Heiße Spuren #1

Er lief den Gang, der zum Empfangszimmer führte, entlang. Links und rechts von ihm befanden sich unzählige Türen, hauptsächlich Büros. Das war der neue Trakt des Gebäudes. Die Wände waren in einem hellen Beige ausgemalt und die Türen in einem sanften braun gehalten. An den Wänden zwischen den Türen befanden sich Pinnwände und Bilder. Das ganze machte einen gezwungen netten Eindruck und versetzte Isaac in seine Schulzeit zurück, an die er nur weniger gute Erinnerungen hütete.
Die meisten Büros waren hier untergebracht. Im alten Trakt arbeiteten nur einige weniger, da die Räume dunkel und wenig einladend aussahen, die Wände mussten wegen der Feuchte regelmäßig erneuert werden und die Gänge, die zu den Büros führten, waren schmal und finster. Das einzige, dass man da drüben herumstehen sah, war ein Wasserspender. Für so ziemlich alles andere musste man herüber kommen.
Selbstverständlich wollte also niemand in einer der Kammern des Schreckens da drüben arbeiten.

Niemand außer Isaac.

Er mochte das Finstere, das Düstere. Er hasste es, von anderen Kollegen zugequatscht zu werden, denn er nahm seine Arbeit sehr ernst.
Er hatte das dunkelste und verwinkeltste Büro im ganzen Gebäude, doch genau dort fühlte er sich am aller wohlsten.

Isaac Nightblood betrat das Empfangszimmer. Dort wurden hautsächlich Klienten empfangen, manchmal auch Verdächtige, aber dafür gab es grundsätzlich einen eigenen Raum.
Hinter einer Art Rezeption standen einige Mitarbeiterinnen, alle trugen sie immer ein Kostüm, die Haare hochgesteckt und schwarze, hohe Schuhe.

Die ganze Situation erinnerte allgemein ein bisschen an Fifty Shades of Grey. Denn meist wurden die Klienten wirklich mit Sätzen wie: 'Mister Nightblood wird Sie nun empfangen' weitergeleitet. Nur wurde nie ein dreckiges Sexerlebnis daraus, sondern nur langweilige Verhöre.

Gwendolyn stand in der Mitte des Raumes und lächelte Isaac nervös an. Sie war mit Abstand fünf mal so aufgeregt wie der Polizist selbst, denn er wusste, dass er den Kollegen nicht lange behalten würde.

Doch dann kamen ihm die Worte des Chefs wieder in den Sinn und plötzlich machte sich so etwas wie leichte Panik in ihm breit. Wenn er mit dem Typen nicht arbeiten konnte, war es um seine gute Stellung hier geschehen.

Zielsicher ging er jedoch auf seine Sekretärin zu.
Isaac wirkte, als wäre er am falschen Fleck. Mit seiner schwarzen Kleidung, dem dunklen, langen Trenchcoat und der Sonnenbrille stach er in dem hellen und freundlichen Umfeld nicht gerade dezent heraus.
Jedoch ließ sich der Mann nichts anmerken.

"Wo ist er?", fragte er die Dame mit einer gelangweilten, monotonen Stimme.

"Das ist Mister Miller", sagte sie mit einer zuckersüßen Stimme und nickte einem jungen Mann, der auf einer der Couchen saß, freundlich zu. Sofort erhob sich dieser und hielt seinem Chef sofort die Hand zur Begrüßung hin, dieser erwiderte die Geste jedoch nicht.

"Angenehm", sagte Isaac und nickte leicht. Von dem, was er gerade empfand, ließ er sich nichts anmerken.
Der Typ war nämlich mit Abstand der Schlimmste Partner, den der junge Detective jemals an seiner Seite gehabt hatte, dass wusste er. Isaac war ein guter Menschenkenner, er brauchte eine Person nur einmal kurz zu mustern und sie war ein offenes Buch für ihn. Das Buch, das jedoch gerade vor ihm stand, war alles andere als lesenswert.

Der junge Sergeant stand schüchtern vor dem größeren der beiden und schaute mit leicht gesenktem Kopf zu Boden. Seine blonden, wuscheligen Haare standen von seinem Kopf ab und hingen gleichzeitig in seine Augen. Er trug eine bunte Bomberjacke, blaue, weite Jeans und rote Sneakers. An seinem Handgelenk trug er eine goldene, billig aussehende Uhr und einige 'Armbänder', die man wohl eher als Wollfäden bezeichnen würde.

Isaac war sich sicher, das würde nicht gut gehen.

Kein Selbstvertrauen, keine Anstand, keinen Stil, keine Berufserfahrung, Angst vor allem und jedem.

Hätte er doch einen der vierzig Partnern behalten, die vor Miller ihm gestanden waren und sich vorgestellt hatten.

"Das ist Detective Nightblood", sagte Gwendolyn zu dem Blondschopf, um ihm zu symbolisieren, dass er keine Angst haben brauchte. Doch der Mann hob nur schüchtern den Kopf und schaute auf Isaacs schwarze Sonnenbrille, hinter der sich seine dunklen, zu Schlitzen zusammengezogenen, Augen verbargen.

