Kapitel 1:

27. August 1996, London (England)

Ich hätte niemals gedacht, dass eine Beschäftigung einem wirklich helfen konnte. Was passiert war, ging mir nicht mehr aus dem Kopf, bis man mir im Waisenhaus irgendeine Arbeit auftrug und auch, wenn es nur als Küchenhilfe war.

Es hatte sich nichts verändert; alles war so, wie es sein sollte: die gleichen Zimmer, der gleiche Essaal, die gleichen Flure, die gleichen Arbeiter. Und leider auch die gleichen Kinder. Nur selten gingen welche, aber es kamen öfters welche hinzu.

Zart McOtello ging es in letzter Zeit nicht so gut. Er hustete oft, wenn ich mit ihm sprach und seine Augen füllten sich immer mit Tränen, als wäre er gegen etwas allergisch. Aber er war schon ein alter Mann, so etwas passierte nun halt.

Er war dennoch froh, dass ich zurückkam, aber er wollte am liebsten, dass ich in Hogwarts blieb und ihm weiterhin Briefe schrieb. Er hatte alle meine Briefe behalten, die ich ihm all die Jahre geschrieben hatte.

Teresa hatte es bereits aufgegeben in einer Familie aufgenommen zu werden. Niemand will ein vierzehn-jähriges Mädchen aufnehmen, dass schon die halbe Kindheit hinter sich hat. Aber wie jeder Mensch hatte sie Träume; sie wollte Krankenschwester werden. Ihr könnte ich das zutrauen; sie hatte richtiges Potential dazu. Aber es machte mich auf einer Seite traurig zu wissen, dass sie nichts von dieser anderen Welt wusste.

Dieser Zauberwelt, in der ich lebe.

Es war Nachmittag und ich hatte gerade das Geschirr vom Mittagessen fertig geputzt. Über hundert Teller der Kinder.

Das Personal war knapp und deswegen hatte das Waisenhaus jede Hilfe angenommen, das es bekam.

Als die Köchin mit weiteren zwanzig Tellern und Besteck kam, die ich waschen musste, seufzte ich erneut auf und strickte meine Schürze fester. Ich musste diese grässliche Uniform tragen, die aus einem schwarzen Kleid, welches mit dicke gepolsterten Schultern versehen war und dazu noch einen weißen Kragen hatte. Mir wäre meine Uniform aus Hogwarts lieber.

Als die Köchin mich in der Küche wieder alleine ließ und ich mich müde an die Arbeit machte, hörte ich ein schnelles Geräusch hinter mir und dann war es still.

Als ich mich umdrehte, zuckte ich zusammen, sodass der Teller aus meiner Hand fiel und auf den Boden prallte, wo er in viele kleine Stücke zerbrach.

„Dumbledore!"

„Jade, wie schön dich zu sehen."

„W-was tun Sie hier?"

„Höflichkeitsform vor dem eigenen Großvater?"

Ich atmete einmal tief ein und wieder aus. „Tut mir leid, ich meine... was tust du hier?"

Er lächelte und starrte dann zu meinen Füßen, wo rund um diese die Scherben des Tellers lagen. Mit seinem Zauberstab zauberte er den Teller wieder ganz, der vor meinen Augen schwebte und ich ihn in meine Hände nahm und hinlegte.

„Du warst diesen Sommer fleißig, Jade."

„Ich bin gerne beschäftigt. Ist eine super Ablenkung."

Ich starrte auf seine rechte Hand, welche sich verfärbt hatte; alle Finger – außer dem Daumen – waren schwarzgrau, als würde die ganze Hand langsam absterben. Der Anblick war grässlich.

Dumbledore folgte meinem Blick. „Ein unerfreulicher Anblick, oder? Die Geschichte dazu ist spannend, wenn ich das mal anmerken darf. Aber jetzt haben wir dafür keine Zeit. Nimm meinen Arm."

Dumbledore hob seinen linken Arm hoch und schaute mich erwartungsvoll an. Ich verstand nicht ganz, was er damit meinte und kam ihm einen Schritt näher, bis ich stehen blieb.

„Mach, was ich sage."

Ich hob kurz die Augenbrauen in die Höhe und fasste seinen Arm an, als es dann sofort auch geschah.

Ich wurde herumgewirbelt und mir wurde augenblicklich schlecht. Doch so schnell es auch begann, so schnell war es auch schon wieder zu Ende. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich apparierte. Ich war einer der vielen, die sich übergaben.

„Ich mag apparieren nicht...", murmelte ich und hielt mir die Hand vor den Mund, weil mir schlecht wurde.

Ich schaute mich um und erblickte eine dunkele Straße bei Nacht, in der wohl nur Muggel wohnen. Im Hintergrund bellte ein Hund, der uns womöglich gehört haben musste. Dumbledore drehte sich um und ging die Straße entlang, wobei ich ihm schnell folgte.

„Willkommen im charmanten Örtchen Budleigh Babberton."

„Charmant?"

Dumbledore neigt sich zu mir herunter. „Im Sommer kann es hier wirklich schön sein."

Dumbledore lächelte kurz und blieb vor einem Haus stehen, das von außen noch recht schön aussah, aber die Tür eingebrochen war und man es von innen als eine Bruchbude bezeichnen konnte.

„Jade, du wirst dich mittlerweile fragen, warum ich dich hergebracht habe. Hab' ich recht?"

„Ach, nach all den Jahren stelle ich mir nicht mehr so viele Fragen."

Dumbledore sah seinen Mitmenschen selten in die Augen, wenn er mit jemanden sprach, sondern schaute über sie hinweg und sogar in eine völlig andere Richtung. Als würde er über den Verlauf des Gesprächs weiter nachdenken, obwohl sein Gesprächspartner erst „Hallo" gesagt hat.

Das war etwas an ihm, was ich nie verstand. Trotzdem versuchte er ein angenehmes Gespräch mit seinen Mitmenschen zu haben und das konnte er richtig gut.

Dumbledore schaute genauer zum Eingang des Hauses und zuckte kurz mit den Achseln.

„Zauberstäbe heraus, Jade.", sagte er dann mit einem Hauch von Drohung in seiner Stimme, als würde eine schreckliche Gefahr in diesem Haus lauern.

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