5.3 ~ Cold Hearted Snake


And guess what? I'm having more fun. And now that we're done. I'm gonna show you tonight. ♪♫ (Pink – So What)


Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein Leben wie eine gesprungene Schallplatte an dieser einen Stelle hängt.

„Warte nur – nur eine Minute". Leon wieder. Ich weiß, er will mich nur aufmuntern und ich weiß seine Bemühungen ja auch zu schätzen, obwohl ich ihm am liebsten gleichzeitig „lass es, dein Versuch ist schon beim ersten Mal voll in die Hose gegangen" zurufen würde. Denn, ehrlich gesagt, was soll das bringen? Meine Bänder haben sie zwar zusammengeflickt, nicht aber mein Herz. Sinnlos, die Scherben auch nur halbwegs zusammensetzen zu wollen. Ein Teil wird für immer fehlen, egal wie sehr du danach suchst. Aber was habe ich auch anderes erwartet - nach dem Anschiss, den Vivien vor ihrem Rauswurf über sich ergehen lassen durfte?

Dass sie angekrochen kommt und mich anbettelt, es noch einmal miteinander zu probieren? Dass sie um uns beide kämpft? So, wie ich es vielleicht versucht hätte, wenn es von Viviens Seite nur ein kleines Zeichen der Reue gegeben hätte. Doch dass Viviens Nummer auf meinem Smartphone stumm blieb, war eine Sprache, die leider nur allzu deutlich war. Was sollte das nächtelange Grübeln, wenn ich am Ende doch wieder zum selben Ergebnis kam?

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff!

Es kann gar nicht anders sein. Schon allein, weil ich sie weder blockiert oder mich jemand auf einen anderen Planeten gebeamt hatte. Wenn sie nur gewollt hätte... Vielleicht traf mich deshalb ihre Funkstille bis ins Mark, wo es so richtig weht tat. Tief hinein in die Zentrale, von der aus der Schmerz durch mein ganzes System jagt, glühend heiß und leuchtend rot, so lange, bis nur Asche zurückbleibt. Nur hat mir niemand gesagt, wie lange es dauert, bis dieser Punkt erreicht ist. Tage? Wochen? Mona-

Der Knall von der vibrierenden Tischplatte reißt mich aus meiner Gedankenspirale; lässt mich zusammenzucken, als hätte in der Wohnung gegenüber gerade jemand einen Schuss abgefeuert. Doch es ist nur Leon, dem meine Verstörung anscheinend pupsegal ist, sonst würde er nicht mit seinem Smartphone in der Luft ungeduldig vor mir herum wedeln.

„So, mein Freund. Jetzt habe ich mir das Drama lange genug angeguckt..."

Oh nein, bete ich, nicht diese Leier, die man sonst nur in schlechten RomComs sieht. Aber da Beten bei mir noch nie was gebracht hat, hätte ich diese Hoffnung am besten gleich im Keim ersticken sollen. Das hätte mir unnötiges Zittern erspart.

„... aber irgendwann muss auch mal gut sein."

Was jetzt kommt, war ja so klar wie Kloßbrühe.

„Glaubst du echt, dass ich noch länger Bock habe, für dich den Babysitter zu spielen?"

Huch, das sind ja ganz neue Töne. Ich muss aus der Wäsche geguckt haben wie jemand, der nicht mehr alle Latten am Zaun hat, was Leon nicht unbedingt gnädiger stimmt.

„Ich hab dir neulich erst gesagt, dass mir dein Selbstmitleid schon lange zum Hals raushängt. ‚Früher oder später ist bei mir Schluss mit..."

Schluss mit lustig? Ganz hinten in meinem benebelten Hirn spüre ich, wie langsam irgendwelche Rädchen anfangen, sich zu drehen. Kann es sein, dass da so was war? Wenn ja, habe ich wahrscheinlich nicht so genau hingehört oder seine Worte für leeres Geschwätz gehalten. Oder ich war mit Medikamenten zugedröhnt oder besoffen... Oder alles auf einmal.

„... lustig' - das hab ich dir nicht nur einmal gesagt. Aber irgendwann ist der Moment erreicht."

Kurze Pause. Leon holt tief Luft, um zum finalen Schlag auszuholen: „Und der Moment ist jetzt."

Der Moment ist jetzt? Klar. Wann denn auch sonst? Natürlich jetzt – wo es mit meiner Karriere gelaufen ist. Wie konnte ich auch so blöd sein, zu glauben, mein bester Freund hätte vor, mich mit Samthandschuhen anzufassen! Natürlich nicht. Darauf, dass er mir sein Smartphone in die Hand drückt und mir als erstes irgendeinen Instagram-Feed präsentiere, war ich jedoch nicht gefasst.

„Irgendeinen Instagram-Feed, Mann? Irgend einen?"

Leons ungläubiges Kopfschütteln zeigt mir, dass meine Gedanken mal wieder schneller waren als ich auf meinen Krücken.

Vor Inbetriebnahme des Mundwerks: Hirn einschalten.

„Du hast echt keine Ahnung. Oder? Hier!"

