19. Kapitel
„Hat er dir die Abteilung angeboten?", waren Steve's erste Worte, als ich wieder in meinem Büro saß.
„Ich weiß nicht, ob ich mich richtig entschieden habe", sagte ich leise. Was, wenn es die schlimmste Entscheidung meines Lebens war?
Mein Telefon klingelte. „Maxwell?", meldete ich mich.
„Mr Burton möchte dich nochmal sprechen." Das war Melissa. Ich musste echt mal ihre Dienstnummer einspeichern.
„Wieso? Ich habe mich doch klar ausgedrückt, oder nicht?", sagte ich verwirrt.
„Anscheinend muss er noch was mit dir besprechen, Näheres weiß ich leider auch nicht."
„Okay, danke", sagte ich und legte auf, bevor ich mich auf den Weg in die Chefetage machte.
„Ah, Gianna, du kannst direkt in mein Büro durchkommen", hörte ich Adrians Stimme, ehe dass sich die Aufzugtüren vollständig geöffnet hatten.
„Was gibts?", fragte ich, nachdem ich nun zum zweiten Mal an diesem Tag in seinem
Büro Platz nahm.
„Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, wo ab morgen dein zukünftiges Büro sein wird", grinste er süffisant. Ja, ich hatte den Vertrag unterschrieben.
Mir wurde ganz flau im Magen, als er sich erhob und mir andeutete, ihm zu folgen. Eine auf den ersten Blick nicht sichtbare Tür befand sich hinter einem großen Aktenschrank. Adrian öffnete die Tür und wies mir an, vorzugehen.
Ich staunte nicht schlecht. Das Büro war relativ groß, hatte eine riesige Fensterfront und war hell und modern eingerichtet. Aber wieso hatte ich keine eigene Tür? Genau das fragte ich Adrian dann auch.
„Du kriegst deine eigene Tür, keine Sorge. Sie müsste so in zwei bis drei Monaten fertig sein, dann musst du für eine Woche bei mir im Büro arbeiten, damit die Handwerker arbeiten können", antwortete mir Adrian und ich hatte das Gefühl, dass er das alles mit der Tür extra eingefädelt hatte.
„Du kannst mir doch nicht erzählen, dass das das einzige Büro ist, was im Gebäude nicht besetzt ist", schnaubte ich halb lachend, halb entsetzt. Mir wurde bewusst, dass ich Adrian jeden Tag mehrere Male sehen würde. Genau das, was ich eigentlich unbedingt vermeiden wollte.
„Leider schon", schmunzelte Adrian. „Zumindest war das das einzige Büro, in dem du ungestört ... arbeiten kannst."
„Du Schwein. Vergiss es", sagte ich kopfschüttelnd. „Berufliche Beziehung, schon vergessen?"
„Es wird mir eine Freude sein, dich umzustimmen", grinste Adrian breit.
„Mit deinen ganzen Stimmungsschwankungen wird das nichts", kicherte ich, doch das Lachen verging mir, als ich sah, wie sich Adrians Miene verhärtete und sein Blick deutlich kühler wurde. „Hab ich was Falsches gesagt?", fragte ich unsicher.
„Nein. Leb dich schon mal ein", sagte Adrian kurz angebunden, wonach er sich umdrehte und die Tür schloss.
Eindeutig Stimmungsschwankungen.
Mit gemischten Gefühlen sah ich mich an meinem neuen Arbeitsplatz um. Ich würde einiges mitbringen müssen, um den Raum weniger steril wirken zu lassen, doch wenn ich ehrlich war, gefiel mir die minimalistische Einrichtung sehr.
Ich ließ mich auf meinen neuen Stuhl plumpsen und erwischte mich dabei, wie mir direkt ein kleines Stöhnen entwich. Dieser Stuhl fühlte sich wie eine Wolke unter meinem Hintern an.
Plötzlich ging die Tür wieder mit einem solchen Ruck auf, dass ich erschrocken zusammenzuckte.
„Wieso bist du denn so schreckhaft?", schmunzelte Adrian. Ernsthaft? Vor ein paar Sekunden war er mürrisch aus dem Raum gestürmt und jetzt hatte er wieder gute Laune? Ich verstand diesen Mann einfach nicht.
„Bin ich nicht. Wie wärs das nächste Mal mit anklopfen?", antwortete ich höflich. Ich hatte wirklich vor, an dieser beruflichen Beziehung festzuhalten.
