Kapitel 27

[Cassandra]

Hektisch schloss ich die Tür hinter mir und atmete nervös aus.

Warum hatte ich das nicht bemerkt? Warum war ich so blind gewesen? Das war doch nicht mehr normal! Mein Herz schlug so schnell, dass mein Puls in den Ohren dröhnte.

Ich war eigentlich in Levis Wohnung gegangen, um meinen Ersatzschlüssel von ihm zu holen. Ich versuchte so leise wie möglich zu sein, um ihn nicht zu wecken. Wieso war mir nicht zuerst in den Sinn gekommen, einfach in seiner Jacke nach zugucken? Dann hätte ich das andere nicht gesehen …

Bilder …

Seine ganze Schublade war voll mit Bildern! Auf jeden war ich zusehen. Wie ich schlief, wie ich aß, wie ich auf dem Balkon stand und in die Ferne schaute, im Park, in der Straßenbahn, an der Uni. Und bei jedem Bild, wo noch jemand an meiner Seite war, war das Gesicht desjenigen weggebrannt worden.

Dieser Bilder … wann hatte er sie gemacht und wie lange besaß er sie schon?

Mein Magen verkrampfte sich. Hatte Levi mich die ganze Zeit gestalkt? Anders konnte ich mir die Bilder nicht erklären. Sie waren nicht erst gestern entstanden! Die Vorstellung, wie er mich vorher wahrscheinlich beim Schlafen beobachtet hatte. Wie er jeden Schritt von mir festhielt …

Diese, mir völlig unbekannte, Seite an ihm … sie machte mir Angst …!

Doch noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, bemerkte ich das Handy auf dem Tisch. Ich war mir sicher gewesen, das war Erens Handy! Nur er hatte diesen Aufkleber auf seinem Handy. Doch auch darüber konnte ich nicht weiter nachdenken, als ich dann Levi bemerkt hatte, überkam mich irgendwie Panik und ich wollte einfach nur weg!

Erschrocken zuckte ich zusammen, als es klingelte. Zögerlich drehte ich mich zum Türspion und schaute auf den Flur. Mit verschränkten Armen stand Levi, immer noch nur in Boxer, vor meiner Tür. Sofort nahm ich Abstand zur Tür und schüttelte den Kopf.

»Cassandra! Mach bitte die Tür auf!« Wieder klingelte er.

Nein … irgendetwas sagte mir, ich sollte die Tür nicht öffnen. Mein Mund öffnete sich, doch es kamen keine Worte heraus. Ich war wie paralysiert.

»Cassandra, bitte!« Dieses Mal klopfte er an die Tür. »Cassandra!« Seine Rufe wurden immer eindringlicher und ernster, sowie das Klopfen.
»Cassandra!!«

Dann war es still. Unheimlich still. Zögerlich wollte ich noch einmal durch den Spion gucken. Gerade als ich einen Schritt nach vorne tat, krachte die Tür mit einen großen Schwung auf. Erschrocken quiekte ich auf und stolperte nach hinten.

Mit kalten Augen sah Levi auf mich herab und setzte seinen Fuß ab. Er hatte einfach die Tür eingetreten!

Ohne den Blick von mir abzuwenden, trat er in meine Wohnung, schloss die Tür, und stellte sich mit verschränkten Armen vor dieser. »Wieso reagierst du nicht, Cassandra?«, fragte er unheimlich ruhig.

Ich schluckte schwer und erhob mich langsam. »B-Bist du verrückt?! Wieso trittst du die Tür auf?! I-Ich war gerade im Bad!«, versuchte ich ihm zu erklären.

Doch sein Gesicht wurde noch ernster und seine Augen verdunkelten sich. »Lügnerin! Du wolltest mich gar nicht hereinlassen, nicht wahr? Du willst dich von mir entfernen, nicht wahr?«

»L-Levi … bitte … beruhige dich! W-Was ist denn nur los mit dir?!«

»Was mit mir ist?! Was mit mir los ist?! Cassandra, hör endlich auf, mich zu verarschen! Was ist mit dir? Glaubst du, ich bemerke nicht die kleinste Veränderung an dir?!«, knurrte er tief und kam langsam auf mich zu. »Du sagtest doch, du liebst mich, nicht wahr? Dass du mir gehörst, nicht wahr? Also, warum benimmst du dich mir gegenüber so?« Seine Ausstrahlung wurde immer dunkler.

