20.
Ein tiefes "Herein!" ertönte von der anderen Seite der Tür, nachdem Nick angeklopft hatte.
Nick öffnete und betrat von mir gefolgt das Büro.
Ein ungefähr 45jähriger breitgebauter Mann mit schon einigen silbernen Haaren, saß an einem großen Schreibtisch und sah gerade von einem Stapel Papier auf.
"Ah Nick!" verwundert sah er auf die Uhr.
"Ich dachte du bräuchtest 20min."
Nicks Boss stand auf und kam auf uns zu.
"Da hatte ich auch nicht vor Ari.. Miss Mayhew mitzubringen" antwortete Nick mit rauer Stimme.
Der Staatsanwalt überhörte Nicks Kommentar und reichte mir die Hand.
"Richard Stark. Guten Tag Miss Mayhew!"
Er sah mich mit seinen dunklen Augen lange an, sodass ich unangenehm zur Seite schauen musste.
"Setzen wir uns doch" schlug Nick vor und zog mich zu den Stühlen vor dem großen Schreibtisch.
Richard Stark ging um den Tisch herum zu seinem Stuhl und setzte sich uns gegenüber.
"Warum ist es schiefgegangen?" Begann der Staatsanwalt das Gespräch.
Nick zögerte einen Moment, als ob er überlegen müsste was er sagen sollte.
"Die X sind pünktlich zum Übergabeort gekommen, aber dann ist genau da plötzlich Miss Mayhew aufgetaucht. Und würden die Miss Mayhew bekommen, hätten sie ihr Ziel erreicht!"
Ich kniff die Augen zusammen. Ich musste das alles jetzt erstmal ordnen.
Nick hatte mir am Tag nach dem Feuer erklärt, dass es eine Gruppe namens X gab, die es auf dieses komische Päckchen abgesehen hatten.
In dem Päckchen war komischerweise aber nur ein Bilderrahmen mit dem Bild einer jungen Frau und eine Kassette mit dem Lied Lifesaver von Sunrise Avenue.
Henry, so hieß der, der jetzt im Gefängnis saß, war auch Mitglied der Gruppe gewesen, aber ausgestiegen und der jetzt aus welchem Grund auch immer von den anderen der Gruppe umgebracht werden sollte.
Aber was hatte das alles mit mir zu tun??
"Das stimmt, dann wäre alles vorbei." Richard Stark verzog nachdenklich die Stirn.
"Aber das heißt ja, dass X Miss Mayhew gesehen haben und dich auch, als du sie da raus hast retten müssen."
"Ja und nein" warf Nick ein.
"Ja, X hat Arizona gesehen, aber ich glaube nicht dass sie sich etwas denken, immerhin hat Miss Mayhew sich nicht auffällig verhalten, bis sie zu mir ins Auto kam. Und nein, ich konnte von niemanden gesehen werden!"
"Gut gemacht Carney. Dann überwachen Sie ab heute den Starbucks ganz besonders, damit Miss Mayhew vorerst in Sicherheit ist."
Daraufhin schüttelte Nick den Kopf.
"Das würde nicht viel was bringen. Miss Mayhew ist morgen um 10:00 Uhr bei der Harvard Eastside University und ab dann beginnt ihr 3 wöchiges Praktikum im Medical University Hospital."
Shit!!
Ich hatte in der Aufregung des Brandes und den ganzen Ereignissen der letzten Tage total von meinem Praktikum vergessen, welches notwendig war, um das letzte Jahr meines Medizinstudiums beenden zu können.
Aber....
Woher wusste Nick sowas??!
In letzter Zeit hörte ich auf Fragen zu stellen. Nick wusste einfach über alles Bescheid. Wann ich Feierabend hatte, wann ich meine Pausen machte, wie meine Eltern hießen und wo ich geboren wurde.
"Okay dann erwarte ich von dir Carney, dass du undercover in das Hospi..."
"Schon erledigt Boss! Ab morgen tritt Chefarzt Dr. Carney seinen Dienst an!", unterbrach Nick seinen Chef.
