37. Kapitel
Adrian umfasste meine Oberarme. „Dreh dich um."
Ich schüttelte den Kopf und strengte mich an, die Schluchzer zu unterdrücken, die meinen Körper durchfahren wollten.
„Ich wusste nicht, dass es für dich mehr als Freundschaft war. Du wirkst so unnahbar, Gianna. Was ist es für dich?"
Wollte er mich etwa noch mehr demütigen? Wut durchfuhr mich und ich wirbelte herum. „Fehlt dir die Genugtuung, Adrian? Brauchst du noch mehr? Meinetwegen, bitteschön! Ich Idiot bin auf dem besten Weg, mich in dich zu verlieben, wenn's nicht schon geschehen ist", schnauzte ich ihn an und blinzelte durch meine Tränen. „Reicht dir das? Oder bist du immer noch nicht zufrieden?"
Mein Gehirn brauchte einige Sekunden, um zu verarbeiten, was danach geschah. Beinahe brutal riss Adrian meinen Kopf zu sich und küsste mich, als wäre ich seine Luft zum Atmen. Ich war so überrumpelt, dass ich zunächst gar nicht reagierte, weswegen sich Adrian von mir löste.
„Gianna, ich mag dich. Ich mag dich wirklich sehr. Wir sind schon lange mehr als Freunde oder bloß eine Affäre, aber ich bin nicht fähig, eine Beziehung zu führen. Nicht so, wie du sie brauchst", sagte Adrian. „Ich weiß, dass es egoistisch ist, weiter an dir festzuhalten, aber ich kann nicht anders."
„Du musst aber", sagte ich mit leiser Stimme. „Du musst mich loslassen, weil du mich sonst zerstören wirst. Naja, zumindest wirst du mir weitere Narben verpassen, die momentan nicht heilen können."
„Ich kann dich nicht aus meinem Leben lassen", entfuhr es Adrian und plötzlich klang er verzweifelt. „Ich brauche dich."
Ich schloss schmerzerfüllt die Augen. Die ganze Situation hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Im Endeffekt hatte ich mir selbst mein Herz gebrochen.
„Ich will dich nicht in meinem Leben haben", flüsterte ich und musste mir jedes Wort aus dem Mund quälen, weil sie eine grässliche Lüge waren.
Adrian sah mich an, als hätte ich ihn verprügelt.
„Es tut mir leid. Du hast etwas Besseres verdient als das alles hier", sagte ich leise. „Ich kann dir unmöglich noch mehr antun, und mir auch nicht. Das verkrafte ich einfach nicht."
„Das war's also? Wir können nicht mal Freunde sein?", fragte Adrian und ich hörte an seiner Stimme, wie gekränkt er war.
„Wie stellst du dir denn eine Freundschaft zwischen uns vor? Glaubst du wirklich, dass das funktionieren kann?" Zweifelnd sah ich ihn an. „Ich glaube das nicht."
„Ich will auch nicht nur dein Freund sein, Gia." Adrian schluckte und sah mich mit einem unergründlichen Blick an.
„Aber du kannst auch nicht mehr sein als das, das hast du eben selbst gesagt", erwiderte ich. „Du sagst, du bist zu einer Beziehung nicht fähig. Denkst du wirklich, dass diese Sache zwischen uns eine Zukunft hat, in der wir beide glücklich sind?"
„Ich weiß es nicht, Gia. Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, aber ich will dir keine leeren Versprechungen geben. Das einzige, was ich dir versprechen kann, ist, dass ich es versuchen werde", sagte er beinahe schon flehentlich.
Für einige Sekunden sahen wir uns gegenseitig stumm in die Augen. Jede Zelle meines Körpers schrie danach, Ja zu sagen und ihm um den Hals zu fallen.
„Das ist nicht genug." Meine Stimme brach. Ich war ein schrecklicher Mensch. Wie konnte ich ihm das bloß antun?
„Dann war's das also. Du willst nicht mal mehr befreundet sein?" Ich sah in Adrians Gesicht, dass ich ihn tief verletzt hatte, auch wenn er sich alle Mühe gab, es vor mir zu verbergen.
„Es wird nicht funktionieren. Wir passen einfach nicht zueinander, Adrian. Weder als Paar, noch als Affäre oder als Freunde." Bei den Worten konnte ich ihm nicht einmal in die Augen sehen, so sehr schämte ich mich. Eine Wut kroch in mir hoch, die ich noch nie gekannt hatte. Allerdings nicht auf Adrian oder auf mich, sondern auf André. Elli hatte recht. Wie konnte ich es erlauben, dass mir dieser Mistkerl immer noch mein Leben zur Hölle machte und zerstörte? Dass er jedes bisschen Glück und Gute in meinem Leben zunichte machte.
