61. Kapitel
Alle Augen sind auf mich gerichtet. Skeptisch sehe ich durch die Runde und lasse meine Sporttasche auf meinen Platz fallen. „Habe ich etwas im Gesicht oder so?", frage ich halb spaßend, halb ernst gemeint. Ich bin fünf Minuten zu spät, aber das Training hat noch nicht begonnen. Meine Sportsachen für das Trockentraining trage ich bereits und muss mich zum Glück nicht mehr umziehen. „Leute, was ist los?", möchte ich mit etwas mehr Nachdruck wissen. Ich bemerke, dass Ian die Augen verdreht und auf sein Handy schaut, Gibson hingegen antwortet, als es niemand anderes tut: „Wo warst du in St. Louis?" – „Was meinst du?", irritiert sehe ich ihn an. „Ich war doch dort, ich war nur später da. Ihr wisst doch, dass ich an dem Tag erst aus England zurück-" – „Das meint er nicht.", unterbricht Duckie mich trocken. „Wir haben gerade darüber gesprochen, dass niemand mitbekommen hat, weswegen du nach dem Sieg nicht mit uns in die Kneipe gekommen bist." – „Ihr wart etwas trinken?", frage ich überrascht. Liam nickt. „Ja, wir alle. Nur du warst nicht da." Ich weiß genau, was er am liebsten noch hinzugefügt hätte. Nur du warst nicht da, und Harry auch nicht.
Augenblicklich macht sich Nervosität in mir breit und ich muss mich dazu zwingen ruhig und gefasst zu bleiben. „Äh... ich habe das wohl tatsächlich nicht mitbekommen.", gebe ich zu. „Der Jetlag, ihr wisst schon.", rede ich mich raus. Gibson schüttelt den Kopf. „Bullshit, Tomlinson." – „Was soll das heißen?", entgegne ich genervt und er verschränkt die Arme vor der Brust. „Du warst die letzten Spiele nicht dabei und nachdem wir diese verdammt schwere Partie gewonnen haben, verpisst du dich? Niemand hier hat erwartet, dass du bis zum Ende bleibst, wenn du Jetlag hast, aber wir sind ein Team, und wir gewinnen als Team." – „Was soll das denn heißen?", möchte ich wissen.
„Das bedeutet, dass du die letzten Wochen immer früher als jeder andere verschwunden bist.", wirft Ian nun ein. Verwirrt wende ich mich dem Rookie zu. „Was?" – „Bei den Auswärtsspielen bist du immer sofort in den Zimmer verschwunden. Ich weiß nicht, wann du zuletzt mit im Hattricks warst und dann..." – „Dann verpisst du dich auf einmal nach England.", beendet Gibson seinen Satz. „Nicht einmal davon, dass du deine Familie besuchst und zu dieser Gala fliegst, hast du uns etwas gesagt." Er blickt zu Kenny. „Mir ist klar, dass wir nichts sagen sollten, was übrigens niemand von uns versteht." Er wendet sich wieder mir zu. „Was soll der Mist, Tomlinson?"
Ich befeuchte meine Lippen und setze mich, um zu verhindern, dass ich wie ein nervöses Huhn hin und her tigere. „Wer von euch hätte es freiwillig gemacht, mhm?", frage ich dann entschlossen in die Runde. „Wer von euch hätte gesagt Ja, ich gehe gerne zu der Gala, repräsentiere Lightning und setze mich für Gleichberechtigung bezüglich LGBTQ ein?" Ich sehe meine Mannschaft an. Kenny sieht ein wenig überrascht aus, sagt aber nichts weiter dazu. „Ich hätte es getan.", meint Ian plötzlich schulterzuckend. Ich verdrehe die Augen. „Das ist mir klar, ich meinte eher einen der anderen.", spezifiziere ich. „Duckie, hättest du es lieber machen wollen?" Er sieht mich an, als hätte ich ihn gebeten, beim nächsten Spiel nackt übers Eis zu laufen. Wobei er wahrscheinlich sogar eher das machen würde.
„Ich konnte meine Familie besuchen, ihr wisst genau, dass das nicht oft der Fall ist, wieso ist es ein Problem, dass ich vorher nichts gesagt habe? Vielleicht habt ihr es ja mitbekommen, aber ich war eine er Überraschungsgäste. Da funktioniert es nicht, wenn man vorher weiß, dass ich dorthin reise.", stell ich mit starkem, festem Tonfall klar. „Wir sind deine Mannschaft. Du denkst, du könntest uns das nicht sagen?", fragt Liam daraufhin und ich verdrehe die Augen. „Darum geht es doch nicht. Es ging darum, dass es niemand vorher wissen sollte." Gibson schüttelt den Kopf. „Du weißt doch selbst, worum es hier geht." – „Wird das eine Intervention?" – „Was ist los mit dir? Wieso verschwindest du nach den Spielen sofort? Man könnte meinen, du willst nicht mehr zu diesem Team gehören!" Perplex sehe ich meine Kameraden an. „Denkt... denkt ihr alle so?"
