Der Wertlose der bleiben muss
Der Kuss benebelte all meine Sinne, fast so als wäre ich betäubt, oder auf Drogen. Ich spürte, wie mir langsam schwindelig wurde und es in meinen Ohren begann zu rauschen. Trotz der Kopfschmerzen, die jetzt auch noch einsetzten, küsste ich ihn weiter und konzentrierte mich auf das wundervolle Kribbeln, welches er in mir auslöste. Doch viel zu schnell löste er sich von mir. Berauscht von dem Gefühl, wollte ich meine Lippen wieder auf seine legen, doch er drückte mich sanft zurück in seine Kissen.
"Du solltest dich jetzt besser ausruhen.", wisperte er und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Wie benommen nickte ich.
"Ich hol dir die Medikamente, du solltest eine Tablette nehmen."
Erneut nickte ich stumm. Bei dem Brummen in meinem Kopf waren Medikamete wirklich nicht schlecht, wobei ich mir nicht sicher war, ob es an meiner leichten Gehirnerschütterung oder ihm lag.
Langsam ging er von mir runter und stand auf.
"Bis gleich.", murmelte er noch leise und verließ dann das Zimmer.
Ich erwiederte nichts darauf, sondern starrte einfach wie gebannt an die Decke und versuchte einen Durchblick zu gewinnen.
Er würde sich von Tyler und den Anderen schlagen lassen, weil er mich liebte, weil ich es ihm wert war. Genau das hatte er gesagt. Ich ließ seine Sätze in meinem Kopf Revue passieren.
Doch je öfter ich sie wiederholte, desto mehr begann mein Kopf zu rebellieren, desto mehr geriet ich in Panik und desto mehr verstand ich, dass ich das nicht zulassen durfte.
Ich durfte nicht zulassen, dass er sein Leben durch bittersüße Schläge und Beleidigungen aufpeppte und das für Gefühle, die er glaubte für mich zu empfinden und den naiven Gedanken ich wäre irgendetwas wert.
Ich durfte es einfach nicht zulassen.
Egal, welches Kribbeln er in mir auslöste. Egal, welche Feuerwerke er in mir explodieren ließ und egal, wie sehr ich mir wünschte, es wirklich wert zu sein. Es wert zu sein, dass mich jemand da rausholte. Raus aus den Schlägen, raus aus dem Irrsinn, welchen ich Tag für Tag erlebte. Mich von den Ketten meines Vaters befreite und Tyler, Devin und Zac aus meinem Leben strich. Doch ich war es nicht wert. Demnach war es nicht von wert zu wissen, wie meine Zukunft aussähe, wenn ich es wert wäre. Denn das war ich nicht. Vielleicht hatte ich meinen Vater nicht verdient und vielleicht auch nicht die Schläge, welche ich in der Schule abbekam. Doch es hatte keiner verdient seinen Kopf für mich hin zu halten und mich da rauszuholen. Niemand hatte es verdient diese unmögliche Aufgabe bewältigen zu müssen. Schon gar nicht-
"Nick! Nick!", hörte ich mit einem Mal dumpfe Schreie zu mir durchdringen.
Ich registrierte, dass ich nicht mehr die monoton weiße Wand über mir anstarrte, sondern Logan. Dieser hatte einen ziemlich überforderten Gesichtsausdruck und raufte sich die Haare.
"Nick! Sag doch was!", hörte ich ihn wieder schreien, diesmal nicht mehr ganz so dumpf wie bei letzten Mal. Dafür war ein Piepen hinzugekommen, welchens meine Ohren in unsagbar nervigen Frequenzen heimsuchte. Mit einem Mal schien es, als würden sich all meine Sinne wieder schärfen. Ich nahm ihn wieder normal wahr und auch meine Ohren schienen wieder ihren Zweck zu erfüllen.
"Jetzt sag doch was! Scheiße. Ich muss- Ich muss einen Krankenwagen rufen! Scheiße, scheiße, scheiße, Nick!", hörte ich ihn schreien und fasste mir leicht an mein Ohr.
"Logan?", wisperte ich und blinzelte kurz.
"Oh meine Gott, Nick!"
Ich hörte Logan erleichtert aufseufzen.
"Mach sowas nie wieder.", nuschelte er und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe er mir die Medikamente gab.
"Die sind zum schlucken.", murmelte Logan und reichte mir ein Glas Wasser.
Immer noch leicht benebelt nahm ich das Glas an und schluckte dann stumm die Tablette.
"Alles gut?", fragte Logan leise nach, als ich das Glas wortlos wegstellte.
Meine Sinne waren geschärft und wieder auf dem normalen Stand, trotzdem schien es, als würde ich alles durch einen Schleier wahrnehmen.