Ich konnte mir ein genervtes Stöhnen nicht unterdrücken.
Mal abgesehen davon, dass Nick ganze 0% Ahnung von der Arbeit eines Chefarztes oder überhaupt eines Arztes hatte, würde ich in dauernder Beobachtung von ihm stehen.
Reicht ja nicht, dass es nach Feierabend schon so war.
"Darf ich auch mal was sagen?"
"Ja!" & "Nein!" kam es aus den Mündern der beiden Männern. Und ihr dürft genau einmal raten von wem das 'Nein' kam.
Nicks Antwort ignorierend schaute ich Richard Stark fest in die Augen.
"Worum genau geht es hier? Über mich wird hier diskutiert und verhandelt, ohne dass jemand sich die Mühe macht mir überhaupt etwas zu erklären."
"Du musst nicht alles wis..." fing Nick erneut an, doch wurde zum wiederholten Mal unterbrochen, nur diesmal von Staatsanwalt persönlich.
"Also Miss Mayhew!" er räusperte sich und schien eine Weile nach Wörtern suchend.
"Das was ich Ihnen jetzt sage, darf diese 4 Wände keinesfalls verlassen. Ich erzähle es ihnen nur, weil ich ihren Vater sehr schätze und..."
"Geschätzt habe" verbesserte Nick seinen Boss mit funkelnden Augen. Aus dem Konzept gebracht sah er Nick lange an und es kam mir so vor, als würden sie sich mit ihren Blicken verständigen.
"...den ich natürlich sehr geschätzt habe." setzte Stark wieder an.
"Also, vor einigen Jahren kam es anfangs nur zu sehr leichten Einbrüchen hier in der Gegend. Keiner hat sich wirkliche Sorgen gemacht und es auch nicht weiter erst genommen, aber je mehr Zeit verging desto mehr spitzten sich diese nächtlichen Geschehnisse zu. Nach einer Zeit wurde auffällig, dass die Gruppe bzw. die Gang immer ein kleines rotes 'x' auf den rechten Türrahmen, des jeweils ausgeraubten Hauses hinterließ.
Langsam begann sich die Polizei hier im Ort Sorgen zu machen und so wurde hier ein neuer Stützpunkt der Kriminalpolizei. Das war auch der Zeitpunkt an dem ihr Vater, Miss Mayhew, bei uns anfing zu arbeiten und ebenfalls der Zeitpunkt, an dem Nick Carney seine Ausbildung antrat."
Ich schaute Nick an, der unwohl auf seinem Platz hin und her rutschte. Ihm passte das gar nicht, dass ich jetzt mehr von ihm, als nur den Namen erfuhr.
"Als dann eines Tages in einem Einkaufszentrum eingebrochen wurde und es zu einem Schusswechsel kam, wurde einer unserer Männer tödlich verletzt." erzählte Nicks Boss weiter.
"René, also ihr Vater schwor sich die Gruppe, die wir 'X' nannten zu finden. Doch desto mehr wir suchten, desto mehr Spuren ließen wir zurück. Und desto mehr Spuren wir hinterließen, desto mehr hatte X Spaß daran uns an der Nase herum zu führen. Sie wussten, dass nicht die Polizei hinter ihnen her war, sondern ein Sonderkommando, welches sie aber nie zu Gesicht bekommen haben. Um uns aus unserem Versteck heraus zu provozieren, fielen ihnen immer absurdere Handlungen ein. Wir hatten schon lange einige Männer unter Verdacht, doch konnten wir sie niemals auf frischer Tat ertappen und somit auch nie festnehmen."
Meine Gedanken wanderten zu den Männern in dem grünen Van, die Davie zur Schule gefolgt waren! Da hatte Nick auch behauptet es könne nichts tun. Ob das die Männer waren?
Doch der Staatsanwalt erzählte weiter.
"Wie gesagt, wussten wir ungefähr wer sich hinter der Gruppe verbarg. Doch wurde es uns auch bestätigt. Nämlich kam es zu dem Zwischenfall, dass die Tochter des Anführers und Hauptverdächtigen nach einer Party vergewaltigt wurde. Als die Polizei sie fand war sie noch am Leben und konnte die beiden Männer ziemlich gut beschreiben. Nach 2 Tagen starb sie an inneren Blutungen.