„Dann ist ja wohl alles zwischen uns geklärt." Ich bemerkte, dass Adrian wieder so distanziert mit mir sprach, wie er es vor einigen Wochen getan hatte. Bevor wir nach London geflogen waren. Ohne eine Antwort abzuwarten ging er in sein Büro zurück und schloss die Tür hinter sich. Kraftlos sank ich gegen die Kante meines Schreibtisches und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich hatte nichts anderes verdient, als mich so miserabel zu fühlen. Wäre ich nicht so ein verdammter Feigling, würde ich etwas gegen André unternehmen, anstatt mich von ihm erpressen zu lassen.
Ich brauchte einige Minuten, um mich so weit zu sammeln, um weiterarbeiten zu können. Trotz allem war mir den restlichen Tag über speiübel. Kurz bevor ich Feierabend machte, rief mich Melissa an und teilte mir mit, dass ein spontaner Termin für Adrian ins Haus gekommen war, doch dieser bereits Feierabend gemacht hatte.
„Hast du Zeit, ihn zu empfangen? Ich erreiche Adrians Vertretung nicht und er möchte bloß einen Informationskatalog abholen. Sein Name ist ist Mr Hendricks."
„Klar, ich komme nach vorne", sagte ich und legte auf. Ich strich meine Kleidung zurecht und überprüfte schnell in einem kleinen Spiegel, ob ich halbwegs präsentabel aussah.
In dem Moment, als ich das Büro von Adrian betrat, begleitete Melissa den Termin hinein. Ich blickte hoch und mir gefror das Blut in den Adern.
„Was zum Teufel machst du hier?", fauchte ich, als ich André erkannte. Melissa sah verwirrt zwischen uns beiden hin und her.
„Ihr kennt euch?", fragte sie verwundert.
„Ruf den Sicherheitsdienst", sagte ich, ohne meine Augen von André zu wenden.
„Ach Süße, denkst du wirklich, die können es mit mir aufnehmen?", lachte André. „Du hast dein Versprechen gebrochen."
„Habe ich nicht", widersprach ich ihm. „Ich musste mit Adrian sprechen, um die Sache zwischen uns zu beenden. Außerdem arbeite ich hier."
„Wenn dir das Leben deiner besten Freundin etwas bedeutet, suchst du dir besser einen neuen Job", knurrte André und ich erkannte dieses Glitzern in seinen Augen, das mir früher schon oft Angst eingejagt hatte.
„Wieso tust du das?", wollte ich wissen. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen mit deiner krankhaften Eifersucht? Heutzutage gibt es Therapeuten für Menschen wie dich!" Ich funkelte ihn an. André war sichtlich überrascht, da ich mich früher nie zur Wehr gesetzt hatte.
„Seit wann hast du denn Rückgrat?", fragte er belustigt. Dann hörte er auf zu lächeln. „Ich bin nicht eifersüchtig, glaub mir. Ich will dich bloß leiden sehen, so wie ich gelitten habe."
„Sir, ich muss Sie bitten, das Gebäude zu verlassen." Ich atmete erleichtert auf. Melissa war mit einem halben Dutzend Sicherheitsbediensteten zurückgekehrt.
„Ich werde gehen, aber wenn mir es passt!", brüllte André plötzlich und ich zuckte zusammen. Keine einzige Sekunde wandte er seinen Blick von mir ab. „Ich schwöre dir, dass ich zu Ende bringen werde, was ich angefangen habe. Und mal sehen, vielleicht lasse ich dich sogar am Leben, wenn ich entscheiden sollte, dass das für dich weitaus qualvoller als der Tod sein wird, mein kleiner Schmetterling." Fast schon liebevoll lächelte er mich an, doch ich konnte sehen, wie rasend er hinter dieser Fassade war.
„Das reicht jetzt! Wenn Sie nicht freiwillig gehen, verständigen wir das NYPD!", sagte ein Mann des Sicherheitsdienstes energisch. „Sie sollten lieber mitkommen. Das ist meine letzte Warnung."
Mit einem letzten wahnsinnigen Grinsen drehte sich André um und ging auf die Tür zu. Kurz bevor er das Büro verließ, blieb er stehen, drehte sich aber nicht um. „Sieh dich vor, kleiner Schmetterling. Wenn wir uns wiedersehen, lasse ich meinen Worten Taten folgen."
Mit diesen Worten ging er, während meine Knie nachgaben und ich dumpf auf den Boden sackte. Ich merkte nicht einmal, dass mir die Tränen über mein Gesicht liefen, bis Melissa vor mir kniete und mich mit besorgter Miene in ihre Arme zog.
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