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Keuchend strich ich mir den Schweiß von der Stirn und hielt einen Moment inne. Seit heute Morgen war ich damit beschäftigt einen Grabstein für Tommy anzufertigen und bald hatte ich es auch geschafft. Ich musste nur noch den letzten Buchstaben seines Namens in den Stein meißeln, den Stein zu unserem Friedhof bringen und ein paar Blumen pflanzen.
Vielleicht freut sich Louis, wenn er die kleine Gedenkstätte für seinen verstorbenen Mann sieht.
Nur müsste Liam ihm das dann zeigen. Ich durfte nicht mehr an den Omega heran. Ich hatte es mir selbst verboten, da ich ihn nicht mit meiner Nähe stressen wollte und damit womöglich das Baby in Gefahr brachte.
Ich rieb mir durchs Gesicht und seufzte leise. Ich vermisste ihn... Aber ändern konnte ich nichts. Auch wenn ich es gerne würde. Ich setzte meine Arbeit fort und als ich fertig war leistete Liam mir Gesellschaft.
"Harry?"
Müde sah ich auf und blickte zu ihm. Er betrachtete den Stein und lächelte leicht. "Er ist echt schön geworden. Soll ich dir mit dem Tragen helfen?" Doch ich schüttelte meinen Kopf. "Ich schaffe das schon. Würdest du später Louis holen? Er soll es sehen, sobald es fertig ist."
"Warum gehst du nicht zu ihm? Ihr habt euch jetzt schon ein paar Tage nicht mehr gesehen..."
"Du hast schon mitbekommen wie Louis mich angeschrien hat, oder? Er hat seine Sachen gepackt und ist in eines der freien Zimmer im Haupthaus. Er ist quasi abgehauen", knurrte ich und ließ meinen Kopf verzweifelt in meine Hände fallen.
"Außerdem wird er in meiner Nähe doch vollkommen unruhig. Bei seinem Sturz hatte er mich ja schon angeknurrt und auch danach wurde es nur noch schlimmer... Ich will ihn nicht stressen. Morgen bin ich in der Stadt und hole alles für die Geburt, aber bis dahin soll er sich so viel ausruhen, wie es geht. Leider funktioniert das aber in meiner Nähe nicht."
"Harry..."
"Lass gut sein, und fang nicht wieder mit deinem 'Gib ihm Zeit, er wird dich vermissen und merken was ihm fehlt'. Das kann ich echt nicht mehr hören."
Liam schwieg daraufhin und nickte nur. "Wegen der Geburt... Übernimmt das dann Anne?" Ich zuckte mit meinen Schultern und nickte dann aber. "Mich würde er ja wohl kaum an sich ranlassen. Ist sein Arm mittlerweile verheilt?"
Liam biss sich auf die Lippe und sah zur Seite. "Nein... Es heilt gar nicht. Ich glaube nicht, dass er die Geburt momentan überstehen würde."
Es tat unglaublich weh es nochmal von jemand anderem zu hören, aber das war das, worüber ich die vergangenen Tage nachgedacht hatte, wenn ich ihn draußen mit Liam oder auch mit Eleanor gesehen hatte. Seine Wunden heilten nicht und wie sollte er da eine größere Operation bei vollem Bewusstsein überstehen?
Ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, da ich momentan eh keine Lösung fand und nahm den Stein mit großer Mühe hoch. Liam verabschiedete sich mit trauriger Miene und ich trug den Stein zu unserer Grabstätte. Zuvor hatte ich mir einen geeigneten Platz ausgesucht und stellte den Stein dort angekommen ab.
Die Blumen, welche ich vor dem Grabstein einpflanzen wollte, hatten Alyssa und auch Rose schon für mich hergebracht. Nach dem ich alles hergerichtet hatte betrachtete ich mein Werk zufrieden und seufzte leise.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und erblickte Liam mit Louis an seiner Seite. Hatte ich nicht gesagt, dass er ihn später holen sollte? Ich liebte meinen Beta, aber manchmal...
Schnell stand ich auf und ging etwas beiseite. "D-Du hast...?", fragte Louis leise und stützte sich etwas mehr auf Liams Arm ab. Sein Bauch war in den letzten Tagen noch größer geworden. Ich musste das Baby nicht erst nach der Geburt untersuchen, um festzustellen das es einen Alpha-Rang hatte.
Allerdings machte ich mir deswegen nur noch mehr Sorgen. Wenn das Baby schon so groß war und Louis Becken sich lockerte...
