Kapitel 30
"Dann läuft deine Mutter also gerade hier durch die Schule und quatscht mit meinem Onkel?", fragte Jason mich noch einmal und sah mich dabei leicht geschockt an. Ich nickte.
"Ja und wahrscheinlich suchen sie mich."
Ich blickte über die Landschaft von End's Abbey. Nachdem ich vor Jason in Ohnmacht gefallen war, bin ich kurz darauf auf dem Flur wieder aufgewacht. In seinen Armen. Meine Wangen brannten bei dem Gedanken daran, dass ich mein Gesicht in seine Brust gedrückt hatte. Seine nackte Brust, wohlgemerkt. Himmel, diese Schule ist nicht gut für meine Hormone.
Jason hatte sich dann etwas übergezogen und mir einen Pullover von ihm gegeben. Er wusste, dass ich Fragen hatte und deshalb führte er mich wortlos bis hier her. Bis zu diesem kleinen Türmchen, mit breiten fensterähnlichen Löchern im Mauerwerk. Auf einer dieser saßen wir und blickten in die Nacht.
"Das hier ist die höchste Stelle. Wir haben quasi alles im Blick. Sie werden uns nicht finden, Kate.", beruhigte er mich und blickte ebenfalls hinaus in die Nacht.
"Wer waren diese Typen, Jason?", fragte ich schließlich. Ich spürte, dass er sich anspannte und schaute zu ihm. Auch er sah mich an.
"Kate-", setzte er an, doch ich unterbrach ihn sofort.
"Jason, bitte! Ich will es wissen. Verdammt, ich habe sogar ein Recht darauf! Sag es mir, bitte!", flehte ich und sah ihn bittend an.
"Es ist besser, wenn du es nicht erfährst.", sagte er nur.
"Wie kannst du das wissen?", fuhr ich ihn an und verstummte sofort. Ich hielt kurz inne und fuhr in einem ruhigeren Ton fort: "Ich weiß, was ich gesehen habe, Jason. Ich war dabei. Das waren Agenten. Und sie kamen definitiv nicht mit freundlichen Absichten. Ich weiß, was ich gesehen habe."
"Du hast dir den Kopf angeschlagen. Ziemlich hart sogar.", stellte er fest und ich kannte an seinen zuckenden Mundwinkeln, dass er mich provozieren wollte. Bedrohlich - zumindest versuchte ich so auszusehen - lehnte ich mich ein Stück vor und starrte ihm wütend in seine Augen.
"Hör zu, Penhallow. Ich bin hier, weil ich Antworten will. Und wenn du mir nicht jede einzelne Frage auf der Stelle ehrlich beantwortest, dann werde ich sie aus dir heraus prügeln. Ich weiß du willst mich vor etwas schützen, aber eins kann ich dir verraten, Jason. Das funktioniert nicht! Unwissenheit ist die größte Sicherheitslücke, also wenn du mich vor diesen Typen beschützen willst, dann klär mich auf, okay? Andernfalls werde ich mir woanders Informationen besorgen." Jason sah mir noch einige Sekunden prüfend ins Gesicht, als wollte er feststellen, ob ich bluffte. Doch ich blieb ernst. Schließlich seufzte er einmal laut und wandte sich wieder dem Nachthimmel zu.
"Als du bewusstlos geworden bist, habe ich dich schnellstmöglich zu Madame Triffey gebracht. Sie hat sich sofort um dich gekümmert, während ich zu meinem Onkel gegangen bin. Er hat sofort alle möglichen Geheimdienste alarmiert. Man hat mich befragt und der Tatort wurde abgesichtert. Mein Onkel hat mir auch nicht alles erzählt und demzufolge weiß ich nicht alles, aber er und die anderen Agenten vermuten, dass es feindliche Agenten sind, die ... auf der Suche nacht etwas waren.", erzählte er.
Vielleicht war es Jason's Zögern am Ende oder die Tatsache, dass er mir das alles erst nicht erzählen wollte, um mich zu schützen. Vielleicht hatte auch meine leibliche Mutter zu tun die plötzlich in meiner Schule an meinem Krankenbett auftaucht, aber ein Instinkt in mir, sagte mir, dass Jason immer noch etwas verheimlichte. Und dann machte es Klick.
"Sie waren auf der Suche nach mir.", flüsterte ich und es schien, als schien die ganze Welt inne zu halten. Man hörte keine Tiergeräusche und auch unsere Atemzüge schienen geräuschlos geworden zu sein. Selbst der Wind stoppte, als ich ansah, die Arme um meine angezogenen Knie geschlungen.
"Ja", sagte Jason schließlich. "Aber ich weiß nicht warum."
"Und dein Onkel weiß es?", fragte ich nach, weil ich spürte, dass nur er unwissend war.
"Ja. Ich habe die Erwachsenen über dich reden gehört.", meinte er und sah mich immer noch nicht an. Ich lehnte mich zurück gegen den kalten Stein und sah ebenfalls über die Landschaft meiner neuen Schule.
"Wissen es Amanda und die anderen?", fragte ich schließlich.