Einer der beiden Vergewaltiger konnte von der Polizei identifiziert werden und sitzt jetzt hier bei uns im Staatsgefängnis. Das schreckliche an der Sache ist, dass er der Onkel des Mädchens ist.
Jetzt versucht X alles um dieses zu rächen.
Henry, das ist sein Name, war auch Mitglied der Gruppe und das wussten wir, doch er hat nie geredet. Nur mit ihrem Vater.
Das Bild in dem Päckchen ihres Vaters zeigt das junge Mädchen. Ihr Name war Zoe und sie war erst 17 Jahre alt. Was die Buchstaben auf der Rückseite des Bildes und das Lied auf der Kassette für eine Rolle spielen ist noch sehr unklar, aber so sehr wie X versucht an das Päckchen zu kommen müsste es sehr wichtig sein. Immerhin weiß niemand etwas von dem 2 Vergewaltiger."
Richard Stark holte tief Luft und lächelte mich an.
"Ich hoffe das ist für sie einigermaßen verständlich geworden."
Ich nickte zögerlich, doch dann fragte ich:
"Und was genau hat das alles mit mir, unserem abgebranntem Haus und meinen Kleidern zu tun?"
Der Staatsanwalt nahm ein Schluck Wasser aus einem Glas vor ihm und sah mich fragend an.
"Ihren Kleidern?" Ich nickte.
"Ich weiß nicht was sie meinen, Miss Mayhew. Es hat was mit ihnen zu tun, da sie die Tochter von René Mayhew sind. X wusste dass Henry geredet hat und X wusste auch, dass ihr Vater von der Kripo war. Daher kam es zu vielen Angriffen gegen ihren Vater. Als Henrys Frau dann das Päckchen an ihre Adresse auf seinen Wunsch hin adressiert hatte, kam es zu dem Einbruch in ihr Haus und wohl möglich da durch ausgelöst auch das Feuer."
"Deine Kleider waren heute nur ein Vorwand" schaltete auch Nick sich in das Gespräch ein.
"Eigentlich sollte Henrys Frau auf dem Weg zur Arbeit dort vorbei gehen und X etwas übergeben. Was genau wissen wir nicht, aus dem Grund haben wir den Platz auch beobachtet um das herauszufinden. Keiner hätte damit gerechnet, dass du da plötzlich lang kämst und X weiß wer du bist.
Deswegen solltest du eine Tüte in den Mülleimer werfen, damit diese ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht und dann solltest du so schnell wie möglich verschwinden. Aber du hast sie sehr mit deinen Klamotten verärgert. Aus dem Grund passe ich auf dich auf, auch im Krankenhaus."
Ich musste grinsen.
"Weil du auch so viel Ahnung von Medizin hast!" lachte ich ironisch.
Blitzartig wurde sein Gesicht erst und mit verstellter tiefen Stimme brummte er.
"Miss Mayhew? Sie haben am proximalen Ende ihres Humerus einen frakturierten vellicantes nervus. Ich tippe auf ein Aneurysma des ventrikel sinisters. Aber das werden wir mit einem EKG, MRT und mit Hilfe eines großen Blutbildes leicht identifizieren können!"
Ich presste meine Hand auf meinem Mund, um nicht loszuprusten.
"Solange die Patienten dich nicht verstehen ist alles gut. Ansonsten hast du nach so einer Diagnose gleich obendrein 10 neue Herzinfarktpatienten auf dem OP-Tisch liegen" lachte ich.
Nick sah mich mit dreckigem Grinsen an.
Wenigstens würde er ab morgen seinen Spaß haben und seinen Patienten von gebrochenen Nerven, die im Oberarm eingeklemmt eine Ausweitung der Gefäße in der linken Herzkammern hervorrufen, erzählen.
(abgesehen davon, dass Nerven nicht brechen)
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