"Mister Nightblood zeigt Ihnen gerne Ihr Büro?" Gwendolyn versuchte, eine Konversation zwischen den beiden anzufechten.

"Kommen Sie, Miller." Mit schnellen Schritten verließ Isaac den Empfangsraum und machte sich auf den Weg zurück in sein Büro.

Der Kleinere lief ihm gestresst hinterher. "Mein Name ist übrigens Samuel."

"Das ist mir egal, Miller. Ich spreche meine Kollegen nicht mit Vornamen an." Ohne sich umzudrehen hielt der Detective seinem Schritt stand, der andere folgte ihm nur noch still und wortlos.

Als Isaac gegen die dunkle Holztür stieß, die sein Büro von der Außenwelt trennte, schwang diese weit auf und gewährte dem Neuling einen Einblick in seine zukünftige Arbeitsumgebung.

"Isaac Nightblood", murmelte der Blonde, als er das Schild vor der Tür hängen sah.

Der schwarz Gekleidete drehte sich schwungvoll um, sodass sein Trenchcoat weit ausschwang. Er nahm die Sonnenbrille ab und konnte nun endlich ungehindert seinem neuen Partner in die grau-blauen, unschuldigen Augen schauen. "Ja, das ist mein Name", sagte er mit einer klaren, jedoch leicht bedrohlich wirkenden Stimme.

"Tut mir leid", murmelte Miller und brach sofort den Blickkontakt mit seinem Chef ab.

"Wenn Sie mit mir arbeiten wollen, müssen sie mir schon in die Augen schauen können, Miller. Sie wollten Polizist sein? Dann brauchen Sie Selbstvertrauen." Mit diesen Worten drehte sich Nightblood wieder um und betrat sein Büro.

"Das ist Ihr Schreibtisch, Sergeant." Er zeigte auf einen hölzernen Tisch, der in einer Ecke des Raumes stand. Er war sauber und aufgeräumt, ganz anderes als der von Isaac, auf dem sich der Papierkram nur so türmte, was ihm eher weniger gefiel, da ihn sein Perfektionismus zur Ordnung drängte. Doch im diesem winzigen Büro Ordnung zu halten, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.
Mittlerweile hatte er auch angefangen, sich damit abzufinden, dass es an seinem Arbeitsplatz aussah, wie im Saustall.

Miller nickte nur und ging zu dem aus Eichenholz gefertigtem Tisch. Weil er nicht wusste, was er tun sollte, begutachtete er ihn einfach nur.

Nightblood setzte sich einstweilen an seinen eigenen Schreibtisch und begann, Formulare auszufüllen.

Nach einer guten Viertelstunde erbarmte sich jedoch der Erfahrenere von beiden, richtete sich auf und beschloss seinem Partner die Lage zu erklären.

"Also gut Miller", begann er, Angesprochener richtete sich sofort stocksteif auf, "Wenn Sie auf eine gute Zusammenarbeit hoffen, was übrigens auch meinem Interesse entspricht, gibt es da einige Regeln, du Sie, sowie auch ich zu befolgen haben."

Miller kramte schnell ein Notizbuch hervor, setzte den Stift an und begann zu schreiben. Der Detective schüttelte nur stumm den Kopf und fuhr dann fort: "Erstens, es wird Berufliches von Privatem getrennt, es interessiert mich zum Beispiel die Bohne, ob sie heute mit ihrer Mutter zu Abend essen.
Zweitens, wir sprechen uns mit dem Nachnamen oder dem Titel an.
Drittens, Sie bauen endlich Selbstvertrauen auf.
Viertens, Geheule gibt es nicht.
Fünftens, Sie tun immer genau das, was ich sage.
Ich könnte Ihnen noch hundert weitere Regeln aufzählen, aber das werde ich fürs Erste unterlassen. Sie müssen und Sie werden lernen, Miller. Es steht in meinem Sinn, diesen Job zu behalten und ich bin mir sicher, bei Ihnen ist es nicht anders."

Der Neuling nickte nur eifrig und kritzelte irgendetwas in sein Notizbuch. Nightblood konnte schon an der Art, wie er sein Handgelenk bewegte, erkennen, dass sein Partner eine krakelige und kaum leserliche Handschrift haben musste.

"Und wenn Sie fragen haben, fragen Sie. Ich will keine Toten hier."

Miller schmierte auch noch diesen Satz auf den Zettel und nickte dann tüchtig.

"Wer ist diese Frau, die mich vorgestellt hat?", fragte er nun nach einiger Zeit.

"Das ist Miss Detroid, meine Sekretärin. Sie kümmert sich um den Papierkram, der für die Ermittlungen wenig bis gar nicht relevant ist. Sie hat auch ein Auge auf meine Partner, Sie werden von ihr mit betreut. Ihr haben Sie es auch zu verdanken, dass sie jetzt hier in meinem Büro sitzen, Sergeant."

