Kapitel 26


"Na gut. Ich lasse Dich in Ruhe. Aber leg Dich wieder hin. Ich erinnere Dich nur ungern an Deinen letzten Kater.", sagt sie sanft und steht wieder auf. "Ich besorge Dir was zu trinken." Eigentlich würde ich am liebsten aufstehen und wegrennen, aber mir ist so übel und schwindelig, dass ich noch nicht einmal richtig sitzen kann. Also lasse ich mich wieder in die Waagerechte fallen und schließe die Augen. Sofort geht es mir besser.


"Bitte, Bill!", höre ich Az' gedämpfte Stimme.
"Nein, Du sieht doch wie es ihm geht!", sagt mein Bruder.
"Ich kann ihm helfen!"
"Nein, kannst Du nicht! Er hat doch sehr gut deutlich gemacht, dass er nicht will, dass Du hier bist! Er ist verdammt sauer auf Dich. Und ich finde schon noch raus warum, auch wenn Du es mir nicht sagen willst!"
"Das hat einen Grund!"
"Azure! Charlie ist sauer auf Dich. Das hat auch einen Grund. Und es muss ein verdammt guter Grund sein, dass er Dich nicht sehen will. Du hast ihn irgendwie dazu gebracht, sich zu betrinken, bis er umgekippt ist. Ich glaube, das ist Dir überhaupt nicht bewusst! Da hätte noch viel Schlimmeres passieren können! Und ich weiß genau, dass das Dein Verschulden ist. Also, ich bin auch ganz froh, wenn Du hier weg bist!", schreit er.
"Könnt ihr euch bitte leiser streiten!", sage ich laut und kneife von der Helligkeit geblendet die Augen zusammen.
"Charlie!", ruft Az und kommt zu mir gerannt. "Wie geht's Dir?"
"Hau ab! Ich sage es Dir nicht noch einmal! Hau einfach ab!", sage ich.
"Charlie, es tut mir so leid. Das war nicht so gemeint, bitte glaub mir das!"
"Lass mich in Ruhe!", sage ich wieder.
"Das meinst Du doch nicht wirklich so!", sagt sie mit zitternder Stimme.
"Doch, genau so mein ich das!", sage ich und sehe ihr fest in die Augen.
"Glaub ja nicht, dass ich aufhöre mich zu entschuldigen!", sagt sie leise, aber mit fester Stimme. Dann steht sie auf und geht zu Bill!
"Gut, bring mich nach Hause."


"Du hasst sie nicht!", sagt Bill und sieht mich mit diesem seltsamen Gesichtsausdruck an, den er immer aufsetzt, wenn er weiß, dass er recht hat.
"Doch! Sie hat alles kaputt gemacht! Sie hat mir versprochen, dass sie nicht wie die anderen ist. Ich hab ihr vertraut! Und sie hat das missbraucht."
"Vielleicht! Aber vielleicht auch nicht!", sagt er.
"Was soll das denn jetzt heißen?", frage ich verwirrt.
"Du hasst sie nicht. Du liebst sie. Das ist manchmal einfach zu verwechseln, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Aber es ist doch so: Du hast ihr nicht die Wahrheit gesagt. Und sie hat so reagiert, wie jede andere in ihrer Situation. Sie war einfach überfordert damit. Und ich verstehe das. Du hast sie einfach total überfallen."
"Also willst Du jetzt damit sagen, dass das alles meine Schuld ist?", frage ich sauer.
"Nein! Ich sage nur, dass ich verstehe, warum sie so fertig mit der Welt war."
"Aber sie hat gesagt, sie will mich nicht heiraten. Und das hat absolut gar nichts damit zu tun."
"Sie hat nicht gesagt, dass sie das nicht will. Sie hat einfach nur nichts gesagt. Weil sie unter Schock stand."
"Wieso schlägst du dich jetzt auf ihre Seite?"
"Das mache ich doch gar nicht. Ich versuche nur nachzuvollziehen, warum sie Dich angeblich hasst - wie du gesagt hast - und dann trotzdem hierhergekommen ist. Sie hat mich angeschrieen und auf mich eingeschlagen, dass ich sie mit hierher nehme. Ich glaube einfach nicht, dass du ihr egal bist.", sagt er und trinkt einen Schluck Whiskey.
"Kannst du das wegstellen? Mir wird vom zusehen schon schlecht."
"Nein, das hast du dir selbst zuzuschreiben! Und dass das klar ist: ich sorge dafür, dass du wieder in Ordnung bringst. Und wenn ich dich nach Hause prügeln muss!"
"Was soll ich denn da wieder in Ordnung bringen? Sie hat doch alles klargestellt!"
"Du schnallst es einfach nicht, oder?", sagt er, kippt sein Glas leer und fährt fort. "Sie ist hierher gekommen! Weil sie mit dir reden wollte! Sie wollte sich entschuldigen und du bist ausgerastet. Du hast ihr noch nicht mal eine Chance gegeben, sich zu entschuldigen. Also tu nicht so, als hättest du alles versucht. Das hier ist noch nicht vorbei, auch wenn du es dir einredest. Du willst sie nicht verlassen, das weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit. Und sie will das auch nicht. Ok, es wird nicht einfach, aber muss man deswegen das Handtuch werfen? Nein! Du hast vergessen, wie man um etwas kämpft, weil du es nie tun musstest. Aber jetzt ist es soweit! Also sorg dafür, dass das wieder in Ordnung kommt. Sie hat es versucht, indem sie zu dir gekommen ist. Damit hat sie doch ihren Standpunkt klargemacht. Du bist aber nicht darauf eingegangen. Also bringst du das jetzt wieder in Ordnung, klar?", sagt er und schenkt sich noch einen Whiskey ein.
"Kannst du den nicht nachher trinken?"
"Wieso? Weil du sonst gleich wieder auf den Boden kotzt? Keine Sorge. Scarlett bringt dich dann sowieso um."
"Mir ist so schlecht!"
"Da hab ich einen Tipp für dich: nimm nächstes Mal wieder den Boxsack!"
"Nicht witzig, Bill!", sage ich genervt.
"Finde ich schon!", lacht er.
"Ach halt die Klappe!"
"Na schön ... Wie du meinst Brüderchen!"
"Sag noch einmal Brüderchen und ich sorge dafür, dass Scarlett dich statt mich umbringt.", sage ich trocken.
"Also ... Redest du jetzt mit Azure?", fragt er, woraufhin ich nur nicke.
"Ich kann sie nicht auch noch verlieren."
"Das wirst du nicht, da bin ich sicher. Sie liebt dich wirklich sehr."

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