„ Ich würde dich gern mit jemandem bekannt machen. Kommst du?" Adrian sah mich erwartungsvoll an, also erhob ich mich aus meinem Stuhl und folgte ihm in sein Büro. Dort saß ein junger Mann mit blonden, sorgfältig zurückgegelten Haaren und strahlend blauen Augen. Was ein klischeehaftes Aussehen, dachte ich mir. Er trug einen perfekt sitzenden, maßgeschneiderten Anzug und hielt ein Tablet in der Hand. Als er mich begrüßte, sah ich eine Reihe strahlend weißer Zähne aufblitzen.
"Gia, das ist Nathaniel. Er ist mein privater Manager und organisiert sämtliche Termine, die nicht in die Arbeitszeit fallen. Du wirst ihn hier öfter sehen", stellte Adrian ihn mir vor.
"Freut mich", grinste Nathaniel. "Kannst mich Nate nennen."
"Gianna", lächelte ich zurück und ergriff seine ausgestreckte Hand und schüttelte diese.
Fragend blickte ich Adrian an. "Sehr nett von dir, uns miteinander bekannt zu machen, aber wieso denn, wenn ich fragen darf?"
"Da du mich in London auf die Spendengala begleitet hast, bist du jetzt kein unbeschriebenes Blatt mehr. Du wirst mich zu einigen Veranstaltungen begleiten, die die Firma betreffen. Das ist das erste Mal, dass ich mit einer Frau aus meiner Firma dort aufkreuze und nicht mit einer Dame, die nur schön anzusehen ist. Ich erwarte also, dass du dich dementsprechend benimmst", sagte Adrian.
In mir begann es zu brodeln. Adrian hielt es anscheinend nicht für nötig, mich nach meiner Meinung zu fragen und knallte mir die Entscheidung einfach so vor den Kopf. Und das nach dem Fiasko auf dem roten Teppich in London.
"Was, wenn ich nicht deine Begleitung sein möchte?", fragte ich bissig und funkelte ihn an.
"Du hast keine Wahl. Die Presse hat viel zu dir recherchiert und das obwohl ich deinen Namen nicht genannt habe. Es würde dem Firmenimage gut tun, wenn man uns zusammen vor den Kameras sieht. Zudem du jetzt auch eine Abteilungsleitung übernommen hast, Gia." Adrian blickte mich ernst an.
"Wie oft wäre das denn?", fragte ich seufzend. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich meine alte Stelle behalten.
"Ein bis drei Mal pro Woche, das kommt ganz darauf an", antwortete mir Nate mit einem Blick auf das Tablet. "Diese Woche findet Samstag ein Event statt."
Samstags? Na toll.
"Die Zeit wird dir natürlich als Arbeitszeit angerechnet und auch dementsprechend bezahlt. Mit Zuschlägen ab einer bestimmten Uhrzeit und an Sonn- und Feiertagen", erklärte mir Adrian, der meinen Blick offenbar richtig gedeutet hatte.
Zu mehr Gehalt würde ich nicht Nein sagen, allerdings würde eine erhebliche Menge meiner Freizeit draufgehen. Und ich musste shoppen gehen, da ich nur das Abendkleid besaß, welches Adrian mir in London hatte zukommen lassen.
"Na schön. Aber ich möchte rechtzeitig über die Veranstaltungen informiert sein, um was es geht, welches Klientél kommt und wie der Dresscode ist. Ich muss mich ja schließlich vorbereiten", stellte ich zur Bedingung. Adrian schmunzelte.
"Das ist überhaupt kein Problem. Um die Kleiderwahl musst du dich nicht sorgen, das wird für dich erledigt. Du wirst für jedes Event ein passendes Kleid bekommen", sagte Nate.
"Das muss doch nicht sein. Ich hab eine Waschmaschine, also kann ich ein Kleid doch auch mehrmals tragen", sagte ich perplex. Für jede Veranstaltung ein neues Kleid, was für eine Verschwendung.
"Die meisten Kleider werden geliehen sein, das bedeutet, sie gehen nach dem Abend wieder zurück." Adrian verschränkte seine Hände in seinem Schoß.
"Ich weiß was geliehen bedeutet, vielen Dank auch", murmelte ich in mich hinein, doch als ich sah, wie Adrian mich bissig anfunkelte, wusste ich, dass er mich gehört hatte.
"War das dann alles? Ich würde mich gerne weiter in meinem neuen Büro einrichten", sagte ich und blickte Adrian und Nate an.
"Du kannst gehen, das war's erstmal", entließ mich Adrian.
Zurück in meinem Büro setzte ich mich und musste erstmal tief durchatmen. Na super. Da würde Elli total begeistert sein, wenn ich ihr erzählte, dass ich ab nun die Partybegleitung für meinen Chef spielen würde.
