35. Kapitel
Elli und ich standen beide unter Schock. Ich wusste nicht, wie er es angestellt hatte, doch André war verschwunden und das nicht durch die Haustür.
„Gott, Elli, ich rufe sofort einen Notarzt", sagte ich panisch während ich mit zittrigen Händen neben ihr kniete.
„Nein", krächzte sie mit kaum vorhandener Stimme. „Sag den Polizisten Bescheid. Vielleicht kriegen sie ihn noch."
Ich dachte an das Versprechen, welches ich André Elli zuliebe gegeben hatte, und schüttelte mit dem Kopf. „Es ist zwecklos. Du weißt so gut wie ich, dass er weg ist. Sie werden ihn niemals finden. Wir müssen uns erstmal um dich kümmern."
„Was hat er von dir gewollt? Was hat der Scheißkerl zu dir gesagt, bevor er abgehauen ist?", wollte Elli wissen und hielt sich den Hals, da ihr das Sprechen offensichtlich wehtat.
„Das ist nicht wichtig, Elli. Du musst jetzt zum Arzt und solltest wirklich nicht so viel sprechen", wehrte ich sie ab. Sie würde niemals zulassen, dass ich sie beschützte und würde mich zwingen, zur Polizei zu gehen. Ich konnte es allerdings unmöglich über mich bringen, Elli noch einmal einer solchen Gefahr auszusetzen. Alles nur wegen meiner falschen Entscheidungen aus meiner Vergangenheit.
Ich hakte Elli unter und bestellte ein Taxi. In unserer jetzigen Situation war keiner von uns beiden in der Lage, Auto zu fahren.
Woran ich nicht gedacht hatte, waren die Polizisten, die sofort auf uns zu kamen, als sie mich und Elli entdeckten.
Ich konnte Elli nicht daran hindern, den Polizisten die Situation zu schildern. Verübeln konnte ich es ihr nicht, da ich an ihrer Stelle wahrscheinlich genauso reagiert hätte. Die Polizisten gaben sofort eine Meldung an ihr Revier heraus und forderten Verstärkung, um die Gegend abzusuchen. Ein Streifenwagen brachte derweilen Elli und mich in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses.
Während sie untersucht und behandelt wurde, wurden mir von einer Krankenschwester unangenehme Fragen gestellt.
„Sie sind sich also sicher, dass Sie mir nicht erklären möchten, wieso Ihre Freundin so offensichtliche Würgemale am Hals trägt?", fragte sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen und sah mich missbilligend an.
„Ich habe es der Polizei erklärt und wenn Elli Ihnen nichts weiter gesagt hat, dann werde ich das auch nicht tun", antwortete ich bissig.
Mir wurden keine weiteren Fragen mehr gestellt. Nach etwa einer Stunde kam Elli aus dem Behandlungsraum und hatte einige Medikamente und Salben bei sich. „Können wir nach Hause gehen?", fragte sie tonlos.
Ich nickte. Dieses Mal nahmen wir ein Taxi. Die gesamte Fahrt lang schwiegen wir uns an. Ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass der Taxifahrer uns zwischendurch merkwürdige Blicke zuwarf, oder ob Elli wütend auf mich war. Für mich beantwortete sich die Frage, als wir zuhause ankamen und Elli wortlos in ihrem Zimmer verschwand.
Mit einem unguten Gefühl hatte ich mich dazu entschlossen, etwas zu kochen, als die Dämmerung hereinbrach. Ich hatte mich für Ellis Lieblingsessen entschieden, in der Hoffnung, sie damit etwas milde zu stimmen. Nachdem ich den Tisch gedeckt hatte klopfte ich zaghaft an ihre Tür.
„Elli? Ich hab Essen gekocht", sagte ich und wartete auf ihre Antwort.
Sie öffnete nach ein paar Sekunden die Tür und sah mich an. „Was denn?"
„Hühnerfrikassee", sagte ich und versuchte ein leichtes Lächeln.
„Lieb von dir, aber ich glaube nicht, dass ich das schlucken kann. Mir tut der Hals immer noch ziemlich weh", sagte Elli und schenkte mir ein Lächeln, doch es wirkte ziemlich kühl.
„Es tut mir leid, daran hätte ich denken sollen. Ich kann dir schnell eine Suppe machen, wenn du magst", bot ich an. Ich fühlte mich, als würde ich auf rohen Eiern laufen.
„Nein danke." Elli wollte dir Tür gerade schließen, als ich eine Hand dagegen legte.
„Ich wollte nie, dass dir wegen mir irgendwas geschieht. Es tut mir wirklich unfassbar leid, Elli", sagte ich mit schwacher Stimme.
„Gia, ich nehme dir nicht übel, was dieser Mistkerl mir angetan hat. Dafür kannst du nichts, sondern nur er. Aber wieso zum Teufel wolltest du mich daran hindern, den Vorfall der Polizei zu melden?", schnaubte Elli und sah mich mit vor der Brust verschränkten Armen an.
In mir machte sich ein flaues Gefühl breit. „Ich sollte ihm etwas zu deinem Schutz versprechen. Und das hab ich auch getan, Elli. Sieh mich nicht so an, ich will nicht, dass er jemals wieder Hand an dich legt. Und eine Bedingung war, dass die Polizei außen vor bleibt."
„Aber so hört dieser ganze Teufelskreis doch niemals auf, Gianna!", sagte Elli und fasste sich an den Kopf. „Du lässt dich immer noch von ihm benutzen und manipulieren. Wir brauchen die Polizei, damit das aufhört. Egal was er von dir wollte, wir müssen alles was passiert der Polizei melden. Zur Not kriegen wir eben Personenschutz oder was weiß ich, aber du musst da raus. Wir beide müssen da raus." Sie atmete heftig, als sie endete.
Ich sah sie mit Tränen in den Augen an. Ihre Worte taten weh, aber sie waren wahr.
„Und jetzt sagst du mir sofort, was du ihm versprochen hast", sagte Elli streng. „Er will doch bloß, dass wir uns etwas verheimlichen."
„Ich soll Adrian nicht mehr sehen", erwiderte ich und schaute auf meine Füße.
„Also ist er aus Eifersucht hier", antwortete Elli. „Dass er zu solchen Gefühlen überhaupt fähig ist, wundert mich."
„Ich weiß nicht, ob Eifersucht wirklich sein Beweggrund ist. Er will sich an mir rächen, das hat er genau so gesagt. Ich denke, er wird nicht so schnell Ruhe geben", teilte ich Elli mit.
„Und genau deswegen brauchen wir die Polizei", sagte sie und legte mir die Hände an die Oberarme. „Wir schaffen das, aber wir dürfen uns von ihm nicht in eine Ecke drängen lassen. Außerdem glaube ich kaum, dass sich Adrian das gefallen lassen wird. Immerhin siehst du ihn ja täglich auf der Arbeit."
Mist. So weit hatte ich nicht gedacht. Bezog sich die Drohung etwa auch darauf, dass ich kündigen müsste?
„Du überlegst ja wohl nicht ernsthaft, deinen Job wegen diesem Mistkerl an den Nagel zu hängen", rügte mich Elli sofort. Sie kannte mich einfach viel zu gut.
„Ich will kein Risiko eingehen, Elli. Ich traue ihm alles zu."
Elli sah mich scharf und auch ein wenig mitleidig an. Wir setzten uns an den Tisch und Elli bekam doch ein paar Bissen von meinem Essen hinunter. Das Thema kam für diesen Abend nicht mehr zur Sprache.
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