"Ja. Mein Zimmer und dein Zimmer wissen es. Und sie alle sind dazu angehalten worden, Stillschweigen zu wahren."
"Von dir?", fragte ich ihn direkt, weil ich mich an die Worte von Jasper erinnerte.
"Von meinem Onkel. Ich habe ihnen nur gesagt, dass sie dir nichts erzählen dürfen."
"Warum?", fragte ich. Und da sah mich Jason endlich an.
"Weil ich das tun wollte.", sagte er. "Weil ich dir danken wollte. Wenn du nicht gewesen wärst, wären wir wahrscheinlich tot." Darauf fiel mir nichts mehr ein und wir starrten uns nur stumm an.
"Allein hätte ich diese Typen nie aufhalten können.", sagte ich schließlich.
"Ab sofort wirst du auch nicht mehr allein sein.", sagte Jason und stand schließlich auf.
"Wie meinst du das?", fragte ich sofort.
"Die Lehrer werden dich nicht mehr aus den Augen lassen. Sie alle sind jetzt in höchster Alarmbereitschaft."
"Wieso? Das hier ist vermutlich der sicherste Ort der Welt.", erwiderte ich und lachte nervös.
"Und wie konnten dann gleich drei feindliche Spione hier eindringen?", stellte er die Gegenfrage und zog eine Augenbraue nach oben. Ich schwieg. Jason sah mich nur an, bevor wir uns an den Abstieg machten. Während wir wieder nach unten in die Schlafzimmer liefen, war ich in Gedanken vertieft. Wie zur Hölle sollte ich so Luke treffen?
Bei der Abzweigung zu den Zimmern der Mädchen angekommen, stoppte er plötzlich und ich knallte in ihn hinein. Jason drehte sich herum und lächelte belustigt, als ich mir die Stirn rieb.
"Du solltest zurück in den Krankenflügel gehen. Madame Triffey meldet sonst die Gefährdung der Nationalen Sicherheit beim FBI an, wenn sie dich morgen früh nicht in deinem Bett vorfindet.", erklärte er und nahm meine Hand.
"Komm, ich bring dich noch." Daraufhin schlenderten wir zum Krankenflügel und begegneten zum Glück niemanden auf dem Weg dorthin. An der Tür zum Krankensaal jedoch, erwartete uns bereits Mr. Miller.
"Ich habe mir schon gedacht, dass du sie zurück bringst.", meinte er und trat aus dem Schatten. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt und im Halbdunkel konnte ich seine Miene nicht wirklich deuten.
"Woher -", setzte ich an, doch verstummte, als Mr. Miller anfing zu grinsen.
"Agent.", sagte er nur und kam dann auf uns zu. "Deine Mutter ist wieder gegangen, Kate. Aber sie wird dich wiedersehen wollen. Du hast ziemlich unangemessen reagiert. Sie hat es auf deinen derzeitigen Zustand geschoben."
"Ich weiß.", erwiderte ich, zur Überraschung aller, selbst zu meiner eigenen. "Aber ich glaube, dass war einfach alles zu viel in dem Moment." Mr. Miller nickte.
"Ruh dich noch etwas aus. Morgen will ich dich wieder im Observierungsunterricht sehen.", sagte er und zwinkerte mir zu. Jetzt nickte ich. Er legte mir noch eine Hand auf die Schulter, ehe er sich an uns vorbeischob.
"Schicker Pullover übrigens!", rief er noch und lächelte dabei wissend. Schlagartig wurde ich rot, obwohl es dazu eigentlich keinen Grund gab.
"Er ist mir eh zu klein!", brüllte Jason zurück. Ganz egal, dass er wahrscheinlich gerade alle weckte. Mr. Miller hob nur noch eine Hand über der Schulter, ohne sich umzudrehen und verschwand um die nächste Ecke. Zurück blieben ich und Jason.
"Gut, dann werde ich jetzt mal wieder gehen.", meinte er und sah auf mich hinab. Ich nickte nur. Jason lächelte, strich mir eine Strähne hinter die Ohren, drehte sich um und ging.
"Warte!", rief ich schließlich und eilte auf ihn zu, während er sich wieder zu mir wandte. Im nächsten Moment lag ich wieder in seinen Armen, doch diesmal bei vollkommen klarem Verstand.
"Danke.", flüsterte ich, während ich seinen Duft einsog. Jason legte ebenfalls die Arme um mich und küsste mich auf meinen Scheitel.
"Träum was schönes, Katie.", sagte er, als wir uns voneinander lösten.
"Du auch.", sagte ich und lächelte. Jason jedoch fing an zu grinsen und ließ seine Augen demonstrativ über meinen Körper wandern.
"Das werde ich. Du bist übrigens ein schöner Anblick in meinem Pullover.", grinste er anzüglich und wackelte mit seinen Augenbrauen. Sofort wurde ich rot und starrte ihn mit großen Augen an. Jason lachte nur noch lauter, als er den Gang hinunterlief.
"Mistkerl!", fluchte ich wütend und Jason zeigte mir nur lachend das Peace-Zeichen über seiner Schulter.
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