1. ᴛᴀɢ, ɴᴀᴄʜᴍɪᴛᴛᴀɢ - sᴀʟsᴀ ᴘʀᴏʙᴇ ᴠᴏʟ. 1

"No matter gay, straight, or bi, lesbian, transgendered life. I'm on the right track, baby, I was born to survive" - Born This Way, Lady Gaga

Ich kann die Erleichterung kaum beschreiben, die ich verspüre, sobald ich auf meinem Zimmer bin und mich versichert habe, dass alle Kameras ausgeschaltet sind. Meine Lust, mich hier beobachten zu lassen, am einzigen Ort, wo ich zur Ruhe kommen kann, ist nicht besonders groß und somit bin ich erleichtert über die Option, einfach einen kleinen Privatraum zu haben.

Das Zimmer ist schlicht eingerichtet und besteht aus einem bequemen, großen Bett mit Nachtkästchen, einem Kleiderschrank und einem kleinen Bad, aber ich bin sehr zufrieden damit. Seufzend mache ich mich daran meinen Koffer auszupacken, den man mir hergebracht hat, und drehe jedes einzelne Kleidungsstück nachdenklich in meinen Händen hin und her bevor ich es in den Schrank gebe.

Gerade als ich meine Toilettetasche ins Bad gestellt habe, klopft es heftig an meiner Tür und ich richte noch einmal meine Locken mit einer fahrigen Bewegung, ehe ich mit hämmerndem Herz aufmache und mich mit Louis konfrontiert sehe, der sich gegen den Türstock lehnt und mich von oben bis unten mustert, ohne den Mund für eine Begrüßung aufzumachen.

"Läufst du immer so freizügig herum?", fragt er dann und hebt die Augenbrauen.

"Das ist bloß normale Sommerkleidung", erwidere ich mit trockenem Mund und schlage seine Hand unsanft weg, als er einfach nach meinem Croptop greift.

"Aha", erwidert er unbeeindruckt. "Und wieso bist du angemalt, bist du eine Transe?"

"Ich schminke mich einfach gerne", erkläre ich und kann mein Pech kaum fassen. Gerade ich musste dieses intolerante Arschloch ausfassen.

"Hm", macht er nur und stößt sich vom Türstock ab. Er hat sich ein weißes Tanktop angezogen wodurch mir zum ersten Mal seine Muskeln an den Armen auffallen und ich frage mich, ob er mich wohl hochheben könnte. "Du hast noch nie getanzt?"

"Beim Junggesellinnenabschied meiner Schwester auf dem Tisch in einer Bar. Es war kein sonderlich glamouröser Auftritt", versuche ich mit einer peinlichen Geschichte die Stimmung zu lockern, doch Louis zeigt kaum eine Reaktion.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg nach unten, um unseren Trainingsraum zu suchen, wobei wir von unangenehmer Stille begleitet werden, und ich bin fast froh, als wir auf ein anderes Paar treffen.

Es sind Dwayne und Violet, die ein lustiges Bild abgeben, denn er ist ungefähr dreimal so groß wie sie.

"Geht ihr schon trainieren?", fragt der Hüne und Louis bleibt so abrupt stehen, dass ich beinahe in ihn hineinlaufe.

"Es wäre toll hier zu gewinnen", grinst er und deutet auf mich, als wäre ich ein unbedeutendes Anhängsel. "Und dafür muss ich Harriet ein bisschen drillen."

Dass er mir absichtlich einen weiblichen Namen gibt, stößt mir sauer auf, und er wird mir noch unsympathischer als ohnehin schon.

"Bist du 'ne Frau?", fragt mich Dwayne mit großen Augen und auch Violet sieht jetzt neugierig aus. "Tschuldige, das wusst' ich nicht. Gut, dass ihr's mir sagt."

Mein Glaube an die Menschheit ist noch nicht ganz dahin und diesen Umstand verdanke ich alleine diesem Mann, von dem ich dachte, er wäre einer der ersten, der mich verurteilen würde. Nein, stattdessen ist er froh darüber, angeblich zu wissen, mit welchem Geschlecht ich mich identifiziere.

"Nein, ich bin keine Frau. Und mein Name ist Harry", antworte ich mit Nachdruck, weshalb er zuerst etwas verwirrt und dann fast ein bisschen wütend aussieht.

"Scheiße, Alter. Mach dich nicht über den armen Jungen lustig", fährt er Louis an, der damit offensichtlich nicht gerechnet hat, denn er weiß keinen blöden Kommentar, um wieder cool zu wirken, und setzt stattdessen mit einem Schnauben und Kopfschütteln seinen Weg fort.
"Lass' dich nicht von dem verarschen", richtet Dwayne sich an mich und die braunhaarige Violet neben ihm nickt bekräftigend.

"Ich gebe mein Bestes", verspreche ich, beflügelt von der Unterstützung der beiden, bevor ich Louis verfolge, der ein ordentliches Tempo vorgelegt hat.

Mit einem undeutbaren Blick sieht er mich an, sobald ich zu ihm aufgeholt habe, ehe er eine Tür öffnet, auf der unsere Namen auf einem Schild stehen, und den Blick auf einen großen turnsaalartigen Raum freigibt.

Ich gehe voran und direkt auf das kleine Tischchen zu, auf dem unser gemeinsames Smartphone liegt. Die Tür fällt laut hinter uns ins Schloss und mir wird ein klein wenig mulmig zumute bei dem Gedanken, alleine mit ihm in einem geschlossenen Zimmer zu sein, aber auch wenn er ein absoluter Idiot ist, glaube ich nicht, dass er mir etwas antun würde. Außerdem gibt es hier unten Kameras.