Mein Herz raste und mich überkam ein Schauer der Angst. »Levi … du machst mir Angst …«

»Du hast es eh gesehen. Bist du jetzt deswegen so?! Hältst du Abstand zu mir, nur wegen dieses Bastards? Wieso zum Teufel denkst du selbst jetzt noch an ihn? Ich bin der Mann, den du liebst!«, erhöhte er seinen Tonfall.

Die gesamte Atmosphäre war vollkommen angespannt. Ich musste genau überlegen, was ich sagte. »D-Das stimmt auch … es ist nur … warum ist sein Handy in deiner Wohnung? Hast du ihn wieder verprügelt?«

»Tcch! Was glaubst du denn?! Was glaubst du, warum er sich nicht mehr bei dir meldet?«

Mein Magen verkrampfte sich. »Hast du ihm das Handy entwendet, damit er sich nicht mehr bei mir melden kann?!«

»Ich habe dafür gesorgt, dass er sich nie wieder bei dir melden kann. Du brauchst ihn nicht! Er hat dich eh belogen! Also, verstehe ich deine Aufregung nicht, Cassandra.«

»I-Ist das dein Ernst?!«, flüsterte ich und ging weiter zurück ins Wohnzimmer hinein.

"Gestern Nacht ereignete sich ein dramatischer Unfall in der Nähe des fünfzigsten Bezirks. Laut Aussagen des Bahnfahrers und einiger Fahrgäste, wankte ein junger Mann auf die Gleise. Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren und erfasste den jungen Mann. Er war auf der Stelle tot."

Wage nahm ich den Fernseher wahr. Mein Blick blieb weiter auf Levi gerichtet. In seinem Gesicht zeigte sich keinerlei Regung.

"Es wird immer noch ermittelt, ob der junge Mann alkoholisiert war, oder durch andere Ursachen auf die Gleise gestolpert ist. Jedoch schließt man nicht aus, dass die Kopfverletzung, die, der junge Mann aufwies, die Ursache sein könnte."

Auf Levis Lippen legte sich ein kurzes, finsteres Grinsen. »Echt dramatisch«, begann er, »tja … Unfälle passieren nun mal!«, fuhr er mit Unterton fort. Mein Körper spannte sich an.

Dieser Ausdruck in seinem Gesicht …

Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf. In meinem Inneren breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Meine Augen weiteten sich.

Levis Worte …

Wieder öffnete ich meinen Mund. Doch die Worte blieben aus. Ich war wie versteinert.

»Cassandra … ich frage dich nochmal … willst du dich von mir entfernen?«

Ich konnte ihm nicht antworten. Ich stand einfach nur da und starrte ihn fassungslos an.

Langsam kam er auf mich zu. »Du darfst dich nicht von mir entfernen, Cassandra. Du liebst mich doch. Du hast gesagt, dass du mein bist.« Levi kam vor mir zum Stehen. Sanft legte er seine Hand auf meine Wange. »Begreif doch, dass du nur mich brauchst, Cassandra!«

Überfordert starrte ich Levi stumm an. Dann spürte ich einen kurzen Schmerz und mein Sichtfeld wurde plötzlich schwarz.

[Levi]

Wie eine Marionette, deren Fäden entfernt wurden, wankte Cassandra nach vorne in meine Arme.

Niemals würde ich sie gehen lassen! Ihre Gedanken, ihr Körper, alles war für mich bestimmt! In ihren Kopf gab es keinen Platz für andere Gedanken! Sollte es keinen Platz geben!

Behutsam hob ich Cassandra auf meinen Armen hoch. Ich musste sie wohl wieder disziplinieren, damit sie begriff, was es hieß mir zu gehören!

Wenn ich damit fertig war, würde ich mir diese Frau vornehmen, die sich ebenfalls zwischen mich und Cassandra drängen wollte!

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