Kapitel 65

Ehe ich meiner Überraschung Nachdruck verleihen konnte, klopfte jemand an die Badezimmertür und störte mich dabei. Ich schloss den Mund, den ich zuvor geöffnet hatte wieder und wartete. Als niemand etwas sagte, stöhnte ich. "Was ist denn?", rief ich. Die Seele des Mannes grinste vor sich hin. Griffin war mir genauso unsymphatisch wie sein Sohn auf den ersten Blick. Die beiden schienen sich sehr zu ähneln, vor allem innerlich. Bei näherem Betrachten auch äußerlich. Ich hätte direkt erkennen müssen, dass sie verwandt waren. Der Mann besaß dieselben ebenen Wangenknochen, dieselben wilden schwarzen Locken wie Niall und auch in seinen Augen, die zwar leer, aber dennoch schön waren, stand dieses Funkeln, das bei Niall golden und bei ihm silbern war. Faszinierend. Es fehlte der Lippenpiercing, doch seine Lippen glichen Nialls Lippen ebenfalls wie ein Ei dem anderen(nicht, dass ich mir Nialls Lippen eingeprägt hatte). "Ich wollte nachsehen, was du hier für einen Krawall machst. Es hörte sich an, als schimpftest du mit dir selbst." Kims Stimme drang durch die dünne Tür und ließ mich erstarren. Hoffentlich hatten sie nicht gehört, was speziell ich von mir gegeben hatte. Ich starrte Griffin böse an. Niall hin oder her, er durfte ruhig merken, wie unerwüscht er hier war. Auch, wenn ich leider zugeben musste, dass mir die Tatsache, dass er Nialls Dad war, einen heiden Respekt einjagte. Und Mitleid. Für Niall. Sein Vater war vor zwei Wochen gestorben. Himmel, man merkte ihm das überhaupt nicht an! Vielleicht wirkte er deshalb immer, als sei er allein auf dem Planeten. Weil er unbedingt jemanden brauchte, bei dem er sich den Kummer von der Seele reden konnte.

"Oder seine Persönlichkeit entspricht dem einsamen Wolf", wisperte mein gesunder Menschenverstand. "Nicht jeder braucht ständig Leute, die ihn daran erinnern, wer er ist", flüsterte mein Herz hinterher. Das mochte wahr sein. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, selbst wenn Niall so tat, als sei er damit absolut in Ordnung - er war es nicht. Er konnte einfach perfekt schauspielern. "Ich bin eh...ich hab mich neben die Toilette gesetzt", rief ich Kim zu. Die peinlichste Ausrede, die bestand. Im Nachhinein fielen mir natürlich tausend bessere Ausreden ein. Zum Beispiel, dass ich mir den Fuß gestoßen hatte und deswegen herum nörgelte. Tja. "Okay." Darauf folgte ein Lachen und schließlich Schritte, die sich entfernten. Ich drehte mich von der Tür weg und ließ ein Seufzen verklingen. Das war knapp gewesen. Beinahe hätte man mich für geisteskrank abgestempelt. Nun war ich zwar nicht geisteskrank, aber...unfähig, mich auf den Klodeckel zu setzen. Hoffentlich zog Kim es nicht in Betracht, seinem besten Freund davon zu erzählen. Moment. Ich sollte mich unbedingt mehr darum bemühen, nicht an Niall zu denken. Das stellte sich als besonders schwer heraus, immerhin befand ich mich in einem Raum mit der Seele seines Dads. "Also", setzte ich an. Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Änderte es jetzt etwas an der Situation, dass dieser Mann der Vater meines potentiellen Komplizen in der Sache mit dem Ende der Menschheit war?