"Kennst du unser Lied? Ich nämlich nicht", sage ich und reiche ihm das Handy, das er mit einem stummen Blick auf meine lackierten Nägel entgegennimmt.

"Nein, ich habe es noch nie gehört", erwidert er dann und schaltet das viereckige Gerät in seinen Händen ein. Es ist nicht mit einem Code gesichert und nebeneinander im Turnsaal stehend durchforsten wir es ein bisschen, doch mehr als eine Musikapp und die Grundfunktionen eines Telefons gibt es nicht.

"Okay, lass mal hören." Er drückt auf den Playbutton und während das Lied läuft, scheint er angestrengt zuzuhören, wobei ihm der Text vermutlich egal ist und er eher auf den Takt und Rhythmus achtet.

Ich hingegegen konzentriere mich eher auf das, was gesungen wird, und finde, dass el Diablo ein toller Kosename für meinen Mensch gewordenen Albtraum in Form von meinem Tanzpartner ist.

"Okay", sagt Louis schließlich und legt das Handy beiseite. "Komm her."

Brav folge ich seiner Anweisung und stelle mich ihm gegenüber.

"Wir tanzen im 4/4-Takt, aber Tanzschritte gibt es immer nur auf drei Schläge. Verstanden?"

"Verstanden schon, aber ich habe keine Ahnung, was mir das sagen soll", gebe ich unsicher zu und er seufzt einmal schwer. "Du hast dich hier angemeldet und gewusst, dass du mit einem Leien tanzen wirst."

"Das ist mir gerade wieder bewusst geworden", gibt er zurück. "Ich habe einfach keinen blassen Schimmer, wie du das in zwei Tagen hinkriegen sollst."

"Ich noch weniger, du schimpfst dich hier Profi."

Schweigend sehen wir uns einen Moment ratlos an, bevor er sich einen Ruck gibt, meine Hand ergreift und die andere auf meine Hüfte legt.

Wegen der plötzlichen Nähe ist mir etwas unwohl zumute, doch damit geht es mir vermutlich gleich wie Louis, denn der räuspert sich beschämt.

"Also, stell dich auf deine Fußballen, wir tanzen nicht mit dem flachen Fuß. Wir lernen zuerst den Grundschritt, der ist nicht so schwer. Du machst mit dem rechten Fuß einen Schritt zurück und trittst dann auf den linken. Wieder mit dem rechten nach vorne und dann gibt es eine kurze Pause. Und dann vorwärts mit dem linken Fuß, zurücktreten auf den rechten und wieder zurück mit dem linken Fuß. Pause."

Mein Kopf schwirrt mir jetzt schon und Louis scheint das zu bemerken.

"Lass es uns einfach mal probieren", schlägt er vor und so versuche ich mich zum ersten Mal an den Salsa-Schritten. "Eins, zwei, drei, Pause. Vier, fünf, sechs, Pause. Nein, das war falsch. Nochmal."

Es ist kein totales Desaster aber gut eben auch nicht wirklich und so machen wir bestimmt eine Stunde lang immer dasselbe. Vor und zurück wackeln wir durch den Raum und irgendwann habe ich den Dreh dann raus.

"Das war gar nicht schlecht", lobt Louis mich völlig unerwartet und wir tauschen einen kurzen Blick. Ganz verloren scheint der Wettbewerb doch nicht.

"Dienstag ist sowieso nur dafür, so viele Startpunkte wie möglich zu bekommen und dem Publikum vorgestellt zu werden", erinnere ich ihn und er nickt.

Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass wir uns gerade gut verstehen, aber die Stimmung ist immerhin nicht so angespannt wie zu Beginn und darüber bin ich froh. Unsere Chancen weiterzukommen stehen zumindest schonmal besser, wenn wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel springen.

"Also, das war natürlich nicht alles, aber zumindest beherrscht du den Grundschritt mehr oder weniger. Lass uns ein paar andere Dinge üben, sonst ist es mit Sicherheit zu langweilig." Louis deutet auf die gegenüberliegende Seite des Turnsaals. "Stell dich mal da rüber und mach mir alles nach, bis ich deine Hand nehme. Dann machst du eine Drehung, so schnell du kannst."

Ich tue wie geheißen und als Louis schnellen Schrittes seitlich auf mich zugeht, mache ich es ihm nach. Dann ergreift er meine Hand und sobald ich zu einer kleinen Pirouette angesetzt habe, zieht er mich so fest und schnell an seine Brust, dass ich förmlich gegen ihn knalle.

"Lehn dich nach hinten, so weit du kannst", fordert er und ich lasse mich so übermütig nach hinten fallen, dass ich wie ein nasser Sack auf den Boden klatsche.

Ein dumpfes Zischen entfährt mir und Louis beugt sich mit einem halbherzig unterdrückten Lachen über mich.

"Hoppla, das war aber nicht sehr graziös", spottet er und als ich keine Anstalten mache, wieder aufzustehen, reicht er mir mit einem Augenrollen die Hand. "Komm schon, Harry."

Wenigstens meinen richtigen Namen benutzt er jetzt.

-

Da raufen sich die beiden also gezwungenermaßen zusammen. Ob Harry den Tanz in so kurzer Zeit lernen wird?

Ich habe übrigens seit gestern mein erstes Tattoo. Danke noch einmal an alle, die damals ihre Meinung zu dem Thema geteilt haben :)

Auf bald
Maybe

[1514 Wörter]

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top