Ich hätte schon viel eher in die Stadt gemusst. Dann fahre ich wohl heute Abend schon los. Nachher musste ich noch zu Sara und Niall. Bei ihnen stand auch eine Geburt bevor.
Ich blinzelte und richtete meinen Blick wieder nach unten auf die Blumen vor dem Grabstein. "Ja, jeder hat so eine kleine Gedenkstätte verdient und da du dich dazu entschlossen hast hier zu bleiben, habe ich eine für deinen Mann errichtet", erklärte ich ihm und sah weiterhin auf die Blumen hinab, um nicht in Louis' Augen sehen zu müssen.
Denn dann würde ich mich nicht mehr zurückhalten können und ihn direkt wieder mit zu mir ins Haus nehmen.
"D-Danke", flüsterte Louis leise, weswegen ich nur nickte und langsam zurückging. So gerne würde ich noch länger in seiner Nähe bleiben. Seiner Stimme zuhören oder einfach wieder in diese unglaublich blauen Augen, welche mich so verzaubert hatten, blicken.
Es war überhaupt nicht meine Art, dass ich mich so zurückzog. Eigentlich war ich immer jemand der alles klären wollte, Lösungen für Probleme fand... Aber hierfür hatte ich keine Lösung.
Ich atmete tief durch und ging dann nach Hause. Das alles hatte momentan eh keinen Sinn. Ob es sich nach der Geburt ändern würde? Ich wusste es nicht.
Bei mir Zuhause versuchte ich mich so gut es ging abzulenken. Anfangs fiel es mir noch deutlich leichter, aber momentan war Louis so präsent in meinen Gedanken, dass ich kaum davon loskam.
Irgendwie hatte ich es dann doch noch geschafft mich bis zur Verabredung mit Sara abzulenken.
Als ich wieder zuhause war kramte ich die Liste an Dingen hervor, welche ich mir die vergangenen Tage aufgeschrieben hatte. Die Sachen zu besorgen war erschreckend leicht, nur der Weg durch den Wald gefiel mir nicht. Allerdings hatte ich mich vorhin dazu entschieden zu laufen. Mit dem Auto wäre es zu auffällig und so ging es auch viel schneller. Ich wollte keinen Kampf mit den Wilden provozieren.
Ich ging die Liste durch und steckte sie dann in die Tasche, welche ich mitnehmen würde. Als ich mein Schlafzimmer verließ breitete sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Inneren aus.
Sowas hatte ich meist, wenn irgendwas Schlimmes passierte.
Da ich dieses Gefühl niemals ignorieren würde lief die Treppen hinunter, da fiel meine Mutter schon ins Haus ein. "Louis' Bauch ist komplett lila. Das Baby will raus, aber die Fruchtblase ist nicht geplatzt. Kannst du versuchen ihn zu beruhigen? Robin ist schon auf dem Weg in die Stadt."
Mit großen Augen sah ich sie an und konnte kaum glauben, dass sich Robin in die Stadt traute. Warum hat er mich nicht gefragt? War er immer noch der Meinung, dass Louis mich an sich heranlassen würde? "Ich weiß nicht, ob ich der Richtige dafür bin. Frag Liam, er hat gerade einen besseren Draht zu Louis."
"W-Was? Ich dachte ihr kommt euch immer näher? Was hast du mit verschwiegen?!" Meine Mutter sah mich ziemlich entsetzt an. "Was ist mit deinem Herz?"
"Jetzt beruhig dich. Genau aus dem Grund habe ich nichts gesagt. Du machst dir viel zu viele Sorgen Mama. Meinem Herz geht es gut. Louis ist ja hier und nicht in einem anderen Dorf", stellte ich klar und band mir die Haare hoch. Ich hatte auch die Vermutung, dass das plötzliche Aufeinandertreffen mich damals so aus dem Konzept gebracht hatte. Jetzt war ich mittlerweile an ihn gewöhnt und konnte besser damit umgehen.
"Harry Styles. Du bist mein Sohn. Natürlich mache ich mir Sorgen um mein jüngstes Kind! Nur weil du graue Haare hast und schon aussiehst wie ich mit 60 heißt es nicht, dass eine Mutter sich nicht sorgen darf."
Ich kniff meine Augen zusammen und sah sie feindselig an. Was konnte ich denn dafür, dass ich mir immer nur Sorgen und Gedanken machte und so schneller alterte?
Während sie mir ihre übertriebene Meinung ins Ohr knurrte liefen wir beide zum Haupthaus. Eleanor kam uns beiden entgegen und hielt mich fest. "Seine Fruchtblase ist noch nicht geplatzt. Das ist gut, oder?" - "Du warst bei ihm?" Sie nickte und strich sich zittrig durch die langen Haare. "Lori ist gerade bei ihm und versucht ihn abzulenken, a-aber... Er hat solche Schmerzen", klagte sie.
