Hoffnung im Wald von Lorien


Der Wald, der an Lorien angrenzte, hatte Sauron schon immer fasziniert. Er hatte die Schatten geliebt, mit denen die alten, knorrigen Bäume seine Haut kitzelten. Die Sicherheit , die er an ihren dunklen Stämmen empfand. So lange, bis er gesehen hatte, dass auch die uralten, mächtigen Bäume starben.
Gerade allerdings kehrte ein Schatten der alten Geborgenheit zurück. Er erkannte die alten Bäume, unter deren majestätischen Kronen er so oft Zuflucht gefunden hatte. Hörte ihre beruhigenden Stimmen, die ihm so oft Trost zugesprochen hatten. Die Lichtung, auf der er zu viel Zeit verbracht hatte. Suchend blickte er sich nach der alten Eiche um. Er fand sie nicht. Nur einen brüchigen, abgeschlagenen Stumpf. Zorn loderte in dem Dämon auf. Die Valar hatten ihm alles genommen. Alles. Nun verwehrten sie ihm auch die letzte Oase der Hoffnung, die ihn vor der Verzweiflung bewahrt hätte. Erschöpft ließ er sich mit dem Rücken gegen das sinken, was noch von dem einst so ehrwürdigen Baum übrig war. Etwas begann sich zu verändern, als er das Gesicht in den Händen vergrub.

Die Aura des Scheins, die Illusion von Stolz und Stärke, die er um sich gewoben hatte, fiel von ihm ab. Sein edles Gesicht wirkte plötzlich eingesunken, mit dunklen Schatten unter matten Augen. Die Kleidung, die er von Aule dem Götterschmied erhalten hatte, hing schlaff an seinem viel zu mageren Leib und dünne, ungekämmte Haare hingen ihm platt in die Stirn. Doch die Veränderung betraf nicht vorrangig sein Äußeres.

Wie der Dämon selbst, verfügten auch die Maiar über die Fähigkeit, den Lebewesen in ihrer Umwelt in die Seele zu blicken. Und Sauron hatte sie genarrt! Hatte ein Netz, einen Schleier um sein Bewusstsein gewoben. Aufrichtigkeit und Faszination simulierend um sie alle zu täuschen.

Aber es war anstrengend! So sehr, dass er sich selbst nicht länger unterdrücken konnte. Die Verzweiflung, die Angst, die Ungewissheit, die immer wieder Gegenstand seiner Gedanken waren und sich seiner Seele bemächtigten. Es war ihm nicht länger möglich, sie zu verbergen. Jetzt kamen sie alle hervorgekrochen, woben sich um seinen Geist, wie ein dichter Nebel. Wahrhaftig zwar, doch für alle sichtbar.

"Du solltest ich nicht so zeigen, Mairon,..."

Der Dämon fuhr auf. Panisch versuchte er, seine Tarnung wieder aufzubauen, doch es misslang ihm gründlich. Vom Klang des verhassten Namens aus dem Konzept gebracht war er nicht fähig, sein wahres Wesen rasch genug zu verbergen. Der Name, den sie ihm in Valinor gegeben hatten. Der Name, den sie riefen, wenn sie ihn verspotteten.

"...du weißt nie, wer dich in Valinor beobachtet."

Eine in das graue Gewand der Zofen Niennas gehüllte Gestalt trat auf die Lichtung und es kostete Sauron einige Sekunden, sie zu erkennen. Schuld daran trug nicht allein der Schleier, der ihr Gesicht verhüllte. Alles an ihr hatte sich verändert: Ihr Gang war weniger stolz. Sie wirkte kleiner, ohne die ledrigen Vampirflügel zwischen ihren Schulterblättern. Ihr ganzes Wesen strahlte eine Unterwürfigkeit aus, wie er es noch nie an ihr gesehen hatte. Der Schein war beinahe perfekt.

Und doch war da etwas in ihrer Stimme, für einen Vala kaum, für einen Maia gar nicht hörbar, wenn man seine Konzentration nicht darauf richtete. Es schwang noch immer der verführerische Unterton mit, den sie zuhause so häufig verwendet hatte.

"Turingwethil?" Fragte Sauron.

"So nennt man mich nicht mehr."

Ehe der Dämon sich wundern oder gar bestürzt sein konnte, beugte sie sich hinab und lüftete ihren Schleier, sodass er in ihr bildhaft schönes Gesicht sehen konnte.

"Ich habe Neuigkeiten," ließ sie ihn hastig wissen, ohne ihre Stimme zu gebrauchen, "Sie halten ihn gefangen. In den Kerkern. Im zwölften Jahrhundert werden sie ihn erneut befragen und wenn er bereut..."