Miller nickte und schrieb erneut in sein Notizbuch.

"Wissen Sie Detective, auf der Polizeischule haben sie mir gesagt, dass ich Jahrgangsbester war."

Isaac hob die Augenbrauen und zwang sich zu einem Lächeln. "Das freut mich für sie, Miller."

"Gibt es im Moment einen Fall?" Man merkte, dass der Mut sowie die Selbstsicherheit des Neuankömmlings stieg.

"Nein, der letzte wurde vor drei Tagen abgeschlossen, ich habe nur noch den Papierkram hier zu erledigen." Der Detective zeigte mit der flachen Hand demontrativ auf die Papierstöße, die sich vor ihm türmten.

"Kann ich helfen?" Ein Grinsen erstreckte sich über des Blonden Gesicht.

"Waren Sie bei dem Fall anwesend?"

"Nein, aber..." Er senkte erneut den Kopf.

Isaac stand jedoch auf, nahm einen Stapel schon aufgefüllte Blätter und trug sie zum Tisch seines Partners, dazu legte er einen Stempel. "Abstempeln, Sergeant." Gemeinter nickte und schnappte sich den Stempel mit dem dazugehörigen Stempelkissen.

"So viel Papierkram", stöhnte Miller nach einiger Zeit.

"Aber Hauptsache Jahrgangsbester." Nightblood schüttelte den Kopf.

Der junge Sergeant traute sich nicht, etwas zu erwidern, sondern stempelte einfach ruhig weiter, während sein Vorgesetzter weiterhin Zettel ausfüllte. Es herrschte Stille zwischen den Kollegen. Man konnte da leise Kratzten der Feder, mit der Isaac schrieb, auf dem Papier hören. Die dumpfen Schatten, die durch die alten Fenster in den Raum fielen, wanderten.

"Sie können gehen, Miller", sagte Nightblood nach einiger Zeit, ohne von seinen Zetteln aufzusehen.

"Aber..."

"Das können Sie morgen weiter machen", entgegnete der Detective, immer noch auf seine Arbeit fixiert.

"Wann soll ich dann morgen kommen?" Miller erhob sich langsam von seinem Schreibtischsessel.

"Ich rufe Sie an." Endlich hob der Schwarzhaarige seinen Blick.

"Aber, wie?"

"Da müssen Sie mir wohl Ihre Nummer geben." Isaac unterschrieb noch einen der Formulare und legte den Kugelschreiber dann zur Seite.

Sein Partner hatte inzwischen einen Zettel aus seinem Notizbuch gerissen und kritzelte darauf seine Telefonnummer. "Hier", er reichte es dem erfahrereren der beiden Männer und fragte dann noch: "Bekomme ich Ihre Nummer auch?" Nightblood nahm eine Visitenkarte von seinem Tisch und reichte sie dem Blonden. "Aber das ist doch die Nummer des NYPT, oder?" "Meine Durchwahl, ja", antwortete der Detective mit einem Achselzucken. "Aber wie soll ich Sie dann zu Hause erreichen?" "Glauben Sie mir, Sergeant, dass werden Sie nicht müssen. Ich lebe praktisch in diesem Büro." Wieder bestand des Neulings Antwort nur aus einem Nicken. Nachdem er gemerkt hatte, dass es für ihn heute wirklich nichts Wichtiges mehr zu tun gab, verließ er den Raum schließlich.

Isaac dagegen blieb sitzen und machte seelenruhig mit dem weiter, mit dem er vor Stunden angefangen hatte.

Als er schließlich einen Blick auf seine Armbanduhr warf, stellte er fest, dass es mittlerweile 17:23 war.
Gemächlich stand er also auf, legte seine Utensilien zurecht, um sie am nächsten Tag wenigstens irgendwie wiederfinden zu können, packte seine Sachen zusammen und ging schließlich, nachdem er einem kurzen Blick zurück geworfen hatte, aus dem Büro.

Sein Heim war nicht weit von der Zentrale entfernt, weswegen Isaac auch gelegentlich zu Fuß ging.
Mit schnellen Schritten bewegte er sich also in Richtung Zuhause. In seinen langen Trenchcoat gehüllt, beobachtete er die Leute um sich herum. Obwohl die Sonne nicht schien, setzte er sich wieder seine Sonnenbrille auf, auf diese Art konnte niemand erkennen, wen er gerade anschaute.

Als es an der Haustür läutete ging Isaac mit anmuten Schritte auf die Tür zu und öffnete sie schnell.

"Jim..." Er zog den Mann, der vor seiner Tür stand ins Vorzimmer und begann, noch ehe die Türe geschlossen war, dessen Hemd aufzuknöpfen.
Isaacs sehnlich erwarteter Besuch streifte ihm ohne ein Wort das Jackett ab und erforschte die schon so oft berührte Haut unter des Detectives Hemd. Ohne nur noch eine Gedanken an seinen neuen Partner zu verschwenden, verteilte der Schwarzhaarige unzählige Küsse auf der nackten Brust des Mannes.

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