"Robin schafft das nicht rechtzeitig", stellte ich besorgt fest und zuckte zusammen als ich Louis' Schreie hörte. "Jetzt geh endlich zu ihm, länger schafft er das nicht und Lori hat von dem ganzen Kram keine Ahnung."
Ich spürte die Hand meiner Mutter an meinem Rücken und wurde von ihr ins Haus geschoben. "Wir schaffen das schon irgendwie." Leicht nickte ich und klopfte an der Tür an. Auch wenn wir nicht unbedingt Zeit verlieren sollten, wollte ich Louis nicht überfallen.
Direkt wurde von Lori die Tür geöffnet. Sie sah mich überfordert an und atmete durch. "Gut, dass du da bist, mach irgendwas... Bitte..." Ich nickte und schickte sie raus.
"Louis?"
"V-Verschwinde", keuchte er und krümmte sich nach vorne. "Kannst du ein Bad einlassen? Vielleicht bekommen wir ihn so lange bis Robin wieder da ist beruhigt. Ich will ihn nicht ohne Betäubung aufschneiden müssen." Ich sah meiner Mutter kurz hinterher und widmete mich dann Louis.
Vor allem da er das nicht überleben würde. Hoffentlich schafften wir das irgendwie. Wir mussten es schaffen. Ich konnte Louis nicht sterben lassen.
Ich ging zu ihm hin und legte meine Hand an seinen Rücken. "Louis?", fragte ich vorsichtig und während er mich ängstlich ansah schob ich meinen anderen Arm unter seinen Kniekehlen entlang.
"E-Es tut weh", krächzte er und begann zu fiepen. "Es soll aufhören", schrie er dann schon fast und krümmte sich wieder. "Wird es", versprach ich ihm und nahm ihn hoch. Sanft drückte ich ihn an mich und konnte mich einfach nicht beherrschen, weswegen ich ihm einen Kuss aufs Haar drückte.
"Harry", wimmerte er leise und presste seinen Kopf an meine Brust. "H-Hilf mir, b-bitte. L-Lass mich nicht... mich nicht a-alleine", bettelte er leise und zuckte wiederholt zusammen. "Ich bleibe bei dir", erwiderte ich und küsste seinen Kopf erneut.
Ich hatte ihn so vermisst.
Ich betrat das Bad, in dem meine Mutter das Wasser in die Wanne einließ und mit der Hand die Temperatur kontrollierte. Schließlich sollte Louis sich entspannen und keine Kreislaufprobleme bekommen.
Ich lasse euch alleine und bereite alles andere vor.
Anstatt zu antworten nickte ich und konzentrierte mich wieder ganz auf Louis. "Harry?", fragte er leise und klammerte sich an mir fest als ich in die Hocke ging und ihn auf den Handtüchern, welche auf dem Boden ausgebreitet waren, absetzte. "Darf ich dich ausziehen?" Louis schüttelte direkt seinen Kopf und krallte sich zeitgleich an meinem Unterarm fest.
"Soll ich jemand anderen holen?"
Während ich das fragte legte ich meine freie Hand auf seinen Bauch und tastete ihn ab. Und obwohl ich seinen Bauch nur mit meinen Fingerspitzen berührte spürte ich die starken Bewegungen des Babys.
Niemals würde Robin rechtzeitig zurück sein...
Langsam fing mein Herz wieder schneller an zu schlagen und in meinem Kopf ging ich alle Möglichkeiten durch, doch mir fiel nichts anderes ein, außer zuerst das Baby zu beruhigen.
"Louis? Soll ich jemand anderen holen? Liam? Eleanor?", fragte ich erneut und stütze ihn leicht.
"N-Nein, bleib bei uns", schluchzte er und krallte sich noch mehr an meinem Arm fest. Seine Fingernägel bohrten sich regelrecht hinein und ein unangenehmer Schmerz durchzuckte meinen Arm, doch das war mir egal. Wenn er so Druck abbauen konnte sollte er es machen.
"Mit Klamotten ist es in der Wanne aber nicht so angenehm und wir müssen es schaffen das du dich entspannst", sprach ich sanft, löste meinen Arm langsam aus seinem festen Griff und strich ihm durch die Haare.
"A-Aber nicht... nicht schauen", flüsterte er leise und biss sich dann fest auf die Lippe, um sich einen Schrei zu verkneifen. "Werde ich nicht und halt dich nicht zurück. Wenn du es nicht aushältst ist es in Ordnung. Schrei die Schmerzen einfach raus. Es ist okay."