Ich nickte und legte mich dann wieder hin.
"Ich lass dich dann mal schlafen.", nickte er und stand von der Bettkante auf.
Als Antwort schloss ich einfach die Augen und schlief Sekunden später, ohne das überhaupt zu wollen, ein.
Wach wurde ich durch laute Stimmen, welche ich noch nicht ganz identifizieren konnte. Müde rieb ich mir die Augen und setzte mich auf. Erst nach einigen Minuten begriff ich dann, dass ich mich in Logans Zimmer befand und nicht entführt worden war. Als die Stimmen lauter wurden, stand ich auf. Eine Stimme konnte ich klar Logan zu ordnen. Die andere war eindeutig eine Frauenstimme umd sie kamm mir auch bekannt vor, allerdings war ich wohl eindeutig nicht lange genug wach um zu erkennen, mit wem Logan sich zu steiten schien.
Langsam öffnete ich Logans Zimmertür und konnte somit jedes Wort der Beiden unten genau hören.
"Du weißt es ganz genau!", hörte ich Logan erneut brüllen.
"Ich dachte, du hättest es ihm erzählt!"
"Ich hätte es dir erzählt, wenn ich es ihm erzählt hätte!", schrie er aufgebracht.
"Logan, es tut mir leid, okay? Aber ich wusste nicht, dass du es ihm nicht erzählt hast."
"Ich rede nicht über Rony, das weißt du ganz genau!"
"Logan-"
"Du weißt es ganz genau, Mum!", hörte ich ihn wieder schreien. Doch der Schrei war anders als die vorherigen. Seine Stimme war gebrochen und mit einem Mal viel zerbrechlicher als zuvor. Nach dem Schrei folgte ein Schluchzen, welches mir unter die Haut ging. Ohne es überhaupt zu wollen, stolperte ich die Treppe runter und rannte ich Logans Arme. Dieser drückte sich augenblicklich an mich und schluchzte erneut auf. Ich spürte, wie er langsam zu Boden glitt und da ich zu schwach war um ihn aufzuhalten, ging ich langsam mit zu Boden.
"Logan, es tut mir leid.", wisperte Logans Mutter leise, ehe man ihre Schritte hörte, wie sie verschwand.
Unterdessen schluchzte Logan erneut.
Ungehemmt vergoss er Tränen, versuchte gar nicht erst sie aufzuhalten.
Währenddessen hielt ich ihn im Arm und strich langsam über seinen Rücken. Ich wollte nicht, dass er weinte. Das wollte ich nie. Ich wollte nicht, dass er Schmerz verspürte. Das hatte er nicht verdient, nicht er. Eine so gutherzige Person. Das war einer der Gründe, warum ich ihn aus meinem Leben verbannen wollte, denn mein Leben bestand nur aus Schmerz und diesen wollte ich ihm ersparen.
Logan schluchzte erneut auf und krallte sich an mir fest. Es schien, als würde er keine Luft mehr bekommen, als würde er an dem Schmerz und den Tränen ersticken. Ich drückte ihn enger an mich. Versuchte auf hilflose Art und Weise seinen Schmerz zu lindern, oder ihm in irgendeiner Art Halt zu geben.
"Du- Dir darf es nicht pas-passieren.", stammelte er schluchzend.
"Dir nicht. Nicht noch einmal.", schluchzend drückte er mich an sich. Er zerquetschte mich fast, wodurch mein Schwindel sich wieder zu Wort meldete.
"Du musst bei mir bleiben. D-Du musst..."
"Shhh... Ich bleibe bei dir.", murmelte und strich ihm langsam durch sein leicht verschwitztes Haar, welches an seiner Stirn klebte.
Als ich das sagte, dachte ich nicht an mich. Ich dachte nicht an Tyler, Devin und Zec, oder ihre Reaktionen. Ich dachte an ihn. Das, worum er mich bat, war nebensächlich. Der Ton in dem er es sagte entscheidend. Dieser Ton, die Farbe seiner Stimme und wie er die Worte über die Lippen brachte, entschied,ohne auch nur zu überlegen, mein Zusagen. Er hätte mich um alles auf der Welt bitten können, um alles. Ich hätte zugesagt, denn der Ton seiner Stimme brach mir mein Herz. Er brach es nicht nur, er zerfetzte es. Seine Stimme suchte nach Halt und ich hatte das Gefühl, wenn ich ihm diesen jetzt nicht gab, würde er sterben. Aus einem Grund, welcher mir bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt war, aber ihn so aus der Bahn geworfen hatte, dass er es in diese Welt nicht mehr aushalten schien.
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