐞𝐧 𝐞𝐬 𝐢𝐦 𝐧ä𝐜𝐡𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝐞𝐫𝐟𝐚𝐡𝐫𝐞𝐧. 

𝐀𝐮ß𝐞𝐫𝐝𝐞𝐦 𝐰𝐢𝐥𝐥 𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐢𝐞 𝐆𝐞𝐥𝐞𝐠𝐞𝐧𝐡𝐞𝐢𝐭 𝐧𝐮𝐭𝐳𝐞𝐧, 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐟ü𝐫 𝐝𝐢𝐞 𝐕𝐨𝐭𝐞𝐬 𝐳𝐮 𝐛𝐞𝐝𝐚𝐧𝐤𝐞𝐧, 𝐝𝐢𝐞 𝐢𝐜𝐡 𝐚𝐮𝐟 𝐝𝐢𝐞 𝐥𝐞𝐭𝐳𝐭𝐞𝐧 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝐛𝐞𝐤𝐨𝐦𝐦𝐞𝐧 𝐡𝐚𝐛𝐞. 𝐄𝐬 𝐢𝐬𝐭 𝐳𝐰𝐚𝐫 𝐧𝐨𝐜𝐡 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐯𝐢𝐞𝐥, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐞𝐬 𝐢𝐬𝐭 𝐬𝐜𝐡𝐨𝐧 𝐦𝐞𝐡𝐫, 𝐚𝐥𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐣𝐞 𝐠𝐞𝐝𝐚𝐜𝐡𝐭 𝐡ä𝐭𝐭𝐞. 𝐈𝐜𝐡 𝐰ü𝐧𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐞𝐮𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐬𝐜𝐡ö𝐧𝐞𝐧 𝐓𝐚𝐠 𝐮𝐧𝐝 𝐟𝐫𝐞𝐮𝐞 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐞 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 ü𝐛𝐞𝐫 𝐅𝐞𝐞𝐝𝐛𝐚𝐜𝐤 ^^

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