Louis nickte zwar, biss aber weiter auf seiner Unterlippe herum und keuchte immer wieder. Vorsicht zog ich ihm die Klamotten aus und versuchte mit meinem Blick nicht über seinen schönen Körper zu wandern.
Jedoch zog sein Bauch meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Als meine Mutter meinte das sein Bauch lila wäre hätte ich nicht gedacht, dass es so schlimm war. An manchen Stellen hatte sich auch mehr Blut gesammelt und die Haut schimmerte leicht rötlich.
Hoffentlich schaffte er es noch... Doch die Hoffnung nahm immer weiter ab. Vielleicht konnte ich es so weit hinauszögern und dann anfangen, wenn Robin wieder auf dem Rückweg war? Vielleicht würde es dann funktionieren...?
Baden war mit solchen Blutergüssen eigentlich nicht die beste Idee, da sich die Gefäße dann weiteten, aber ihn unter Drogen zu setzten konnte ich auch nicht verantworten. Die Wirkstoffe hätten eine negative Wirkung auf das Baby und später würde das Kleine auch alles über die Muttermilch aufnehmen.
Ich schaffte es Louis so weit zu beruhigen, dass ich ihn in die Wanne setzten konnte. Ich fing an zu Lächeln als er sich tatsächlich etwas entspannte und weniger verkrampf aussah. "D-Das tut gut", flüsterte er leise und schloss seine Augen.
Die ganze Zeit über blieb ich an seiner Seite und achtete darauf, dass er sich nicht alleine fühlte, wenn er wieder verkrampfte oder anfing zu weinen.
Es war komisch nach der ganzen Zeit seine Haut unter meinen Fingern und seine unglaubliche Wärme zu spüren. Ich hatte es mehr vermisst als ich gedacht hatte. Ich war zu lange in Gedanken versunken, denn als ich mich wieder auf ihn konzentrierte stockte ich und Panik machte sich in mir breit.
"Louis?", fragte ich leise und strich mit meinem Handrücken kurz über seine Wange.
Schnell legte ich meine Finger an seinen Hals und biss mir auf die Lippe als ich seinen schwachen Puls fühlte. Tief atmete ich durch, schloss meine Augen und schaltete meine Gedanken und Gefühle komplett aus. Ich handelte nur noch nach Instinkt, da ich jetzt keine Zeit für meine Gefühle, welche ich für Louis empfand, hatte. So konnte mich auch die Panik und die Angst um ihn nicht lähmen.
Nach wenigen Sekunden hatte ich Louis aus der Wanne gehoben und ihn in einem Handtuch eingewickelt. Es war mir auch egal, dass ich auf dem Weg ins Zimmer alles volltropfte. "Harry, was ist los?", fragte meine Mutter mit großen Augen und kam auf mich zu. Doch ich schüttelte nur leicht meinen Kopf und legte Louis auf das Bett ab.
"Wir können nicht warten. Halte seine Hände fest", wies ich sie an und griff nach dem Skalpell. "Harry du kannst ihn nicht jetzt in dem Zustand aufschneiden. Er überlebt die Schmerzen und den Blutverlust nicht."
Ich sah sie ausdruckslos an und fauchte.
"Das Baby turnt schon fast in seiner Gebärmutter herum. Wenn die Fruchtblase platzt kann ich nicht mehr helfen. Selbst du nicht. Das Baby ist auch viel zu groß und Louis Becken ist zu schmal. Mal davon abgesehen, dass er das Wunder nicht auf natürlichen Weg zur Welt bringen kann."
"Du musst mir nicht erklären, dass das alles zu einem Geburtsstillstand führt. Aber die Schmerzen-"
"Sind nicht schlimmer als das was er heute schon empfunden hat. Und jetzt halte seine Hände fest oder mach den Schnitt." Meine Mutter nickte und nahm mir das Skalpell ab. "Harry das ist wirklich keine gute Idee..."
Wieder fauchte ich und konnte mir ein Knurren nur schwer verkneifen. "Du weißt doch selbst was passiert, wenn die Fruchtblase platzt."
"Warum bist du jetzt so gefühlskalt? Sag mir nicht, dass du- Das hast du nicht getan. H-Harry, deine Augen", stotterte meine Mutter als sie mich richtig ansah. Ich konnte ihre Angst riechen und die Panik an ihren Augen ablesen.
"Los jetzt, oder willst du zwei Tote?!"
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[2579 Wörter 21/04/2021]
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