Niemand widerspricht. „Es ist nur etwas komisch.", meint Ian schließlich und seufzt. „Das war doch am Anfang der Saison nicht so." Ich schweige und sehe zu Kenny. Dieser hadert sichtlich mit sich selbst. Schließlich nickt er leicht und sagt dann mit klarer, lauter Stimme: „Genug geredet. Wir müssen endlich das Training starten." Nicht das, was ich erwartet oder erhofft habe, aber besser als nichts. Auf dem Weg durch die Flure kommt Zayn zu mir. „Gibson hat das angezettelt.", raunt er. Ich zucke mit den Schultern. „Und jetzt?" – „Es... ich wusste nicht, was ich sagen soll." – „Du wolltest etwas sagen?" – „Schon, aber nicht... nicht die Wahrheit." – „Mhm." – „Glaubst du, mir ist nicht klar, weswegen du in St. Louis so schnell abgehauen bist?" – „Soll ich es dir in allen Einzelheiten erzählen?", frage ich sarkastisch und kann nicht verhindern, dabei angepisst zu klingen. „Äh... nein. Danke.", stottert er und schüttelt den Kopf. „Es... es fällt tatsächlich langsam auf. Du solltest dir überlegen, ob du nicht doch öfter mal wieder mitkommst. Irgendwann bekommt es sonst noch jemand mit." Zayn schweigt einen Moment und sieht sich um. Niemand steht nahe genug bei uns, um uns hören zu können.
„Wenn das so weiter geht, wird früher oder später auffallen, dass Harry und du fast immer zeitgleich verschwindet und zum Frühstück kommt. Beziehungsweise zur Abfahrt. Das bedeutet nicht, dass ich euch nicht unterstütze, aber wenn du nicht willst, dass es bald die Runde macht und... und öffentlich wird, solltest du darüber nachdenken." Ich nicke stumm und beschließe, mich jetzt aufs Training zu konzentrieren. Es klappt nur bedingt gut. Wie sollte ich mir darüber keine Gedanken machen? War ich in den letzten Wochen wirklich so unvorsichtig? In Gedanken gehe ich die letzten Spiele, besser gesagt, die Abende nach den Spielen, durch. Ich muss feststellen, dass die Jungs recht haben. Ich war seit Wochen nicht mehr mit dem Team nach einem Spiel unterwegs. Verdammt, wieso ist mir das nicht aufgefallen?
Ganz einfach, ich war mit meinen Gedanken fast immer bei Harry, habe seine Zuneigung und seine Anwesenheit genossen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, möchte ich meine Zeit mit ihm nicht gegen einen Abend im Hattricks eintauschen. Wird mir etwas anderes übrig bleiben? In Gedanken versunken merke ich nicht, dass Drew einen Wechsel der Übungen ansagt. Erst, als Ian mich anstößt, bekomme ich es mit. Innerlich fluche ich, ignoriere Ians verwunderten und prüfenden Blick und mache mich an die nächste Übung.
In der Pause tritt Drew auf mich zu, als ich an der Seite stehe und etwas trinke. „Hi, Louis. Ein kleiner Tipp, ... es fällt durchaus auf, wenn du in einer Spielpause zehn Minuten auf dem Klo verschwindest." Irritiert sehe ich ihn an. Er verdreht die Augen. „Die erste Pause? In St. Louis? Mir ist klar, wieso du da warst... und wieso ich Harry in der Zeit nirgends gesehen habe." Meine Augen werden groß und panischer, als ich möchte, schaue ich mich um. Drew seufzt. „Ich bezweifle, dass es jemand mitbekommen hat. Aber die Toilette? Ist das euer ernst?", fragt er amüsiert. „Ich... fuck.", murmle ich. „Ich würde es nicht so oft drauf ankommen lassen.", erwidert Drew. „Sei lieber froh, dass zufällig kein anderer dorthinein gekommen ist." Ich nicke nur und trinke noch einen Schluck. „Es weiß niemand?", versichere ich mich trotzdem noch einmal. „Nicht, soweit ich weiß. Vielleicht hat Kenny eins und eins zusammengezählt, aber niemand, der es nicht schon wusste, wird es verstanden haben.", überlegt der Co-Trainer. „Aber wie gesagt, reizt es nicht zu sehr aus, das kann nicht gut ausgehen." – „Mhm. Schon klar.", murmle ich.
Verdammt, wann sind wir derart unvorsichtig geworden? Der Gedanke, oder besser gesagt, diese Frage lässt mich den ganzen Tag nicht mehr los? Ich kann mich nicht vollkommen aufs Training konzentrieren und leider fällt auch das auf. Kenny sieht mich fragend an, aber ich gehe nicht darauf ein, als wir Abend vom Eis kommen und uns auf den Weg in die Kabine machen. Dort setze ich mich und sehe auf mein Handy.
Love: Hey Schatz, ich bin heute etwas früher Zuhause (vielleicht habe ich dafür meine Mittagspause sausen lassen). Ich wollte gefüllte Paprika mit Reis machen, magst du das?
Me: Das klingt sehr gut, ich denke, ich brauche nicht mehr allzu lange
Love: Sehr gut, jetzt habe ich nämlich schon angefangen zu kochen :D
Me: Bis später, Love
Love: :)
„Kann es sein, dass du jemanden kennengelernt hast?", fragt mich plötzlich jemand. Erschrocken zucke ich zusammen und bemerke, dass Ian sich neben mich gesetzt hat und neugierig von meinem Hand zu mir schaut. Der Bildschirm ist bereits wieder schwarz, aber trotzdem frage ich mich augenblicklich, wie viel er gesehen hat. Die anderen Spieler sind bereits in der Dusche. Ich schüttle den Kopf und stehe auf, um ebenfalls duschen zu gehen. „Sicher? Das würde zumindest erklären, weswegen du in letzter Zeit so abwesend bist." – „Ich habe keine Freundin.", betone ich. „Ich glaube, du bist ein schlechter Lügner. Du verheimlichst doch etwas." – „Sagst gerade du.", entgegne ich, ohne vorher darüber nachzudenken. Verwirrt sieht er mich an. „Was soll das heißen?"
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Was wird Louis wohl antworten? Und könnt ihr sein Team verstehen? Was meint ihr, wird Louis jetzt deswegen machen?
Love, L
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