19.

Die Innenstadt war nur ca. 5 Minuten vom Starbucks entfernt, daher beschloss zu Fuß zu gehen. Die Sonne war heute nicht zu warm, aber auch nicht zu kalt.
Ich betrat den ersten Klamottenladen, an dem ich vorbei ging.
Ich konnte ja schließlich nicht nur mit Legings und Jogginghosen rumlaufen.
Da mein halber Kleiderschrank das Feuer nicht überstanden hatte, beschloss ich ihn nun wieder aufzufüllen. Für teure Marken würde mein Geld zwar nicht reichen, aber ich fand auch neutrale Kleidungsstücke. Ich entschied mich für drei Hosen und vier Shirts.
Es war zwar nicht viel, aber ich konnte nicht nur an mich denken, wobei Phil und Dave ebenfalls neue Kleidung brauchten.

Früher als erwartet stand ich schon mit mehreren Tüten, in denen Kleidung für meine Brüder und mich war, vor der Ladentür.
Ich bereute es, nicht mit dem Auto gefahren zu sein, da ich die Tüten jetzt alle zurück schleppen musste.
Gerade als ich an einer roten Ampel stehen blieb klingelte irgendwo in der Innenseite meiner Jacke mein Handy. Umständlich hängte ich mir die Shoppingtüten an das Handgelenk, um mit der anderen Hand nach dem Handy zu fischen.

"Ja?" Nahm ich nach einer halben Ewigkeit den Anruf entgegen.

"Aria, geh gleich nach der Ampel nach rechts und direkt danach nach links in die Seitenstraße und dann läufst du so schnell du kannst geradeaus! Aber bevor du die Seitenstra... Hör auf. Schau dich nicht so auffällig um, du findest mich eh nicht. Also.. bevor du in die Seitenstraße abbiegest, darfst du dir nichts anmerken lassen und musst normal weiter gehen!!"

"Nick???"

"Ja Aria! Mach einfach das, was ich dir sage!!"
Wieder schaute ich mich um.
Was hatte er mit mir vor? Ich hatte echt keine Lust auf Spielchen!

"Lass das!! Geh jetzt erstmal zum Mülleimer und schmeiß eine Tüte rein!"

"Wie bitte? Nick was soll das?!"

Die Ampel sprang auf grün und ich ging zögerlich los.
Sollte ich gleich links in die Seitenstraße einbiegen oder würde ich Nick damit nur einen Gefallen tun?!

"Mach wenigstens einmal was ich dir sage!"

Genervt ging ich zum Mülleimer und stopfte eine Tüte hinein, wo nur Klamotten für mich waren.
Die gingen auf seine Rechnung!

"Und jetzt?" Fragte ich in den Hörer hinein.
Doch ich hörte durch den Hörer nur eine Autotür zuschlagen und laufende Schritte.

Ich checkte gerade gar nichts mehr!
"Aria Lauf!!!"
Panik schwang in seiner Stimme mit. Dies war bestimmt kein Spiel von Nick! So gut schauspielern konnte er dann doch nicht.

Ohne weiter nachzudenken rannte ich los.
Die zwei übriggebliebene Plastiktüten schnitten mir ins Handgelenk, aber daran dachte ich jetzt gar nicht.
Bevor ich in die Seitenstraße abbog schaute ich mich um und zuckte erschrocken zurück.

3 Typen mit tiefen Kapuzen und einem Tuch vor Mund und Nase hatten mit Gewalt den Mülleimer, in welchen ich meine dritte Tüte gestopft hatte,von der Laterne gerissen. Meine Tüte lag als Fetzen auf dem Boden neben meiner verstreuten neu gekauften Kleidung.
Laut fluchend sahen sie sich um.
Als ich mich gerade an die Wand drücken wollte, um nicht gesehen zu werden, griff eine Hand nach meinem Handgelenk und zog mich unsanft in die Straße hinein, in die ich schon längst hätte verschwinden sollen.

"Ich hab doch gesagt du sollst laufen!" zischte Nick in mein Ohr, schmiss mich wie einen Kartoffelsack über die Schulter und rannte die Straße entlang.