Saurons Herz setzte einen Schlag aus. Sein Meister war am Leben, wie er sich die ganze Zeit eingeredet hatte. Zumindest hatte er das versucht. Er würde zurückkehren und ihn erneut von der Folter der Valar retten. Gleichzeitig verdunkelte sich sein Geist. Eintausend Jahre...

"Wir müssen vorsichtig sein," wiederholte Turingwethil, "sie beobachten uns. Ein Fehler und sie werden uns töten."

Sauron nickte," Es ist nur so unglaublich schwer..."

Wenn jede seiner Bewegungen, jedes Wort aus seinem Mund eine Verleugnung seiner selbst war. Er schlief nicht mal mehr richtig, immer darauf konzentriert, sein wahres Wesen nicht zu offenbaren. Ständig musste er gegen den Drang ankämpfen, sich selbst nicht an die Oberfläche brechen zu lassen. Es kostete ihn so unglaublich viel Kraft.

Außerdem war es schwerer geworden. Damals, bevor Melkor ihn zu sich genommen hatte, hatte er ständig seine wahre Gestalt verleugnet. Doch damals war es leicht gewesen, weil er sich selbst gefürchtet hatte. Jetzt wusste er, zu was er fähig war. Was er mit dem Talent und den Gedanken, die er damals so sehr gehasst hatte, alles erreichen konnte, wenn er sie frei ließ und von seiner Macht Gebrauch machte. Sauron war stolz auf seine Fähigkeiten. Das zu verstecken war am schwersten.

"Ich weiß, wie es sich anfühlt," die Augen der Vampirin wurden düster, "wir müssen durchhalten, Sauron, für Morgoth."

Vielleicht war es der vertraute Klang seines eigenen, richtigen Namens, vielleicht die Euphorie in Sauron, ausgelöst durch das Wissen, dass sein Meister nicht für immer fort war. Jedenfalls fühlte es sich an, als könne er das erste Mal seit Ewigkeiten wieder richtig atmen.

Er fühlte sich stärker.

"Ja," antwortete er zwar wieder laut, doch ohne zu viel über ihr Gespräch zu verraten. Nur für den Fall, dass sie doch beobachtet wurden. Er würde Turingwethil nicht wiedersehen. Zumindest nicht die nächsten Neunhundert Jahre. Das Risiko, vor Ablauf der Frist entdeckt zu werden war zu groß. Es würden trostlose, einsame Jahre sein, doch immerhin wusste er jetzt, dass seine Qualen nicht unendlich waren.

Morgoth würde zurückkehren und Sauron würde die Tage zählen, bis es soweit war.



Und es geht weiter! Wie versprochen (angedroht)...

Keine Ahnung, ob Wald von Lorien stimmt, aber "ein Wald" zu schreiben klingt halt blöd...
Jedenfalls handelt es sich hierbei um eine Fortsetzung von "Was alles in Manwes Wartezimmer passiert". Erinnert sich da überhaupt noch jemand dran? Ist ja schon eine ganze Weile her...

"Und Sauron würde die Tage zählen..." ist insofern dramatisch, dass - wenn man wie er in Jahrhunderten zählt - das ja ungefähr so ist, als würden wir Jahrelang Minuten zählen oder so. Hab' eine Weile gebraucht, bis ich da meine Notizen gecheckt hatte 😅

Paradox auch, dass die zerstörte Eiche im ersten Absatz mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seine oder Melkors Kappe geht. Wollte ich nur mal erwähnt haben...

Und ich habe jetzt für mich das Problem mit Melkors Namen gelöst! Ich glaube, generell nennt er sich Morgoth (auch wenn ich dabei IMMER die ganzen "More-Goth"-Memes im Kopf habe!), weil dunkler Herrscher und Drama Queen von Angband, etc.. Nur Sauron nennt ihn Melkor, weil er schon bei ihm war, bevor er Morgoth wurde und die beiden deshalb auf einer etwas vertrauteren Ebene interagieren als er und seine anderen Untergebenen. Macht das Sinn? Nicht wirklich, aber egal...

Der nächste Oneshot wird wieder Fingon&Maedhros (warum finde ich, der Shippingname Russingon klingt super seltsam?!). Ich habe jetzt entschieden, die beiden mehr oder minder passiv zu shippen. Also ich deute in den Oneshots an, dass da mehr sein könnte, als bloße Freundschaft, gehe aber nicht näher auf die Art ihrer Beziehung ein (weil irgendwie sind sie doch verwand und das ist weird. Ich bin neutral. Sucht euch aus, was ihr aus meinen Sachen rauslesen wollt, oder nicht).

Warum rede ich eigentlich immer so viel?!

Ihr lest von mir

Alice 🙃

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