Den Rest des Tages machte ich mich mit meinem neuen Büro vertraut und hatte bereits begonnen, ein Konzept zu entwerfen, wie die Abteilung arbeiten sollte. Naja, erstmal nur ich. Für den Anfang war ich auf mich allein gestellt, doch sobald sich zeigen würde, dass die Abteilung nützlich war, würden einige Stellenausschreibungen rausgehen. Das hatte ich von Adrian erfahren.
Es war kurz vor 18 Uhr, als ich mich von meinem Computer abmeldete und ihn herunterfuhr. Meine wenigen Sachen hatte ich immer in einer kleinen Tasche beisammen, die ich mir nun schnappte und meinen Mantel anzog.
Ich öffnete die Bürotür und stand in Adrians Büro, was mich wirklich gewaltig fuchste. Ich konnte nirgendwo hingehen, ohne dass er es mitbekam.
"Was machst du denn noch hier, Gia?" Überrascht blickte Adrian von seinem Schreibtisch auf.
"Ähm, arbeiten?" Was sollte die dumme Frage?
"Du hast doch schon längst Feierabend. Es ist fast niemand mehr hier und es wird schon dunkel." Bei der leichten Rüge fühlte ich mich wie ein kleines Schulmädchen.
"Ich mache mich ja jetzt auch auf den Weg. Bis ich Zuhause bin, ist es noch nicht ganz dunkel, das geht schon in Ordnung", lächelte ich und knotete meinen Mantel zu. "Bis morgen."
Ich wandte mich zum gehen, als Adrian rief: "Warte. Ich fahre dich nach Hause."
Verdutzt drehte ich mich um. "Danke, aber das ist nicht nötig. Ich brauche nur zwanzig Minuten."
"Zwanzig Minuten? Liebes, jetzt wirst du nie wieder laufen", sagte Adrian kopfschüttelnd und griff nach seinem Sakko. "Ein Wunder, dass du noch lebst."
"Jetzt übertreibst du aber", lachte ich auf. "So dunkel ist es nicht und mir ist noch nie etwas auf dem Weg passiert. Ich genieße das Laufen sogar, so hab ich Zeit, meine Hörbücher zu hören."
"Du trägst sogar Kopfhörer? Gia, was ist, wenn da mal jemand zu schnell fährt? Oder wenn sonst irgendwas ist, du hörst dann doch gar nichts." Er sah mich streng an.
"Wenn ich dir verspreche, keine Kopfhörer zu tragen, lässt du mich dann wenigstens alleine gehen?", fragte ich mit einem Welpenblick. Wir standen bereits im Fahrstuhl und Adrian drückte den Knopf für die Tiefgarage.
Er blickte kurz zu mir hinunter, dann sah er wieder geradeaus an die silberne Tür. "Nein."
Ich seufzte theatralisch.
"Und wenn du nicht sofort aufhörst, so zu gucken, wird das nichts mit einer beruflichen Beziehung", fügte er hinzu und ich starrte ihn erschrocken an. "Der Blick ist nicht besser, Süße."
Ich tat es ihm gleich und schaute stur gerade gegen die Fahrstuhltüren. Dass sich eine leichte Röte auf meine Wangen schlich und sich von dort aus eine Hitzwelle durch meinen ganzen Körper schlug, konnte ich allerdings nicht verhindern. Möglichst unauffällig versuchte ich, meinen Knoten vom Mantel zu lösen, da ich kühle Luft brauchte.
"Heiß hier drinnen, nicht?", raunte mir Adrian ins Ohr, was dafür sorgte, dass ich nur noch mehr zu schwitzen begann.
"Ich weiß nicht, was du meinst", log ich. Gefühlt brauchte der Fahrstuhl heute zehn Minuten, bis er in der Tiefgarage angekommen war.
Endlich öffneten sich die Türen und kühle Luft strömte unter meinen Mantel.
"Komm", sagte Adrian und legte eine Hand in meinen Rücken, um mich zu seinem Auto zu führen. Er öffnete mir höflich die Tür und schloss sie, nachdem ich mich angeschnallt hatte. Als er um das Auto herumging und ich sein markantes Profil im Scheinwerferlicht betrachtete, fing mein ganzer Körper an zu pulsieren. Was machte dieser Mann nur mit mir?
In diesem Moment summte mein Handy. Eine Nachricht von Elli.
>Übernachte heute bei Mason. Genieß die ruhige Nacht!<
Oh Himmelherrgott.
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