Ist ja nicht so, dass ich auch zwei Beine habe!

Doch bevor ich Zeit hatte mich zu weigern wurde ich auch schon auf dem Beifahrersitz von Nicks Auto gesetzt und mit einem lauten Knall fiel die Tür zu.
5sec später fuhr Nick auch schon mit quietschenden Reifen los.

Wir rasten durch die Straßen und niemand sagte ein Wort.
Mein Kopf war einfach zu voll, sodass ich Zeit brauchte überhaupt zu checken was hier abging und was diese verkleideten Jungs mit meinen Kleidern wollten.

"Was hattest du da zu suchen?!" beendete Nick das Schweigen.
Ich lachte ironisch auf.
Fragte er mich grad wirklich, was ich da zu suchen hatte?!
"Die Frage ist wohl eher, was du dort gemacht hast! Ich hab wie ein normaler Mensch eingekauft."

"Du hättest auf Arbeit sein müssen!"

"Seit wann willst du wissen wann ich Feierabend habe und wann nicht" fragte ich rhetorisch.

"Ich informiere mich über die Leute, die ich in meinem Haus wohnen lasse."

Ich starrte ihn von der Seite an.
"Moment, ernsthaft?"

Jetzt sah auch er mich an.
"Arizona Hope Mayhew.
19 Jahre alt.
Tochter von Cally Liver und René Mayhew.
Geboren am 13 Oktober.
Zur Schule gegangen an der A. Lincoln Highschool.
Später aufs Nordern Blake College und zur Eastside University um Medizin zu studieren.
Dieses jedoch abgebrochen, weil dein Dad zu Tode verurteilt wurde und jetzt stehst du im Starbucks hinter dem Tresen und bedienst jeden Morgen um 8 den selben alten Herrn und eine Gruppe Teenager."

Während seiner Aufzählungen war mir wortwörtlich der Kinnladen hinunter geklappt.
Warum wusste er das alles??!

"Okay soll ich mal anfangen?" Ich räusperte mich und sah gespielt nachdenklich auf die Straße.
"Nick Carney.
Reich.
Eingebildet.
Von der Krippo.
Lebt mit seiner Haushälterin und einem Fake-Sohn in der Stadt.
Ist ein gruseliger Stalker von dem ich nicht als nur den Namen weiß. Vorausgesetzt er stimmt überhaupt.
Das ist ziemlich viel findest du nicht auch?"

Nick grinste vor sich hin.
"Also eine Gemeinsamkeit haben wir schonmal. Beide haben bei einer Sache gelogen."

Verwirrt musterte ich ihn von der Seite.

"Was meinst du?"

"Eingebildet! Ich bin doch nicht eingebildet!"

Mein Inneres lachte sich gerade den Arsch ab, aber ich ließ ihn den den Glauben.
Ich ging im Kopf nochmal alles durch was er über mich wusste und was davon gelogen sein könnte.
Als es mir nach 3 Minuten immer noch nicht einfiel fragte ich nach.
"Und wobei genau hast du gelogen?"

"Lass gut sein Aria! Belassen wir einfach dabei, dass du nur wenn du Feierabend hast aus dem Starbucks gehst und dann auf direktem Wege zu mir nachhause!"

Ich wollte hartnäckig weiter fragen, aber Nicks Handy klingelt.
Mit entschuldigenden Blick musterte er mich und nahm den Anruf entgegen, während er sich an eine Bushaltestelle parkte.

"Was ist Boss?"
Eine laute aufgeregte Stimme war am anderen Ende zu hören, aber ich konnte nichts verstehen.

"Ne, ist schief gegangen.... Ich glaub nicht, dass sie mich gesehen haben, allerdings ist Arizona Mayhew dazwischen gekommen... Ist gut, ich bin in 20 Minuten da... Was? Nein ich nehme sie nicht mit! Sie hat doch... Alles klar, du bist der Boss!"
Mit einem genervten Stöhnen beendete Nick das Telefonat.

"Wozwischen bin ich gekommen?" hackte ich nach.

"Du musst mit ins Präsidium!"

Das war alles was er sagte. Ich hatte keine Ahnung, was er dachte, aber für mich war das keine Antwort auf meine Frage.