Ich duzte ihn weiterhin. "Dir ist schon klar, dass ich dich trotzdem rauswerfe? Ich will dich hier nicht haben." Ich hatte sowieso nicht den leistesten Schimmer, was er dort bei uns in dieser Wohnung wollte. Erwachsene Menschen interessierten sich für gewöhnlich nicht für Gespräche über rothaarige Giftschlangen oder verrückte Szenen in Cafeterias. Ihr Interesse lag doch irgendwo zwischen Bingo und Wandern. "Ah ja. So weit waren wir schon", sagte er. "Tatsächlich." Ich rümpfte die Nase und ignorierte sein falsches Grinsen, das dem seines Sohnes so ähnlich sah. "Ich bleibe dabei. Raus. R-A-U-S." Und nun, da er lachte wie Niall, platzte mir allmählich der Gedulsfaden - zum zweiten Mal. Einzig mein Stolz bewahrte mich vor einem Wutausbruch. Allerdings besaß ich nicht viel Stolz, weswegen es nicht mehr lange dauern würde und ich würde anfangen zu schimpfen wie ein Rohrspatz. "Selbstverständlich kann ich lesen und schreiben, Cherubyn. Du musst es mir nicht buchstabieren. Möchtest du denn gar nicht erfahren, was dich zu dieser Ehre führt, mich heute als deinen Gast zu haben?" Er stellte den Wasserhahn am Waschbecken an. Das Wasser lief. Fast hätte ich nach Luft geschnappt. Wie funktionierte dieser Geisterkram? "Möchtest du nicht wissen, weshalb ich gestorben bin?" Oh. Er...Wenigstens sah er es ein.

"Naja..", stammelte ich, aber mir fiel ums Verrecken nichts ein, das ich darauf erwidern konnte. Ehrlich gesagt, war genau das die Sache gewesen, die mich in den letzten Tagen mit am meisten beschäftigt hatte. Neben Niall, dem Bild, meinem Ring, der Prophezeihung und der Menschheit, die dank mir den Bach runter gehen würde. Wie dem auch sei, ich befand mich in einem echten Dilemma. Denn, obwohl mir die Anwesenheit des Geistes, der Seele oder wie ich den Mann nennen sollte, unangenehm und falsch vorkam, so wollte ich doch, dass er mir erzählte, was er wusste. Es waren bereits zwei Wochen vergangen, seit Kim und ich seine Leiche gefunden hatten, aber diese zwei Wochen waren nicht lang genug gewesen, um mich vergessen zu lassen, wie er da gelegen hatte. Vollkommen entstellt, gebissen und diese glasigen Augen...Ganz anders als jetzt, da er mir vor saß und die Einrichtung des Badezimmers näher betrachtete. Der Wasserhahn lief stetig. Das würde Unmengen an Geld kosten. Also stellte ich ihn ab, was dazu führte, dass seine Aufmerksamkeit wieder zu mir wanderte. "Einverstanden. Du berichtest mir von deinem Tod und dann haust du ab." Zufrieden rieb er sich die Hände. "Aber", warf ich ein, betätigte alibi-mäßig die Klospülung, "du wartest, bis meine Gäste gegangen sind." "Das habe ich mir gedacht." Er stand auf und trat an mir vorbei. Dann drehte er den Türgriff. Zu mehr war er anscheinend nicht imstande, denn er wartete auf mich, um die Tür aufzustoßen. Man konnte sagen, was man wollte. Diese Seelenmagie war cool.

"Übrigens ist es mehr als unhöflich, einen Mann in meinem Alter zu duzen, wenn er dir nicht seine Erlaubnis dazu erteilt hat", gab er mir zu Verstehen als wir zurück in mein Zimmer gingen. Ich erwiderte nichts, ärgerte mich nur innerlich darüber, ihn nicht angewiesen zu haben, auf dem Klo zu warten. Das überstieg meine Privatsphäre. Wobei, mit Privatsphäre hatten sowohl Niall als auch Griffin, wohl nicht allzu viel am Hut.

(4.11.16) Nachtrag, 22.11.16: Ich könnte mich umbringen nh. Mir fehlt die Motvation und ich bin probably nem wimpernschlag entfernt vom Ende und argh. hilfe xxx   


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