Leon hat sich längst zu mir aufs Sofa geschwungen und damit angefangen, sich durch den gesamten Feed zu scrollen. Kaum fällt mein Blick ungehindert auf die gestochen scharfen Bilder, denke ich, mich trifft der Schlag. Egal, welcher Paparazzi hier am Werk war – vor mir sehe ich Vivien, wie sie leibt und lebt. In ihren knallroten Lackpumps. Am Arm des Typen, dem der Instagram-Feed gehört. Sein entsetztes „Irgend einen?" hätte sich Leon im Prinzip auch sparen können. Schon allein wegen des Namens, den er kurz darauf gerade noch so laut, dass er die ganze Zeit durch meine Hirnwindungen geistert, hinterher geschoben hat.

Jovanovic. Zlatko Jovanovic.

Als ob ich nicht wüsste, wer das ist. Jeder, der Ahnung vom Fußball hat, weiß das. Jeder. Ausnahmslos. Zlatko Jovanovic, früherer Spieler und hoffnungsvoller Nachwuchs in der zweiten Riege des BVB, jetzt Talentscout für die ganz großen Vereine, nicht nur für den BVB; also genau der, den Coach Reinhardt zu unserem vorzeitig beendeten Training eingeladen hatte.

Sagte ich jeder und ausnahmslos? Wer Ahnung vom Fußball hat? So, wie es aussieht, andere auch. Auch die, die sich mit Fußball nicht auskennen? So wie Vivien... Weiß der Geier, wann die beiden sich kennengelernt haben, und vor allem wo. Doch noch bevor ich mir Vivians Instagram-Account vornehmen und noch tiefer in diesen gigantischen Haufen Müll eintauchen kann, klappt Leon das Teil zu und verstaut es in seiner Geäßtasche.

„Ganz ehrlich? Soll ich dir sagen, was ich über diese eiskalte Schlange denke?"

Nichts gegen Ehrlichkeit beim Verkünden der Wahrheit, ich wünschte nur, Leon hätte sie mir schonender beigebracht. In guten wie in schlechten Zeiten? Die Wahrheit so vor Augen geführt zu bekommen, setzt dem, was ich seit Wochen durchmache, noch einen extra drauf. In guten Zeiten? Auf jeden Fall - doch wie es jetzt wohl aussieht, eher nicht in den schlechten. Sonst hätte sie sich doch nicht gleich den nächsten gesucht. Aber vielleicht geht das auch schon länger, und ich-

„Sei froh, dass du diese Goldgräberin los bist!"

Goldgräberin... eiskalte Schlange...

Bäm! Da ist er, der absolute Tiefschlag.

Und er kündigt den nächsten Hammer an, der kommt, wenn du am Boden liegst und denkst, dass es nicht noch schlimmer werden kann. Denn wenn ich eines weiß, dann das: Es kann. Vor allem, wenn ich an die supertollen Vorschläge denke, mit denen die sogenannten besten Freunde in Filmen meistens um die Ecke kommen. Hoffentlich hat Leon nicht auch diese sensationelle Idee, die ganze Nacht lang durch die Clubs dieser Stadt zu ziehen und irgendeine flachzulegen, nur damit ich meine „Ex", wie er sie nennt, aus dem Kopf kriege.

Schon erschreckend, wie ich ihn bereits jetzt schon einschätze? Seit wann traue ich ihm so einen Bullshit zu? Wissen doch wir beide, dass am Ende solche Pläne hinten und vorne nicht aufgehen. Allerdings habe ich mir viel zu früh Sorgen gemacht, denn so wie es aussieht, verfolgt Leon eine komplett andere Strategie. Eine, die mich allerdings überhaupt nicht beruhigt. Bei weitem nicht.

Denn ihm genügen drei Worte, um mich ins Bild zu setzen: Geld oder Liebe.

Es gibt keinen besseren Weg, ihr zu zeigen, wie egal sie dir in Wirklichkeit ist.

Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sie davon nichts mitbekommt? Nach einigem Hin und Her war es dann doch dieser eine Satz, mit dem Leon mich überzeugt hat, wie cool es doch wäre, wenn ich mich für diese Kuppel- und Spielshow am Samstagabend bewerben und ihr so mental den Stinkefinger zeigen würde. Ganz egal, ob sie mich nehmen oder nicht.

Hauptsache, ich denke mal an was anderes. Der mentale Stinkefinger... die Idee hat was. Und nun steht Leon doch tatsächlich in meinem Wohnzimmer, während wir dieses Gespräch führen, weil „es" geklappt hat.

„Iiiiiiiiiiich?" kommt es in gespieltem Erstaunen von ihm zurück. Anscheinend muss ich laut gedacht haben. „Nee.... Du!"

Jetzt fühle ich mich tatsächlich wie eine gesprungene Schallplatte.

Angenommen. Ich. Gut, dass ich mich inzwischen wieder gefangen habe und nur noch eines tun kann: nachzufragen, wann es denn losgeht. Eigentlich überflüssig, aber genau das kommt mir als erstes in den Sinn. Stellen wir uns einfach mal ganz dumm. Denn wenn ich richtig mitgezählt habe, steht das Jubiläum schon bald vor der Tür. Was es nicht besser für mich macht, wenn ich an die Frage denke, die wie der berüchtigte rosa Elefant im Raum steht.

Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

A/N: Bevor ihr jetzt anfangt, zu googeln: Den Namen für den Talentscout habe ich mir nur ausgedacht. Es gibt zwar einen Zlatko Jovanovic, aber der ist Basketballspieler und hat mit Fußball nichts am Hut; genauso wenig wie ich.



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