"Warum redest du mit deinem Boss über mich, Nick?"

"Warum redest du immer so viel, Arizona?"

Ebenfalls genervt drehte ich mich zum Fenster.
Dieser Typ war unmöglich.

* * *

Nach 10 Minuten hielt Nick an einem Haus voller Bürogebäude. Nichts ließ darauf schließen, dass dies hier das Kripopräsidium war.
Die Tür war mit einem normalem Türschloss gesichert, doch zwei Meter hinter der Tür war eine weitere Tür, die definitiv sicherer aussah.
Die war aus grauem Metall, hatte aber kein Türschloss.
Nick legte seine Hand auf einem neben der Tür vorhandenem Sensor und blickte mit den Augen in eine Kamera.
Die Sicherung erinnerte mich an seinem Laptop.

Die Tür ging mit einem lauten Surren auf.
"Komm mit" befahl Nick und ich tippelte wie ein Hündchen hinterher.

Wir traten in einem Gemeinschaftsraum, wo uns direkt fragende Blicke von 2 Männern, die gerade Mittagspause machten, trafen.
Als sie mich sahen, standen sie höflich auf und nickten mir zu.

"Detectiv Carney!" eine süße, etwas piepsige Stimme ließ mich wieder nach vorn blicken.
Eine große, langbeinige Barbie kam auf uns zu gestöckelt.
Sie hatte einen dunkel blauen Rock mit einer weißen, ziemlich transparenten Bluse an. Ihr blondes Haar war zu einem großen ordentlichen Dutt gebunden und an den Füßen trug sie dunkel blaue 12cm-Schuhe.

"Hey Sandy!" Trotz ihrer Größe und ihren Schuhen überragte Nick sie dennoch, als er sie kurz umarmte.
Als sie mich sah stockte sie.
"Ähm Nick, du weißt schon, dass du nicht irgendwelche Leute hierher bringen darfst?!"

Jetzt drehte sich auch Nick um und schaute mich an.
"Ich hätte sie im Leben nicht hierher gebracht, hätte Thompson es nicht verlangt."

"Was will der Staatsanwalt von ihr?"

Nick zuckte mit den Schultern.
"Wenn ich das mal wüsste"

Er nahm meine Hand und wollte mich an Sandy vorbei ziehen.

Reicht ja nicht, dass er mich davor schon
wie ein Hündchen behandelt hat, jetzt nimmt er
das Hündchen noch an die Leine.

"Moment, willst du mich deiner Begleiterin nicht mal vorstellen?" stoppte Sandy das Gassigehen!

Nick sah sie lange undefinierbar an, doch dann deutete er auf mich.
"Sandy, das ist Arizona Hope Mayhew." Seine Hand deutete jetzt auf Sandy.
"Aria, dass ist Sandra Martin"

"Seine Freundin" fügte sie schnell hinzu, als sie merkte, dass von Nick nichts weiteres kam.
Meine Augenbrauen gingen hoch. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Nick in einer Beziehung ist.
Er hat schließlich nichts zuhause erwähnt gehabt.

Doch dann legte Sandy den Kopf schief.
"Mayhew? Die Tochter von..."

"Ja, sie ist seine Tochter" unterbrach Nick sie mit merkwürdigem Blick.

Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Dad hier schließlich auch gearbeitet haben müsste. Und dass das alles hier, auch seine Kollegen waren.

"Aber René will doch nicht dass seine Familie..."

"Sandra!!"
Wieder unterbrach Nick Sandy. Nur diesmal um einiges lauter, sodass selbst die 2 Beamten vom Essen rüberschauten.
"Pass auf was du sagst!"

Mit diesen Worten drehte er sich endgültig um und ging den langen Gang entlang.
Mit verständnislosen Blick musterte ich erst Sandy, aber lief dann hinter Nick her.

"Was wollte mein Dad?" fragte ich außer Atem, als ich neben ihm her rannte.

"Frag nicht so viel, Aria!"
Er blieb vor einer Tür am Ende des Ganges stehen.
"Wir sind da, überlass mir das reden, verstanden?"

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